
|
Mitten aus dem Leben - Urteile und Tipps zu §§
D.A.S.
Rechtsschutzexperten erläutern Rechte der Verbraucher
|
|
März 2014
|
Streik bei der Lufthansa:
Flugpassagiere nicht rechtlos
Die Piloten der Lufthansa
heben – laut Ankündigung – am Donnerstag mit ihren
Fliegern nicht ab. Mit ihrer Arbeitsniederlegung
wollen sie Forderungen nach Anhebung der Gehälter und
Beibehaltung der bisherigen Betriebsrenten
bodenständig Nachdruck verleihen. Damit Reisende
angesichts von streikbedingten Flugausfällen oder
Verspätungen nicht aus allen Wolken fallen, erklärt
die Verbraucherzentrale NRW nachfolgend die Rechte
der Passagiere: · Streichung des Fluges:
Wird der Flug wegen der Arbeitsniederlegung ganz
gestrichen, muss die Airline nach der EU-Verordnung
für Fluggastrechte die Passagiere per Ersatzflug zum
Ziel befördern. Dies dürfte unter den gegebenen
Umständen allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt
möglich sein. Alternativ kann der Reisende bei
Annullierung des Fluges vom Luftbeförderungsvertrag
zurücktreten und sich den Flugpreis erstatten lassen.
Ausgleichszahlungen braucht die Fluggesellschaft nach
bislang überwiegender Ansicht nicht zu leisten. Ob
dies bei einem Streik eigener Leute zutrifft, ist
umstritten. Nach Auffassung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.08.2012, Az X ZR
138/11 und X ZR 146/11) ist eine Fluggesellschaft bei
Streiks des eigenen Personals zu Ausgleichsleistungen
nicht verpflichtet, wenn sie alle zumutbaren
Maßnahmen ergriffen hat, um Flugannullierungen zu
vermeiden. Ob beim jetzigen Streik eine solche
Entlastung möglich ist, könnte strittig werden.
· Verspätung des Fluges: Startet die Maschine
wegen des Streiks erst verspätet, haben Reisende nach
der europäischen Fluggastrechte-Verordnung bei
Abflugsverzögerungen von zwei Stunden (Kurzstrecken
bis 1.500 Kilometer), drei (Mittelstrecken bis 3.500
Kilometer) beziehungsweise vier Stunden
(Langstrecken) Anspruch auf kostenlose Betreuung. So
hat die Airline auf Wunsch der Passagiere für
Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche,
Telexe, Faxe oder E-Mails sowie für notwendige
Hotelübernachtungen inklusive Transfer zu sorgen. Wer
die Reise nicht mehr antreten will, kann bei einer
mindestens fünfstündigen Flugverspätung darauf
pochen, das Geld dafür zurückzubekommen.
Ratgeber /
Neuerscheinung
27.03.2014
Achtung, Zucker! Süße Fallen in der täglichen
Ernährung Nicht nur Kuchen, Kekse und
Schokoriegel enthalten viel Zucker und gehören
deshalb nicht täglich auf den Speiseplan. Auch
vermeintlich gesunde Lebensmittel wie Fruchtsäfte,
Müslis oder Milchprodukte entpuppen sich oft als
Zuckerbomben. Denn den Zuckergehalt ihrer Produkte
verschleiern viele Hersteller dadurch, dass sie neben
dem Haushaltszucker Saccharose auch andere Arten wie
Glukose oder Fruktose einsetzen. Oder sie nutzen
Süßstoffe wie Stevia oder Austauschstoffe wie Sorbit.
Wer auf Süßes nicht verzichten, sich aber gesund
ernähren möchte, findet Tipps im Ratgeber „Achtung,
Zucker!“ der Verbraucherzentrale NRW. Das neu
erschienene Buch trägt den Untertitel „36
Zuckerfallen, die jeder kennen sollte, und die besten
Alternativen“ und zeigt, wie viel Zucker wirklich in
Fruchtjoghurts, Limonaden oder Feinkostsalaten
steckt. Direkt neben diesen nach Produktgruppen
geordneten Informationen findet der Leser jeweils
passende Tipps und Rezepte für eine zuckerarme
Ernährung. Der Ratgeber kostet 8,90 Euro und ist in
der Beratungsstelle Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Str.
30 erhältlich. Für zuzüglich 2,50 Euro (Porto und
Versand) wird er auch nach Hause geliefert. Die
Lektüre gibt’s auch als E-Book für 7,49 Euro.
Bestellmöglichkeiten: Versandservice der
Verbraucherzentralen, Himmelgeister Straße 70,
40225 Düsseldorf, Internet: www.vz-nrw.de/shop, Tel:
(02 11) 38 09-555, E-Mail: ratgeber@vz-nrw.de, Fax:
(02 11) 38 09-235
Regeln für die Bepflanzung
von Garten und Balkon Nicht alles, was den Garten-
oder Balkonbewohner erfreut, gefällt auch seinem
Nachbarn. Für Mieter ist es ratsam, zuerst einen
Blick in den Mietvertrag und in die Hausordnung zu
werfen. Für Wohnungseigentümer empfiehlt es sich, die
Teilungserklärung, die Gemeinschaftsordnung sowie die
Gebrauchs- und Nutzungsregelungen nochmals zu lesen,
denn: „Aus diesen Vorgaben können sich Rechte und
Pflichten im Hinblick auf die Balkon- und
Terrassennutzung ergeben“, so Michaela Zientek,
Juristin der D.A.S. Rechtsschutzversicherung.
Schatten im Gartenparadies?
Auch junge Bäume oder
Sträucher – nicht zu vergessen deren Wurzeln – werden
mal groß. „Ob die Gehölze dann geschnitten oder sogar
entfernt werden müssen, entscheidet das jeweilige
Landesrecht“, erklärt die Rechtsexpertin der D.A.S.
„Um diesen Ärger zu vermeiden, sollten sich
begeisterte Gärtner daher zunächst im
Nachbarrechtsgesetz ihres Bundeslandes (im Internet
zu finden), bei der Gemeinde oder der Stadt nach den
zulässigen Höhen für Bäume, Sträucher oder Hecken
erkundigen. Einige Nachbarrechtsgesetze gewähren
dem Nachbarn einen Anspruch auf Beseitigung oder
Rückschnitt von allzu grenznahen Bäumen und
Sträuchern mit einer gewissen Höhe.“
Grenzabstände von Sträuchern sind in den meisten
Bundesländern vorgeschrieben. Der Mindestabstand
liegt zum Beispiel in Sachsen für über zwei Meter
hohe Bäume oder Sträucher bei zwei Metern. Wer das
nicht berücksichtigt und sich uneinsichtig zeigt,
muss mit einer Klage rechnen. Zur Selbsthilfe darf
der Nachbar hier aber nicht greifen. In anderen
Fällen ist das Recht zur Selbsthilfe jedoch
ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen: Wenn nämlich über
die Grenze wachsende Pflanzen die Nutzung des
Nachbargrundstücks beeinträchtigen. Dies kann eine
Verschattung oder das Anheben von Gehwegplatten durch
Wurzeln sein (Paragraph 910 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Achtung: Abgeschnitten werden darf nur, was über den
Zaun wächst – auf keinen Fall darf das
Nachbargrundstück betreten werden. Und zuvor muss dem
Eigentümer des Baumes eine angemessene Frist gesetzt
werden, um das Problem selbst zu beseitigen (LG
München I, Az. 15 S 7927/00). Zusätzlich ist generell
beim Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen die
kommunale Baumschutzverordnung zu beachten. Übrigens: Auch hinter
Sichtschutzzäunen dürfen die Pflanzen oder Bäume
nicht unbegrenzt in die Höhe wachsen: So entschied
das AG München, dass Gehölze (zumindest in Bayern)
auf die Höhe des Zaunes zurückgeschnitten werden
müssen (Az. 173 C 19258/09)! Eine Übersicht der
Abstandsvorschriften in den einzelnen Bundesländern
bietet die D.A.S. auf
www.das.de/das/abstandsvorschriften.
