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"Pfusch am Bau"



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Archiv 7-9.2014
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Mitten aus dem Leben  -  Urteile und Tipps zu §§
D.A.S. Rechtsschutzexperten erläutern Rechte der Verbraucher

 
September 2014

- 03. September 2014: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gewährt Yeziden aus dem Nordirak Flüchtlingsschutz
Die 18a. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen hat mit heute verkündeten Urteilen in fünf Verfahren jeweils das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtet, die der religiösen Minderheit der Yeziden angehörenden und aus dem Nordirak stammenden Kläger als Flüchtlinge anzuerkennen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Asylanträge der Kläger - vor dem Vorrücken der Kampftruppen des Islamischen Staates - abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht begründete seine heutige Entscheidung mit der aktuellen Lage im Nordirak, wo den Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft eine an ihren Glauben anknüpfende, sog. "Gruppenverfolgung" durch die Gruppierung "Islamischer Staat" drohe. Nach übereinstimmenden Berichten der führenden Medien befinde sich ein großer Teil der bislang im Nordirak lebenden Yeziden unter vor allem für Kinder und alte Menschen lebensgefährlichen Bedingungen auf der Flucht vor einem von der Gruppierung "Islamischer Staat" offensiv kommunizierten und mit Gewalttaten untermauerten Verfolgungsprogramm. I
nnerhalb des Iraks stehe den Yeziden kein Schutz zur Verfügung, weil weder die irakische Armee noch die kurdischen Peshmerga einen Schutz gegen die vorrü ckenden Truppen des "Islamischen Staates" bieten würden und die kurdischen Autonomiegebiete nicht über ausreichende Kapazitäten verfügten, um den Flüchtlingsstrom zu bewältigen.
Diese Erkenntnisse würden dadurch untermauert, dass auch Vertreter der Bundesregierung wie des UNHCR übereinstimmend von einem drohenden Völkermord an der yezidischen Bevölkerung sprechen. Gegen die Entscheidung kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Sie wird in Kürze unter www.nrwe.de abrufbar sein.
Aktenzeichen: 18a K 223/13.A u.a.

 

August 2014

- 28. August 2014:
Oberverwaltungsgericht hält das Rohrleitungsgesetz für die Kohlenstoffmonoxid-(CO)-Pipeline der Bayer AG für verfassungswidrig
In dem Berufungsverfahren gegen die Kohlenstoffmonoxid-(CO)-Pipeline der Bayer AG hat der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom heutigen Tag dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen mit Art. 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist.

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 14.2.2007 hat die Bezirksregierung Düsseldorf den Bau und Betrieb einer Pipeline zugelassen, die die linksrheinisch gelegenen Chemieparks der Bayer AG in Krefeld-Uerdingen und Dormagen verbinden soll, etwa 66 km lang ist und überwiegend rechtsrheinisch verläuft.
Die Pipeline ist weitgehend fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb. Um die Enteignung der für die Pipeline benötigten Grundstücke zu ermöglichen, erließ der Landtag NRW am 21.3.2006 ein gesondertes (Rohrleitung-)Gesetz. Nach diesem Gesetz dient die Pipeline, was Voraussetzung für eine Enteignung ist, auch dem Wohl der Allgemeinheit.

Auf der Grundlage dieses Gesetzes sollen unter anderem auch die Kläger des Berufungsverfahrens enteignet werden. Mit ihrer Klage begehren die Kläger vorrangig die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung Düsseldorf. Zur Entscheidung über dieses Begehren kommt es maßgeblich darauf an, ob das Rohrleitungsgesetz verfassungsgemäß ist.
Das Oberverwaltungsgericht sieht in dem Rohrleitungsgesetz einen Verstoß gegen das durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht der Kläger auf Eigentum.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Pipeline stelle im Ausgangspunkt ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden könne. Deshalb müsse sich das Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater Unternehmen enthalte. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Einschätzungsspielraum, müsse aber den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festlegen und den Enteignungsbegünstigten ausreichend an diesen Enteignungszweck binden. Beides sei durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.

