- 28. August 2014:
Oberverwaltungsgericht hält das Rohrleitungsgesetz für die
Kohlenstoffmonoxid-(CO)-Pipeline der Bayer AG für
verfassungswidrig In dem Berufungsverfahren gegen die
Kohlenstoffmonoxid-(CO)-Pipeline der Bayer AG hat der 20.
Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom heutigen
Tag dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung
vorgelegt, ob das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb
einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und
Krefeld-Uerdingen mit Art. 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes
vereinbar ist.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom
14.2.2007 hat die Bezirksregierung Düsseldorf den Bau und
Betrieb einer Pipeline zugelassen, die die linksrheinisch
gelegenen Chemieparks der Bayer AG in Krefeld-Uerdingen und
Dormagen verbinden soll, etwa 66 km lang ist und überwiegend
rechtsrheinisch verläuft. Die Pipeline ist weitgehend
fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb. Um die Enteignung
der für die Pipeline benötigten Grundstücke zu ermöglichen,
erließ der Landtag NRW am 21.3.2006 ein gesondertes
(Rohrleitung-)Gesetz. Nach diesem Gesetz dient die Pipeline,
was Voraussetzung für eine Enteignung ist, auch dem Wohl der
Allgemeinheit.
Auf der Grundlage dieses Gesetzes
sollen unter anderem auch die Kläger des Berufungsverfahrens
enteignet werden. Mit ihrer Klage begehren die Kläger
vorrangig die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses der
Bezirksregierung Düsseldorf. Zur Entscheidung über dieses
Begehren kommt es maßgeblich darauf an, ob das
Rohrleitungsgesetz verfassungsgemäß ist. Das
Oberverwaltungsgericht sieht in dem Rohrleitungsgesetz einen
Verstoß gegen das durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützte
Grundrecht der Kläger auf Eigentum. Zur
Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die
Pipeline stelle im Ausgangspunkt ein privatnütziges Vorhaben
dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls
mittelbar gefördert werden könne. Deshalb müsse sich das
Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen,
die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater
Unternehmen enthalte. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten
Einschätzungsspielraum, müsse aber den Enteignungszweck
hinreichend bestimmt festlegen und den
Enteignungsbegünstigten ausreichend an diesen
Enteignungszweck binden. Beides sei durch das
Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.
Da über die
Vereinbarkeit des Rohrleitungsgesetzes mit den Grundrechten
der Kläger allein das Bundesverfassungsgericht abschließend
entscheiden kann, hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und
dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung
vorgelegt. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 20 A 1923/11
- 19. August 2014: Keine
Urheberrechtsverletzung durch bloßes Anschauen einer Website
Urheberrecht Wenn man eine Website aufruft,
speichert der eigene Rechner diese Seite automatisch in
seinem Cache-Speicher ab. Der Europäische Gerichtshof hat nun
der D.A.S. zufolge entschieden, dass das automatische
Entstehen von Kopien urheberrechtlich geschützter Inhalte im
Cache und auf dem Bildschirm selbst keine
Urheberrechtsverletzung ist. EuGH, Az. C-360/13
Hintergrundinformation: Wird eine Internetseite angezeigt,
werden auf dem jeweiligen Computer automatisch sogenannte
Cache-Kopien der Seite gespeichert. Diese verbleiben
kurzfristig im Speicher – ein technisch notwendiger Vorgang.
Beim Anzeigen der Seite entsteht auch eine Kopie auf dem
Bildschirm. Manche Urheberrechtshüter sehen diese Kopien als
Urheberrechtsverletzung an.
Der Fall: Ein
Medienbeobachtungsdienst hatte Zeitungsartikel zum
kostenpflichtigen Betrachten ins Netz gestellt. Eine
britische Lizensierungsorganisation für Verlagsprodukte
meinte, dass die beim Betrachten der Internetseite
notwendigerweise erstellten Cache- und Bildschirmkopien eine
„Vervielfältigung“ der Inhalte seien. Diese sei nur mit
Zustimmung des Urhebers zulässig. Ohne Erlaubnis stelle daher
schon das Ansehen der Internetseite eine
Urheberrechtsverletzung dar.
Das Urteil: Der
Europäische Gerichtshof verwies darauf, dass Bildschirmkopien
beim Verlassen der Seite automatisch gelöscht würden.