Blumen am Balkon Pflanzenfreunden ist es
natürlich gestattet, Blumenkübel auf dem Balkon
aufzustellen und Blumenkästen zu befestigen. „Die
Bepflanzung darf aber die Wohnungsnachbarn nicht
wesentlich beeinträchtigen. Auch die Rechte des
Vermieters dürfen nicht verletzt werden“, ergänzt die
D.A.S. Expertin. Das bedeutet konkret: Pflanzengitter
und Rankhilfen sind auf dem Balkon einer Mietwohnung
nur gestattet, solange das Mauerwerk nicht erheblich
beschädigt wird. Stark wuchernde Pflanzen wie
Knöterich und Geißblatt können kahle Wände zwar
wunderschön begrünen, klettern aber schnell über die
Rankgitter hinaus und machen sich auf Nachbars
Terrain breit. Deshalb sollten sie von Zeit zu Zeit
großzügig beschnitten werden. Efeu benötigt zwar
keine Kletterhilfe, die „Haftwurzeln“ an der Mauer
sind aber später schwer zu beseitigen. Dies kann beim
Auszug aus einer Mietwohnung zum Problem werden. Ob
die Blumenkästen außerhalb oder innerhalb der
Balkonbrüstung hängen dürfen, ist nicht immer
eindeutig: Das Landgericht Berlin (Az. 65 S 40/12)
entschied, dass der Vermieter aus Gründen der
Verkehrssicherheit das Aufhängen der Kästen an der
Außenseite des Balkons verbieten darf. Das
Landgericht Hamburg (Az. 316 S 79/04) dagegen
erlaubte Blumenkästen außerhalb der Brüstung. Wichtig
ist in diesem Fall laut der D.A.S. Juristin, „dass
die Kästen auch bei einem Unwetter nicht
herunterfallen und Passanten gefährden können.
Außerdem sollten Balkonbesitzer vermeiden, dass die
Nachbarn der darunter liegenden Balkone beim
Blumengießen mit bewässert werden!“
|
|
|
Mietminderung bei Lärm? Lärm
ist nicht Lärm „Es kann der Frömmste nicht in
Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt.“ Das über
200 Jahre alte Zitat von Friedrich Schiller gilt ohne
Einschränkungen auch für aktuelle Nachbarschaftsverhältnisse:
Knapp die Hälfte der Deutschen fühlt sich von ihren Nachbarn
gestört. Lärm spielt dabei eine große Rolle. Egal, ob es sich
um die staubsaugende Nachbarin, das Gitarrenspiel aus dem
Dachgeschoss oder den Baulärm von der Straße handelt: Über
Geräusche im Alltag lässt sich trefflich streiten. Wann Lärm
von den Gerichten als Mietmangel anerkannt wird und in
welcher Höhe die Miete gemindert werden darf, zeigt die
D.A.S. Rechtsschutzversicherung. Nicht jeder Lärm
ist verboten. „Kritisch wird es bei Lärm, der nicht
ortsüblich ist, vermieden werden könnte oder stört, wie zum
Beispiel die regelmäßige Samstagsparty der Nachbarn bis 4 Uhr
früh in einem Mietshaus“, erläutert Anne Kronzucker, Juristin
der D.A.S. Rechtsschutzversicherung. Doch welche Geräusche
müssen Nachbarn nun ertragen und bei welchen akustischen
Belästigungen liegt ein Mangel der Wohnung vor?
Wann ist Lärm ein Mangel? Wenn die sogenannte
„Tauglichkeit“ der Wohnung gemindert ist (§ 536 BGB), dann
liegt ein Wohnungsmangel vor. Solange dieser Mangel besteht,
muss der Mieter auch nur eine geminderte Miete zahlen. Dies
gilt jedoch nicht für sogenannte „unerhebliche Minderungen“:
„Bei der Abwägung, ob ein Mangel des Mietobjekts eine
Mietminderung rechtfertigt, muss immer überlegt werden, ob
ein Bagatellmangel oder eine echte Einschränkung der
Benutzbarkeit der Wohnung vorliegt“, betont die D.A.S.
Rechtsexpertin. So stellt nicht jeder Lärm einen
Wohnungsmangel dar: Geräusche des täglichen Lebens wie
Staubsaugen oder eine laufende Wasch- oder
Geschirrspülmaschine müssen Nachbarn ertragen (§ 536 Abs. 1
Satz 3 BGB und AG Mönchengladbach-Rheydt, Az. 20 C 363/93).
Für Hausmusik gilt dies nur eingeschränkt: So sprach das
Landgericht Berlin (Az. 65 S 59/10) Mietern das Recht auf
eine Mietminderung von fünf Prozent zu, die sich durch
Schlagzeug und E-Gitarre eines Nachbarkindes gestört fühlten.
Allerdings ist Musikmachen nicht grundsätzlich verboten – es
kommt dabei immer auf Lautstärke, Tageszeit, Häufigkeit und
Ruhezeiten-Regelungen in der Hausordnung an.
Baulärm = Wohnungsmangel? Ob Baulärm
ein Wohnungsmangel ist, beurteilen die Gerichte
unterschiedlich. Umfangreiche Bauarbeiten auf dem
Nachbargrundstück sah das Landgericht Berlin als
gerechtfertigten Grund an, die Miete um 15 Prozent zu
mindern. Auch Bauarbeiten im Dachgeschoss eines Hauses, die
mit Lärm und Schmutz verbunden waren, erlaubten eine
Mietminderung von 20 Prozent (AG Köln, Az. 205 C 85/02).
Andererseits wertete das AG Münster (Az. 3 C 3583/05) den
gedämpften Lärm durch Bauarbeiten im Inneren eines
Nachbargebäudes nicht als Mangel der Mietsache. Wichtig: Bei
der Beurteilung, ob Baulärm einen Mietmangel darstellt,
spielt unter anderem auch eine Rolle, ob die Bauarbeiten
bereits bei Abschluss des Mietvertrages bekannt waren!
Übrigens: Seit 1. Mai 2013 können Mieter in den ersten drei
Monaten während des Auftretens eines Mangels die Miete nicht
mindern, wenn der Mangel – in vielen Fällen Baulärm – durch
eine energetische Sanierung verursacht wird (§ 536 Abs. 1a
BGB)! Was tun bei einem Mietmangel?
„Da der Vermieter verpflichtet ist, eine
Wohnung in gebrauchsbereitem Zustand zu übergeben und zu
erhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB), ist er auch der erste
Ansprechpartner bei einem Wohnungsmangel“, betont die D.A.S.
Expertin. Kann der Mieter den durch Dritte verursachten
Mangel – beispielsweise den Lärm durch Nachbarn oder Baulärm
– nicht selber abstellen, so muss er den Mangel beim
Vermieter unverzüglich schriftlich anzeigen und auffordern,
diesen zu beenden. Anschließend kann er die Miete für den
Zeitraum, in dem der Mangel besteht, kürzen. „Die
Mietminderung setzt zwar die Mängelanzeige, nicht jedoch eine
Fristsetzung mit fehlgeschlagener Beseitigung des Mangels
voraus“, ergänzt Anne Kronzucker. Um wie viel
dürfen Mieter bei einem Mangel die Miete mindern? Die
Frage, wie ein Wohnungsmangel zu bewerten ist und wie stark
die Miete gemindert werden kann, ist immer schwer zu
beantworten und hängt vom Einzelfall ab. „Um das
herauszufinden, benötigt der Mieter meistens fachkundigen Rat
wie beispielsweise von einem Anwalt für Mietrecht“, so die
D.A.S. Juristin. „Die Höhe der Mietminderung reicht dabei von
einem Prozent bei geringer Beeinträchtigung bis 100 Prozent
der Gesamtmiete, also inklusive Nebenkosten, wenn die Wohnung
gar nicht mehr bewohnbar ist – etwa bei einer umfangreichen
Sanierung und Modernisierung.“ Einen Richtwert können
sogenannte Mietminderungstabellen liefern, die immer wieder
im Internet oder in der Presse auftauchen. Hier muss
allerdings mit Vorsicht zu Werke gegangen werden, denn einen
feststehenden Prozentsatz für einen bestimmten Mangel gibt es
nicht. Jedes Gericht kann nach den Umständen im Einzelfall
unterschiedlich entscheiden. Grundsätzlich empfiehlt sich
hier eine Beratung bei einem Fachanwalt. Denn: Fällt die
Minderung fälschlich zu hoch aus, kann dies ins Auge gehen –
dann hat der Vermieter womöglich das Recht zur fristlosen
Kündigung wegen Mietrückständen!