Da über die Vereinbarkeit des Rohrleitungsgesetzes mit den Grundrechten der Kläger allein das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden kann, hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 20 A 1923/11

 

- 19. August 2014: Keine Urheberrechtsverletzung durch bloßes Anschauen einer Website Urheberrecht  
Wenn man eine Website aufruft, speichert der eigene Rechner diese Seite automatisch in seinem Cache-Speicher ab. Der Europäische Gerichtshof hat nun der D.A.S. zufolge entschieden, dass das automatische Entstehen von Kopien urheberrechtlich geschützter Inhalte im Cache und auf dem Bildschirm selbst keine Urheberrechtsverletzung ist.
EuGH, Az. C-360/13  
Hintergrundinformation: Wird eine Internetseite angezeigt, werden auf dem jeweiligen Computer automatisch sogenannte Cache-Kopien der Seite gespeichert. Diese verbleiben kurzfristig im Speicher – ein technisch notwendiger Vorgang. Beim Anzeigen der Seite entsteht auch eine Kopie auf dem Bildschirm. Manche Urheberrechtshüter sehen diese Kopien als Urheberrechtsverletzung an.

Der Fall: Ein Medienbeobachtungsdienst hatte Zeitungsartikel zum kostenpflichtigen Betrachten ins Netz gestellt. Eine britische Lizensierungsorganisation für Verlagsprodukte meinte, dass die beim Betrachten der Internetseite notwendigerweise erstellten Cache- und Bildschirmkopien eine „Vervielfältigung“ der Inhalte seien. Diese sei nur mit Zustimmung des Urhebers zulässig. Ohne Erlaubnis stelle daher schon das Ansehen der Internetseite eine Urheberrechtsverletzung dar.

Das Urteil: Der Europäische Gerichtshof verwies darauf, dass Bildschirmkopien beim Verlassen der Seite automatisch gelöscht würden. Cache-Kopien würden automatisch nach einer gewissen Zeit durch andere Inhalte ersetzt. Beide hätten also nur vorläufigen Charakter. Ohne sie könne das Anzeigen einer Internetseite nicht stattfinden. Während Bildschirmkopien „flüchtig“ seien, wären Cache-Kopien nur ein „begleitender“ Vorgang ohne eigenständigen Zweck.
Die Rechte der Urheber seien durch beides nicht verletzt – immerhin müsse der, der die Texte ins Netz stelle, bereits eine Zustimmung dafür einholen. Eine weitere Zustimmung des Urhebers durch den Internetnutzer selbst einholen zu lassen, sei überflüssig. Das reine Betrachten einer Internetseite stellt demnach keine Urheberrechtsverletzung dar.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 5. Juni 2014, Az. C 360/13
 

- 12. August 2014: Bank darf kein Bearbeitungsentgelt für Privatkredit verlangen Bank- und Kapitalmarktrecht
Geldinstitute dürfen in ihren Geschäftsbedingungen keine Klauseln verwenden, nach denen ihre Kunden für einen Privatkredit ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt zahlen müssen. Dies entschied nach Mitteilung der D.A.S. der Bundesgerichtshof. Derartige Klauseln sind eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers. BGH, Az. XI ZR 405/12  
Hintergrundinformation:
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf nicht alles niedergelegt werden, was deren Verwender gerne möchte. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält eine Reihe von Regelungen über den zulässigen Inhalt des „Kleingedruckten“. Unzulässig sind z.B. überraschende Klauseln – oder solche, die den Verbraucher unangemessen benachteiligen. Der Fall: Ein Geldinstitut hatte in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherdarlehen vorgesehen, dass für die Überlassung des Kapitals ein einmaliges Bearbeitungsentgelt von einem Prozent des Kreditbetrages fällig werde – zusätzlich zu den Zinsen.

