Duisburg, 09. November 2015 - Seine Stimme ist Romantik pur.
„Wir werden heute aber nicht nur romantische Lieder spielen
– manche sind hyperromantisch“, sagt Midge Ure eingangs
seines Konzerts in der Rheinhauser Erlöserkirche und viele
der 650 Zuschauer können sich ein Lachen nicht verkneifen.
Nostalgische Momente, denn in den 80er-Jahren zählte seine
Band „Ultravox“ zu den prägenden Musikgrößen der aus England
stammenden New-Wave-Bewegung. Sie hatten Welthits, die immer
nah am großen Pathos waren – mit einer gehörigen Portion
Weltschmerz, allerdings ohne zu schmalzig zu sein.
Diesen Drahtseilakt schaffte die Band vielleicht nur wegen
des großartigen Sängers Midge Ure. Sein Spiel ist die
Koketterie mit diesem Halbtonverfärbten Weltschmerz, ohne
sich allerdings vollkommen in ihm zu ergehen - und das
merken die Zuhörer in der Erlöserkirche direkt bei dem
ersten Song, den er spielt. „Breathe“ ist der Titelsong
seines Albums Mitte der 90-er Jahre.
„Eigentlich war
das Lied schon gefloppt“, verrät Midge Ure und deutet auf
seine Armbanduhr, „dann wollte die Schweizer Firma „Swatch“
den Titel für einen Werbespot haben.“ Wahrscheinlich, weil
die Menschen in der Alpenrepublik langsamer ticken: denn es
entsteht eine Ballade, in der der 62-jährige Sänger sein
ganzes Stimmvolumen entfalten kann: die Oktavsprünge landet
er noch im höheren Alter sicher und spinnt die typischen
lyrischen Bögen, wie sie vielleicht nur der andere große
Tenor im Popgeschäft der 80er-Jahre, Freddy Mercury von
Queen, meistern konnte Vor allen Dingen im
Zusammenspiel mit seinen jungen Mitstreitern von India
Electric Co, Cole Stacey und Joseph O'keefe, entstehen feine
halbakustische Momente, wenn Midge Ure seinen warmen,
manchmal schneidenden Tenor, in deren wundervoll
harmonisches Melodiespiel, getragen von Violine, Akkordeon
oder Mandoline, einbettet.
„Es ist mir eine
Herzensangelegenheit auch Lieder, die mehr als 20 Jahre alt
sind, mit diesen jungen Musikern zu spielen“, sagt Midge Ure
und sofort zieht er die 650 Zuhörer mit diesem Herzenswunsch
in seinen Bann. Er greift auf sein Urheberrecht zurück und
kramt den Welthit „Fade to Grey“ von Visage hervor, den er
mitgeschrieben hatte -„ein Song aus der Zeit, in der ich
noch volles Haar hatte“, - während im Hintergrund Joseph
O'Keefe dazu sein Akkordeon filigran auf- und zuzieht, statt
gewohnter wabernder minimalistischer Synthi-Klänge der
New-Romantic-Bewegung. „Dear God“ aus dem Solo-Album
„Fragile“ wird zu einer Anrufung an eine höhere Macht – vor
allen Dingen, weil jetzt die Akustik der Erlöserkirche die
Phrasen des schottischen Sängers schwingen lässt. Feinste
Pizzicati von Mandoline und Violine tragen seine Stimme und
die Hymne „Live forever“, die ohne weiteres als Titel-Track
für eine weitere „Highlander“-Verfilmung dienen könnte,
reißt die Zuhörer zu einem ersten Beifallssturm hin. Solide
Songwriterkunst gibt es dazwischen, Titel wie „Become“ und
„So long“ haben starke Momente – ohne die ganz großen
Gefühle.
Die gibt es dann zum Schluss, als Midge Ure
die Akkkorde zu „Vienna“ auf der Gitarre anstimmt,
honorieren es die Zuhörer mit einem aufbrausendem
Johlen. Und sofort schießt er seinen Solo-Welthit „If I was“
nach und bewegt sich auch am Ende des Sets noch sicher
in schwebenden stimmlichen Höhen.
„Ich möchte aber
weiterhin Abstand zum Musikgeschäft halten, das jedes Jahr
nach Größen wie „Led Zeppelin“ und „Jimi Hendrix“ sucht“,
sagt er zum Schluss fast kleinlaut. „All fall down“ klingt
wie eine wehmütige Abrechnung. Und vielleicht ließ er gerade
deswegen seinen Mega-Hit „Dancing with tears in my Eyes“ aus
der Ultravox-Phase weg – die Zuschauer jedenfalls
verschütteten darüber keine Träne. Stehende Ovation.
Besonders froh war Jutta Fricke aus Rheinhausen mit ihrem
Sohn David. „Mein Mann hat mir zum Geburtstag eine
Konzertkarte geschenkt, und – Wahnsinn – das war ein
Super-Konzert!“
Schüler Patrick Krampitz: „Ein
schönes Konzert, einige Titel kannte ich auch.“
Und
Veranstalter Lars Berndt konstatierte: „Es waren mehr
Zuschauer, als ich gedacht habe, einige Karten sind noch
über die Abendkasse gelaufen.“
Im Vorprogramm
spielten Cole Stacey and Joseph O'Keefe als India Electric
Co. eigene Titel, darunter auch eine Mega-Version von Bruce
Springsteens' „I'm on fire“.
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