Cache-Kopien würden automatisch nach einer gewissen Zeit
durch andere Inhalte ersetzt. Beide hätten also nur
vorläufigen Charakter. Ohne sie könne das Anzeigen einer
Internetseite nicht stattfinden. Während Bildschirmkopien
„flüchtig“ seien, wären Cache-Kopien nur ein „begleitender“
Vorgang ohne eigenständigen Zweck. Die Rechte der Urheber
seien durch beides nicht verletzt – immerhin müsse der, der
die Texte ins Netz stelle, bereits eine Zustimmung dafür
einholen. Eine weitere Zustimmung des Urhebers durch den
Internetnutzer selbst einholen zu lassen, sei überflüssig.
Das reine Betrachten einer Internetseite stellt demnach keine
Urheberrechtsverletzung dar. Europäischer
Gerichtshof, Urteil vom 5. Juni 2014, Az. C 360/13
- 12. August
2014: Bank darf kein Bearbeitungsentgelt für
Privatkredit verlangen Bank- und Kapitalmarktrecht
Geldinstitute dürfen in ihren Geschäftsbedingungen keine
Klauseln verwenden, nach denen ihre Kunden für einen
Privatkredit ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt
zahlen müssen. Dies entschied nach Mitteilung der D.A.S. der
Bundesgerichtshof. Derartige Klauseln sind eine unangemessene
Benachteiligung des Verbrauchers. BGH, Az. XI ZR 405/12
Hintergrundinformation: In Allgemeinen
Geschäftsbedingungen darf nicht alles niedergelegt werden,
was deren Verwender gerne möchte. Das Bürgerliche Gesetzbuch
enthält eine Reihe von Regelungen über den zulässigen Inhalt
des „Kleingedruckten“. Unzulässig sind z.B. überraschende
Klauseln – oder solche, die den Verbraucher unangemessen
benachteiligen. Der Fall: Ein Geldinstitut hatte in seinen
Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherdarlehen
vorgesehen, dass für die Überlassung des Kapitals ein
einmaliges Bearbeitungsentgelt von einem Prozent des
Kreditbetrages fällig werde – zusätzlich zu den Zinsen.
Ein Verbraucherschutzverein erhob Unterlassungsklage
gegen diese Praxis, da er die Vertragsklausel als unzulässig
ansah. Das Urteil: Der Bundesgerichtshof gab den
Verbraucherschützern Recht. Nach Angaben der D.A.S.
Rechtsschutzversicherung betonte das Gericht, dass bei
Krediten der vereinbarte Zins der laufzeitabhängige Preis für
die Überlassung des Darlehensbetrages sei. Mit dem von der
Kreditlaufzeit unabhängigen zusätzlichen Entgelt werde gerade
nicht die Überlassung des Kapitals bezahlt, sondern es würden
damit Kosten für die Bearbeitung des Darlehens in Rechnung
gestellt, die die Bank in eigenem Interesse erbringe oder
aufgrund gesetzlicher Pflichten erbringen müsse. Nach den
gesetzlichen Vorschriften könne die Bank kein
laufzeitunabhängiges Entgelt zusätzlich zu den Zinsen
fordern. Eine entsprechende Vertragsklausel sei eine
unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und somit
unwirksam. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.
05.2014, Az. XI ZR 405/12
- 05. August
2014: Wohnen und Arbeiten unter einem Dach -
Mietrecht Die rechtlichen Vorgaben für
gewerblich genutzte Räume und Wohnräume sind unterschiedlich
– dies betrifft z. B. die Regeln für die Kündigung. Wie die
D.A.S. mitteilte, berücksichtigt der Bundesgerichtshof bei
den anwendbaren Vorschriften besonders die Art des
Vertragsformulars, ob der Vertrag befristet oder unbefristet
ist und ob zur Miete Umsatzsteuer hinzukommt. Lässt sich
nicht feststellen, welche Nutzung überwiegt, ist ein
Wohnraummietvertrag anzunehmen. BGH, Az. VIII ZR 376/13
Hintergrundinformation: Für Wohnungsmieter gibt es
viele gesetzliche Schutzvorschriften. Für Mieter von
Gewerberäumen gelten diese nicht. In einem Gewerbemietvertrag
kann viel freier vereinbart werden, was die Parteien für
wichtig halten. Nun gibt es immer wieder Fälle, in denen sich
beide Bereiche überschneiden. Denn mancher arbeitet heute
zuhause oder nutzt einen Teil der Räume zur Ausübung eines
Gewerbes. Schnell stellt sich dann die Frage, welche
Vorschriften für den Vertrag gelten.