Ein Verbraucherschutzverein erhob Unterlassungsklage gegen diese Praxis, da er die Vertragsklausel als unzulässig ansah. Das Urteil: Der Bundesgerichtshof gab den Verbraucherschützern Recht. Nach Angaben der D.A.S. Rechtsschutzversicherung betonte das Gericht, dass bei Krediten der vereinbarte Zins der laufzeitabhängige Preis für die Überlassung des Darlehensbetrages sei. Mit dem von der Kreditlaufzeit unabhängigen zusätzlichen Entgelt werde gerade nicht die Überlassung des Kapitals bezahlt, sondern es würden damit Kosten für die Bearbeitung des Darlehens in Rechnung gestellt, die die Bank in eigenem Interesse erbringe oder aufgrund gesetzlicher Pflichten erbringen müsse. Nach den gesetzlichen Vorschriften könne die Bank kein laufzeitunabhängiges Entgelt zusätzlich zu den Zinsen fordern. Eine entsprechende Vertragsklausel sei eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und somit unwirksam.  
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. 05.2014, Az. XI ZR 405/12

 

 

- 05. August 2014: Wohnen und Arbeiten unter einem Dach - Mietrecht
Die rechtlichen Vorgaben für gewerblich genutzte Räume und Wohnräume sind unterschiedlich – dies betrifft z. B. die Regeln für die Kündigung. Wie die D.A.S. mitteilte, berücksichtigt der Bundesgerichtshof bei den anwendbaren Vorschriften besonders die Art des Vertragsformulars, ob der Vertrag befristet oder unbefristet ist und ob zur Miete Umsatzsteuer hinzukommt. Lässt sich nicht feststellen, welche Nutzung überwiegt, ist ein Wohnraummietvertrag anzunehmen.
BGH, Az. VIII ZR 376/13  
Hintergrundinformation:
Für Wohnungsmieter gibt es viele gesetzliche Schutzvorschriften. Für Mieter von Gewerberäumen gelten diese nicht. In einem Gewerbemietvertrag kann viel freier vereinbart werden, was die Parteien für wichtig halten. Nun gibt es immer wieder Fälle, in denen sich beide Bereiche überschneiden. Denn mancher arbeitet heute zuhause oder nutzt einen Teil der Räume zur Ausübung eines Gewerbes. Schnell stellt sich dann die Frage, welche Vorschriften für den Vertrag gelten.

Der Fall: Die Mieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin hatten im Erdgeschoss eine Hypnosepraxis betrieben und im Rest des Hauses gewohnt. Der Vermieter kündigte nun das Mietverhältnis für das Haus – ohne Angabe von Gründen. Er sah das Mietverhältnis als gewerblichen Mietvertrag an; die Angabe von rechtlich wasserdichten Kündigungsgründen ist jedoch nur beim Wohnraummietvertrag Pflicht. Die Mieter wehrten sich gegen die Kündigung.

Das Urteil:
Der Bundesgerichtshof entschied nach Angaben der D.A.S. Rechtsschutzversicherung, dass der Mietvertrag hier als Wohnraummietvertrag zu behandeln sei. Zwar seien die Flächen von Praxisräumen und Wohnung in etwa gleich groß. Es wären aber auch andere Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hier sei ein Vertragsformular für Wohnräume verwendet worden. Der Vertrag sei unbefristet, was für Gewerberäume untypisch sei. Die Mieter müssten auch keine Umsatzsteuer zahlen. All dies spreche für einen Wohnraummietvertrag. Generell gelte: Sei nicht feststellbar, dass die gewerbliche Nutzung überwiege, müsse man einen Wohnraummietvertrag annehmen, da sonst der Schutz für Wohnraummieter allzu leicht ausgehebelt werde. Die Kündigung war hier damit unwirksam.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 09. Juli 2014, Az. VIII ZR 376/13  