Urteil wegen Schwarzarbeit
am Bau Wirtschaftsstrafkammer verhängt erhebliche
Freiheitsstrafen Duisburg, 11. März 2014 - Die
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Duisburg verurteilte
am 10.03.2014 zwei Angeklagte wegen Vorenthaltens und
Veruntreuens von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung zu
Freiheitsstrafen von 6 Jahren sowie 3 Jahren und 6 Monaten.
Die beiden Männer aus Oberhausen (43 Jahre) und Duisburg (52
Jahre) waren daran beteiligt, dass zwei Baufirmen aus
Oberhausen und Mülheim an der Ruhr in den Jahren 2007 bis
2009 zu geringe Lohnsummen an die Sozialkassen und das
Finanzamt meldeten. Der Angeklagte aus Oberhausen hatte
bereits zuvor in einem anderen Unternehmen vergleichbare
Straftaten begangen. Durch die Taten entgingen der
Allgemeinheit insgesamt mehr als 4,2 Millionen Euro an
Sozialabgaben und Lohnsteuern. Die Unternehmen waren als
Nachunternehmer im Rohbau tätig und beschäftigten eine große
Zahl von Maurern, Einschalern, Betonbauern, Eisenflechtern
und Helfern. Die Identität der Mitarbeiter ist, soweit sie
Schwarzarbeit geleistet haben, ganz überwiegend unbekannt
geblieben.
Die Ermittlungen und die 19-tägige
Hauptverhandlung erforderten eine aufwändige Rekonstruktion
von Geschäften der beiden Bauunternehmen, deren
Geschäftsunterlagen im Wesentlichen nicht sichergestellt
werden konnten. Die aufgefundenen, geschredderten Unterlagen
füllten 12 Müllsäcke und konnten nur zum Teil wieder
hergestellt werden. Die Ermittlungen zu Baustellen im
Rheinland, am Niederrhein und im Ruhrgebiet hatten das
Hauptzollamt Düsseldorf und das Finanzamt für Steu-
erstrafsachen und Steuerfahndung Essen unter Leitung der
Staatsanwaltschaft Duisburg erfolgreich geführt. Die
Unterlagen für das Verfahren füllten zusammen etwa 20
Umzugskisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Aktenzeichen: 34 KLs 13/13
Professorenbesoldung in NRW
war verfassungswidrig
Eine Universitätsprofessorin und
ein Universitätsprofessor aus Nordrhein-Westfalen sind bis
zum 30. Juni 2008 verfassungswidrig zu niedrig besoldet
worden. Dies hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit
Urteilen vom 12. Februar 2014 entschieden. Für den Zeitraum
vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 hat es die
Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der
Bundesgesetzgeber hatte im Jahr 2002 die Besoldung für neu
eingestellte Professoren durch den Übergang von der
C-Besoldung auf die W-Besoldung deutlich abgesenkt. Das
Bundesverfassungsgericht hatte dies auf die Klage eines
Professors aus Hessen bereits mit Urteil vom 14. Februar 2012
(- 2 BvL 4/10 -) für verfassungswidrig erklärt, weil
Professoren damit nicht mehr amtsangemessen alimentiert
seien. Es hatte den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden
Regelung für diejenigen Professoren aufgefordert, die in der
Vergangenheit bereits Widerspruch eingelegt hatten. Dem
ist das Land Nordrhein-Westfalen, das seit dem 1. September
2006 für das Besoldungsrecht der Landesbeamten zuständig ist,
nicht gefolgt. Es hat die W-Besoldung für Professoren erst
mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 erhöht. Der Senat hat
deshalb - dem Bundesverfassungsgericht folgend - für die Zeit
bis zum 30. Juni 2008 eine verfassungswidrig zu niedrige
Besoldung festgestellt. Diesen Verstoß wird der
Gesetzgeber beseitigen müssen. Für die Zeit ab dem 1. Juli
2008 sah sich der Senat an einer entsprechenden Feststellung
gehindert, weil der Landesgesetzgeber nach dem Übergang der
Gesetzgebungskompetenz auf die Länder allgemeine
Besoldungserhöhungen vorgenommen hatte. Diese änderten zur
Überzeugung des Senats zwar nichts an der
Verfassungswidrigkeit der Professorenbesoldung. Die
Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist aber allein dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten, so dass der Senat die
Verfahren aussetzen musste, um eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Soweit durch
Urteil entschieden wurde, hat das OVG die Revision nicht
zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde
möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 3 A 155/09, 3 A 156/09 (Urteile), 3 A 328/14
und 3 A 329/14 (Aussetzungsbeschlüsse)
|
Februar 2014 |
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht ist unter den
gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen
verfassungswidrig Karlsruhe, 26. Februar- Die
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht ist
verfassungswidrig. Dies hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil
entschieden. Unter den gegebenen rechtlichen und
tatsächlichen Verhältnissen ist der mit der Sperrklausel
verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der
Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit nicht zu
rechtfertigen. Eine abweichende verfassungsrechtliche
Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse
wesentlich ändern. Künftige Entwicklungen kann der
Gesetzgeber dann maßgeblich berücksichtigen, wenn sie
aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte
schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren sind. Die
Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen; der Richter Müller
hat ein Sondervotum abgegeben. Sachverhalt und
Verfahrensgang: Die Organstreitverfahren und
Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen § 2 Abs. 7 des
Europawahlgesetzes (EuWG), der für die Wahl zum Europäischen
Parlament eine Drei-Prozent-Sperrklausel vorsieht. Diese
Regelung wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des
Europawahlgesetzes vom 7. Oktober 2013 (BGBl I S. 3749)
eingefügt. Im europäischen Recht verlangt der sogenannte
Direktwahlakt, dass die Mitglieder des Europäischen
Parlaments in jedem Mitgliedstaat nach dem
Verhältniswahlsystem gewählt werden. Das Wahlverfahren
bestimmt sich - vorbehaltlich der sonstigen Vorschriften des
Direktwahlaktes - in jedem Mitgliedstaat nach den
innerstaatlichen Vorschriften. Die bei der Europawahl 2009
geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel hat das
Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 9. November 2011
(BVerfGE 129, 300) für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 und Art.
21 Abs. 1 GG und daher nichtig erklärt. Wesentliche
Erwägungen des Senats: Die Anträge in den
Organstreitverfahren, soweit sie zulässig sind, und die
Verfassungsbeschwerden haben Erfolg. Die
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht verstößt unter
den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen
gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit (Art.
3 Abs. 1 GG) und der Chancengleichheit der politischen
Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG). 1. Es kann hier dahingestellt
bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber nach
Nichtigerklärung einer Norm eine solche inhaltsgleich erneut
erlassen kann, denn die abgesenkte Mindestschwelle stellt
bereits keine inhaltsgleiche Normwiederholung dar. Auch ein
Verstoß gegen das Gebot der Organtreue liegt nicht vor; der
Gesetzgeber hat die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht
bewusst missachtet, sondern gerade in Auseinandersetzung mit
dem Urteil vom 9. November 2011 gehandelt. 2. Der
Direktwahlakt gibt einen Gestaltungsrahmen für den Erlass
nationaler Wahlrechtsvorschriften vor, die selbst aber den
verfassungsrechtlichen Bindungen des jeweiligen
Mitgliedstaates unterliegen. Dass die im Direktwahlakt
eröffnete Möglichkeit, eine Sperrklausel von bis zu 5 % der
abgegebenen Stimmen festzulegen, zugleich deren
verfassungsrechtliche Zulässigkeit nach dem jeweiligen
mitgliedstaatlichen Recht impliziert, lässt sich dem
Direktwahlakt weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung
entnehmen. 3. Die dem Urteil vom 9. November 2011 zugrunde
liegenden Maßstäbe beanspruchen Geltung auch im vorliegenden
Verfahren. a) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, der
sich für die Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, sichert die vom
Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger und ist
eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Aus
diesem Grundsatz folgt, dass die Stimme eines jeden
Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die
gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Bei der
Verhältniswahl verlangt dieser Grundsatz darüber hinaus, dass
jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf
die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss,
denn Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle
Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten
Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Der aus
Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der
Chancengleichheit der Parteien verlangt, dass jeder Partei
grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten
Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung
der Sitze eingeräumt werden. b) Zwischen Wahlrechtsgleichheit
und Chancengleichheit der Parteien besteht ein enger
Zusammenhang. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung
von Einschränkungen folgt den gleichen Maßstäben. Beide
Grundsätze unterliegen keinem absoluten
Differenzierungsverbot; allerdings folgt aus ihrem formalen
Charakter, dass dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener
Spielraum verbleibt. Differenzierungen im Wahlrecht können
nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die
Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der
Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann. Hierzu zählt
insbesondere die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu
wählenden Volksvertretung. c) Maßgeblich sind die aktuellen
Verhältnisse. Der Gesetzgeber ist zwar nicht daran gehindert,
auch konkret absehbare künftige Entwicklungen zu
berücksichtigen. Maßgebliches Gewicht kann diesen jedoch nur
dann zukommen, wenn die weitere Entwicklung aufgrund
hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon
gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren ist. Im
vorliegenden Verfahren kann offenbleiben, inwieweit dem
Ansatz des Deutschen Bundestages zu folgen ist, dass
Sperrklauseln bereits unter Aspekten der Vorsorge gegen
Gefahren für die Funktionsfähigkeit gerechtfertigt sind.
