Duisburg, 15. Mai 2015 - Gerade
rechtzeitig sei man fertig geworden, das Publikum hörte
förmlich die Stoßseufzer: „Heute morgen haben wir noch die
letzten Reste von den Wänden geschrubbt“, sagte Ingo Pügner
vom Kulturtreff Alte Dorfschule zur Eröffnung seines neuen
„Kulturspielhaus“, und meinte damit auch seinen Sohn Tim,
der tatkräftig beim Umbau mithalf. 120 Zuschauer fanden sich
in einem geräumigen weitläufigen Saal direkt neben der
alten Adresse wieder, mit fest installierten Bühnenaufbauten
und Beleuchtungstechnik, sowie moderner Theke in der
hinteren Ecke – ursprünglich war der Raum ein altes Kino an
der Rumelner Dorfstraße, das sogenannte „Lichtspielhaus“,
daher die Namenswandlung zu „Kulturspielhaus“.
„Lediglich die Toiletten sind noch nicht fertig geworden“,
schmunzelte Pügner. So war es nur folgerichtig, dass Sia
Korthaus die neue Spielstätte mit ihrem Programm „Sorgen,
mache ich mir morgen!“ einweihen durfte.
Denn mit
diesen irdischen Problemen hat die extraterrestrische
Kleinkünstlerin ziemlich wenig am Hut: mit einem riesigen
Raumschiff, das aussieht wie ein nachgebautes Fliwa-Tüt, und
mit einem viel zu großem Raumanzug landet sie zum „Zeitseeing“
in die Jetztzeit. Denn sie sei aus dem Jahr 2054 angereist:
„Und ich kann Ihnen sagen, diese Zeitreisen sind ein echter
Hit, Hauptanbieter ist All-Tours!“, verrät die blonde
Künstlerin. Wichtig sei ihr persönlicher Live-Chip, der als
Yin und Yang-Symbol auf ihrem silbernen Overall prangt. „Da
sind alle meine persönlichen Daten drin“, sagt Sia Korthaus.
Ja ,und viel habe sich nicht verändert in der Zukunft:
„Horst Seehofer ist immer noch Ministerpräsident von Bayern,
hat aber den Starnberger See zumauern lassen, damit ihm
nicht das Schicksal von König Ludwig widerfahre“, höhnt sie.
Und die viel besprochenen Google-Brillen, als Neuheit im
Computersegment, seien schon längst „Auslaufmodelle“: „Wir
haben hier alle schon Kontaktlinsen, Google-Lens, ein
Doppelzwinkern und schon machen die einen Selfie!“, kichert
die Kabarettistin und macht sich einen Spaß daraus, wenn
irgendwo im Publikum ein Glas zerbricht: „Huch, das war
schon wieder google-lens!“
Es ist Sia Korthaus
stetiger Charme, mit dem sie ihr Publikum fesselt, und wenn
sie dann noch ihren „Zeittaxifahrer in Teilzeit“, die
wuschelige Handpuppe Herrn Olschewski, in bester
Bauchrednermanier nur unwesentlich tiefer in der Alttonlage
spricht und ihn dabei „berlinern“ lässt, glauben ihr
auch viele im Publikum, dass der Flughafen
Berlin-Brandenburg vor dem Jahr 2054 tatsächlich fertig
geworden ist. Nur, es gäbe dort keine Kunden mehr für ihn,
denn Berlin und ganz Europa sei entvölkert. Körperlichen
Sex, den gäbe es nicht mehr, Sex in Autos sowieso nicht,
denn wie schön sei der Sex in den alten VW-Käfern in den
60er-Jahren noch gewesen: „Heutzutage gehen bei jeder
falschen Bewegung kurz vorm Höhepunkt sofort die Air-Bags
auf – und am Ende meldet das Navi mit einem höhnischen
Ton noch: „Ihre Rute ist berechnet!““, lacht Korthaus.
Eine Paraderolle ist sicherlich, wenn sie mit gebeugtem
Körper die alte Oma spielt, die in ihr google-gesteuertes
Eigenheim über die Katzenklappe kurz unter dem Dach
einsteigen will, weil ihre google-Linsen einen Defekt hatten
– dabei von der Feuerwehr mit „Rücken“ gerettet werden muss.
„Alzheimer als Ausrede“ – das zähle in google-Zeiten längst
nicht mehr. Und gesanglich unterhält sie ihr Publikum mit
feinsten Chansons - beim Stück „Ballantine's Day“, einer Ode
an den Alkoholkonsum, trägt sie ihr Haar zum Schluss
zerzaust und offen. Stichwort „Toilette“: Die Zuschauer
konnten natürlich noch die Örtlichkeiten in der alten
Spielstätte benutzen...
|