Duisburg,
14. Oktober 2015 - Da rappt ein Junge aus Serbien am
Mikrofon, da bläst der kleine Alexander aus Mazedonien zum
ersten Mal ins Flügelhorn: und tatsächlich entstehen Töne,
die sich wie ein kleines Trompetensolo anhören. Der
vielleicht Sechsjährige zeigt erste Bühnenpräsenz und spielt
direkt mit Profimusikern wie dem ehemaligen Leiter des
Baerl-Orchesters, Frank Bergmann, am Saxophon und dem
Jazz-Musiker Tim Isfort am Bass - auf einer kleinen
Auftrittsfläche am Ende des Wendehammers der Baerler
Kastellstraße.
Musik verbindet in dieser Session beim
großen Nachbarschaftsfest, das Tim Isfort jetzt am Sonntag
vor seinem Haus ausgerichtet hat. Im Vorfeld habe er andere
Organisationen angesprochen, wie die evangelische Kirche
Baerl und den Arbeitskreis des Flüchtlingsheims an der nahen
Voßbuschstraße, die auch sofort bei diesem Projekt
aufgesprungen sind. In der Nachbarschaft wurden Einladungen
zu diesem Event verteilt, so dass sich etwa 200 Gäste am
Morgen in der verkehrsberuhigten Kastellstraße tummeln.
„Wir wollen mit diesem Event ein schönes Miteinander in
der Nachbarschaft entwickeln und Vertrauen zu den neuen
Nachbarn, den Flüchtlingen, schaffen. Wir hoffen damit,
eventuelle Vorurteile durch die direkte Begegnung ausräumen
zu helfen“, erklärt Tim Isfort. „Ich finde es schön, dass
sich viele Nachbarn hier engagieren und Spaß haben.“
Einer von ihnen ist Mario Mathwig. Zusammen mit seiner Frau
hat er Bierzeltgarnituren zur Verfügung gestellt: „Ich finde
es eine Superidee so ein Fest zu veranstalten und denke, es
ist sehr gelungen.“ Es duftet nach Falafeln, jeder hat etwas
mitgebracht, die Flüchtlinge bieten Spezialitäten aus ihren
Herkunftsländern an langen Gartentischen an. Und es
gibt eine Torwand, auf die gerade Jugendliche aus Eritrea
schießen.
Biniam Bonuretsien ist ein Flüchtling aus
diesem Krisenstaat Afrikas und sagt mit schon sehr gutem
Deutsch: „Ich bin seit 15 Monaten in Deutschland, meine
Flucht hierhin hat sechs Monate gedauert. Meine
Cousine und ich sind in einem langen Marsch zum Sudan
gelaufen und von dort mit einem völlig überfüllten Pick-Up
nach Libyen gefahren, da waren 35 Menschen dabei.“
Auf dem Boot übers Mittelmeer seien es 350 gewesen, erzählt
der ehemalige LKW-Fahrer aus Erithrea. Momentan macht er
seinen zweiten Deutsch-Kurs bei der VHS. In dem
Flüchtlingsheim an der Voßbuschstraße lebe er in einem
kleinen Zimmer mit seiner Cousine: „Das ist nur drei mal
drei Meter groß“, sagt er. Seine Frau und drei Kinder habe
er in Eritrea zurückgelassen.
Kinder aus
unterschiedlichen Ländern haben sich spontan
zusammengeschlossen und verteilen Süßigkeiten an die
Erwachsenen – große, lächelnde Kulleraugen bieten
Gummibärchen und Schokoriegel an. Später tanzen alle
Nationalitäten, jung und alt, gemeinsam einen Kreistanz zu
einer weltmusikalischen Hymne, die aus den Boxen schallt.
Eine Gruppe jesidischer Christen aus dem Irak hebt
fast geschlossen den Daumen nach oben, auf die Frage, wie es
ihnen hier gefällt. Dann führen Frauen aus Eritrea einen
folkloristischen Tanz auf.
Beim Arbeitskreis des
Flüchtlingsheims Voßbuschstraße ist Kerstin Schulze
engagiert. Sie hilft in der Frauengruppe mit bei
Behördengängen und Übersetzungen und sagt: „Wenn man sich
kennt, dann vertraut und achtet man einander. Das wollen wir
mit dieser Aktion erreichen.“ Auf dem Heimweg befinden sich
gerade Christian und Anja Lertz: „Es war ein schönes Fest
und ein gutes Miteinander. Gerade unser Hund war ein
Wellenbrecher, über ihn sind wir mit vielen Flüchtlingen in
Kontakt gekommen.“
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