Duisburg, 30. Juni 2015 - Sein Programm heißt „Liebe“. „Das
hieß schon so, als Bill Clinton an der Macht war – das wird
auch noch unter Hillary so sein“, scherzt Hagen Rether. Der
inzwischen vollbärtige Essener Kabarettist ändert den
sinngebenden Namen nicht mehr.- denn irgendwie, meint man,
verbreitet er diese auch unter den 650 Zuschauern in der
Rheinhausen-Halle. Mit einer gelassenen Distanz, quasi
unaufgeregt, erklärt er süffisant, aber liebevoll
politische Zusammenhänge – auf eigenen Pfaden abseits
der Nachrichten aus „Tagesschau“ und N24. Und hält den
Menschen den kabarettistischen Spiegel vor – auch wenn nur
das silberne Armband seiner Uhr immer wieder ins Publikum
funkelt.
„Die Schemata sind seit Jahren
die gleichen, lediglich die Namen werden ausgetauscht“,
erklärt der Mann mit dem Pferdeschwanz, treibt mal eben den
Pädophilen Edathy, den verschwenderischen Ex-Bischof Tebartz-van
Elst oder den „bärtigen Islamisten“ über die Bühne und
erklärt den Zuschauern: „Das sind aber nur
Randerscheinungen, die eigentlichen Probleme befinden sich
dahinter - in den Wohnzimmern.“
In seinem Programm gemahnt
er zu mehr Gelassenheit: Menschen würden gestresst eine
tagelange Flugreise nach Tibet in Kauf nehmen, um dann
völlig abgehetzt bei einer „Trekking-Tour in Tibet“ einem
60-jährigen „total relaxten“ Mönch beim Klöppeln
zuzuschauen. Spitzfindig wettert er gegen das Turbo-Abitur:
„Die Leute werden heute 100 Jahre alt, was sollen die schon
mit 17 Jahren außer Schule raus sein? Man reißt doch auch
nicht bei einem Baum zuerst die Wurzeln aus.“ Deswegen
gebe es in Freiburg schon die ersten Studentenelternabende –
wegen der Schwemme im Stadion des Scs. „Das ist ja kein
Wunder, dass wir so viele ADHS-Kinder in den Kitas haben,
wenn bei der Erzieherin zum dritten Mal Depressionen
diagnostiziert wurden“, spottet Rether und beruft sich auf
den zeitgenössischen Lebenslauf „G8-Bachelor-Burnout“.
Spießbürger, Doppelmoral,
Bigotterie, „Veggieday“ - dem begegnet der 46-Jährige mit
Hohn aus dem Off: er tut so, als ob alle Katastrophen wie
Islamischer Staat und Fukushima vorhersehbar gewesen seien,
aber aufgrund der demokratischen Trägheit der Bürger nicht
verhindert werden sollten. „Das Gute an einer Demokratie ist
aber, du kannst dir aussuchen, wer dich verarscht“, sagt er
gelassen. Still wird es im Publikum, als er von jungen
Deutschen erzählt, die jetzt gerade in den Dschihad, den
heiligen Krieg des Islams, ziehen „700 kleine Kevins, die da
gerade für einen Irrsinn in Syrien morden – da müssten wir
doch bereit sein, die Flüchtlinge in deren frei gewordenen
Kinderzimmern aufzunehmen!“ Irgendwie helfe die Todesstrafe
für diese Selbstmordattentäter nicht. „Ein
schwäbischer Konvertit spart sich die 72 Jungfrauen, die ihn
dann im Paradies erwarten, bestimmt erst Mal auf“, lacht Rether und die Zuschauer mit ihm.
Regelrechte Fans sind Christian
und Kornelia Ludwig aus Moers, die Rether bereits zum
fünften Mal erlebten: „Wir denken schon ziemlich kritisch,
aber uns hält er auch noch mal den Spiegel vor.“ Auch wenn
nur die Armbanduhr funkelt - nach vier Stunden gibt es dann
ein Stück vom Mann am Klavier...
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