Dies kann allenfalls für Volksvertretungen gelten, bei denen
eine Schwächung der Funktionsfähigkeit gleichbedeutend sein
kann mit einer entsprechenden Schwächung der Fähigkeit,
hierauf mit einer Korrektur des Wahlrechts zu reagieren. Denn
bezogen auf das Europäische Parlament sind Korrekturen durch
den nationalen Wahlrechtsgesetzgeber möglich. Mit einer rein
vorsorglich statuierten Sperrklausel würde der schwerwiegende
Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit in unverhältnismäßiger
Weise vorverlagert. d) Die Ausgestaltung des Wahlrechts
unterliegt einer strikten verfassungsgerichtlichen Kontrolle.
Dies folgt aus der generellen Erwägung, dass die
parlamentarische Mehrheit mit Regelungen, die die Bedingungen
der politischen Konkurrenz berühren, gewissermaßen in eigener
Sache tätig wird und gerade bei der Wahlgesetzgebung die
Gefahr besteht, dass die jeweilige Parlamentsmehrheit sich
statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen vom Ziel des eigenen
Machterhalts leiten lässt. Aus diesem Grunde kann die
verfassungsgerichtliche Kontrolle auch nicht durch
Zubilligung von weitgehend frei ausfüllbaren
Prognosespielräumen zurückgenommen werden. 4. Nach diesen
Maßstäben ist die Drei-Prozent-Sperrklausel (§ 2 Abs. 7 EuWG)
mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar. Der
Senat hat im Urteil vom 9. November 2011 festgestellt, dass
die bei der Europawahl 2009 gegebenen und fortbestehenden
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse keine
hinreichenden Gründe bieten, die den mit der
Fünf-Prozent-Sperrklausel verbundenen schwerwiegenden
Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und
Chancengleichheit der politischen Parteien rechtfertigen.
Eine maßgebliche Veränderung der tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse ist seither nicht eingetreten. Die
Drei-Prozent-Sperrklausel findet keine Rechtfertigung im
Hinblick auf zu erwartende politische und institutionelle
Entwicklungen und damit verbundene Änderungen der
Funktionsbedingungen des Europäischen Parlaments in der
nächsten Wahlperiode. a) Der Gesetzgeber geht zutreffend
davon aus, dass eine antagonistische Profilierung von
Regierung und Opposition auf europäischer Ebene unter
Umständen dann eine Sperrklausel im deutschen Europawahlrecht
rechtfertigen kann, wenn in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht Verhältnisse gegeben sind, die denen auf nationaler
Ebene vergleichbar sind, wo die Bildung einer stabilen
Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und
deren fortlaufende Unterstützung nötig ist. Eine dahingehende
Entwicklung des Europäischen Parlaments wird zwar politisch
angestrebt, steckt indes noch in den Anfängen. Tatsächliche
Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Europäischen
Parlaments sind derzeit nicht abzusehen, so dass für die
Prognose des Gesetzgebers, es drohe ohne die
Drei-Prozent-Sperrklausel eine Funktionsbeeinträchtigung des
Europäischen Parlaments, die Grundlage fehlt. b) Das
Europäische Parlament verfolgt ausweislich seiner
Entschließung vom 22. November 2012 im Einverständnis mit der
derzeitigen Kommission das Ziel einer Stärkung der
politischen Legitimität beider Institutionen, deren Wahl
jeweils unmittelbarer mit der Entscheidung der Wähler
verknüpft werden soll. Um dies zu fördern, sollen die
europäischen politischen Parteien Kandidaten für das Amt des
Kommissionspräsidenten nominieren. Eine Änderung der
europarechtlichen Grundlagen wird jedoch nicht angestrebt.
Auch bleibt unklar, wie das politische Anliegen, die
demokratische Willensbildung auf europäischer Ebene zu
stärken, im Rahmen des geltenden Unionsrechts mit Relevanz
für die hier zu entscheidende Frage umgesetzt werden soll.
Die damit verbundenen Fragen können jedoch dahin stehen.
c) Es ist nämlich bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht
konkret absehbar, dass die angestoßene politische Entwicklung
ohne eine Sperrklausel im deutschen Europawahlrecht zu einer
Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments führen
könnte. aa) Derzeit lässt sich nicht einmal abschätzen, in
welchem Umfang und mit welchen Auswirkungen die in der
Entschließung vom 22. November 2012 zum Ausdruck gebrachte
Position sich gegenüber den Vertretern der Mitgliedstaaten im
Europäischen Rat und im Rat wird durchsetzen lassen. Auch der
Umfang damit möglicherweise einhergehender Veränderungen im
politischen Prozess innerhalb des Europäischen Parlaments in
der kommenden Wahlperiode bleibt spekulativ. Soweit die
Drei-Prozent-Sperrklausel danach mit der Erwägung
gerechtfertigt werden sollte, der beabsichtigte
„Demokratisierungsschub“ dürfe nicht dadurch in Frage
gestellt werden, dass von Deutschland aus eine Zersplitterung
des Europäischen Parlaments in Kauf genommen werde, verfehlte
dies nicht nur die verfassungsrechtlichen Anforderungen an
die Rechtfertigung von Eingriffen in die Wahlrechtsgleichheit
und die Chancengleichheit der politischen Parteien. Es
würde auch der Offenheit des politischen Prozesses nicht
gerecht, der für die parlamentarische Debatte gerade im
Hinblick auf mögliche Umstrukturierungen wesentlich ist und
zu dem kleine Parteien einen wichtigen Beitrag leisten
können. bb) Es ist auch nicht belegbar, dass die
Mehrheitsbildung im Europäischen Parlament infolge der
angestrebten Politisierung strukturell beeinträchtigt wird.
(1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Zusammenarbeit
der beiden großen Fraktionen im Europäischen Parlament in
Zukunft nicht mehr oder in signifikant geringerem Umfang
stattfindet. Ob und inwieweit dies der Fall sein wird, ist
jedoch ungewiss; denkbar sind jedenfalls auch Entwicklungen,
die die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments
unbeeinträchtigt lassen. So kann es Gründe für die Annahme
geben, dass die beiden großen Fraktionen, die regelmäßig eine
absolute Mehrheit der Mandate auf sich vereinen, auch
weiterhin in einer Vielzahl von Fällen an einer
Zusammenarbeit interessiert, wenn nicht sogar auf eine solche
angewiesen sind. (2) Darüber hinaus kann auch nicht ohne
weiteres unterstellt werden, dass die bislang praktizierte
flexible Mehrheitsbildung im Parlament durch die Zuwahl neuer
Abgeordneter kleiner Parteien nennenswert erschwert würde.
