Duisburg, 02. März 2016 - Eine Kamera-Führung wie im „Blair
Witch Project“. Die anfängliche Geist-Szene kommt noch
heftiger, als es in der Oscar prämierten „Hamlet“-Verfilmung
mit Laurence Olivier aus dem Jahr 1948 schon gruselt. Hilmi
Sözer ist nicht nur der „Hodscha“ in der ARD, er ist auch
„Hamlet“. Langsam erkennen die etwa 60 Zuschauer im
Komm'a-Theater sein Gesicht auf der Videoleinwand, auf die
die wackeligen Selfie-Aufnahmen projiziert werden. Ein
Gesicht, das so breit grinsen kann, wenn es von „Rummenigge,
Özil, Götze, Toor, Toor, wir sind Weltmeister“, schwärmt,
aber gleichzeitig in tiefe Sorgenfalten stürzt, wenn es
grübelt: „Was in Deutschland passiert ist, würde anders
beurteilt werden, wären wir nicht Weltmeister.“ Stutzen im
Publikum, jetzt geht es ans Eingemachte, an
Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Hoyerswerda, Mölln, an die
dortigen Brandanschläge.
Das Stück „Hamlet, die
Zschäpe und ich“ nimmt Fahrt auf, es ist eine Abrechnung mit
der Doppel-Moral über die Verschwiegenheit der Deutschen und
ihrer Politik bezüglich der Übergriffe auf Ausländer. Hilmi
Sözer will den Diskurs auf Biegen und (Er)brechen - denn das
könnten manche Zuschauer im Publikum, müssten sie nicht
stoßseufzerartig Lachen. Beate Zschäpe erscheint als
Ophelia, die nicht nur Hamlet, Prinz von Dänemark, vollends
durch ihren Selbstmord in den Wahnsinn treibt, sondern
genauso im realen Prozess ein ganzes Volk in der
Wahrheitsfindung lähmt – wer steckt wirklich hinter dem
NSU-Terror, der erst im November 2011 durch den scheinbaren
Selbstmord der Schergen Mundlos und Böhnhardt sein Ende
nahm, die mal eben zu Rosencrantz und Güldenstern, den
„Auftragskillern“ aus dem Shakespearschen Drama
umfunktioniert werden.
„Wie kann es sein, dass die
Blutflecken im Wohnmobil bei deren Leichen, in eine ganz
andere Schussrichtung zeigten, als bei einem Selbstmord
möglich“, fragt er entsinnt ins Publikum.
„Ob's edler
ist im Gemüt....boah ey, das könnte jetzt vier Stunden
dauern, bevor dieser Hamlet jetzt irgendwas macht“, raunzt
Sözer missmutig ins Publikum. Hilmi Sözer drückt auf die
Vorspultaste, liefert zeitnah Geschichte im
Schnelldurchgang, zitiert diesen modernen Hamlet, geprägt
von einem Ödipus-Komplex „Ich bin immer zu meiner Mutter ins
Zimmer geflüchtet, als mein Vater uns verprügeln wollte“,
stößt er atemlos hervor - ein Motiv für einen Mord
hätte er also auch. Doch den schustert er lieber anderen
Instanzen zu, dem Onkel Claudius als Drahtzieher des Dramas,
und huscht wieder zurück in die Realität. „Man sollte
mal genau schauen, welcher Politiker seit den Vorfällen 1992
immer wieder die Fäden in der Politik gezogen hat“,
fokussiert er seine Verdachtsmomente. Derjenige, hätte
„seine Hausaufgaben“ in all den Regierungen, an denen er
beteiligt gewesen sei, jedenfalls „gemacht“, so spottet er.
„Eine Frau, die schweigt, gibt den falschen Männern
recht“, dieses Zitat, das Autor René Linke seinem
Hamlet unterjubelt, wird zur Schlüsselstelle des kleinen
Kammerspiels.
„Wen deckt die Zschäpe durch ihre
Nichtaussage, was will sie vertuschen“, will Hilmi Sözer
vehement wissen, während sich ihr Bild wie eine Prima
Ballerina Ophelien gleich um ihre eigene Achse dreht auf der
Videoleinwand und daneben Jugendaufnahmen von ihren
Komplizen geistern.
„Merkwürdig nur, dass mögliche
Zeugen unter sehr dubiosen Umständen ihr Leben verloren
haben, kurz bevor sie im Prozess zum NSU-Terror aussagen
konnten“, sagt Hilmi Sözer hinterher.
Da ist doch
was faul im Staate Dänemark, äh Deutschland....was soll's -
viele Akten zum Prozess sind eh verschwunden, der „Hamlet“
hingegen bleibt in den Bibliotheken als Kulturerbe erhalten
und.klar: „Der Rest ist Schweigen!“ heißt es ja schon in dem
Klassiker...
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