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Mitten aus dem Leben - Urteile und Tipps zu §§
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Dezember 2019 |
Heil und gesund ins neue Jahr:
Silvesterfeuerwerk richtig zünden Coburg, Duisburg 19.
Dezember 2019 - Wenn beim Feuerwerk doch etwas schiefgeht:
Welche Versicherung ist für welchen Schaden zuständig?
Coburg, 19. Dezember 2019 Das neue Jahr beginnt und Millionen
Deutsche begrüßen es mit Raketen und Böllern. Gar nicht
so selten endet dieses Vergnügen aber in der Notaufnahme
eines Krankenhauses oder mit erheblichem Sachschaden. Wer die
Silvesternacht genießen will, dem rät die HUK-COBURG, nur
Feuerwerkskörper zu verwenden, die zuvor von unabhängigen
Prüfanstalten getestet wurden. Natürlich müssen
Feuerwerkskörper in einwandfreiem Zustand und unbeschädigt
sein. Lässt sich eine Rakete oder ein Böller nicht gleich
zünden, weg damit! Geprüfte und zugelassene Feuerwerkskörper
tragen eine Registriernummer und ein CE-Zeichen mit der
Kennnummer der Prüfstelle. Der Aufdruck verrät zudem, wer mit
den Feuerwerkskörpern hantieren darf: Kategorie F2 darf nur
zu Silvester und nur von volljährigen Personen abgebrannt
werden. Feuerwerkskörper der Kategorie F1 - zum Beispiel
Knallbonbons oder Wunderkerzen - können Jugendliche ab zwölf
Jahren allein verwenden.
Noch eines: Bevor man
Feuerwerkskörper abschießt, immer die Gebrauchsanweisung
lesen und – ganz wichtig – immer auf einen ausreichenden
Sicherheitsabstand zum nächsten Menschen achten. Wer selbst
alles richtig macht, ist noch lange nicht vor Fehlern Dritter
gefeit. Immer wieder beschädigen Raketen und Böller in
der Silvesternacht parkende Autos. Steht der Verursacher fest
und hat der sich nicht an die Vorgaben des Herstellers beim
Zünden des Feuerwerks gehalten, muss er in der Regel haften.
Doch die Praxis zeigt: Man weiß eher selten, wer für den
Schaden verantwortlich ist. Hat der Besitzer des
beschädigten Autos eine Teilkasko-Versicherung, kann er den
Schaden dort melden und regulieren lassen. Dies gilt übrigens
auch, wenn der Verursacher feststeht. In diesem Fall holt
sich die Versicherung das Geld aber nach der
Schadenregulierung vom Schädiger zurück. Zu den typischen
Schäden dieser Nacht zählen auch Raketen, die durch offene
Fenster oder Dachluken fliegen. Wenn sich daraus ein Brand
entwickelt, der das Gebäude oder den Hausrat beschädigt, ist
dies ein Fall für Wohngebäude- und Hausratversicherung.
Allerdings lassen sich solche Schäden in der Regel leicht
vermeiden, indem man Fenster und Dachluken schließt. Weitaus
schlimmer, in der Silvesternacht aber leider nicht selten:
Ein verirrter Kracher verletzt jemanden ernsthaft, zum
Beispiel an den Augen – ein dauerhafter Schaden bleibt
zurück. Niemand weiß, wer den Kracher abgeschossen hat, darum
kann der Verletzte auch niemanden in die Pflicht nehmen und
bleibt auf seinen Schadenersatzansprüchen sitzen. In
dieser Situation hilft eine private Unfallversicherung. Sie
zahlt unabhängig davon, ob man selber oder ein Dritter den
Unfall verursacht hat. Selbst wenn der Unfallverursacher
bekannt ist, können Opfer leer ausgehen. Ohne private
Haft-pflichtversicherung muss er das Opfer aus der eigenen
Tasche entschädigen. Bei schweren Unfällen eine
Verpflichtung, die Privatleute oft nicht erfüllen können.
Auch hier hilft dem Unfallopfer eine private
Unfallversicherung.
Kfz-Halter haftet! Bei einem Verstoß gegen
die Parkordnung haftet der Kfz-Halter auf "erhöhtes Parkentgelt", wenn er
seine Fahrereigenschaft nur pauschal bestreitet, ohne den
Fahrer zu benennen
Karlsruhe,
Bundesgerichtshof-Urteil vom 18. Dezember 2019 - XII ZR 13/19
Der unter anderem für die Leihe und das gewerbliche
Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hatte zu entscheiden, ob der Betreiber eines privaten
Parkplatzes vom Halter eines unter Verstoß gegen die
Parkbedingungen abgestellten Pkws ein sog. erhöhtes
Parkentgelt verlangen kann.
Die Klägerin, ein mit der
Bewirtschaftung privaten Parkraums befasstes Unternehmen,
betreibt für die jeweiligen Grundstückseigentümer zwei
Krankenhausparkplätze. Diese sind durch Hinweisschilder als
Privatparkplätze ausgewiesen. Die Benutzung ist für eine
Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos; zudem gibt es
gesondert beschilderte, den Krankenhausmitarbeitern mit
Parkausweis vorbehaltene Stellflächen. Durch Schilder ist
darauf hingewiesen, dass bei widerrechtlich abgestellten
Fahrzeugen ein "erhöhtes Parkentgelt" von mindestens 30 €
erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Pkws, der im
Oktober 2015 auf dem Parkplatz des einen Krankenhauses unter
Überschreitung der Höchstparkdauer sowie im Mai und im
Dezember 2017 unberechtigt auf einem Mitarbeiterparkplatz des
anderen Krankenhauses abgestellt war. Die drei am Pkw
hinterlassenen Aufforderungen zur Zahlung eines "erhöhten
Parkentgelts" blieben erfolglos. Daraufhin ermittelte die
Klägerin durch Halteranfragen die Beklagte als die
Fahrzeughalterin. Diese bestritt, an den betreffenden Tagen
Fahrerin des Pkws gewesen zu sein, und verweigerte die
Zahlung. Das Amtsgericht hat die auf Zahlung der "erhöhten
Parkentgelte" sowie der Kosten der Halteranfragen und von
Inkassokosten in einer Gesamthöhe von 214,50 € gerichtete
Klage abgewiesen.
Das Landgericht hat die hiergegen
gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil
Schuldner des "erhöhten Parkentgelts" nicht der
Fahrzeughalter, sondern nur der Fahrer sei und die Beklagte
wirksam ihre Fahrereigenschaft bestritten habe. Die dagegen
von der Klägerin eingelegte Revision führte zur Aufhebung des
angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Landgericht. Zwischen dem Betreiber eines
privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführer kommt ein
Nutzungsvertrag zustande, indem der Fahrzeugführer das in der
Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das
Abstellen des Fahrzeugs annimmt. Wird der Parkplatz - wie
hier - unentgeltlich zur Verfügung gestellt, handelt es sich
nicht um einen Miet-, sondern um einen Leihvertrag. Durch die
Hinweisschilder wird das "erhöhte Parkentgelt" als
Vertragsstrafe in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen
wirksam in den Vertrag einbezogen.
Die Festlegung mit
mindestens 30 € ist hinreichend bestimmt und der Höhe nach
nicht unangemessen. Zu Recht hat es das Landgericht zwar
abgelehnt, eine Haftung der Klägerin für diese Vertragsstrafe
allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere
schuldet der Halter keinen Schadensersatz wegen der
Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen, weil
ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende
Auskunftspflicht trifft.
Anders als das Landgericht
meint, hat die Beklagte aber ihre Fahrereigenschaft nicht
wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der
Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war, besteht allerdings
nicht, weil Halter- und Fahrereigenschaft in der
Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Jedenfalls wenn
die Einräumung der Parkmöglichkeit, wie im vorliegenden Fall,
unentgeltlich in Form einer Leihe erfolgt, kann sich der
Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner
Fahrereigenschaft beschränken. Vielmehr muss er im Rahmen
seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu
vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen
Zeitpunkt in Betracht kam. Die grundsätzlich
dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast, hier für
die Fahrereigenschaft, kann nach den von der Rechtsprechung
zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen eine
Erleichterung erfahren. Danach trifft den Prozessgegner eine
sekundäre Darlegungslast, wenn die primär
darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der
maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren
Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle
wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und
zumutbar ist, hierzu näher vorzutragen.
Diese
Voraussetzungen hat der XII. Zivilsenat für den vorliegenden
Fall bejaht. Denn beim Parken auf einem privaten Parkplatz
handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der
Parkplatz nicht einem bestimmten Vertragspartner, sondern der
Allgemeinheit zur - regelmäßig kurzzeitigen - Nutzung
angeboten wird. Zu einem persönlichen Kontakt zwischen
Betreiber und Fahrer als den beiden Vertragsparteien kommt es
regelmäßig nicht. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass
dem Verleiher die Person des Fahrzeugführers als des
Entleihers nicht bekannt ist. Dass der Parkplatzbetreiber das
Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen
Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig macht, ist
Bestandteil dieses Massengeschäfts und liegt im Interesse der
auf den einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen
angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er hat keine
zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners
bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs und damit
einer Verletzung seiner letztlich aus dem Eigentum folgenden
Rechte im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er
- mittels gesteigerten Personalaufwands - den Fahrer bei
dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen
Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen wie auf
der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von
demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung
stellt, kann auch nicht die Errichtung technischer Anlagen
(etwa eines Schrankensystems) gefordert werden, die letztlich
allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen. Im
Gegensatz dazu ist es dem Halter, der unter Beachtung seiner
prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu
sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand
ohne weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen
zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit
hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er hat es
regelmäßig in der Hand, wem er sein das Fahrzeug überlässt.