Juli 2014

- 29. Juli 2014: Falschberatung in der Autowerkstatt -Gewährleistungsrecht  
Eine falsche Beratung in der Autowerkstatt kann dazu führen, dass die Werkstatt dem Kunden den Nutzungsausfall seines Pkw ersetzen muss. Darauf wies nach D.A.S. Angaben das Oberlandesgericht Oldenburg hin. Eine Kundin hatte auf Anraten der Werkstatt ihren Wagen wegen der angeblichen Gefahr eines Motorschadens über einen längeren Zeitraum nicht genutzt.
OLG Oldenburg, Az. 1 U 132/13  
Hintergrundinformation: Das Thema „Nutzungsausfall“ wird normalerweise dann aktuell, wenn ein Auto aufgrund eines Unfalls einige Zeit in der Werkstatt verschwindet und vom Eigentümer nicht genutzt werden kann. Nimmt der Unfallgeschädigte keinen Mietwagen in Anspruch, kann er eine Entschädigung für den Nutzungsausfall fordern. Diese wird für den Zeitraum bezahlt, der für die Reparatur erforderlich ist – oder für die Ersatzbeschaffung, falls es sich um einen Totalschaden handelt.
Der Fall: Eine Kundin war mit ihrem VW T4 in die Werkstatt gekommen. Der Bus hatte zuvor in einer anderen Werkstatt einen Austauschmotor erhalten. Auftrag war nun, die Ursache für einen Ölverlust festzustellen. Die Werkstatt erklärte, dass wahrscheinlich ein erheblicher Motorschaden vorliege. Bis zur genauen Klärung solle das Auto nicht für längere Strecken benutzt werden. Die Frau ließ den Bus daraufhin stehen – und leitete gegen die andere Werkstatt ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren ein, das 197 Tage dauerte. Schließlich stellte sich heraus, dass kein Motorschaden vorlag. Es handelte sich lediglich um das sogenannte „Schwitzen“ von Dichtungen. Die erboste Kfz-Halterin verlangte von der zweiten Werkstatt daraufhin eine Entschädigung für den Nutzungsausfall.

Das Urteil: Das Oberlandesgericht Oldenburg gestand ihr nach Angaben der D.A.S. Rechtsschutzversicherung eine Entschädigung in Höhe von 6.250 Euro zu – 50 Euro pro Tag für 125 Tage nach einer einschlägigen Tabelle. Der Zeitraum wurde verkürzt, da die Werkstatt nicht für die verspätete Einleitung des Beweissicherungsverfahrens verantwortlich war.
OLG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2014, Az. 1 U 132/13

- 23. Juli 2014: Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge bei konkret-individueller Zurechnung eines Sondervorteils zulässig Die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge ist verfassungsrechtlich zulässig. Die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen muss nach Maßgabe des konkret zurechenbaren Vorteils vorgenommen werden, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden.

Die maßgebliche Vorschrift des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes ist bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Prüfung der Frage, ob die angegriffenen Beitragssatzungen den jetzt geklärten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden, werden die Verfahren an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Beschwerdeführerinnen wurden auf der Grundlage kommunaler Satzungen zu wiederkehrenden Beiträgen für Verkehrsanlagen herangezogen. Dem Verfahren 1 BvR 668/10 liegt ein Bescheid der Stadt Saarburg für das Jahr 2007 in Höhe von 146,30 € zu Grunde, dem Verfahren 1 BvR 2104/10 ein Bescheid der Stadt Schifferstadt für das Jahr 2006 in Höhe von 27,36 €.
Die hiergegen gerichteten Klagen blieben vor den Verwaltungsgerichten im Wesentlichen ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mittelbar auch gegen die Rechtsgrundlage der Beitragssatzungen in § 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG RP).
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Der wiederkehrende Beitrag beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, die die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt. Wiederkehrende Beiträge nach § 10a KAG RP sind keine Steuern, sondern nichtsteuerliche Abgaben, für die den Ländern nach den allgemeinen Regeln die erforderliche Sachgesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 30, 70 ff. GG, Straßenausbaubeitragsrecht).
2. Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet, soweit sie sich grundsätzlich gegen die Möglichkeit wenden, wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen nach § 10a KAG RP aufzuerlegen. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der Grund¬satz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum.
Wer eine nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist allerdings regelmäßig zugleich steuerpflichtig.
Daher bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, einer - über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden - besonderen sachlichen Rechtfertigung. Als sachliche Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags rechtfertigen können, sind vor allem Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt.
Es ist ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen.
Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet.
Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt, muss auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden. b) Die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach Maßgabe des § 10a KAG RP verstößt bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen das Gebot der Belastungsgleichheit.