Möglich ist auch, dass etwaige deutlichere politische
Gegensätze zwischen den einzelnen Fraktionen deren internen
Zusammenhalt gerade erhöhen. Zudem ist offen, ob eine infolge
stärkerer parteipolitischer Profilierung veränderte
Wahrnehmung des Europäischen Parlaments nicht Wähler mehr als
bislang zu strategischem Wahlverhalten veranlassen und dies
einer Zunahme der im Europäischen Parlament vertretenen
Parteien entgegenwirken würde. (3) Die in der mündlichen
Verhandlung genannte Zahl von künftig möglicherweise 80
kooperationsunwilligen Abgeordneten lässt sich angesichts
derartiger Ungewissheiten nicht mit der notwendigen
Wahrscheinlichkeit prognostizieren. Ohnehin bezogen sich die
betreffenden Äußerungen nicht auf die Zahl der zu erwartenden
fraktionslosen Abgeordneten kleiner Parteien mit einem oder
zwei Abgeordneten, sondern auf Abgeordnete bestimmter
unionskritischer Parteien, die voraussichtlich nicht an einer
Sperrklausel scheitern werden. (4) Im Hinblick auf die
Integrationskraft der Fraktionen ist schließlich nicht
ersichtlich, dass in der kommenden Wahlperiode neu gewählte
Abgeordnete kleinerer Parteien von vornherein keine Aufnahme
in einer der etablierten Fraktionen oder in einer neu
gegründeten weiteren Fraktion finden könnten. Es
wird allerdings zu beobachten sein, wie sich eine denkbare
Wahl von Abgeordneten weiterer, in der deutschen
Parteienlandschaft im Wettbewerb stehender Parteien auswirken
wird. Gesicherte Einschätzungen sind derzeit auch
diesbezüglich nicht möglich. Sich etwa konkret abzeichnenden
Fehlentwicklungen kann der Gesetzgeber Rechnung tragen. d)
Die Drei-Prozent-Sperrklausel greift zwar weniger intensiv in
die Wahlrechtsgleichheit und in die Chancengleichheit der
Parteien ein als die frühere Fünf-Prozent-Sperrklausel.
Daraus folgt jedoch nicht, dass der auch mit der
Drei-Prozent-Sperrklausel verbundene Eingriff in die
Wahlrechtsgleichheit vernachlässigbar wäre und keiner
Rechtfertigung bedürfte. Ein Sitz im Europäischen
Parlament kann bereits mit etwa einem Prozent der abgegebenen
Stimmen errungen werden, so dass die Sperrklausel praktische
Wirksamkeit entfaltet. Da eine Sperrklausel im deutschen
Europawahlrecht gegenwärtig bereits nicht erforderlich ist,
es also an der Rechtfertigung bereits dem Grunde nach fehlt,
kommt es auf Fragen der Angemessenheit der
Drei-Prozent-Klausel nicht an. Abweichende Meinung des
Richters Müller: Nach meiner Überzeugung stellt der Senat zu
hohe Anforderungen an die Feststellung einer Beeinträchtigung
der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments und trägt
damit dem Auftrag des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des
Wahlrechts unzureichend Rechnung. Die Bewertung des Korridors
zwischen der rein theoretischen Möglichkeit und dem sicheren
Eintritt einer Funktionsbeeinträchtigung ist dem Gesetzgeber
vorbehalten. Es ist nicht Sache des
Bundesverfassungsgerichts, die vertretbare Entscheidung des
Gesetzgebers durch eine eigene vertretbare Entscheidung zu
ersetzen. Im Ergebnis führt die Entscheidung des Senats zur
Hinnahme des Risikos einer Beeinträchtigung der
Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments jedenfalls für
die Dauer einer Legislaturperiode. Dass dies
verfassungsrechtlich geboten ist, vermag ich nicht zu
erkennen. Die Entscheidung des Senats hat die
Unzulässigkeit jeglicher Sperrklausel bei der Wahl des
Europäischen Parlaments zur Folge. Die verfassungsrechtliche
Bewertung von § 2 Abs. 7 EuWG hat daher von der Frage
auszugehen, ob bei einem unionsweiten Verzicht auf
Sperrklauseln von einer Beeinträchtigung der
Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments auszugehen
ist. Die Prognose des Gesetzgebers, dass eine weitere
Zersplitterung des Europäischen Parlaments zur Verhinderung
der Bildung notwendiger Mehrheiten führen kann, ist vor
diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Ihre Plausibilität
bleibt nicht hinter der Plausibilität vergleichbarer
Prognosen, die auf nationale Parlamente bezogen sind, zurück.
Inwieweit die Integrationskraft der bestehenden Fraktionen
einer weiteren Zersplitterung des Parlaments entgegenwirken
könnte, ist ebenso wenig absehbar wie die Bildung neuer
Fraktionen. Soweit auf eine Zusammenarbeit der großen
Fraktionen verwiesen wird, steht dem bereits entgegen, dass
der Fortbestand ihrer absoluten Mehrheit nicht gewährleistet
ist. Daher durfte der Gesetzgeber bei seiner
Prognoseentscheidung diese Umstände außer Betracht lassen.
Die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des
Europäischen Parlaments ist hinreichend gewichtig, um einen
Eingriff in die Grundsätze der Wahlgleichheit und der
Chancengleichheit der Parteien zu rechtfertigen. Das
Europäische Parlament ist ein Parlament eigener Art. Die
Unterschiede in Aufgabenstellung und Funktion zum Deutschen
Bundestag sind (noch) erheblich, rechtfertigen jedoch eine
grundlegend andere Gewichtung der Bedeutung der Sicherung
seiner Funktionsfähigkeit nicht. Durchgreifende Zweifel, dass
§ 2 Abs. 7 EuWG den Grundsätzen der Geeignetheit und
Erforderlichkeit hinreichend Rechnung trägt, habe ich nicht.
Unter Berücksichtigung des Befundes, dass mit Ausnahme
Spaniens in allen Mitgliedstaaten das Erreichen eines
Stimmenanteils von mindestens 3 % Voraussetzung der Zuteilung
eines Mandats bei der Wahl zum Europäischen Parlaments ist,
ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber eine
Sperrklausel in dieser Höhe als zur Sicherung der
Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments geeignet
angesehen hat. Der Erforderlichkeit des Eingriffs
kann auch die Möglichkeit einer Korrektur des
Europawahlrechts durch den nationalen Gesetzgeber, die ihre
Wirkung erst für die nachfolgende Wahlperiode entfalten
könnte, nicht entgegengehalten werden. Stattdessen wäre der
Gesetzgeber verpflichtet, § 2 Abs. 7 EuWG zu ändern, sollte
sich nachträglich die Fehlerhaftigkeit seiner Prognose
herausstellen.
|
Januar 2014 |
Zugunsten des Rauchers?
30. Januar - Das Landgericht Düsseldorf
hat heute über die Berufung des beklagten Mieters gegen das
Räumungsurteil des Amtsgerichts Düsseldorf verhandelt und
Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf: 13.
März 2014, 8:45 Uhr, Saal 2111 Die Kammer hat in der
mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass sie die
Kündigung des Mietverhältnisses nach derzeitigem
Beratungsstand für unwirksam hält. Nach den Vorschriften
des Bürgerlichen Gesetzbuchs muss ein Vermieter die Kündigung
innerhalb einer angemessenen Frist aussprechen, nachdem er
vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Hingegen habe die
Vermieterin im Streitfall mehr als ein Jahr bis zur Kündigung
verstreichen lassen, nachdem sie von der Geruchsbelästigung
erfahren hatte. Die auf Räumung der Wohnung klagende
Vermieterin hatte das Mietverhältnis gekündigt, weil sich
Hausbewohner über die vom Rauchen des Mieters ausgehende
Geruchsbelästigung beschwert hätten. Das Amtsgericht hat der
auf Räumung der Wohnung gerichteten Klage der Vermieterin
stattgegeben. Hiergegen wendet sich der beklagte Mieter mit
seiner Berufung. (Landgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 21
S 240/13)
Grober zahnärztlicher Fehler
bei der Befunderhebung - Patientin erhält 3.500 Euro
Schmerzensgeld
Ein Zahnarzt, den ein Patient mit
Zahnbeschwerden im Oberkieferfrontbereich aufsucht, handelt
grob fehlerhaft, wenn er den Patienten zur Befunderhebung nur
röntgt und eine Vitalitäts- und Perkussionsprüfung der
schmerzenden Zähne versäumt. Das hat der 26. Zivilsenat
des Oberlandesgerichts Hamm am 08.11.2013 entschieden und
damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts
Arnsberg bestätigt. Die heute 64jährige Klägerin aus Wickede
befand sich seit langen Jahren in der zahnärztlichen
Behandlung des Beklagten aus Wickede. Anfang Dezember
2008 suchte sie den Beklagten mit Zahnbeschwerden im
Oberkieferfrontbereich auf. Der Beklagte veranlasste eine
Röntgenaufnahme. Weitere Untersuchungen der schmerzenden
Zähne fanden ausweislich der Krankenunterlagen nicht statt.