Das Landgericht wird der Beklagten daher nun Gelegenheit
zu einem wirksamen Bestreiten ihrer Fahrereigenschaft unter
Angabe der als Fahrer im Zeitpunkt des jeweiligen
Parkverstoßes in Betracht kommenden Person einzuräumen und
dann neu zu entscheiden haben. Vorinstanzen: LG Arnsberg -
Urteil vom 16. Januar 2019 - I-3 S 110/18 AG Arnsberg -
Urteil vom 1. August 2018 - 12 C 75/18
Drohne - Weihnachtsgeschenk zum
Abheben
Coburg/Duisburg, den 11. Dezember 2019 - Drohnen
führen schon seit Jahren die Hitliste der Weihnachtsgeschenke
an Vorbei die Zeiten von Puppe und Co: Heute liegen eher
elektronische Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Besonders
beliebt bei Jung und Alt sind ferngesteuerte Drohnen. Doch
reines Spiel-zeug sind sie nicht. Deshalb stutzen rechtliche
Vorgaben den Drohnen auch die Flügel: Nicht überall, wo man
fliegen kann, darf man und ohne Versicherung muss man sogar
ganz auf dem Boden bleiben. Wer haftet für Schäden
Egal, ob die Drohnen gewerblich oder privat als
Freizeitvergnügen genutzt werden: Im Schadenfall ist laut der
HUK-COBURG immer der Eigentümer bzw. der Halter in der Uhr.
Das gilt auch, wenn er seine Drohne verleiht. Und ein Unfall
ist auch im Privatbereich schnell passiert: Oft werden
Drohnen von einer Windböe erfasst, stürzen ab und beschädigen
ein parkendes Auto. Für die Schäden am Auto muss der
Drohnenhalter geradestehen. Aus diesem Grund bieten
private Haftpflichtversicherungen seit einiger Zeit
Versicherungsschutz für Drohnen. Wichtig für den
Versicherungsschutz ist das Gewicht: Privatgenutzte Drohnen
bis zu 250 Gramm sind in der privaten Haftpflichtversicherung
meist kostenfrei mitversichert, während die schweren
Ausführungen eigens miteingeschlossen werden müssen. Ein
Gespräch mit dem Versicherer macht also Sinn. Das gilt auch
für Kunden mit länger laufenden Policen. Gewerbliche
Nutzer brauchen ohnehin eine eigene Drohnenversicherung. Doch
egal, ob privat oder gewerblich genutzt, die Haftungsfrage
hängt bei Drohnen nicht vom Verschulden ab. Der Gesetzgeber
geht bei unbemannten Flugobjekten von einer
Gefährdungshaftung aus. Das heißt, der Halter haftet mit oder
- wie im Beispiel beschrieben - ohne Verschulden.
Überfliegen verboten Der Neugierde von Drohnen im
öffentlichen Raum sind Grenzen gesetzt: Tabu sind z. B.
Naturschutzgebiete, Einsatzorte von Polizei und Feuerwehr
oder Flächen in der Nähe von Flughäfen. Auch ist die Flughöhe
limitiert: Maximal 100 Meter sind erlaubt. Und in
Wohngebieten dürfen sich die unbemannten Flugobjekte nur in
einem klar umrissenen Umfeld bewegen: Der Blick in Nachbars
Garten ist verboten. Lediglich das eigene Grundstück darf in
Augenschein genommen wer-den. Drohnen mit mehr als 250 Gramm
müssen in Wohngebieten auf der Erde bleiben. Gleiches
gilt, wenn die unbemannten Flugobjekte optische und
akustische Signale empfangen können. Wer die kleinen Ufos
außerhalb seines Sichtbereichs steuern will, muss sich für
leichte Modelle bis zu 250 Gramm entscheiden und eine
Videobrille tragen. Außerdem dürfen sie nicht grenzenlos
aufsteigen, bei 30 Metern ist Schluss. – Vergessen lässt
sich das Thema Flughöhe nur auf speziellen Modellflugplätzen
und mit einer Ausnahmegenehmigung der
Landesluftfahrtbehörden.

Drohnen haben mittlerweile einen festen Platz im Sack des
Weihnachtsmanns. Gut zu wissen, er bei Unfällen haftet und wo
und wie die kleinen Flugobjekte fliegen dürfen. Foto:
HUK-COBURG
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November 2019 |
Zeit für Winterreifen
· Bußgeld und Punkte bei falscher
Bereifung · Mögliche Konsequenzen beim
Versicherungsschutz Coburg/Duisburg, November 2019 -
Schnee und Sommerreifen passen nicht zusammen Zwar gibt es
keine verbindliche Winterreifenpflicht, aber die
Straßenverkehrsordnung (§2 Absatz 3a der StVO) fordert von
Verkehrsteilnehmern, ihre „Ausrüstung an die
Wetterverhältnisse anzupassen“.
Mittlerweile hat der
Gesetzgeber diese freie Formulierung auch konkretisiert:
Autofahrer müssen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch,
Eis- oder Reifglätte Winterreifen aufgezogen haben. Was einen
Reifen zum Winterreifen macht? Sein Profil und seine
Lauffläche sind so konstruiert, dass er bei Matsch und
frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften
als ein Sommerreifen hat. Technische Details müssen
Autofahrer beim Kauf nicht kennen. Es genügt auf ein
Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) zu achten.
Neu ist, dass Reifen mit der Kennzeichnung M+S nicht
mehr in jedem Fall genügen. Und um als wintertauglich zu
gelten, müssen sie bis zum 31. Dezember 2017 hergestellt
worden sein. Diese Ausnahmeregelung hat bis zum 30. Dezember
2024 Bestand. Wer die Winterreifen-Regelung missachtet,
riskiert ein Bußgeld und Punkte in Flensburg. Einen Punkt und
ein Bußgeld von mindestens 60 Euro kassieren alle, die die
Polizei bei Winterwetter mit Sommerreifen antrifft.
Wird der Verkehr durch die falschen Reifen gefährdet werden
80 Euro Bußgeld und ein Punkt fällig. Aber auch dem Halter,
der eine Fahrt mit falscher Bereifung zulässt, droht ein
Bußgeld in Höhe von 75 Euro und ein Punkt.
Versicherungsschutz nicht gefährden Bei einem Unfall nicht
auszuschließen, sind Konsequenzen beim Versicherungsschutz.
Insbesondere wenn Schneematsch schon wochenlang für
Behinderungen auf den Straßen gesorgt hat. Natürlich
reguliert die Kfz-Haftpflichtversicherung eines
Unfallverursachers immer den Schaden des Opfers. Allerdings
kann sie den eigenen Versicherungsnehmer, der ohne
Winterreifen unterwegs war, im Nachgang mit bis zu 5.000 Euro
in Regress nehmen. Aber auch beim Unfallopfer kann falsche
Bereifung durchaus zum Problem werden: Lässt sich nachweisen,
dass dessen fehlende Winterausrüstung ursächlich für den
Unfall war – weil sich zum Beispiel der Bremsweg drastisch
verlängert hat – muss das Unfallopfer mit einer Mithaftung
rechnen.
Die Kfz-Haftpflichtversicherung des
Unfallverursachers ersetzt den Schaden nicht komplett,
sondern nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Besonders
prekär kann sich das bei Personenschäden auswirken, wenn es
um Schmerzensgeld, Verdienstausfall oder Rentenzahlungen
geht.
Fazit: Sommerreifen und winterliche
Straßenverhältnisse passen nicht zusammen. Wer das ignoriert,
riskiert neben den Folgen beim Versicherungsschutz auch
rechtliche Konsequenzen, insbesondere wenn durch den Unfall
Personen verletzt wurden.
Höchstgeschwindigkeit
Nicht immer entspricht die maximale Geschwindigkeit, die man
mit den montierten Winterreifen fahren darf, der
Höchstgeschwindigkeit des Autos: Winterreifen sind weicher
als Sommerreifen. Fährt man schneller als erlaubt, erhitzt
sich die Karkasse (das tragende Gerüst des Reifens), kann der
Reifen platzen. Beim Räderwechsel in der Werkstatt sollte man
darauf achten, dass auf einem Zettel am Armaturenbrett die
zulässige Höchstgeschwindigkeit der Reifen vermerkt ist oder
die elektronische Anzeige des Fahrzeugs entsprechend
eingestellt wird. Selbstverständlich sollten Reifengrößen
verwendet werden, die vom Fahrzeughersteller vorgeschrieben
sind. Wichtig ist auch die Profiltiefe der Winterreifen.
Mindestens 1,6 Millimeter schreibt der Gesetzgeber vor.
Experten empfehlen zur eigenen Sicherheit aber 4 Millimeter.

Die „Ausrüstung ist den Witterungsverhältnissen anzupassen“,
heißt es in der Straßenverkehrsordnung. Autofahrer, die sich
daran nicht halten, sollten wissen, dass mangelhafte
Bereifung auch zu Konsequenzen beim Versicherungsschutz
führen kann. Foto HUK-COBURG
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Herbstlaub: Wer muss Bürgersteig freihalten?
