Duisburg, 29. Juni 2015 - Gisela
Pietzonka ist eine Krankenschwester mit einer speziellen
Palliative Care-Ausbildung. Seit sechs Jahren pflegt sie
Schwerstkranke zu Hause oder in stationären
Pflegeeinrichtungen. Für den palliativen Pflegedienst
medidoc Gmbh fährt sie mit dem Dienstfahrzeug zu Patienten
in Duisburg. Sie hat viele Menschen sterben sehen.
„Manchmal leben die Menschen nur noch ein paar Tage,
manchmal ein halbes Jahr, wenn ich sie das erste Mal gesehen
habe. Es ist eben die letzte Station – aber sie können zu
Hause bleiben“, sagt sie. Heute fährt sie zu vier Patienten
im Duisburger Westen. Nachdem sie schon zwei in Rumeln
versorgt hat, geht es jetzt nach Rheinhausen-Mitte.
Der Vater einer türkischen Großfamilie befindet sich in
einer palliativen Situation. Schwester Gisela wahrt die
Gebräuche der türkischen Kultur, streift sich vor dem
Betreten der Wohnung Plastikschuhe über. Die ganze Familie
hat sich versammelt. Die Söhne, die selbstständig sind,
haben sich extra frei genommen. Heute wollen sie ihren Vater
zur Bluttransfusion auf die Onkologiestation eines Essener
Krankenhauses bringen.
„Das hilft ihm doch,
Schwester Gisela?“, fragt einer der Söhne hoffnungsvoll. „Es
wird ihm gut tun“, bleibt Schwester Gisela sachlich.
„Wichtig ist, dass wir das machen, was sich ihr Vater in
seiner Lage wünscht“, erklärt sie der Familie, die jetzt im
Wohnzimmer sitzt, wo zentral das Krankenbett steht. Der
türkische Mann ist vielleicht Ende 50. Er leidet unter
Luftnotattacken, die auf einen Tumor zurückzuführen sind. In
den Lungen sammelt sich viel Flüssigkeit, die mit der
Lungendrainage zwei mal pro Tag ausgeführt wird. Oft klagt
er über Schmerzen. In der NaCl-Flüssigkeit, die über eine
Portanlage läuft, wird Morphin je nach Höhe der Schmerzen
dosiert.
„Ja, dann muss aber einer von Ihnen langsam
den Transportschein abholen. Die Arztpraxis macht gleich
zu!“, delegiert die Schwester beim Verbandswechsel. „Bin
schon unterwegs“, ruft der älteste Sohn und verschwindet.
Die Schwiegertochter fragt: „Was können wir machen, mein
Schwiegervater hat einen so trockenen Mund?“. „Sie können
ihm vielleicht eine Mundpflege mit Kamillentee machen, das
wäre ein Versuch wert. Oder es mal mit Butter oder Nutella
probieren. Das wichtigste ist die ständige Befeuchtung der
Mundhöhle“, reagiert Schwester Gisela schnell. Nachher
sagt sie: „In solchen Situationen ist es wichtig, sehr
mitfühlend auf die Angehörigen einzugehen. Ihnen Aufgaben zu
geben, so dass sie selbst ihre Wichtigkeit im Pflegeprozess
erkennen.“
Es ist ein vertrauensvolles Verhältnis.
Die Familie duzt Schwester Gisela in der Anrede, bleibt aber
förmlich beim Sie. Dann macht sie noch die Dokumentation
über den Laptop. Daraufhin sind alle Informationen sofort
für alle Pflegekräfte und Ärzte, die in der Versorgung
involviert sind, verfügbar und der Krankentransport wird
geregelt. Nach fast einer Stunde verabschiedet sich die
Krankenschwester höflich von dem türkischen Mann und seiner
Familie, erntet dabei noch ein kurzes Lächeln und weiter
geht es. „Wir nehmen uns die Zeit für den Patienten, die wir
brauchen“, erklärt sie.
Beim nächsten Patienten,
wieder in Rumeln, ist eine Bauchfellentzündung im Rahmen
einer Tumorerkrankung festgestellt worden. In seiner
Bauchhöhle sammelt sich Flüssigkeit, die Schwester Gisela
über eine spezielle Drainage täglich ablässt. In der Nacht
hat er über Schmerzen geklagt. Der diensthabende SAPV-Arzt
hat ihn besucht und kurzfristig ein Schmerzmedikament
angesetzt. „Wie würden sie denn ihre Schmerzen heute
morgen einschätzen?“, fragt sie den etwa 60-Jährigen. „Drei
bis vier“, antwortet der schwach wirkende Mann. „Heute Nacht
waren es noch sechs bis acht auf der Schmerzskala“, stellt
sie fest. „Dann hat das Medikament erst mal gewirkt.
Trotzdem werden wir Sie weiter im Auge behalten.“
Die Beobachtung des Patienten ist wohl das Wichtigste, was
eine SAPV-Schwester leisten muss. „Wir müssen immer
schauen, in welchem Zustand er sich befindet – und der kann
sehr schnell kippen“, weiß Gisela Pietzonka. Kurz nach eins
fährt sie zu einer Patientin nach Schwafheim – die hat
Scheidenkrebs. Um 14 Uhr ist Übergabe auf der anderen
Rheinseite und Gisela Pietzonka kann mit Kollegen über das
Erlebte reden...
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