Eine bei den Zähnen vorliegende Zahnmarkentzündung wurde erst
im Februar 2009 zahnärztlich versorgt. Zwei Zähne im
Oberkiefer der Patientin konnten in der Folgezeit nicht
erhalten werden, sie erhielten Wurzelfüllungen. Unter
Hinweis auf die nach ihrer Ansicht unzureichende
zahnärztliche Versorgung hat die Klägerin vom Beklagten
Schadensersatz verlangt. Das sich auf den Oberkiefer
beziehende Schadensersatzverlangen der Klägerin hatte Erfolg.
Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat nach
erneuter Anhörung des zahnmedizinischen Sachverständigen die
Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes in Höhe von 3.500 Euro bestätigt.
Dem Beklagten sei Anfang Dezember 2008 ein grober
Behandlungsfehler unterlaufen, weil er es unterlassen habe,
den Zustand der schmerzenden Zähne klinisch zu befunden.
Allein mit einem Röntgenbild erhalte man kein Gesamtbild über
den Zustand der Zähne. Dokumentationspflichtige Ergebnisse
einer Vitalitätsprüfung und eines Perkussionsbefundes habe
der Beklagte in den Krankenunterlagen nicht festgehalten, so
dass für den Senat nicht feststellbar sei, dass der Beklagte
diese Untersuchungen vorgenommen habe. Allein aus dem
Rönt genbild habe der Beklagte keine ausreichenden Schlüsse
ziehen können, weil ein Röntgenbild erst dann Auffälligkeiten
darstelle, wenn eine Entzündung bereits den Knochen
angegriffen habe. Aufgrund des groben Behandlungsfehlers
trage der Zahnarzt die Beweislast dafür, dass sich der
weitere Krankheitsverlauf auch bei richtiger Befundung und
sodann erfolgter Behandlung nicht positiv geändert hätte.
Diesen Nachweis könne der Beklagte nicht führen. Deswegen
hafte er für die um zwei Monate verlängerte Leidenszeit der
Klägerin und den Verlust von Zähnen, die eine Neuversorgung
im Oberkiefer erforderlich gemacht habe. Urteil des 26.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.11.2013 (26 U
51/13)
Infektion nach Injektion -
Orthopäde haftet für unzureichende Kontrolle der Infektion
Einem Orthopäden kann ein grober
Behandlungsfehler vorzuwerfen sein, wenn er einen Patienten,
bei dem infolge einer Injektion im Bereich der Fußsohle eine
Infektion auftritt, nicht zur täglichen Kontrolle
einbestellt. Das hat der 26. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm am 12.11.2013 unter Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Detmold
entschieden. Mitte Juni 2008 suchte die seinerzeit 66 Jahre
alte Klägerin aus Lemgo den beklagten Orthopäden aus Lage zur
Behandlung von Beschwerden im Bereich ihrer rechten Ferse
auf. Der Beklagte injizierte im Bereich der Fußsohle ein
Medikament zur Behandlung einer Sehnenentzündung. Zur
Behandlung einer in der Folge aufgetretenen Infektion
verordnete der Beklagte der Klägerin Antibiotika. Auf
Veranlassung ihres Hausarztes wurde die Klägerin sodann Ende
Juni 2008 in eine Klinik eingewiesen, in der ihre infizierte
Wunde operativ behandelt wurde. Zum Zwecke weiterer
operativer Wundrevisionen musste sich die K lägerin bis zum
September 2008 wiederholt stationär behandeln lassen. Mit der
Begründung, sie sei vom Beklagten unzureichend aufgeklärt,
fehlerhaft behandelt worden und leide jetzt unter einem
Dauerschaden, weil sie nur noch kurze Strecken schmerzfrei
gehen könne, hat die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz
verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro.
Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der
Klage stattgegeben. Ungeachtet dessen, dass der Beklagte die
Klägerin über die Risiken einer Infektion nicht hinreichend
aufgeklärt habe, hafte er, weil er die Klägerin fehlerhaft
behandelt habe. Die Injektion als solche habe er allerdings
nicht behandlungsfehlerhaft vorgenommen. Der Beklagte habe
sie nicht zu tief gesetzt und auch nicht gegen hygienische
Standards verstoßen. Behandlungsfehlerhaft sei aber, dass der
Beklagte die aufgetretene Infektion nicht hinreichend
kontrolliert habe. Nach den Angaben des vom Senat vernommenen
medizinisc hen Sachverständigen habe der Beklagte nach dem
Auftreten von Entzündungsanzeichen tägliche Kontrollen
durchführen und die Klägerin insoweit anleiten müssen. Dies
sei unterblieben. Vielmehr habe der Beklagte die Klägerin
zu einer weiteren Kontrolle erst nach 5 Tagen aufgefordert.
Das Unterlassen der hinreichenden Kontrolle stelle einen
groben Behandlungsfehler dar. Deswegen gehe es zu Lasten des
Beklagten, dass der Senat nicht sicher feststellen könne, ob
die unterlassenen Kontrollen zu einer Befundverschlechterung
geführt und ob tägliche Kontrollen die Heilungschancen
verbessert hätten. Infolge der fehlerhaften Behandlung leide
die Klägerin unter Bewegungseinschränkungen beim rechten Fuß
und einer druckempfindlichen Narbe. Angesichts dieser
Dauerfolgen, der eingetretenen Komplikationen und des
langwierigen Verlaufs mit mehrfachen Revisionsoperationen sei
das ausgeurteilte Schmerzensgeld gerechtfertigt. Urteil des
26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 1 2.11.2013
(26 U 107/11)
Unbegründetes
Schadensersatzbegehren nach operativem Eingriff mit
Entfernung der Gebärmutter
Eine 40jährige Patientin, die sich auf
ärztlichen Rat im Rahmen eines operativen Eingriffs ihre
Gebärmutter entfernen lässt, nach der Operation eine
Infektion erleidet und sich danach weiteren
Unterleibsoperationen unterziehen muss, kann wegen des ersten
operativen Eingriffs keinen Schadensersatz verlangen. Das
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am
07.10.2013 entschieden und damit die erstinstanzliche
Entscheidung des Landgerichts Dortmund bestätigt. Der
Klägerin, einer Patientin aus Dortmund, riet die in einem
Krankenhaus in Castrop-Rauxel als Gynäkologin beschäftigte,
beklagte Ärztin im Rahmen eines komplexeren operativen
Eingriffs u.a. die Gebärmutter entfernen zu lassen. Den
Eingriff ließ die Klägerin von der beklagten Ärztin und dem
mitverklagten Chefarzt der Abteilung im Sommer 2006
durchführen. Wenige Tage nach ihrer Entlassung mussten bei
der Klägerin aufgrund einer eingetretenen Entzündung ein
Eierstock und ein Eileiter operativ entfernt werd en. In der
Folgezeit schlossen sich 6 weitere Operationen an, weil es zu
Bauchdeckendurchbrüchen und zu Entzündungen im Bauchraum
gekommen war. Mit der Begründung, die erste Operation sei
behandlungsfehlerhaft und ohne ausreichende Aufklärung
durchgeführt worden, hat die Klägerin von den beklagten
Ärzten Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von
30.000 ?. Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist
erfolglos geblieben. Nach der Anhörung eines medizinischen
Sachverständigen konnte der 3. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm keinen Behandlungsfehler feststellen.