- Sanktionen zur
Durchsetzung von Mitwirkungspflichten bei Bezug von
Arbeitslosengeld II teilweise verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 5. November 2019 -
Der Gesetzgeber kann die Inanspruchnahme existenzsichernder
Leistungen an den Nachranggrundsatz binden, solche Leistungen
also nur dann gewähren, wenn Menschen ihre Existenz nicht
selbst sichern können. Er kann erwerbsfähigen Bezieherinnen
und Beziehern von Arbeitslosengeld II auch zumutbare
Mitwirkungspflichten zur Überwindung der eigenen
Bedürftigkeit auferlegen, und darf die Verletzung solcher
Pflichten sanktionieren, indem er vorübergehend staatliche
Leistungen entzieht.
Aufgrund der dadurch
entstehenden außerordentlichen
Belastung gelten hierfür allerdings strenge Anforderungen der
Verhältnismäßigkeit; der sonst weite
Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ist hier beschränkt.
Je länger die Regelungen in Kraft sind und der Gesetzgeber
damit deren Wirkungen fundiert einschätzen kann, desto
weniger darf er sich allein auf Annahmen stützen. Auch muss
es den Betroffenen möglich sein, in zumutbarer Weise die
Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung nach einer
Minderung wieder zu erhalten. Mit dieser Begründung hat
der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute
verkündetem Urteil zwar die Höhe einer Leistungsminderung von
30 % des maßgebenden Regelbedarfs
bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten nicht
beanstandet. Allerdings hat er auf Grundlage der derzeitigen
Erkenntnisse die Sanktionen für mit dem Grundgesetz
unvereinbar erklärt, soweit die Minderung nach wiederholten
Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 %
des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt oder gar zu einem
vollständigen Wegfall der Leistungen führt.
Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem,
soweit der Regelbedarf bei einer Pflichtverletzung auch im
Fall außergewöhnlicher Härten zwingend zu mindern ist und
soweit für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von
drei Monaten vorgegeben wird. Der Senat hat die Vorschriften
mit entsprechenden Maßgaben bis zu einer Neuregelung für
weiter anwendbar erklärt.
Herbstlaub: Wer muss Bürgersteig
freihalten? · Reinigungspflicht kann übertragen
werden · Haftung bei Unfällen Das Laub
verfärbt sich und fällt zu Boden. Was im Sonnenschein schön
aussieht, kann schnell zur Gefahr werden. Denn im Herbst
sinken nicht nur die Temperaturen, auch die Niederschläge
nehmen zu und feuchtes Herbstlaub verwandelt Bürgersteige in
rutschige Flächen. Ein Unfall ist da schnell passiert.
Kommunen können in ihren Satzungen festschreiben, ob und in
welchem Umfang sich Hauseigentümer um die Reinigung der
Bürgersteige kümmern müssen. Wer sich der Reinigungspflicht
dauerhaft entzieht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Den
Eigentümern eines Mietshauses steht es offen, die
Reinigungspflicht über den Mietvertrag an die Mieter
weiterzugeben.
Ereignet sich ein Unfall, hat der
nicht nur eine strafrechtliche Seite. Hier geht es, wie die
HUK-COBURG mitteilt, auch um persönliche Haftung. Bricht sich
ein Passant beispielsweise das Bein, weil vergessen wurde,
die Blätter wegzufegen, muss der Verantwortliche für den
Schaden aufkommen.
Ohne Haftpflichtversicherung kann
das teuer werden: Im geschilderten Fall können dem
Geschädigten Schmerzensgeld – und falls er arbeitet – auch
eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall zustehen.
Bleiben nach einem Unfall dauerhafte Schäden zurück, können
sogar lebenslange Rentenzahlungen fällig werden. Ob und in
welchem Umfang ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen
Regeln zum Trotz oft von den speziellen Umständen des
Einzelfalls ab. Sollte der Geschädigte den Rechtsweg
beschreiten, steht die Haftpflichtversicherung ihrem Kunden
zur Seite.

Gefährlich: Nasses Herbstlaub kann
Bürgersteige schnell in rutschige Flächen verwandeln. Räumen
ist deshalb für Hauseigentümer oder Mieter in vielen Kommunen
Pflicht. Foto: HUK-COBURG
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Oktober 2019 |
Bundesgerichtshof: Anträge
gegen Dieselfahrverbot nicht zur Entscheidung angenommen
Karlsruhe, 22. Oktober 2019 - Die 1.
Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat
mit Beschlüssen vom 1. Oktober 2019 insgesamt neun
Verfassungsbeschwerden gegen Beschlüsse des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und des
Verwaltungsgerichts Stuttgart nicht zur Entscheidung
angenommen. Die Anträge betrafen das Verkehrsverbot für
Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm
Euro 5/V in der Umweltzone Stuttgart und hierzu im Wege des
Eilrechtsschutzes ergangene verwaltungsgerichtliche
Entscheidungen. Die Nichtannahmen erfolgten gemäß § 93d Abs.
1 Satz 3 BVerfGG ohne Begründung.
Sonntagsverkauf von
Backwaren in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb zulässig
Urteil des Bundesgerichtshofs - I ZR 44/19
Karlsruhe, 17. Oktober 2019 - Der unter anderem für das
Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Verkauf von
Backwaren in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb an Sonntagen
auch außerhalb der Ladenschlusszeiten zulässig ist.
Sachverhalt: Die Beklagte stellt Brot-, Back- und
Konditoreiwaren her und vertreibt diese in ihren Filialen in
München. Sie veräußerte in zwei Filialen an Sonntagen über
einen Zeitraum von jeweils mehr als drei Stunden Brote und
unbelegte Brötchen. In einer anderen Bäckerei-Verkaufsstelle
wurden an einem Pfingstmontag eine Brezel, unbelegte Brötchen
sowie ein Laib Brot verkauft.
Die Klägerin, die
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, meint, die
Beklagte habe damit gemäß § 3a UWG unlauter gehandelt, weil
sie gegen § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenschlussgesetzes sowie § 1
Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Verordnung über den Verkauf
bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen verstoßen habe. Sie
nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von
Abmahnkosten in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hat die Revision der
Klägerin zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat
hinsichtlich des Verkaufs in der Bäckerei-Verkaufsstelle am
Pfingstmontag zu Recht angenommen, die darlegungs- und
beweisbelastete Klägerin habe schon nicht dargetan, dass die
Beklagte die Verkaufsstelle selbst betreibt oder von einem
Beauftragten betreiben lässt und somit für diesen Verkauf
verantwortlich ist.
Hinsichtlich des
Sonntagsverkaufs von Backwaren in den beiden von der
Beklagten betriebenen Filialen hat der Bundesgerichtshof die
Beurteilung des Berufungsgerichts gebilligt, diese Verkäufe
seien nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes erlaubt
gewesen. Bei diesen Filialen handelt es sich um
Gaststättengewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 des
Gaststättengesetzes, weil die Beklagte dort auch Cafés
betreibt, in denen sie Getränke und Speisen zum Verzehr an
Ort und Stelle verabreicht. Der Anwendung des
Gaststättenrechts steht nicht entgegen, dass die Beklagte
innerhalb desselben Raums neben einem Café eine
Bäckerei-Verkaufsstelle betreibt. Desgleichen kommt es
nicht darauf an, dass sie die Speisen und Getränke im Café
zur Selbstbedienung bereitstellt. Die von der Beklagten im
Café verabreichten Brötchen und Brote dürfen nach § 7 Abs. 2
Nr. 1 des Gaststättengesetzes außerhalb der
gaststättenrechtlichen Sperrzeiten und ohne Bindung an die
gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss im
Straßenverkauf abgegeben werden. Nach der vom
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten
Verkehrsanschauung handelt es sich bei Brötchen und Broten um
zubereitete Speisen, also um - durch den Backvorgang -
essfertig gemachte Lebensmittel. Diese werden in den Cafés
der Beklagten verabreicht. Dass die Beklagte das Brot im Café
in geschnittener Form anbietet, im Straßenverkauf aber ganze
Brotlaibe veräußert, und die Gäste des Cafés die Brötchen und
die Brotscheiben selbst bestreichen oder belegen, ändert an
dieser Beurteilung nichts. Da die Zulässigkeit eines
Straßenverkaufs nicht voraussetzt, dass die Speisen in der
Gaststätte zubereitet worden sind, kommt es ferner nicht
darauf an, wo die Brötchen und Brote gebacken wurden. Eine
zulässige Abgabe zum alsbaldigen Verzehr liegt zwar nur vor,
wenn der Betreiber der Gaststätte annehmen darf, dass die
abgegebenen Waren im Wesentlichen zum sofortigen Verbrauch
erworben werden. Davon durfte die Beklagte aber im Blick
auf Art und Menge der bei den beanstandeten Verkäufen
abgegebenen Backwaren ausgehen.
Vorinstanzen: LG
München II - Urteil vom 20. April 2018 - 12 O 4218/17 OLG
München - Urteil vom 14. Februar 2019 - 6 U 2188/18 (GRUR-RR
2019, 227) Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß
geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen
Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen. § 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchIG
Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den
geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein: 1.an
Sonn- und Feiertagen, (…) § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2
SonntVerkV (1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1
Nr. 1 des Gesetzes über den Ladenschluß dürfen an Sonn- und
Feiertagen geöffnet sein für die Abgabe (…) 2. von
Bäcker- oder Konditorwaren: Verkaufsstellen von Betrieben,
die Bäcker- oder Konditorwaren herstellen, für die Dauer von
drei Stunden, (…) (2) Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gilt nicht für die
Abgabe am 2. Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag. § 7
Abs. 2 Nr. 1 GastG (2) Der Schank- oder Speisewirt darf
außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder
Verbrauch 1.Getränke und zubereitete Speisen, die er in
seinem Betrieb verabreicht, (…) an jedermann über die Straße
abgeben. § 1 Abs. 1 GastG (1) Ein Gaststättengewerbe im
Sinne dieses Gesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe 1.
Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht
(Schankwirtschaft) oder 2. zubereitete Speisen zum Verzehr an
Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft), (…) wenn der
Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich
ist.
Härtefallabwägung bei einer
Mieterhöhung nach Modernisierung (hier insbesondere:
Bedeutung der Angemessenheit der Wohnungsgröße)
Karlsruhe, Bundesgerichtshof 09.
Oktober 2019: Urteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/19
Der VIII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat sich heute mit den Maßstäben befasst,
nach denen sich die Abwägung zwischen den Interessen der
Mietvertragsparteien richtet, wenn sich der Wohnraummieter
gegenüber einer Modernisierungsmieterhöhung auf das Vorliegen
einer unzumutbaren Härte (§ 559 Abs. 4 Satz 1 BGB) beruft.
Zugleich hat er die Voraussetzungen
präzisiert, unter denen der Härteeinwand des Mieters nach §
559 Abs. 4 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, weil die
Modernisierungsmaßnahme (hier: Wärmedämmmaßnahmen bei
Erneuerung eines teilweise schadhaften Außenputzes) aufgrund
einer gesetzlichen Verpflichtung des Vermieters durchgeführt
wurde.
Sachverhalt:
Der Kläger ist Mieter einer knapp 86
qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit
seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein
nutzt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus aus dem
Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr
1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger
bezieht Arbeitslosengeld II und erhält zur Deckung der
Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit
Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 € pro
Monat zuzüglich eines Heizkostenvorschusses in Höhe von 90,-
€.
Die beklagte Vermieterin ließ
Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der
Außenfassade durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone
durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm
und nahm einen seit den 1970-iger Jahren stillgelegten
Fahrstuhl wieder in Betrieb.
Ende März 2016 erklärte die Beklagte
dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete
ab dem 1. Januar 2017 um 240,- € monatlich. Hiervon entfielen
nach ihren Erläuterungen 70,- € auf die Dämmungsarbeiten
(davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke),
100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70,- €
auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte
der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine
finanzielle Härte. Er erhob Klage auf Feststellung, dass er
nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung von 240 €
monatlich verpflichtet sei.
Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat lediglich
festgestellt, dass der Mieter nicht zur Zahlung der
Mieterhöhung von 70 € für die Wiederinbetriebnahme des
Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die
Feststellungsklage des Mieters abgewiesen.
Auf die Berufung des Mieters hat das
Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und
festgestellt, dass dieser aufgrund seines Härteeinwands ab
dem 1. Januar 2017 zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr
als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde
weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die
Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den
auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden
Betrag von zusätzlich 4,16 € monatlich.
Die weiteren Mieterhöhungen (100,- €
für den Balkonanbau und 65,84 € für die Dämmung der
Außenfassade) seien unwirksam, weil sie für den Mieter
jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter
Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin nicht
zu rechtfertigen sei. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Die beklagte Vermieterin hat im
Revisionsverfahren vor allem geltend gemacht, dass nach den
für staatliche Transferleistungen geltenden Vorschriften für
einen Einpersonenhaushalt lediglich eine Wohnfläche von 50 qm
als angemessen gelte. Die Wohnung des – Arbeitslosengeld II
beziehenden – Mieters sei aber knapp 86 qm groß und
übersteige damit diese Grenze erheblich. Letztlich laufe die
einen Härtefall bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts
darauf hinaus, dass der Vermieter den "Luxus" des Mieters zu
finanzieren habe.
Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat den
Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen lassen. Der
Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen
Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große
Wohnung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB
vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu
Lasten des Mieters einzubeziehen. Ein solcher Sachverhalt
liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine
Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausführungsvorschriften
zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den
Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den
öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist.
Die Vorschriften zur angemessenen
Wohnungsgröße bei staatlichen Transferleistungen sollen
sicherstellen, dass sich ein Hilfebedürftiger nicht auf
Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leistet. Die
Bestimmung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB verfolgt indessen
einen anderen Regelungszweck. Hier gilt es abzuwägen, ob der
Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren
Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von
Modernisierungsmaßnahmen ausgesetzt sieht, trotz des
Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen
Lebensmittelpunkt beibehalten darf.
Weiter ist zu beachten, dass nicht
nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der
Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher
kann er bei der Anwendung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der
Auslegung des dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs
"Härte" verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und
Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und
berücksichtigen.
Gemessen daran kann die einer
Berufung auf einen Härtefall nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB im
Einzelfall entgegenstehende Unangemessenheit einer Wohnung
nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige
Anzahl der Bewohner bestimmt werden. Vielmehr kommt es darauf
an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls – etwa auch der Verwurzelung
des Mieters in der Wohnung und seiner gesundheitlichen
Verfassung - für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist.
Hier hat das Berufungsgericht
zutreffend als maßgeblichen Gesichtspunkt berücksichtigt,
dass der Mieter schon seit dem Jahr 1962 und mithin seit rund
55 Jahren in der Wohnung lebt und ihm deshalb entgegen der
Auffassung der Vermieterin nicht vorgehalten werden kann,
dass er schon seit Beginn des Mietverhältnisses "über seine
Verhältnisse" lebe.
Soweit der Prozessbevollmächtigte
der Vermieterin erstmals in der Revisionsverhandlung pauschal
eingewendet hat, der Mieter sei gehalten gewesen, einen Teil
der Wohnung unterzuvermieten und sich dadurch finanzielle
Mittel zu verschaffen, handelt es sich um neuen Sachvortrag
der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Vermieterin,
der schon deshalb in der Revisionsinstanz nicht
berücksichtigt werden kann. Zudem ist offen, ob die Wohnung
überhaupt zur Untervermietung geeignet ist, ob die
Vermieterin einer solchen zu den bisherigen Konditionen
zustimmen würde und ob dem Mieter überhaupt ein Zusammenleben
mit einem Untermieter zuzumuten ist.
Der Bundesgerichtshof hat somit die
tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts zum Vorliegen
einer unzumutbaren Härte gebilligt. Gleichwohl musste das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil dieses keine
ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle
des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen hat, bei
deren Vorliegen ein Härteeinwand des Mieters gesetzlich
ausgeschlossen ist.
Bezüglich der
Modernisierungsmaßnahme "Vergrößerung der Balkone auf 5 qm"
hat das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen zu
der entscheidenden Frage getroffen, ob Balkone dieser Größe
allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller
vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren
Verhältnissen in der Region anzutreffen sind. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich allein aus dem
Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm
Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstuft, insoweit
keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen.
Hinsichtlich der
Modernisierungsmaßnahme "Fassadendämmung" hat das
Berufungsgericht verkannt, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem
Eigentümer im Falle der Erneuerung des Außenputzes an
Fassadenflächen zwar vorgibt, Wärmedämmungsmaßnahmen
durchzuführen, ihm aber eine Verpflichtung, den Außenputz zu
erneuern, gerade nicht auferlegt. Vielmehr steht es
regelmäßig im freien Belieben des Vermieters, ob und wann er
eine Erneuerung des Außenputzes vornimmt. Erst wenn er sich
hierzu entschlossen hat, verpflichtet ihn das Gesetz zur
Einhaltung bestimmter Wärmedämmwerte.
§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB
schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur dann aus, wenn
der Vermieter die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme
nicht zu vertreten hat, sich ihr also aufgrund zwingender
gesetzlicher Vorschriften nicht entziehen kann. Es kommt
daher darauf an, ob für den Vermieter eine Erneuerung des
Außenputzes "unausweichlich" ist, etwa weil dieser aufgrund
altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der
Vermieter zudem einem berechtigten Instandsetzungsbegehren
des Mieters oder einer (bestandskräftigen) behördlichen
Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung
von Schäden dringend aus Sicherheitsgründen geboten ist. Nur
im Falle einer solchen "Unausweichlichkeit" befindet sich der
Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des
Härteeinwands des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB
rechtfertigt.
Die Sache ist daher an das
Berufungsgericht zurückverwiesen worden, damit –
gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien –
die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Die maßgeblichen Vorschriften
lauten:
§ 555b Modernisierungsmaßnahmen
Modernisierungsmaßnahmen sind
bauliche Veränderungen, durch die in Bezug auf die Mietsache
Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische
Modernisierung),
[…]
durch die der Gebrauchswert der
Mietsache nachhaltig erhöht wird,
[…]
§ 559 Mieterhöhung nach
Modernisierungsmaßnahmen
(1) Hat der Vermieter
Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4,
5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8
Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
[…]
(4) 1 Die Mieterhöhung ist
ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der
voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter
eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der
berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen
ist. 2 Eine Abwägung nach Satz 1 findet nicht statt, wenn
die Mietsache lediglich in einen
Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist,
oder
die Modernisierungsmaßnahme auf
Grund von Umständen durchgeführt wurde, die der Vermieter
nicht zu vertreten hatte.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg - 234 C
257/16 – Entscheidung vom 16. August 2017
LG Berlin - 64 S 197/17 –
Entscheidung vom 14. November 2018
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August 2019 |
Bundesverfassungsgericht: Anträge
gegen die „Mietpreisbremse“ erfolglos
Karlsruhe, 20. August 2019 - Die mit dem
Mietrechtsnovellierungsgesetz geschaffenen Vorschriften zur
Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn im nicht
preisgebundenen Wohnraum (sogenannte „Mietpreisbremse“) sind
nicht verfassungswidrig. Sie verstoßen nicht gegen die
Garantie des Eigentums, die Vertragsfreiheit oder den
allgemeinen Gleichheitssatz.