Der Fall: Die
Mieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin hatten im
Erdgeschoss eine Hypnosepraxis betrieben und im Rest des
Hauses gewohnt. Der Vermieter kündigte nun das Mietverhältnis
für das Haus – ohne Angabe von Gründen. Er sah das
Mietverhältnis als gewerblichen Mietvertrag an; die Angabe
von rechtlich wasserdichten Kündigungsgründen ist jedoch nur
beim Wohnraummietvertrag Pflicht. Die Mieter wehrten sich
gegen die Kündigung.
Das Urteil: Der
Bundesgerichtshof entschied nach Angaben der D.A.S.
Rechtsschutzversicherung, dass der Mietvertrag hier als
Wohnraummietvertrag zu behandeln sei. Zwar seien die Flächen
von Praxisräumen und Wohnung in etwa gleich groß. Es wären
aber auch andere Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen. Hier sei ein Vertragsformular für Wohnräume
verwendet worden. Der Vertrag sei unbefristet, was für
Gewerberäume untypisch sei. Die Mieter müssten auch keine
Umsatzsteuer zahlen. All dies spreche für einen
Wohnraummietvertrag. Generell gelte: Sei nicht feststellbar,
dass die gewerbliche Nutzung überwiege, müsse man einen
Wohnraummietvertrag annehmen, da sonst der Schutz für
Wohnraummieter allzu leicht ausgehebelt werde. Die Kündigung
war hier damit unwirksam. Bundesgerichtshof,
Urteil vom 09. Juli 2014, Az. VIII ZR 376/13
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- 29. Juli 2014: Falschberatung in
der Autowerkstatt -Gewährleistungsrecht Eine
falsche Beratung in der Autowerkstatt kann dazu führen, dass
die Werkstatt dem Kunden den Nutzungsausfall seines Pkw
ersetzen muss. Darauf wies nach D.A.S. Angaben das
Oberlandesgericht Oldenburg hin. Eine Kundin hatte auf
Anraten der Werkstatt ihren Wagen wegen der angeblichen
Gefahr eines Motorschadens über einen längeren Zeitraum nicht
genutzt. OLG Oldenburg, Az. 1 U 132/13
Hintergrundinformation: Das Thema „Nutzungsausfall“ wird
normalerweise dann aktuell, wenn ein Auto aufgrund eines
Unfalls einige Zeit in der Werkstatt verschwindet und vom
Eigentümer nicht genutzt werden kann. Nimmt der
Unfallgeschädigte keinen Mietwagen in Anspruch, kann er eine
Entschädigung für den Nutzungsausfall fordern. Diese wird für
den Zeitraum bezahlt, der für die Reparatur erforderlich ist
– oder für die Ersatzbeschaffung, falls es sich um einen
Totalschaden handelt. Der Fall: Eine Kundin war mit ihrem
VW T4 in die Werkstatt gekommen. Der Bus hatte zuvor in einer
anderen Werkstatt einen Austauschmotor erhalten. Auftrag war
nun, die Ursache für einen Ölverlust festzustellen. Die
Werkstatt erklärte, dass wahrscheinlich ein erheblicher
Motorschaden vorliege. Bis zur genauen Klärung solle das Auto
nicht für längere Strecken benutzt werden. Die Frau ließ den
Bus daraufhin stehen – und leitete gegen die andere Werkstatt
ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren ein, das 197 Tage
dauerte. Schließlich stellte sich heraus, dass kein
Motorschaden vorlag. Es handelte sich lediglich um das
sogenannte „Schwitzen“ von Dichtungen. Die erboste
Kfz-Halterin verlangte von der zweiten Werkstatt daraufhin
eine Entschädigung für den Nutzungsausfall.
Das
Urteil: Das Oberlandesgericht Oldenburg gestand ihr nach
Angaben der D.A.S. Rechtsschutzversicherung eine
Entschädigung in Höhe von 6.250 Euro zu – 50 Euro pro Tag für
125 Tage nach einer einschlägigen Tabelle. Der Zeitraum wurde
verkürzt, da die Werkstatt nicht für die verspätete
Einleitung des Beweissicherungsverfahrens verantwortlich war.
OLG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2014, Az. 1 U
132/13
- 23. Juli 2014: Erhebung
wiederkehrender Straßenausbaubeiträge bei
konkret-individueller Zurechnung eines Sondervorteils
zulässig Die Erhebung wiederkehrender
Straßenausbaubeiträge ist verfassungsrechtlich zulässig. Die
Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht
Beitragspflichtigen muss nach Maßgabe des konkret
zurechenbaren Vorteils vorgenommen werden, dessen
Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll.
Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit
heute veröffentlichtem Beschluss entschieden.
Die
maßgebliche Vorschrift des rheinland-pfälzischen
Kommunalabgabengesetzes ist bei verfassungskonformer
Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Prüfung der
Frage, ob die angegriffenen Beitragssatzungen den jetzt
geklärten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht
werden, werden die Verfahren an das Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
Sachverhalt und
Verfahrensgang: Die Beschwerdeführerinnen wurden auf der
Grundlage kommunaler Satzungen zu wiederkehrenden Beiträgen
für Verkehrsanlagen herangezogen. Dem Verfahren 1 BvR 668/10
liegt ein Bescheid der Stadt Saarburg für das Jahr 2007 in
Höhe von 146,30 € zu Grunde, dem Verfahren 1 BvR 2104/10 ein
Bescheid der Stadt Schifferstadt für das Jahr 2006 in Höhe
von 27,36 €. Die hiergegen gerichteten Klagen blieben vor
den Verwaltungsgerichten im Wesentlichen ohne Erfolg. Die
Beschwerdeführerinnen wenden sich mittelbar auch gegen die
Rechtsgrundlage der Beitragssatzungen in § 10a des
rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG RP).
Wesentliche Erwägungen des Senats: 1.
Der wiederkehrende Beitrag beruht auf einer gesetzlichen
Grundlage, die die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt.
Wiederkehrende Beiträge nach § 10a KAG RP sind keine Steuern,
sondern nichtsteuerliche Abgaben, für die den Ländern nach
den allgemeinen Regeln die erforderliche
Sachgesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 30, 70 ff. GG,
Straßenausbaubeitragsrecht). 2. Die
Verfassungsbeschwerden sind unbegründet, soweit sie sich
grundsätzlich gegen die Möglichkeit wenden, wiederkehrende
Beiträge für Verkehrsanlagen nach § 10a KAG RP aufzuerlegen.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem
Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der
Grund¬satz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl des
Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von
Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen
weitreichenden Gestaltungsspielraum. Wer eine
nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist allerdings regelmäßig
zugleich steuerpflichtig. Daher bedürfen nichtsteuerliche
Abgaben, einer - über den Zweck der Einnahmeerzielung
hinausgehenden - besonderen sachlichen Rechtfertigung. Als
sachliche Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines
Beitrags rechtfertigen können, sind vor allem Zwecke des
Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale
Zwecke anerkannt. Es ist ein legitimes Anliegen des
Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben so auszugestalten,
dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit
Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen
zu entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die
Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht
übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im
rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen
Ungleichheit der Belastung stehen. Werden Beiträge
erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung
zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen
nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen
Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll.
Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen
grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der
abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche
Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der
Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen,
einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der
Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet.
Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt, muss
auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden.
b) Die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach Maßgabe
des § 10a KAG RP verstößt bei verfassungskonformer Auslegung
nicht gegen das Gebot der Belastungsgleichheit.
aa)
Während nach Auffassung des Landesgesetzgebers beim
einmaligen Beitrag der Sondervorteil in der rechtlichen und
tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges
„zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage“
besteht, soll beim wiederkehrenden Beitrag die Möglichkeit
der Zufahrt oder des Zugangs zu „einer der Verkehrsanlagen“ -
also nicht nur zu einer bestimmten, gerade hergestellten oder
ausgebauten Verkehrsanlage - genügen. Damit bewegt sich
der Landesgesetzgeber innerhalb der durch den Gleichheitssatz
gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit. Mit dem
Ausbaubeitrag wird nicht die schlichte auch der Allgemeinheit
zustehende Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern
die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende
Erhaltung der wegemäßigen Erschließung als Anbindung an das
inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den
Straßenausbau wird die Zugänglichkeit des Grundstücks
gesichert und damit der Fortbestand der
qualifizierten Nutzbarkeit. Dem liegt der Gedanke zugrunde,
dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten
Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist,
regelmäßig nicht ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an
das übrige Straßennetz meist erst über mehrere
Verkehrsanlagen vermittelt. bb) Die Bildung einer
einheitlichen Abrechnungseinheit für Straßenausbaubeiträge
ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein
konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das
beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. § 10a KAG RP
eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche
öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das
gesamte Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne,
abgrenzbare Gebietsteile. Der Gesetzgeber sah die
Ausübung des Satzungsermessens dahingehend, dass sämtliche
zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen einer Gemeinde eine
einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, als Regelfall
an, was auch vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass es in
Rheinland-Pfalz besonders viele kleinere Gemeinden gibt. cc)
Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten
Gemeindegebiet durch Satzung ist dann gerechtfertigt, wenn
mit den Verkehrsanlagen ein Sondervorteil für das
beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Besteht ein
solcher Vorteil nicht wie dies regelmäßig in Großstädten oder
Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet der Fall sein wird ,
läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur
Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher
Sachverhalte. (1) Der Wortlaut des § 10a KAG RP steht
einer solchen verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen,
da dem Satzungsgeber ausdrücklich vorgeschrieben ist, die
örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In Großstädten
oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet ist das
eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen
Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet insoweit von
Verfassungs wegen auf Null reduziert, als nur so dem Gebot
eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung
des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des
Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann.
