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Traumzeitfestival im Duisburger Landschaftspark
Altbackenes statt Neues

Heribert Herwig

Duisburg, 22. Juni 2016 - Nicht wesentlich Neues brachte das Traumzeitfestival im Duisburger Landschaftspark. Wenn man bedenkt, dass jeder der sogenannten Headliner mindestens zwanzig Jahre Musikgeschichte auf dem Buckel hatte, war die „Traumzeit“ nicht unbedingt ein Festival, das maßgebend für den aktuellen Sound am Puls der Zeit sein kann.

Genauer gesagt, es schwebt im Retro. Künstler, die ihre musikalische Stilrichtung den Jugendlichen in der ersten Reihe erklären wollen, untermauern diese Aussage geradezu: „Hip-Hop ist das, was eure Eltern gehört haben, als sie euch gezeugt haben“, sagt Tobias Schmidt (Der Tobi) von Fünf Sterne Deluxe am Sonntagabend über ihre Musik. Noch Fragen?

Am Ende gehen die Hände

Allerdings wächst so eine Fangemeinde mit und spätestens bei „Bass-Bass-Wir brauchen Bass“, gehen die Hände in die Höhe, neue Songs verpuffen eher in der Potpourri-Melange der Hamburger Hip-Hopper. „Nordisch by Nature“ wollen die Leute lieber hören, hat wenigstens Wiedererkennungswert. Und ob die etwa 1500 Zuschauer ihres Konzert es wirklich witzig fanden, dass der andere Rapper Mirko Bogojevic (Das Bo) im Tutu über die Bühne lief, sei dahingestellt: mit über 40 Jahren geht der Trend wohl eher zum Fremdschämen, als dass man es noch für sich selbst tut.

Und auch was AIR aus Frankreich danach in der Gießhalle spielten, lag mindestens zwanzig Jahre zurück, es war so, als ob sie ihr damaliges Erfolgsalbum aus dem Jahr 1998 „Moon Safari“ so konserviert hatten, dass jeder Song ihres Konzerts minimalistisch interpretiert von ihm stammen könnte. Abgesehen vom Vocoder verzerrten Gesang blieb die Band sprachlos, keine Interaktion mit dem Publikum. Steril und ganz in Weiß, wie eine Spandau-Ballet-Kopie aus den 90er-Jahren kamen die vier Musiker rüber, unemotional, zwar spieltechnisch perfekt, letztendlich ohne Esprit blieb ihre Musik.

Aus der Hamburger Schule des Lebens

Hoffnungsschimmer war aber der Auftritt von Tocotronic am Samstagabend, ähnlich wie letztes Jahr noch das Konzert der Österreicher „Bilderbuch“ an gleicher Stätte. Die vier Mitbegründer der Hamburger Schule ließen es richtig krachen. Das Motto hieß „Let there be rock“, keine Keyboards – Gitarren waren angesagt.

Als „ewiger Stenz“ inszenierte sich Sänger Dirk von Lowtzow, galant und immer selbstironisch führte er durch das vielschichtige Programm, in dem vielleicht noch mehr Songs der beiden letzten Alben platziert hätten werden können (Wie wir leben wollen, 2013 Rotes Album 2015). Tocotronic haben es in über 20 Jahren Bandgeschichte nicht versäumt, sich immer wieder neu zu definieren.

Klasse einfach, die Up-Tempo Nummer „Zucker“ aus dem „Roten Album“ und in diesem Sinne schwebt auch die ewige Koketterie mit den ganz Großen des Rockgeschäfts durch die luftige Gießhalle, „Hey-Hey-My-My“ wird in einen Song hineinzitiert, mal steht der Sänger und Gitarrist da wie einst Pete Townshend von The Who, wenn er versucht die Gitarre mit Windmühlenflügeln zu spielen. Das allerdings bleibt Pose, denn wichtiger sind die Aussagen ihrer Songs „Samstag ist Selbstmord“ oder „Was du auch machst, mach es nicht selbst“ - zeitlose, wirklich witzige Texte mal dargeboten im Punk-Fahrwasser oder eingebettet im Rock, bei denen selbst noch das Ü-30 Publikum, wenn schon nicht mittanzen, so doch schmunzeln konnte.

Am Ende wirkt der ganze Auftritt wie ein Gesamtkunstwerk, als Tocotronic es bei „Explosion“ richtig krachen lassen im zischenden Stroboskopgewitter – und danach so surreal wie im Film Noir der Chanson „Die großen weißen Vögel“ der vergessenen deutschen, inzwischen fast 80-jährigen Sängerin Ingrid Caven als Outro durch die Gießhalle klingt.


Und was am Fühlinger See in Köln jahrelang gelang, geht auch unweit des Tauchbassins im Landschaftspark. Wenigstens hat der „Summer Jam“ erprobte Sänger Patrice warmen Sonnenschein, als er seine Hits auf der Cowperplatz-Bühne open air spielt. Und Reggae begeistert die Zuhörer immer, dabei tanzen noch mal knapp 1000 Besucher im Freien – zu Songs, die aber ebenfalls mindestens zehn Jahre zurückliegen und manche dachten vielleicht noch an das verblichene Reggae-Festival „City-Jam“ im Landschaftspark....


Alle hier besprochenen Bands lobten die einzigartige Location des Duisburger Landschaftsparks
Über 14.000 Besucher habe die Spielstätte am Wochenende gehabt, auch „wegen eines schönen Sonntags“, wie Frank Jebavy vom Veranstalter sagte. Mehr als 4000 Karten seien verkauft worden für die über 30 Konzerte an den drei Tagen.

Am Freitag spielten noch andere Dinos aus dem Rockbusiness – Dinosaur JR, eine amerikanische Post-Grunge-Band aus den 90er-Jahren, die noch mit Nirvana oder Pearl Jam auf so manchem Festival-Plakat standen, daneben gab es viele unbekanntere Künstler und Geheimtipps. Jochen Distelmeyer von Blumfeld trat leider zeitgleich mit Tocotronic am Samstagabend in der Gebläsehalle auf. Es gab noch eine Newcomer-Talent-Stage mit Nachwuchsbands für das Laufpublikum, das Festival wurde traditionell vom Homberger Knappenchor eröffnet.