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Hagen Rether und 'Liebe'
Hohn und Spott aus dem „Off“
Stephan Sadowski

Duisburg, 30. Juni 2015 - Sein Programm heißt „Liebe“.
„Das hieß schon so, als Bill Clinton an der Macht war – das wird auch noch unter Hillary so sein“, scherzt Hagen Rether. Der inzwischen vollbärtige Essener Kabarettist ändert den sinngebenden Namen nicht mehr.- denn irgendwie, meint man, verbreitet er diese auch unter den 650 Zuschauern in der Rheinhausen-Halle. Mit einer gelassenen  Distanz, quasi unaufgeregt,  erklärt er süffisant, aber liebevoll politische Zusammenhänge – auf eigenen Pfaden abseits  der Nachrichten aus „Tagesschau“ und N24. Und hält den Menschen den kabarettistischen Spiegel vor – auch wenn nur das silberne Armband seiner Uhr immer wieder ins Publikum funkelt.

„Die Schemata sind seit Jahren die gleichen, lediglich die Namen werden ausgetauscht“, erklärt der Mann mit dem Pferdeschwanz, treibt mal eben den Pädophilen Edathy, den verschwenderischen Ex-Bischof Tebartz-van Elst oder den „bärtigen Islamisten“ über die Bühne und erklärt den Zuschauern: „Das sind aber nur Randerscheinungen, die eigentlichen Probleme befinden sich dahinter - in den Wohnzimmern.“

In seinem  Programm gemahnt er zu mehr Gelassenheit: Menschen würden gestresst eine tagelange Flugreise nach Tibet in Kauf nehmen, um dann völlig abgehetzt bei einer „Trekking-Tour in Tibet“ einem 60-jährigen „total relaxten“ Mönch beim Klöppeln zuzuschauen. Spitzfindig wettert er gegen das Turbo-Abitur: „Die Leute werden heute 100 Jahre alt, was sollen die schon mit 17 Jahren außer Schule raus sein? Man reißt doch auch nicht bei einem  Baum zuerst die Wurzeln aus.“
Deswegen gebe es in Freiburg schon die ersten Studentenelternabende – wegen der Schwemme im Stadion des Scs.
„Das ist ja kein Wunder, dass wir so viele ADHS-Kinder in den Kitas haben, wenn bei der  Erzieherin zum dritten Mal Depressionen diagnostiziert wurden“, spottet Rether und beruft sich auf den zeitgenössischen Lebenslauf „G8-Bachelor-Burnout“.

Spießbürger, Doppelmoral, Bigotterie, „Veggieday“ - dem begegnet der 46-Jährige mit Hohn aus dem Off: er tut so, als ob alle Katastrophen wie Islamischer Staat und Fukushima vorhersehbar gewesen seien, aber aufgrund der demokratischen Trägheit der Bürger nicht verhindert werden sollten.
„Das Gute an einer Demokratie ist aber, du kannst dir aussuchen, wer dich verarscht“, sagt er gelassen. Still wird es im Publikum, als er von jungen Deutschen erzählt, die jetzt gerade in den Dschihad, den heiligen Krieg des Islams, ziehen „700 kleine Kevins, die da gerade für einen Irrsinn in Syrien morden – da müssten wir doch bereit sein, die Flüchtlinge in deren frei gewordenen Kinderzimmern aufzunehmen!“ Irgendwie helfe die Todesstrafe für diese Selbstmordattentäter  nicht. „Ein schwäbischer Konvertit spart sich die 72 Jungfrauen, die ihn dann im Paradies erwarten, bestimmt erst Mal auf“, lacht Rether und die Zuschauer mit ihm.

Regelrechte Fans sind Christian und Kornelia Ludwig aus Moers, die Rether bereits zum fünften Mal erlebten: „Wir denken schon ziemlich kritisch, aber uns hält er auch noch mal den Spiegel vor.“ Auch wenn nur die Armbanduhr funkelt - nach vier Stunden gibt es dann ein Stück vom Mann am Klavier...