Dies hat die 3. Kammer
des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss
entschieden und eine Verfassungsbeschwerde gegen diese
Bestimmungen einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.
Zudem hat die Kammer zwei die Mietpreisbremse betreffende
Vorlagen im Verfahren der konkreten Normenkontrolle
einstimmig als unzulässig verworfen, weil das vorlegende
Gericht sie nicht hinreichend begründet hat.
Sachverhalt: Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz wurden
Bestimmungen über die höchstzulässige Miete bei
Wiedervermietung von nicht der Preisbindung unterliegendem
Wohnraum ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Zentrale
Neuregelung ist § 556d BGB, der vorsieht, dass die Miete in
Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu Beginn des
Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens
um 10 % übersteigen darf. Ein angespannter Wohnungsmarkt
liegt vor, wenn in einer Gemeinde oder einem Teil einer
Gemeinde die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit
Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet
ist. § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt die Landesregierungen,
solche Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von
höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
Nur in einem
durch Rechtsverordnung bestimmten Gebiet wird die
Mietobergrenze wirksam. Sie gilt jedoch nicht ausnahmslos.
Insbesondere darf der Vermieter, wenn die vom vorherigen
Mieter zuletzt geschuldete Miete die ansonsten
höchstzulässige Miete übersteigt, gemäß § 556e BGB bei
Wiedervermietung eine Miete bis zur Höhe dieser Vormiete
vereinbaren. Nach dem 1. Oktober 2014 errichteter
Wohnraum sowie die erste Vermietung nach umfassender
Modernisierung sind nach § 556f BGB von der Regulierung der
Miethöhe ausgenommen. Für die Stadt Berlin hat der Senat von
Berlin im Jahr 2015 eine Rechtsverordnung erlassen, die das
gesamte Stadtgebiet für die Dauer von fünf Jahren als Gebiet
mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt. In den
Ausgangsverfahren der beiden Normenkontrollverfahren 1 BvL
1/18 und 1 BvL 4/18 wenden sich Berliner Mieter gegen die
Vereinbarung einer die höchstzulässige Miete bei Mietbeginn
übersteigenden Miete. In der Berufungsinstanz setzte das
Landgericht die zugrundeliegenden Verfahren aus und legte dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob § 556d Abs. 1 und
2 BGB mit dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Art. 80
Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und daher nichtig sei. Die
Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1595/18 ist Vermieterin
einer in Berlin gelegenen Wohnung. Sie wurde von ihrer
Mieterin gerichtlich auf Rückzahlung überzahlter Miete und
Feststellung der Geltung einer abgesenkten Miete in Anspruch
genommen, weil die bei Mietbeginn vereinbarte Miete die
höchstzulässige Miete überstiegen habe.
Die
Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die
überwiegend stattgebenden Entscheidungen der Fachgerichte und
mittelbar gegen die gesetzlichen Vorschriften über die
Miethöhenregulierung sowie die vom Senat von Berlin erlassene
Rechtsverordnung. Die Beschwerdeführerin rügt ebenfalls eine
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Darüber hinaus
sieht sie sich in ihrem Grundrecht auf Eigentum und ihrer
allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Wesentliche
Erwägungen der Kammer: I. Die Vorlagen sind unzulässig,
weil das vorlegende Gericht sie nicht hinreichend begründet
hat. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das Gericht in
seiner Vorlageentscheidung angeben, inwiefern seine
Entscheidung in dem zugrundeliegenden Ausgangsrechtsstreit
von der Gültigkeit der vorgelegten Rechtsvorschrift abhängig
und mit welcher grundgesetzlichen Bestimmung die Vorschrift
unvereinbar ist. Es muss zum einen deutlich werden,
inwiefern die angenommene Ungültigkeit der vorgelegten
Vorschriften das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits
beeinflussen soll. Zum anderen muss das Gericht darlegen,
dass und warum es von der Verfassungswidrigkeit der
vorgelegten Vorschriften überzeugt ist. Dem werden die
Vorlagen nicht gerecht. II. Die Verfassungsbeschwerde
ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die mittelbar
angegriffenen Bestimmungen über die Miethöhenregulierung
verletzen kein Verfassungsrecht. Auslegung und Anwendung
dieser Bestimmungen in den mit der Verfassungsbeschwerde
unmittelbar angegriffenen Entscheidungen sind
verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
1. Die Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn durch § 556d
Abs. 1 BGB verletzt die Garantie des Eigentums, die
Vertragsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitssatz nicht.
a) Zwar greift die Miethöhenregulierung in das geschützte
Eigentum zur Vermietung bereiter Wohnungseigentümer ein.
Sie ist aber als verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums gerechtfertigt. aa)
Insbesondere ist der Eingriff in das Eigentum
verhältnismäßig. Es liegt im öffentlichen Interesse, der
Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger
Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen
entgegenzuwirken. Die Regulierung der Miethöhe ist auch im
verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, dieses Ziel zu
erreichen. Sie schneidet Preisspitzen auf angespannten
Wohnungsmärkten ab und kann damit zumindest die
Voraussetzungen für einen Marktzugang einkommensschwächerer
Mieter schaffen. Nicht auszuschließen ist zudem, dass die
Miethöhenregulierung Wohnungssuchenden aus
einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die bei einem
Wohnungswechsel aufgrund gestiegener Mieten in ihrem
bisherigen Stadtteil ohne Miethöhenregulierung keine für sie
bezahlbare Wohnung hätten finden können, das Anmieten einer
Wohnung in ihrer angestammten Umgebung ermöglicht. Die
Miethöhenregulierung ist auch erforderlich, um das mit ihr
verfolgte Ziel zu erreichen. Zwar kommen anderweitige
staatliche Maßnahmen zur Linderung oder Behebung der
Wohnungsnot in Betracht, etwa die Förderung des Wohnungsbaus
oder die erweiterte Gewährung von Wohngeld. Ungeachtet der
mit diesen Maßnahmen verbundenen Kosten ist aber nicht
erkennbar, dass der Gesetzgeber diese im Rahmen seines
Prognose- und Beurteilungsspielraums als gegenüber der
Miethöhenregulierung mildere und zweifelsfrei - auch
kurzfristig - vergleichbar wirksame Mittel hätte heranziehen
müssen. Die gesetzliche Regulierung der Miethöhe ist
Vermieterinnen und Vermietern auch zumutbar. Der Gesetzgeber
hat seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten
und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer und die
Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in
ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Die Eigentumsgarantie
gebietet nicht, Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem
Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann
einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und
fortentwickeln, auch wenn sich damit die
Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen
verschlechtern. Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet
des Mietrechts müssen Vermieter mit häufigen
Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den
Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Ihr
Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte
erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht
geschützt.
Das Verfahren zum Inkraftsetzen der
Mietobergrenze sichert, dass die Miethöhenregulierung über
das nach den gesetzgeberischen Zielen gebotene Maß nicht
hinausgeht. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die
zum Verordnungserlass berufenen Landesregierungen das
Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes regelmäßig
besser als der Bundesgesetzgeber beurteilen können. Auch sind
die gesetzlichen Anforderungen an die Verordnungsbegründung
geeignet, die Landesregierung zu einer sorgfältigen Prüfung
der Erlassvoraussetzungen auch mit Blick auf die
Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Vermietereigentum
anzuhalten. Bejaht eine Landesregierung die Voraussetzungen
zum Erlass der Verordnung zu Unrecht, kann ein Vermieter dies
zudem vor den Gerichten angreifen.
Die Beschränkung
der Miethöhenregulierung auf angespannte Wohnungsmärkte
gewährleistet, dass sie gerade in solchen Gemeinden oder
Gemeindeteilen zur Anwendung kommen kann, in denen die
Belange der Mietinteressenten besonderen Schutzes bedürfen.
Zugleich begrenzt das in der Rechtsprechung entwickelte
Verständnis eines angespannten Wohnungsmarktes die mit der
Miethöhenregulierung verbundene Durchsetzung der Interessen
von Mietern oder Wohnungssuchenden auf ein den Gesetzeszielen
entsprechendes Maß. Die Nutzungsmöglichkeiten von
Wohneigentum werden schließlich auch nicht dadurch unzumutbar
eingeschränkt, dass in die der Mietobergrenze
zugrundeliegende ortsübliche Vergleichsmiete mit
fortschreitender Geltungsdauer der Mietobergrenze in
zunehmendem Maß regulierte Mieten einfließen. Zum einen
treten diese Auswirkungen zeitlich versetzt ein und werden
dadurch abgemildert, dass die höchstzulässige Miete die
ortsübliche Vergleichsmiete um 10 % übersteigen darf. Im
Übrigen gewährleisten die gesetzlichen Geltungsausnahmen von
der Mietobergrenze und die auf höchstens fünf Jahre
beschränkte Geltungsdauer der Miethöhenregulierung auch in
deren Anwendungsbereich eine hinreichende Anbindung der
ortsüblichen Vergleichsmiete an die jeweilige Marktmiete.
bb) Die Miethöhenbegrenzung greift auch nicht in einem Umfang
in das Eigentum ein, dass dauerhafte Verluste für Vermieter,
eine Substanzgefährdung der Mietsache oder der Wegfall jeder
sinnvollen Nutzungsmöglichkeit zu erwarten wären. b) Der
Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Freiheit
von Vertragsparteien, im Rahmen einer vertraglichen
Vereinbarung die Gegenleistung nach ihren Vorstellungen
auszuhandeln, hält sich ebenfalls innerhalb der Schranken der
verfassungsmäßigen Rechtsordnung und wahrt den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. c) Die Mietobergrenze greift auch
nicht gleichheitswidrig in das Vermietereigentum ein. aa)
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die zulässige
Mietobergrenze anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete
bestimmt wird, was zu deutschlandweit unterschiedlichen
Miet-obergrenzen führt. Im Hinblick auf die Verschiedenheit
der örtlichen Wohnungsmärkte erscheint bereits das Vorliegen
vergleichbarer Sachverhalte zweifelhaft. Eine etwaige
Ungleichbehandlung ist aber jedenfalls verfassungsrechtlich
gerechtfertigt. Sie knüpft an ein der Art nach sachlich
gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium an. Das
Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete soll die
Marktbezogenheit der regulierten Miete und damit die
Wirtschaftlichkeit der Vermietung regelmäßig sicherstellen.