Die im Sommer 2006 durchgeführte Operation sei medizinisch
indiziert gewesen, nachdem bei der Klägerin eine
Gebärmuttersenkung mittleren Grades und ein Darmprolaps
vorgelegen habe. Ihr sei keine unzureichende
Befunderhebung durch die Beklagte vorausgegangen. Weitere
konservative Maßnahmen hätten den Gesundheitszustand der
Klägerin nicht verbessern können. Es sei auch nicht bewiesen,
dass den Beklagte n bei der Durchführung der Operation ein
Behandlungsfehler unterlaufen sei. Die vollständige
Entfernung der Gebärmutter sei notwendig gewesen, eine
behandlungsfehlerhafte Ausführung des operativen Eingriffs
oder der operativen Nachsorge nicht feststellbar. Die
Klägerin sei vor dem operativen Eingriff auch nicht
unzureichend aufgeklärt worden. Zu Unrecht beanstande sie
eine fehlende Aufklärung über Behandlungsalternativen. Eine
solche sei zu verlangen, wenn es mehrere medizinisch
gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden
gebe, die wesentlich unterschiedliche Risiken und
Erfolgschancen aufwiesen, so dass der Patient eine echte
Wahlmöglichkeit habe. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall
gewesen. Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 07.10.2013 (3 U 109/11)
Bundesgerichthof bestätigt SCHUFA-Auskunft
29. Januar -
Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in
Karlsruhe bestätigt, dass die SCHUFA-Auskunft für
Verbraucher den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die
SCHUFA begrüßt, dass damit ihre besonderen Bemühungen um
mehr Transparenz letztinstanzlich anerkannt werden. Jeder
Verbraucher erhält von der SCHUFA Auskunft darüber, welche
Daten zu seiner Person für die Berechnung von Scores
verwendet werden. Dies ermöglicht unter anderem eine
Prüfung der Datengrundlage. Außerdem informiert die SCHUFA
detailliert über das Zustandekommen und die Bedeutung der
Scores. Der BGH erkennt an, dass es sich bei dem zu Grunde
liegenden mathematisch-statistischen Berechnungsverfahren
um ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis handelt. Der BGH
bekräftigt damit die bisherige Rechtsprechung aus
vergleichbaren Verfahren. Scores bilden ein
anerkanntes, vertrauensbildendes und stabilisierendes
Element der Konsumwirtschaft: 97,5 % der Kreditverträge in
Deutschland werden vertragsgemäß zurückgezahlt. Sie
ermöglichen eine Prognose für das individuelle zukünftige
Kreditverhalten, wodurch Kreditgeber, z.B. Banken oder der
Handel, eine valide Einschätzung über das
Rückzahlverhalten eines Verbrauchers haben. Kreditnehmer
können sich dadurch fair, günstig und bequem ihre Wünsche
erfüllen. Die SCHUFA Holding AG ist Deutschlands
führender Informations- und Servicepartner für die
kreditgebende Wirtschaft und für Privatkunden. Insgesamt
sind 8.000 Firmenkunden als Vertragspartner an unsere
Dienstleistungen angeschlossen. Zudem nutzen 1,7 Millionen
Privatkunden die SCHUFA-Angebote. Privat- und
Geschäftskunden wie Banken, Sparkassen und Händlern bietet
das Unternehmen kreditrelevante Informationen rund um
Bonität und Identität. Auf Grundlage dieser wichtigen
Entscheidungshilfen werden für Privat- und Geschäftskunden
schnelle, kostengünstige und unbürokratische
Vertragsabschlüsse möglich. Informationen rund um Produkte
und Services für Privatkunden sowie eine Online-Einsicht
in die eigenen, bei der SCHUFA gespeicherten Daten sind
auf dem Internetportal www.meineSCHUFA.de erhältlich. Der
einzigartige Datenbestand der SCHUFA umfasst 655 Millionen
Informationen zu 66,2 Millionen Privatpersonen und 4
Millionen Unternehmen.
Erste Entscheidungen über
Beschwerden in Sachen "Streaming-Abmahnung"
27. Januar 2014 - In vier Beschlüssen vom
24.01.2014 hat eine Zivilkammer des Landgerichts Köln
Beschwerden von Anschlussinhabern stattgegeben, die von der
"The Archive AG" wegen Ansehens eines Streaming-Videos auf
der Plattform www.redtube.com abgemahnt worden waren. Der
Kammer zufolge hätte dem Antrag der "The Archive AG" auf
Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und
Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht
entsprochen werden dürfen. Einer der Beschlüsse (Aktenzeichen
209 O 188/13) ist in anonymisierter Form unter dem
vorgenannten Link abrufbar. Weitere Entscheidungen werden in
Kürze erwartet.
Die Kammer hat die Abweichung von
ihrer ursprünglichen Entscheidung damit begründet, dass im
Antrag der "The Archive AG" (Antragstellerin) von Downloads
die Rede war, während es sich tatsächlich - wie sich später
herausstellte - um den Abruf von Videos auf einer Streaming-
Plattform handelte. Ein bloßes Streaming einer
Video-Datei bzw. deren Ansehen mittels eines Streams stellt
im Gegensatz zum Download nach Auffassung der Kammer aber
grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß
im Sinne des Urheberrechts, insbesondere
keine nur dem Urheber erlaubte Vervielfältigung gemäß § 16
des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) dar. Da es um
Streaming ging, war zudem unklar geblieben, wie das
eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage war, die
IP-Adresse desjenigen zu erfassen, der einen Stream von dem
Server des Anbieters www.redtube.com abruft. Auch nach einem
Hinweis der Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hatte
die Antragstellerin die Frage unbeantwortet gelassen, wie das
Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen konnte.
Die Kammer hat angedeutet, dass ihre Entscheidung auch
Bedeutung f ür ein Beweisverwertungsverbot in einem
Hauptsacheprozess (z.B. über die Berechtigung der
Abmahnkosten) haben könnte. Die Entscheidungen sind nicht
rechtskräftig. Die Antragstellerin kann ihrerseits gegen die
nunmehr getroffene Entscheidung Beschwerde einlegen.
Bis zum heutigen Tag (27.01.2014) sind beim Landgericht Köln
über 110 Beschwerden gegen die Auskunft gestattende
Beschlüsse in dieser Angelegenheit eingegangen. Neben der
Bearbeitung dieser zahlreichen Beschwerden steht im Moment
die zügige Beantwortung aller Akteneinsichtsgesuche im
Vordergrund. Die Möglichkeit, schnell und unbürokratisch per
Fax Einsicht in die wesentlichen Dokumente zu bekommen, wird
von den Betroffenen und ihren Rechtsanwälten gut angenommen.
In einigen Verfahren hat der damals die Antragstellerin
vertretende Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt. Gründe
hierfür sind nicht angegeben worden.
Bezeichnung als „durchgeknallte
Frau“ kann ehrverletzend sein 21. Januar 2014 -
Die Bezeichnung als „durchgeknallte Frau“ kann,
abhängig vom Kontext, eine ehrverletzende Äußerung sein, die
nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts in einem heute
veröffentlichten Beschluss entschieden. Damit gab sie der
Verfassungsbeschwerde einer ehemaligen Landrätin und
Landtagsabgeordneten teilweise statt, die sich gegen einzelne
Äußerungen im Beitrag eines Online-Mediums gewandt hatte.
Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Beschwerdeführerin ist
ehemalige Landrätin und war bis September 2013 Mitglied des
Bayerischen Landtags. Ende 2006 posierte sie für ein
Gesellschaftsmagazin, das die Fotostrecke in einer ihrer
Ausgaben veröffentlichte. Dies nahm die Beklagte des
Ausgangsverfahrens zum Anlass, auf ihrer Internetseite einen
Text zu veröffentlichen, der u. a. die folgende Passage
enthält: „Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste
Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen
durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist.
Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft. Sie sind
eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand
nicht auf uns Männer.“ Die Beschwerdeführerin sieht sich
in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und
begehrt von der Beklagten die Unterlassung verschiedener
Einzeläußerungen, u. a. der Bezeichnung als „durchgeknallte
Frau“, sowie eine angemessene Geldentschädigung. Die
Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das klagabweisende
Urteil des Oberlandesgerichts. Wesentliche Erwägungen der
Kammer: Die angegriffene Entscheidung verletzt die
Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Soweit
sie die Äußerung unbeanstandet lässt, die Beschwerdeführerin
sei eine „durchgeknallte Frau“, hält sich dies nicht mehr im
fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Die Entscheidung wird
insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung
an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. 1. Die
Bezeichnung der Beschwerdeführerin als „durchgeknallte Frau“
beeinträchtigt sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken
gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in der verfassungsmäßigen Ordnung
einschließlich der Rechte anderer. Zu diesen Rechten gehört
auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die
Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen Interessen
und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich
gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten
Umstände des Einzelfalls in ein Verhältnis zu bringen, das
ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt. 2. Das
Oberlandesgericht misst dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
der Beschwerdeführerin ein zu schwaches Gewicht bei. Es
übersieht die persönliche Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG
ausdrücklich genannte Schranke. Wenn die Beschwerdeführerin
von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung begehrt, sie
sei eine „durchgeknallte Frau“, so wendet sie sich gegen
diese Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen
Absatzes. Hierin verschiebt die Beklagte die öffentliche
Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin hin
zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer
Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützt diese
Spekulationen auf Beurteilungen, die thematisch den innersten
Intimbereich betreffen, ohne dass sie irgendeinen
Tatsachenkern hätten. Sie knüpfen zwar an das Verhalten der
Beschwerdeführerin an, die für ein Gesellschaftsmagazin
posierte und eine Serie von Fotos von sich fertigen ließ,
weswegen sich die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung
hiermit auch gefallen lassen muss. So bleibt es der Beklagten
unbenommen, sich - auch zugespitzt und polemisch - zu dem
Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern. Die Folgerungen
der Beklagten, die sie mit den Worten „durchgeknallte Frau“
zusammenfasst, haben jedoch als solche keinerlei
Anknüpfungspunkt in dem Verhalten der Beschwerdeführerin.
Die Beklagte zielt hier vielmehr bewusst darauf, die
Beschwerdeführerin nicht nur als öffentliche Person und wegen
ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ
und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade
schon als private Person abzusprechen. Angesichts dessen kann
sich die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dabei ist auch
zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um einen bewusst
geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handelt, der
nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer
emotionalen Auseinandersetzung ist.
1 BvR 194/13
Schlagloch auf der Autobahn -
Land NRW haftet
Für den Schaden, den ein Pkw beim
Durchfahren eines Schlaglochs auf der Bundesautobahn (BAB) 52
erlitten hat, haftet das beklagte Land NRW, dies
aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung,
weil das Schlagloch durch eine von ihm zu verantwortende,
vermeidbare Gefahrenquelle entstanden ist. Das hat der 11.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.11.2013
entschieden und damit die erstinstanzliche Verurteilung des
Landes durch das Landgericht Essen bestätigt. Der Kläger
aus Oberhausen befuhr mit seinem Pkw Skoda im Mai 2010 nachts
die BAB 52 in Gelsenkirchen im Bereich einer Baustelle, bei
der der Standstreifen als Fahrbahn fungierte. Auf dem
Standstreifen geriet das Fahrzeug in ein ca. 20cm tiefes
Schlagloch und erlitt einen Achsschaden, für dessen Reparatur
einschließlich Nebenkosten der Kläger ca. 2.200 Euro
aufwenden musste. Das Schlagloch war im Bereich eines für
den Baustellenbetrieb verschlossenen Gullyschachtes
entstanden. Um den Standstreifen für den Verkehr befahr-bar
zu machen, hatte der für das beklagte Land handelnde
Landesbetrieb Straßenbau NRW die zu überfahrenden
Gullyschächte mit Eisendeckeln versehen und mit einer
bituminösen Masse sowie mit einer Asphaltschicht auffüllen
lassen. I m Bereich der Unfallstelle war diese Füllung zum
Teil herausgebrochen, wodurch das Schlagloch entstanden war.
Nach sachverständiger Aufklärung der Umstände, die zum
Entstehen des Schlaglochs geführt hatten, hat der 11.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das beklagte Land
aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zum
Schadensersatz verurteilt. Das Schlagloch sei die Folge einer
vom Landesbetrieb zu verantwortenden, vermeidbaren
Gefahrenquelle. Die vom Landesbetrieb vorgegebene
Ausführung zum Verschließen des Gullyschachtes habe selbst
bei fachgerechter Ausführung ein nicht abschätzbares Risiko
beinhaltet, dass die Schachtabdeckung durch das auf dem
betreffenden Streckenabschnitt der BAB zu erwartende hohe
Verkehrsaufkommen beschädigt werde. Dabei hätten andere,
sichere Methoden wie das Herstellen provisorischer
Schachtabdeckungen aus Schnellbeton zur Verfügung gestanden.
Die Verkehrssicherungspflichtverletzung habe der
Landesbetrieb zu vertreten. Die verschiedenen Möglichkeiten
zur Herstellung von provisorischen Schachtabdeckungen und
ihre Vor- bzw. Nachteile müssten d er Fachbehörde bekannt
sein. Ein Mitverschulden falle dem Kläger nicht zur Last,
weil die unfallursächliche Schadstelle für ihn praktisch
nicht zu erkennen gewesen sei. Urteil des 11. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 15.11.2013 (11 U 52/12)
Fahrverbot für verbotenes
Telefonieren beim Autofahren
Gegen einen u. a. wegen verbotenen
Telefonierens beim Autofahren verkehrsordnungswidrig
vorbelasteten Verkehrsteilnehmer kann bei einer erneuten
einschlägigen Verkehrsordnungswidrigkeit ein einmonatiges
Fahrverbot verhängt werden. Das hat der 3. Senat für
Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom
24.10.2013 entschieden und damit die Rechtsbeschwerde des 27
Jahre alten Betroffenen aus Hannover gegen das
erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Lemgo
zurückgewiesen. Der im Außendienst/Vertrieb beschäftigte
Betroffene fuhr am 18.02.2013 mit seinem Pkw durch Bad
Salzuflen und benutze während der Fahrt ein Mobil- oder
Autotelefon, das er in der rechten Hand an das rechte Ohr
hielt. Für diesen vorsätzlichen Verkehrsverstoß wurde er vom
Amtsgericht mit einer Geldbuße von 80 Euro und einem
einmonatigen Fahrverbot belegt. Dabei berücksichtigte das
Amtsgericht zu Lasten des Betroffenen sieben im
Verkehrszentralregister eingetragene frühere
Verkehrsverstöße, u. a. 3 wegen verbotenen Telefonierens beim
Autofahren. Die vom Betroffenen gegen die erstinstanzliche
Verurteilung eingelegte Rechtsbeschwerde ist erfolglos
geblieben. Der 3. Senat für Bußgeldsachen des
Oberlandesgerichts Hamm hat insbesondere auch das gegen den
Betroffenen ausgesprochene Fahrverbot bestätigt. Mit der im
Bußgeldkatalog vorgesehenen Geldbuße habe der Verkehrsverstoß
des Betroffenen nicht angemessen geahndet werden können. Ein
Fahrverbot könne auch wegen beharrlicher Pflichtverletzung,
wenn Verkehrsvorschriften aus mangelnder Rechtstreue
missachtet würden, erlassen werden. Insoweit könne im
Einzelfall bereits die wiederholte Begehung für sich genommen
eher geringfügiger Verkehrsverstöße, wie das verbotswidrige
Benutzen eines Mobil- oder Autotelefons, die Anordnung eines
Fahrverbots rechtfertigen. Beim Betroffenen sei von einer
beharrlichen Pflichtverletzung auszugehen. Im engen
zeitlichen Abstand von weniger als 12 Monaten sei der
Betroffene dreimal wegen verbotenen Telefonierens beim
Autofahren rechtskräftig ve rurteilt worden. Hinzu kämen drei
weitere Verurteilungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen
in einem Zeitraum von insgesamt nur zweieinhalb Jahren seit
der ersten rechtskräftigen Verurteilung im September 2010.
Bei diesen Verurteilungen sei der Betroffene zudem jeweils
mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt worden, zuletzt nur
ca. 5 Monate vor der zu ahndenden Tat. In ihrer
Gesamtheit offenbarten die Taten eine auf mangelnder
Verkehrsdisziplin beruhende Unrechtskontinuität, so dass das
wegen beharrlicher Pflichtverletzung verhängte Fahrverbot
nicht zu beanstanden sei. Rechtskräftiger Beschluss des
3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom
24.10.2013 (3 RBs 256/13)
|
|