aa) Während nach Auffassung des Landesgesetzgebers beim einmaligen Beitrag der Sondervorteil in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges „zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage“ besteht, soll beim wiederkehrenden Beitrag die Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu „einer der Verkehrsanlagen“ - also nicht nur zu einer bestimmten, gerade hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage - genügen.
Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber innerhalb der durch den Gleichheitssatz gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit. Mit dem Ausbaubeitrag wird nicht die schlichte auch der Allgemeinheit zustehende Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung als Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz.
Durch den Straßenausbau wird die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, regelmäßig nicht ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an das übrige Straßennetz meist erst über mehrere Verkehrsanlagen vermittelt.
bb) Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit für Straßenausbaubeiträge ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. § 10a KAG RP eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das gesamte Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne, abgrenzbare Gebietsteile.
Der Gesetzgeber sah die Ausübung des Satzungsermessens dahingehend, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen einer Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, als Regelfall an, was auch vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass es in Rheinland-Pfalz besonders viele kleinere Gemeinden gibt. cc) Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet durch Satzung ist dann gerechtfertigt, wenn mit den Verkehrsanlagen ein Sondervorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist.
Besteht ein solcher Vorteil nicht wie dies regelmäßig in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet der Fall sein wird , läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte.
(1) Der Wortlaut des § 10a KAG RP steht einer solchen verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen, da dem Satzungsgeber ausdrücklich vorgeschrieben ist, die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet ist das eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet insoweit von Verfassungs wegen auf Null reduziert, als nur so dem Gebot eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann.

(2) Eine Beitragserhebung kommt nur für diejenigen Grundstücke in Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls potentiellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Nur in diesem Fall erscheint es nach dem Maßstab des Gleichheitssatzes gerechtfertigt, gerade den oder die Eigentümer dieses Grundstücks zu einem Beitrag für die Nutzung der ausgebauten Straße heranzuziehen.
Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt dabei nicht von der politischen Zuordnung eines Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung.
Dabei dürfte in Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden - insbesondere solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen - werden sich einheitliche öffentliche Einrichtung und Gemeindegebiet dagegen häufig decken. Ein „funktionaler Zusammenhang“ von Verkehrsanlagen, wie er früher vom Landesgesetzgeber und den Verwaltungsgerichten gefordert wurde, ist für die Bildung einer Abrechnungseinheit von Verkehrsanlagen durch den Gleichheitssatz jedoch nicht vorgegeben.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es allein darauf an, dass eine individuelle Zurechnung von Vorteil und Beitragspflicht hergestellt werden kann.
3. Die angegriffenen Entscheidungen sind den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht in vollem Umfang gerecht geworden. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht bei der Anwendung von § 10a KAG RP nicht geprüft, ob ein individuell-konkret zurechenbarer, grundstücksbezogener Vorteil der beitragspflichtigen Grundstücke vom Anschluss an die jeweilige Beitragseinheit vorhanden ist. Daher sind die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Verfahren dorthin zurückzuverweisen

- 4. Juli 2014: Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten
Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Falschparker dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten müssen.
Dem liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.
Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen.

Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit. Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 € zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € freistellen muss. Das Landgericht hat die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Revisionen beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden.

Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen.
Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen.
Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon. Die Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde.

 Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.
Ein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt.


Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.

Urteil vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13 AG München
– Urteil vom 23. August 2011
– 415 C 29187/10 LG München I
– Urteil vom 14. August 2013
– 15 S 19287/11 Karlsruhe, den 4. Juli 2014