Dies ist angesichts dessen, dass die auf den jeweiligen
Wohnungsmärkten vorherrschenden Bedingungen regionalen
Abweichungen unterliegen, sachgerecht. Als
Unterscheidungskriterium ist die ortsübliche Vergleichsmiete
im verfassungsrechtlichen Sinn auch geeignet und
erforderlich, einen hinreichenden Bezug zur regional
unterschiedlichen Marktmiete herzustellen.
Nach § 558
Abs. 2 BGB wird sie anhand der üblichen Mieten für
vergleichbaren Wohnraum in den letzten vier Jahren ermittelt.
Damit spiegeln ihre regionalen Abweichungen die regionalen
Abweichungen der Marktmiete wider. Das Abstellen auf die
ortsübliche Vergleichsmiete ist auch verhältnismäßig. Dass
Vermieter die Lage der zu vermietenden Wohnung nicht
beeinflussen können, gebietet insbesondere nicht, ihnen die
Vermietung bis zu einer bundesweit einheitlichen Miethöhe zu
ermöglichen. Die Wirtschaftlichkeit der Vermietung hängt
auch von den auf den regionalen Mietmärkten vorherrschenden
Bedingungen ab. Eine bundesweit einheitliche Mietobergrenze
bleibt dazu aber ohne hinreichenden sachlichen Bezug.
Zugleich fehlt es ihr an einer hinreichenden Anknüpfung an
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen
Mieter, so dass eine solche Regelung der beabsichtigten
Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus deren
angestammten Wohnvierteln nicht effektiv entgegenwirken kann.
bb) Die Miethöhenregulierung verstößt auch nicht deshalb
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG,
weil private Vermieter und gewerbliche Vermieter
gleichbehandelt werden. Die mit der Miethöhenregulierung
verfolgten Ziele rechtfertigen es, die Mietobergrenze
unterschiedslos und ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung
der Mieteinnahmen für den Vermieter anzuwenden.
2.
Die Privilegierung von Vermietern, die ihre Wohnung vor der
Wiedervermietung zu einer oberhalb der ortsüblichen
Vergleichsmiete liegenden Vormiete vermietet hatten, verletzt
den allgemeinen Gleichheitssatz nicht. Auch die Herausnahme
von nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzten und
vermieteten Wohnungen aus dem Anwendungsbereich der
Miethöhenbegrenzung in § 556f Satz 1 BGB verstößt nicht gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz.
3. Die
Mietenbegrenzungsverordnung für Berlin ist ebenfalls mit der
Verfassung vereinbar. Sie verletzt die Eigentumsgarantie aus
Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Die Verordnung wahrt die
verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorgaben des
ermächtigenden Gesetzes und genügt den Anforderungen der
Verhältnismäßigkeit. Insbesondere hat der Senat von Berlin
eine Er-streckung der Verordnung auf das gesamte Berliner
Stadtgebiet und ihre Befristung auf die höchstmögliche Dauer
von fünf Jahren als erforderlich ansehen dürfen.
4.
Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die
mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar angegriffenen
Gerichtsentscheidungen gegen Grundrechte oder
grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin verstoßen.
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Juli 2019 |
Zum Einwand des Rechtsmissbrauchs
gegenüber der Deutschen Umwelthilfe
Bundesgerichtshof
- I ZR 149/18 Karlsruhe,4. Juli 2019 Der unter anderem
für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, dass einer Unterlassungsklage der Deutschen
Umwelthilfe gegen die Werbung eines Autohauses, die nicht
alle gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen zum
offiziellen Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen
enthält, nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs
entgegengehalten werden kann.
Sachverhalt: Die
Klägerin ist die Deutsche Umwelthilfe e.V., ein in die Liste
der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG*
eingetragener Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt ein
Autohaus und bewarb auf ihrer Internetseite ein Neufahrzeug.
Für Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch sowie
den CO2-Emissionen wurde in der Werbung auf einen im Autohaus
ausliegenden Leitfaden verwiesen. Die Klägerin sieht
darin einen Verstoß gegen die Verordnung über
Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch,
CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen
(Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung) und hat die
Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die
Beklagte hält die Klage für rechtsmissbräuchlich und in der
Sache für unbegründet.
Bisheriger Prozessverlauf: Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das
Berufungsgericht hat angenommen, der Klage stehe der Einwand
des Rechtsmissbrauchs aus § 8 Abs. 4 UWG** nicht entgegen.
Insbesondere ließen die von der Klägerin mit ihrer
Marktüberwachung erzielten Überschüsse und deren Verwendung
sowie die Höhe der an ihre Geschäftsführer gezahlten
Vergütung auch in der Gesamtschau aller Umstände nicht auf
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen. Entscheidung
des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die auf
Fragen der Zulässigkeit der Klage beschränkte Revision der
Beklagten zurückgewiesen. Der Einwand des
Rechtsmissbrauchs aus § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG** ist vom
Berufungsgericht mit Recht verneint worden.
Überschüsse aus einer Marktverfolgungstätigkeit und ihre
Verwendung (auch) für andere Zwecke, als die Verfolgung von
Wettbewerbsverstößen im Verbraucherinteresse, sind jedenfalls
solange kein Indiz für eine rechtmissbräuchliche
Geltendmachung von Ansprüchen, wie der Verbraucherschutz
durch Marktüberwachung als Verbandszweck nicht lediglich
vorgeschoben ist, tatsächlich aber nur dazu dient, Einnahmen
zu erzielen und damit Projekte zu finanzieren, die nicht dem
Verbraucherschutz durch die Verfolgung von
Wettbewerbsverstößen dienen. Das ist hier nicht der Fall.
Gibt es eine Vielzahl von Verstößen gegen eine dem
Verbraucherschutz dienende Kennzeichnungs- oder
Informationspflicht, setzt eine effektive Durchsetzung von
Verbraucherinteressen eine damit korrespondierende Vielzahl
von Abmahnungen und - soweit keine Unterlassungserklärungen
abgegeben werden - gerichtlicher Verfahren voraus. Solange
nicht weitere Umstände hinzutreten, können deshalb allein die
Zahl von Abmahnungen und Unterlassungsklagen sowie damit
erzielte Überschüsse den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht
begründen. Sonst wäre die Klägerin gezwungen, ihre
Marktüberwachung nach einer bestimmten Anzahl von Abmahnungen
oder erwirkter Vertragsstrafen einzustellen, sobald sie ihre
darauf entfallenen Kosten gedeckt hätte. Eine den
Verdacht des Rechtsmissbrauchs begründende
Gewinnerzielungsabsicht folgt auch nicht aus der Höhe der
Vergütung der beiden Geschäftsführer. Neben den Aufwendungen
für eine satzungsgemäße Betätigung der Klägerin machten die
Geschäftsführergehälter in den Jahren 2015 und 2016 jeweils
nur einen Bruchteil der jährlichen Gesamtaufwendungen der
Klägerin aus. Damit ist ausgeschlossen, dass der
eigentliche Zweck der Klägerin darin liegt, Einnahmen für
Personalkosten zu generieren und nicht Verbraucherinteressen
zu verfolgen. Die vorläufige Streitwertangabe der Klägerin
von 30.000 € für die Unterlassungsklage bildet unter
Berücksichtigung der insgesamt uneinheitlichen Spruchpraxis
der Oberlandesgerichte kein Indiz für eine
rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung. Die von der
Klägerin verlangte Abmahnkostenpauschale ist nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts kostendeckend und lässt
keine rechtsmissbräuchliche Gewinnerzielungsabsicht erkennen.
Auch die Zuwendungen an die Klägerin in Form von Spenden und
Sponsoring von Toyota rechtfertigt nicht die Annahme eines
Rechtsmissbrauchs; nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts haben sie nicht zu einer unsachlichen
Ungleichbehandlung von Toyota bei der Verfolgung von
umweltbezogenen, verbraucherrelevanten Rechtsverstößen oder
in der Kampagnenführung der Klägerin geführt.
Vorinstanzen: LG Stuttgart - Urteil vom 13. Dezember 2016 -
41 O 31/16 KfH - OLG Stuttgart - Urteil vom 2. August 2018 -
2 U 165/16 - Karlsruhe, den 4. Juli 2019 Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: § 4 UKlaG auszugsweise: (1) 1Das
Bundesamt für Justiz führt die Liste der qualifizierten
Einrichtungen, die es auf seiner Internetseite in der jeweils
aktuellen Fassung veröffentlicht und mit Stand 1. Januar
eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt macht. 2(…)
(2) 1In die Liste werden auf Antrag rechtsfähige Vereine
eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört,
Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige
Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn 1. (…), 2. (…),
3. auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert
erscheint, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch
künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden.
