BZ-Home Duisburg tagesaktuell Sonderseiten - Fotostrecken und mehr

 

BZ-Sitemap







 

Mercatorhalle: Löcher statt Brandschutz
Der Betroffenheits-Rundgang

Harald Jeschke, Jochem Knörzer , Manfred Schneider (Foto)

Duisburg, 28. August 2012 - Die Stadt hatte zur Mercatorhalle eingeladen und viele folgten dem Ruf.

Die Brandschutzproblematik, die zur Schließung der Mercatorhalle und der angrenzenden Tagungs- und Konferenzbereiche geführt hat, wurde im Rahmen einer Begehung des Objekts sichtbar gemacht.

V. l.: Experten wie Uwe Rohde, Geschäftsführer des Immobilien-Management Duisburg, Markus Fuchs, Sachverständiger des TÜV Rheinland, Bernhard Kersting,  Brandschutzsachverständiger für den Hochbau der Firma Kersting + Gallhow Architekten,  und Andreas Baldus, Mitarbeiter des Immobilien-Management Duisburg, erläuterten den zahlreichen Medienvertretern vor Ort die aufgefundenen, Leben gefährdenden Mängel.
Bei turnusgemäßen Kontroll- und Prüfarbeiten stießen die Prüfer des TÜV Rheinland immer wieder auf nicht ordnungsgemäß verschlossene Wanddurchführungen. Diese offenen Schlitze machen aus einer F90-Wand - eine Wand, die 90 Minuten einem Feuer standhalten muss - eine "Nullnummer".

Diese Wanddurchführungen, hier in der Decke im Foyer mit nichtbrennbarer Steinwolle nachträglich ausgestopft, waren nicht verschlossen

Schlamperei, war der erste Gedanke der aufkam. Im Stress der termingebundenen Fertigstellung übersehen.
Weitere Überprüfungen - ca. 40 Revisionsklappen, um Funktions- und Regeleinheiten in Wänden und Decken erreichen zu können, waren vorhanden - offenbarten weitere offene Wanddurchführungen in Brandschutzwänden.

Aus den 40 Klappen wurden 200 und mehr, bis schließlich ganze Decken geöffnet, auch Lüftungskanäle demontiert wurden.
Und immer wieder wurden unverschlossene Wanddurchführungen gefunden, auch hinter Lüftungskanälen, die an der Wand anlagen.
"Da war klar, dass wir es mit einer Systematik zu tun hatten. Der OB wurde informiert und es kam zwangsläufig zur Schließung der Mercatorhalle, der kleineren Veranstaltungshalle, der Tagungsräume, der VIP-Lounge sowie Büros der Duisburg Marketing Gesellschaft", erklärte Uwe Rohde, Geschäftsführer des Immobilien-Management Duisburg.

Weitere Ausführungsfehler kamen ans Licht. So wurden Deckenabhängungen an Trägerelementen der Lüftungskanäle befestigt. Dieses ist nach den 'Technischen Regeln', auch aus brandschutztechnischer Sicht, unzulässig.

Das runde Rote auf dem Foto ist ein Rauch-/Brandsensor. Leider noch mit der Rohbau-Schutzhaube versehen ...
Nicht nur bei der Ausführung, auch bei der Abnahme der Gewerke muss geschlampt worden sein.

Die aufgedeckten Decken ließen die Medienvertreter ahnen, um welche Dimension der systematisch weggelassenen Brandschutzeinrichtungen es ging
Hier ist mit dem Leben vieler Besucher gespielt worden. Im Brandfalle hätte das Feuer die Möglichkeit gehabt, durch die nicht F90-verschlossenen Wanddurchführungen in die Fluchtwege einzudringen. Und das schneller als die Menschen laufen könnten.
Verursacht durch eine Reihe von Fachleuten, die die Gewerke ausgeführt und mittels 'Fachunternehmer-Bescheinigung' die ordnungsgemäße Ausführung bescheinigt hatten, durch Gutachter und Sachverständige, die die Leistungen geprüft, abgenommen und per Testat bestätigt hatten und dem Bauherrn, der Stadt Duisburg, so geprüft übergeben hatten.
Das alles regeln übrigens die Paragrafen 81 und 82 der Landesbauordnung.

