Duisburg, 10. Februar 2015 - „Herr Piroll,
Herr Piroll“, mahnt sein Psychotheraupeut – wahrscheinlich
der, der dafür gesorgt, dass Urban Priol Freigang aus der
Anstalt bekam, und jetzt seinen „ganz normalen Wahnsinn“ in
der Rheinhausen-Halle treiben darf. „Jetzt“ heißt sein neues
Programm – mit dem er üblicherweise fünf Minuten später
anfängt, „um noch die neusten Meldungen aus der Tagesschau
mit reinzunehmen.“
Denn zeitaktuell entwickelt sich
ein politisches Kabarett auf dem Niveau eines Dieter
Hildebrandt, das Urban Priol genauso erscheinen lässt wie
den Meister der politischen Satire selbst, nämlich als
getriebenen und durchgedrehten Durchschauer der Dinge, der
sich aber seiner Ohnmachtsposition bewusst ist. So ist nicht
nur sein geblümtes Endzeit-Flower-Power-Hemd
mitleiderregend, sondern die Figur selbst. Und spätestens
als er blökend und wild muhend auf den Beistelltisch springt
und „Mööh“ ins Publikum macht und erklärt: „Das ist Om
rückwärts gesprochen!“, er habe es in seiner Yoga-Gruppe
gelernt, hilft kein Therapeut mehr – er bringt es aber
damit auf den Punkt: Dass die politischen Zusammenhänge der
Welt nicht mehr zu verstehen sind.
Diese
Zusammenhänge bis zu einem gewissen Punkt zu entwirren,
daran arbeitet er fast drei Stunden - bis sein
Weizenbier längst unter den gleißenden Scheinwerfern
ungenießbar geworden ist: „Jetzt haben die neue Minister in
Griechenland, die keine Krawatte tragen“, ereifert er sich.
Die Begegnung von Finanzminister Varoufakis und Wolfgang
Schäuble wurde so zum „Clash of Civilization“, aber genauso
seien die Krawattenträger von Banken wie Goldman Sachs für
die Eurokrise verantwortlich.
Während „Hoeneß bei
seiner Verhandlung mit dreieinhalb Jahren Freiheitsentzug am
Landgericht München mal so eben durchgewinkt wurde, zog sein
Kollege Middelhoff ne lange Flappe. Er musste zum Gericht
nach Essen“, spottet Priol über ungleiche Maßstäbe in der
Jurisdiktion. Immer wenn er Bundespräsident Gauck ins
Spiel bringt, redet er verworren von „Freiheit“, bei Angela
Merkel fällt seine Kinnlade konsequent nach unten. „Die ist
bald zehn Jahre im Amt – das heißt dann wohl Stock-
oder Besenhochzeit!“, frotzelt er.
Pegida gefalle ihm
als Splitterpartei: „Ich glaub, die zerlegen sich gerade in
MOB Deutschland I bis V.“ Natürlich auch die
Selbstmordattentäter des Islamischen Staates bekommen es ab:
„Kein Wunder, dass die 72 Jungfrauen brauchen – wenn die als
Puzzle oben ankommen.“ Seine Pointen sitzen, aber da er
umtriebig wie „Professor Hastig“ über die Bühne wirbelt,
sind die mehr als 800 Zuschauer immer neu getroffen von
seinen Geistesblitzen.
Zentrales Thema bei Priol
bleibt aber die Unfähigkeit der Politik und ihrer Akteure,
die von einem Posten verdrängt, schon wieder in einer neuen
Position ans Licht kommen: „Wir haben bald wieder den
Kalten Krieg, die Eurokrise – aber wir haben die Schwarze
Null und keine Neuverschuldung dank Schäuble.“ Erzählt
man einem Politik verdrossenem 16-Jährigen, nachdem er die
Ohrenstöpsel seines mp3-Players herausgenommen hat: „Komm
her, ich schenke dir einen ausgeglichenen Staatshaushalt!“,
da könne man besser direkt ein Bier trinken gehen.
Das tat Urban Priol anschließend, aber ein frisch gezapftes
bitte...
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