(…) (4) Ergeben sich in einem Rechtsstreit begründete Zweifel
an dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 bei einer
eingetragenen Einrichtung, so kann das Gericht das Bundesamt
für Justiz zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die
Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen. § 8 UWG
auszugsweise: (1) 1Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige
geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. (…) (…) (3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: 1.
(…); 2. (…); 3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen,
dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach §
4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der
Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der
Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz
der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30)
eingetragen sind; 4. (…). (4) 1Die Geltendmachung der in
Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie
unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich
ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den
Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen
oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
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Juni 2019 |
Werbegaben durch Apotheken Urteile
Bundesgerichtshof vom 6. Juni 2019 I ZR 206/17 und I ZR 60/18
Karlsruhe, 6. Juni 2019 - Der unter anderem für Ansprüche
aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es
wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren
Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen
Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren.
Verfahren I ZR 206/17 Sachverhalt: Die Beklagte
betreibt in Darmstadt eine Apotheke. Sie händigte einem
Kunden im September 2014 anlässlich des Erwerbs eines
verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen
Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus.
Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke
gelegenen Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin, die
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die
Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Verkauf
rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der
kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage
stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg
geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zugabe
eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines
verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstoße gegen die
Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz
2 und 3 AMG).
Bei diesen Vorschriften handele es sich
um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß
zugleich wettbewerbswidrig sei (§ 3a UWG). Die Rechtsprechung
habe zwar im Blick darauf, dass die Zuwendung geringwertiger
Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem
Heilmittelwerbegesetz zulässig gewesen sei, die Spürbarkeit
eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint.
Daran könne aber nicht mehr festgehalten werden, nachdem
der Gesetzgeber die entsprechende Bestimmung des
Heilmittelwerbegesetzes mit Wirkung vom 13. August 2013
ausdrücklich um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den
Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte
Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 HWG).
Der Umstand, dass nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die
Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken
keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016,
C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson
Vereinigung/Zentrale), stehe einer Anwendung dieser
Vorschriften auf in Deutschland ansässige Apotheken weder aus
Gründen des Unionsrechts noch aus Gründen des
Verfassungsrechts entgegen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiterverfolgt. Verfahren I ZR 60/18
Sachverhalt: Der Beklagte betreibt in Berlin eine Apotheke.
Er gewährte seinen Kunden im Jahr 2014 zeitweise eine
Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins. Die Kunden
konnten den Gutschein bei einem weiteren Einkauf in der
Apotheke des Beklagten einlösen. Die Klägerin ist die
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat den
Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Kunden, die
ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes
Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen
Euro zu gewähren. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht
hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten
hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat angenommen, die Gewährung eines
Ein-Euro-Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe
rezeptpflichtiger Arzneimittel an Verbraucher verstoße zwar
gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78
Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Diese Preisbindungsvorschriften
seien mit der Berufsausübungsfreiheit und dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Umstand, dass
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in
anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige
Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19.
Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson
Vereinigung/Zentrale), stehe ihrer Anwendung auf den
innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln nicht entgegen und
führe nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung in
Deutschland ansässiger Apotheken. Der hier in
Rede stehende Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften
durch Zuwendung einer geringwertigen Kleinigkeit sei aber
nicht wettbewerbswidrig. Er sei nicht geeignet, die
Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder
Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG). Dieser
Beurteilung stehe nicht entgegen, dass nach der geltenden
Fassung des Heilmittelwerbegesetzes auch die Zuwendung
geringwertiger Kleinigkeiten entgegen den
arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei (§ 7
Abs. 1 Satz Nr. 1 HWG). Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag
weiterverfolgt. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 206/17 die Revision
der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der
Klägerin im Verfahren I ZR 60/18 hatte dagegen Erfolg.
Nach den Entscheidungen des Senats ist die Zugabe sowohl
eines Brötchen-Gutscheins als auch eines Ein-Euro-Gutscheins
beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments
wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden
Preisbindungsvorschriften verstoßen (§§ 3, 3a UWG in
Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz
2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG). Bei einer Werbung für
Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG dürfen nach § 7 Abs. 1 Satz
1 HWG Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder
Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden,
wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift
ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt. Bei diesem
grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handelt es sich um
eine Marktverhaltensregelung im Sinne von §
3a UWG. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann
Unterlassungsansprüche begründen (§ 8 UWG). Die Regelung des
§ 7 Abs. 1 Satz 1 HWG soll der abstrakten Gefahr begegnen,
dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls
welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht
auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG entgegen den Preisvorschriften
des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell
verbietet, soll damit außerdem ein ruinöser Preiswettbewerb
zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende
und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln
sichergestellt werden.
Das Urteil des Gerichtshofs
der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson
Vereinigung/?Zentrale" (Urteil vom 24. November 2016 -
C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) steht der Anwendung
der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen
Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes für in Deutschland
ansässige Apotheken nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung
liegt in den Regelungen über die Preisbindung für Apotheken,
die in anderen Staaten der Europäischen Union ansässig sind,
ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34
AEUV). Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne
grenzüberschreitenden Bezug wie in den Streitfällen sind die
Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit allerdings nicht
anwendbar. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union
führt auch nicht zu einer nach nationalem Verfassungsrecht
unzulässigen Inländerdiskriminierung. Aus Art. 3 Abs. 1 GG
folgt nicht, dass eine Regelung für Inländer derjenigen für
andere Unionsbürger entsprechen muss, solange die
Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht. Im
Blick auf die Arzneimittelpreisbindung ergibt sich ein
gewichtiger sachlicher Grund bereits aus der Tatsache, dass
der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit zwar
hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkaufs von
Arzneimitteln durch die im Primärrecht der Europäischen Union
geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
eingeschränkt ist, für den Vertrieb von Arzneimitteln
innerhalb Deutschlands aber keine entsprechende Einschränkung
besteht. Eine unterschiedliche Behandlung von in
Deutschland ansässigen Apotheken einerseits und in anderen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen Apotheken
andererseits ist zudem gerechtfertigt, weil sich die
Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten
des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken
weniger stark auswirkt als auf in anderen Mitgliedstaaten
ansässige Apotheken, die für einen unmittelbaren Zugang zum
deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel
angewiesen sind. Die Fortgeltung der arzneimittelrechtlichen
Preisbindungsvorschriften verstößt für im Inland ansässige
Apotheken auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
Der mit
den Bestimmungen des § 78 Abs. 1 und 2 AMG einhergehende
Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist mit Blick auf
ihren Zweck der Sicherstellung einer im öffentlichen
Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen
Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verhältnismäßig.
Unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens
ist die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften erst dann
in Frage gestellt, wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs
des Verkaufs preisgebundener Arzneimittel durch ausländische
Versandapotheken nicht mehr allgemein erreicht werden kann
oder die gesetzliche Regelung für inländische Apotheken
angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland
nicht mehr zumutbar ist. Dass dies derzeit der Fall ist,
haben die Berufungsgerichte nicht festgestellt. Der Verstoß
gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG
ist schließlich im Sinne von § 3a UWG geeignet, die
Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein
als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von
geringem Wert handelt, ändert daran nichts. Der
Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung vom 13. August 2013
vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon
ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom
Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige
Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten
Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen.
Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung
einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des
Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht
dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als
nicht spürbar eingestuft und damit als nicht
wettbewerbswidrig angesehen wird. Ein Abstellen auf die
finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe ist
ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des
Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.
Vorinstanzen I
ZR 206/17: LG Darmstadt - Urteil vom 10. Juni 2016 - 14 O
186/15 OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. November 2017 -
6 U 164/16, GRUR 2018, 208 = WRP 2018, 105 Vorinstanzen I ZR
60/18: LG Berlin - Urteil vom 13. Mai 2015 - 97 O 12/15,
PharmR 2015, 414 KG Berlin - Urteil vom 13. März 2018 - 5 U
97/15, GRUR 2018, 839 Die maßgeblichen Vorschriften
lauten: § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen
Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im
Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln,
und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von
Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern
spürbar zu beeinträchtigen. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG
Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die
vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist
zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten
der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden. § 7
Abs. 1 HWG Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige
Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen
oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise
anzunehmen, es sei denn, dass 1. es sich bei den Zuwendungen
oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch
eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des
Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider
gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten
handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel
unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt
werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten;
2. die Zuwendungen oder Werbegaben in a) einem bestimmten
oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder b)
einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge
gleicher Ware gewährt werden; Zuwendungen oder Werbegaben
nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie
entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund
des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für
Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist;
3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur in handelsüblichem
Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen
bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im
Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene
teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von
Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen
Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des
Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung
aufgewendet werden darf;
4. die Zuwendungen oder
Werbegaben in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen
bestehen oder 5. es sich um unentgeltlich an Verbraucherinnen
und Verbraucher abzugebende Zeitschriften handelt, die nach
ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Kundenwerbung und den
Interessen der verteilenden Person dienen, durch einen
entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck
erkennbar machen und in ihren Herstellungskosten geringwertig
sind (Kundenzeitschriften).