"Die vorliegenden Testate sind bis auf kleinste Details dokumentiert. Wir haben alle Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert, aber noch keine Anzeige gestellt", so Uwe Rohde ergänzend. 

Horst B., ein ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Duisburg, war Projektleiter im Auftrag des Bauherrn Stadt Duisburg gewesen. Von ihm hatte sich die Stadt bereits vor geraumer Zeit auch wegen anderer Vorwürfe getrennt.
Spielte hier Geld oder in erster Linie der enorme Zeitdruck des Fertigstellungstermins bei dieser Menschen bedrohenden Systematik eine Rolle?
Welche Kosten nun für die Sanierung anfallen werden ist noch völlig offen. Erst wenn alles genau vorliegt, ist das abschätzbar. Und an eine Wiedereröffnung kann im Moment nur, in vielleicht vier bis sechs Wochen, bei der kleineren Veranstaltungshalle, den Tagungsräumen und Büros gedacht werden, so Uwe Rohde vorsichtig abschätzend.

Auszug Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW) § 82 BauO NRW(Gesetz) - Landesrecht Nordrhein-WestfalenBauzustandsbesichtigung
(1) Die Bauzustandsbesichtigung zur Fertigstellung des Rohbaus und der abschließenden Fertigstellung genehmigter baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen (§ 63) wird von der Bauaufsichtsbehörde durchgeführt. Die Bauzustandsbesichtigung kann auf Stichproben beschränkt werden und entfällt, soweit Bescheinigungen staatlich anerkannter Sachverständiger nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 gemäß § 72 Abs. 6 vorliegen. Bei Vorhaben, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren (§ 68) genehmigt werden, kann die Bauaufsichtsbehörde auf die Bauzustandsbesichtigung verzichten.
(2) Die Fertigstellung des Rohbaues und die abschließende Fertigstellung genehmigter baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen (
§ 63 Abs. 1) sind der Bauaufsichtsbehörde von der Bauherrin oder dem Bauherrn oder der Bauleiterin oder dem Bauleiter jeweils eine Woche vorher anzuzeigen, um der Bauaufsichtsbehörde eine Besichtigung des Bauzustandes zu ermöglichen. Die Bauaufsichtsbehörde kann darüber hinaus verlangen, dass ihr oder von ihr Beauftragten Beginn und Beendigung bestimmter Bauarbeiten von der Bauherrin oder dem Bauherrn oder der Bauleiterin oder dem Bauleiter angezeigt werden.
(3) Der Rohbau ist fertiggestellt, wenn die tragenden Teile, Schornsteine, Brandwände und die Dachkonstruktion vollendet sind. Zur Besichtigung des Rohbaus sind die Bauteile, die für die Standsicherheit und, soweit möglich, die Bauteile, die für den Brand- und Schallschutz wesentlich sind, derart offen zu halten, dass Maße und Ausführungsart geprüft werden können. Die abschließende Fertigstellung umfasst die Fertigstellung auch der Wasserversorgungsanlagen und Abwasseranlagen.

Kommentar von Harald Jeschke
Schlimme Ereignisse, ja Katastrophen besonderer Art hat diese Stadt in den letzten Jahren zuhauf hinnehmen müssen. Immer wieder stand Duisburg bedauerlicherweise nicht nur bundesweit in den Schlagzeilen. Nun wird eine Menschenleben missachtende Systematik deutlich, die zur größten Katastrophe hätte führen können.
Vielleicht hat Duisburg hier einfach nur Glück gehabt, dass im Zuge der allgemeinen Nachprüfungen zum Brandschutz auch eine erst kürzlich eingeweihtes Gebäude geprüft worden ist.
In diesem besonders schweren Fall muss in jedem Fall das höchstmögliche Maß an Strafe bei allen dann juristisch nachweislich festgestellten Beteiligten festgelegt werden. Es gilt auch ein Zeichen zu setzen.