(2) Eine
Beitragserhebung kommt nur für diejenigen Grundstücke in
Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls
potentiellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der
Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen
als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks
auswirkt. Nur in diesem Fall erscheint es nach dem Maßstab
des Gleichheitssatzes gerechtfertigt, gerade den oder die
Eigentümer dieses Grundstücks zu einem Beitrag für die
Nutzung der ausgebauten Straße heranzuziehen. Ob die
herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren
Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage
haben, hängt dabei nicht von der politischen Zuordnung eines
Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen
Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines
zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie der
Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der
typischen tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in
Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere
abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und
unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die
Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung
ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden - insbesondere
solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten
Ort bestehen - werden sich einheitliche öffentliche
Einrichtung und Gemeindegebiet dagegen häufig decken. Ein
„funktionaler Zusammenhang“ von Verkehrsanlagen, wie er
früher vom Landesgesetzgeber und den Verwaltungsgerichten
gefordert wurde, ist für die Bildung einer Abrechnungseinheit
von Verkehrsanlagen durch den Gleichheitssatz jedoch nicht
vorgegeben. Aus verfassungsrechtlicher Sicht
kommt es allein darauf an, dass eine individuelle Zurechnung
von Vorteil und Beitragspflicht hergestellt werden kann.
3. Die angegriffenen Entscheidungen sind den
verfassungsrechtlichen Anforderungen aus dem Grundsatz der
Belastungsgleichheit nicht in vollem Umfang gerecht geworden.
Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht bei der
Anwendung von § 10a KAG RP nicht geprüft, ob ein
individuell-konkret zurechenbarer, grundstücksbezogener
Vorteil der beitragspflichtigen Grundstücke vom Anschluss an
die jeweilige Beitragseinheit vorhanden ist. Daher sind die
Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
aufzuheben und die Verfahren dorthin zurückzuverweisen
- 4. Juli 2014: Keine Pflicht zur
Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten Der
u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und
Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Falschparker
dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen
Abschleppkosten erstatten müssen. Dem liegt der folgende
Sachverhalt zu Grunde: Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt
auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines
Fitnessstudios in München abgestellt. Dessen Betreiberin
beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser
abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des
Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto
vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen
Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios
an die Beklagte ab. Die Beklagte schleppte das Fahrzeug
ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch
mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr
der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen
entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger
ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den
Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 €
mitzuteilen.
Dem kam die Beklagte nicht nach.
Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht.
Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des
Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu
zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger
weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort
des Fahrzeugs mit. Der Kläger hält den von der Beklagten
geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im
Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten
nur 100 € zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 €
freistellen muss. Das Landgericht hat die vom Kläger zu
tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € abgeändert
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Revisionen
beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht
verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden.
Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu
tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen. Der Senat bestätigt damit seine bisherige
Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen
auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine
teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der
Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das
Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld
eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen
beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang
entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit
sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß
stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur
die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im
Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs
entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt
abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen,
das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen
des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen
Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung
etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten sind hingegen
die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche
Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil
sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen.
Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick
auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht
ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß,
denn sie entstehen unabhängig davon. Die Ersatzpflicht des
Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot
begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten,
die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in
der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde.
Maßgeblich
ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und
die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs
verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede
sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch
Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu klären haben. Ein Anspruch
auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem
Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des
Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten
Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt.
Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an
dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich
nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.
Urteil vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13 AG München – Urteil
vom 23. August 2011 – 415 C 29187/10 LG München I –
Urteil vom 14. August 2013 – 15 S 19287/11 Karlsruhe, den
4. Juli 2014
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