Duisburg, 29. April 2022 - Vielen
Familien mit Pflegebedürftigen erscheint es als ideale
Lösung: Eine Betreuung im eigenen Zuhause, rund um die Uhr
gewährleistet durch ausländische Haushalts- und
Betreuungskräfte, wie es von vielen Agenturen angeboten
wird.
Doch Vorsicht: „Das vermeintliche
Rundum-Sorglos-Paket ist in der Regel eine Mogelpackung und
die Werbung oft in doppelter Hinsicht irreführend“, sagt
Harald Rahlke von der Beratungsstelle Duisburg. Die
Verbraucherzentrale NRW zeigt auf, welche Annahmen falsch
sind und wie eine gute Betreuung zu Hause organisiert werden
kann.
Irrtum 1: „24-Stunden-Pflege“ gilt
rund um die Uhr Die Bezeichnung
„24-Stunden-Pflege“ ist verbreitet, aber falsch. Denn
niemand kann, darf und soll 24 Stunden zur Verfügung stehen.
„Das deutsche Arbeitsrecht lässt eine durchgängige
Tag-und-Nacht-Betreuung durch eine einzige Person nicht zu“,
sagt Susanne Punsmann, Pflegerechtsexpertin der
Verbraucherzentrale NRW. „Das Bundesarbeitsgericht hat im
Juni 2021 in einem Urteil klargestellt, was schon lange
gilt: Eine tatsächliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist von
einer Person alleine nicht zu leisten.“ Die Arbeitszeit,
einschließlich der Bereitschaftszeit, darf durchschnittlich
acht Stunden am Tag bei einer Sechstagewoche nicht
überschreiten. Als Bereitschaftszeit gilt nicht der einzelne
Einsatz, sondern zum Beispiel die ganze Nacht, wenn die
Betreuungskraft nachts bei einem Toilettengang helfen soll,
sich also an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort
aufhalten muss, um im Bedarfsfall unverzüglich die Arbeit
aufnehmen zu können.
Irrtum 2:
„24-Stunden-Pflege“ ist Pflege und Betreuung Die
ausländischen Haushalts- und Betreuungskräfte, so der
korrekte Fachbegriff, sind in der Regel keine ausgebildeten
Pflegekräfte. Sie dürfen deshalb explizit keine medizinische
Behandlungspflege übernehmen. Nur ausgebildete
Pflegefachkräfte dürfen Verbände wechseln oder Spritzen
geben. Im Pflegealltag sind in der Regel ambulante
Pflegedienste dafür zuständig. Die Betreuungskräfte können
lediglich grundpflegerische Tätigkeiten etwa beim Waschen
oder Duschen übernehmen und im Alltag helfen, beim Essen und
Trinken oder beim An- und Auskleiden. Sie erledigen Arbeiten
im Haushalt wie kochen, putzen oder einkaufen. Die
wichtigste Aufgabe jedoch ist die Betreuung. Die
Betreuungskräfte lesen vor, begleiten bei Spaziergängen und
nehmen mit der pflegebedürftigen Person Termine wahr. Sie
ermöglichen so die Teilhabe am sozialen Leben.
Irrtum 3: „24-Stunden-Pflege“ gibt es von der
Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung zahlt
nicht für eine ausländische Haushalts- und Betreuungskraft.
Pflegebedürftige können jedoch einen Teil dieser Kosten
durch ihr Pflegegeld decken. Der Lohn muss mindestens dem
deutschen Mindestlohn entsprechen, auch wenn die Kräfte von
ausländischen Unter-nehmen nach Deutschland entsandt werden.
Meist stammen die ausländischen Haushalts- und
Betreuungskräfte aus Ost- oder Südosteuropa. Sie alle haben
ein Anrecht auf sämtliche in Deutschland geltenden
Arbeitneh-merschutzrechte und auf einen angemessenen Lohn,
egal ob sie aus Polen, Rumänien oder aus der Ukraine kommen.
Mehr Informationen zur Finanzierung und eine unabhängige
Beratung zur Pflegeversicherung bieten
Pflegeberatungsstellen der Kommunen oder Pflegestützpunkte.
Irrtum 4: „24-Stunden-Pflege“ macht andere Pflege
überflüssig Ausländische Betreuungskräfte können
immer nur ein Baustein in der Versorgung Pflegebedürftiger
sein. Die Pflegeversicherung bietet jedoch Möglichkeiten für
weitere Hilfen. Eine Unterstützung durch Verwandte,
Nachbarn, Minijobber oder auch Betreuungsdienste ist
möglich. Spätestens ab Pflegegrad 3 sollte ein ambulanter
Pflegedienst eingebunden werden. Dieser rechnet direkt mit
der Pflegekasse ab. Wer mit Pflegegrad 2 bis 5 zu Hause von
Angehörigen, Freunden oder Nachbarn gepflegt wird, kann
dafür das Pflegegeld verwenden, das je nach
Unterstützungsbedarf gestaffelt ist."
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