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Mai 2019 |
Kläger bekommt Kaufpreis erstattet
und muss sich keine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen
Duisburg/Köln, 22. Mai 2019 -
Nun entschied das Landgericht Duisburg in einem von der
Kölner Anwaltskanzlei Rogert und Ulbrich geführten Prozess,
dass in einem solchen Abgasskandal-Fall der Geschädigte keine
sogenannte Nutzungsentschädigung oder auch Nutzungsvorteil zu
zahlen habe (Urteil LG Duisburg vom 16.05.2019, Az. 8 O
106/18).
In der Regel ziehen die Gerichte in ihren
stattgebenden Urteilen immer eine Nutzungsentschädigung vom
Kaufpreis ab. Die Höhe ist abhängig vom Kaufpreis, der
gefahrenen Strecke und der anzunehmenden Gesamtlaufleistung
des Wagens. So kann durchaus ein höherer Betrag
zusammenkommen, den der Kläger nicht mehr erstattet bekommt.
Das Gericht führte in seiner Begründung aus, dass
Voraussetzung einer solchen Vorteilsanrechnung jedoch sei,
dass der erzielte Vorteil mit dem Schadensereignis in einem
Zusammenhang stehe, der Zweck des Schadensersatzes eine
Anrechnung gebiete und keine ungerechtfertigte Entlastung des
Schädigers eintrete. Es sei daher im Einzelfall nach Sinn und
Zweck des Schadensersatzrechts unter Berücksichtigung der
gesamten Interessenlage der Beteiligten wertend zu
beurteilen, ob dem Geschädigten ein entsprechender Abzug
zumutbar sei und diese Anrechnung den Schädiger nicht
ungerechtfertigt entlaste.
Diese Maßstäbe zugrunde
legend komme eine Vorteilsanrechnung in der vorliegenden
Konstellation einer vorsätzlichen und sittenwidrigen
Schädigung (§ 826 BGB) nicht in Betracht. Die hier
einschlägige Norm gewähre den umfassendsten Schutz gegen
Schädigungen. Gerechtfertigt werde dieser intensive Schutz
durch die besondere Verwerflichkeit des Handelns des
Schädigers – das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit
Betrugsmotor durch die Volkswagen AG. Mit diesem
Grundgedanken der deliktischen Haftung sei eine
Vorteilsausgleichung nicht zu vereinbaren. Diese würde
letztlich dazu führen, dass der vorsätzlich sittenwidrig
Handelnde genauso behandelt werde wie beispielsweise nach
Rückabwicklung eines Vertrages aufgrund einfacher
Mangelhaftigkeit einer Kaufsache. Der besonderen
Verwerflichkeit seines Tuns würde hierdurch nicht ausreichend
Rechnung getragen. "Diese Entscheidung darf unzweifelhaft als
weiterer großer Schritt in die richtige Richtung – und zwar
in die des Verbrauchers - gelten", freut sich Rechtsanwalt
Prof. Marco Rogert. Die Volkswagen AG werde das Portemonnaie
in Zukunft noch weiter aufmachen müssen.
Strafrechtliche Bewertung verschiedener Wahlplakate zur
Europawahl
Duisburg, 22. mai 2019 - Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat
aufgrund von drei Strafanzeigen wegen des Verdachts der
Volksverhetzung u.a. verschiedene Wahlplakate zur Europawahl
auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft. Gegenstand der
Untersuchung waren drei Plakate der Partei „Die Rechte“ mit
der Aufschrift „Zionismus stoppen: Israel ist unser Unglück!
Schluss damit!“ sowie mit den Texten „Mit 90 Jahren: Für ihre
Meinung inhaftiert! Spitzenkandidatin Ursula Haverbeck
Jahrgang 1928“ und „Wir hängen nicht nur Plakate! Wir kleben
auch Aufkleber!“. Des Weiteren lagen drei Plakate der NPD
mit den Texten „Wir schaffen Schutzzonen! Widerstand jetzt“
und „Wir lassen die Luft raus aus der Asylpolitik Heimat
verteidigen“ sowie mit der Aufschrift „Stoppt die Invasion:
Migration tötet! Widerstand jetzt“ zur Bewertung vor. Die
Prüfung dieser Plakate hat ergeben, dass zureichende
tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten nicht
vorliegen und die Aufnahme von Ermittlungen daher nach §§ 152
Abs. 2, 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung abzulehnen ist.
Bei der strafrechtlichen Bewertung einer verbalen
Äußerung ist stets die durch das Grundgesetz geschützte
Meinungsäußerungsfreiheit (Artikel 5 GG) und wiederum deren
besondere Bedeutung in einer freiheitlich demokratischen
Grundordnung zu berücksichtigen. Es ist höchstrichterlich
bereits entschieden, dass es im Hinblick auf Artikel 5 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes bei der strafrechtlichen Bewertung
mehrdeutiger Äußerungen unzulässig ist, eine inkriminierte
Deutung zugrunde zu legen, wenn andere, ebenfalls mögliche -
straflose - Deutungen der Äußerung nicht mit überzeugenden
Gründen ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 28.03.2017, 1 BvR 1384/16, Rn. 17 ff.; BGH, Beschluss vom
28.07.2016, 3 StR 149/16). In Anwendung dieser
Rechtsprechung ist die Verletzung von Strafgesetzen nicht
hinreichend sicher feststellbar. Sämtliche in Rede stehenden
Parolen sind mehrdeutig und lassen stets zumindest auch eine
Deutung in Richtung eines strafrechtlich nicht zu
beanstandenden Inhalts zu. Vor diesem Hintergrund war die
Aufnahme von Ermittlungen abzulehnen.
Die Mitgliedstaaten müssen die
Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem
die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann
Gerichtshof der Europäischen Union,
Luxemburg, 14. Mai 2019 - Die spanische Gewerkschaft
Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) erhob
vor der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien)
eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Deutsche
Bank SAE, ein System zur Erfassung der von deren Mitarbeitern
geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Sie vertritt
die Auffassung, dass mit diesem System die Einhaltung der
vorgesehenen Arbeitszeit und der in den innerstaatlichen
Rechtsvorschriften vorgesehenen Verpflichtung, den
Gewerkschaftsvertretern die Angaben über die monatlich
geleisteten Überstunden zu übermitteln, überprüft werden
könne.
Nach Auffassung der CCOO ergebe sich die
Verpflichtung zur Einrichtung eines solchen
Registrierungssystems nicht nur aus den innerstaatlichen
Rechtsvorschriften, sondern auch aus der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und
der Arbeitszeitrichtlinie1. Die Deutsche Bank macht
geltend, der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberstes
Gericht, Spanien) lasse sich entnehmen, dass das spanische
Recht keine solche allgemeingültige Verpflichtung vorsehe.
Nach dieser Rechtsprechung schreibe das spanische Gesetz
nämlich, sofern nichts anderes vereinbart worden sei, nur die
Führung einer Aufstellung der von den Arbeitnehmern
geleisteten Überstunden sowie die Übermittlung der Zahl
dieser Überstunden zum jeweiligen Monatsende an die
Arbeitnehmer und ihre Vertreter vor. Die Audiencia Nacional
hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der Auslegung des
spanischen Gesetzes durch das Tribunal Supremo mit dem
Unionsrecht und hat den Gerichtshof dazu befragt. Dem
Gerichtshof vorgelegten Informationen zufolge werden 53,7 %
der in Spanien geleisteten Überstunden nicht erfasst. Darüber
hinaus halte es das spanische Ministerium für Beschäftigung
und soziale Sicherheit zur Feststellung, ob Überstunden
geleistet worden seien, für erforderlich, die Zahl der
gewöhnlich geleisteten Arbeitsstunden genau zu kennen.
Die Audiencia Nacional weist darauf hin, dass mit der
Auslegung des spanischen Rechts durch das Tribunal Supremo
zum einen die Arbeitnehmer ein wesentliches Beweismittel, mit
dem sie dartun könnten, dass ihre Arbeitszeit die
Höchstarbeitszeit überschritten habe, und zum anderen ihre
Vertreter die erforderlichen Mittel für die Überprüfung der
Achtung der in dem Bereich anwendbaren Regeln verlören. Daher
könne das spanische Recht nicht die tatsächliche Einhaltung
der in der Arbeitszeitrichtlinie und der Richtlinie über die
Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit
2 vorgesehenen Verpflichtungen gewährleisten.
Mit seinem heutigen Urteil erklärt der Gerichtshof,
dass diese Richtlinien im Licht der Charta einer Regelung
entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen
Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System
einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer
geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
1 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
2
Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die
Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit
und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit
(ABl. 1989, L 183, S. 1). www.curia.europa.eu Der Gerichtshof
weist zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines jeden
Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und
auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten hin, das in der
Charta verbürgt ist und dessen Inhalt durch die
Arbeitszeitrichtlinie weiter präzisiert wird.
Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen,
dass den Arbeitnehmern die ihnen verliehenen Rechte
zugutekommen, ohne dass die zur Sicherstellung der Umsetzung
der Richtlinie gewählten konkreten Modalitäten diese Rechte
inhaltlich aushöhlen dürfen. Insoweit ist zu berücksichtigen,
dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des
Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden
muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner
Rechte auferlegt.
Der Gerichtshof stellt
fest, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit
eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die
Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche
Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und
verlässlich ermittelt werden kann, so dass es für die
Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich
ist, ihre Rechte durchzusetzen.
Die
objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und
wöchentlichen Arbeitszeit ist nämlich für die Feststellung,
ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der
Überstunden sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten
eingehalten worden sind, unerlässlich. Der Gerichtshof
vertritt daher die Auffassung, dass eine Regelung, die keine
Verpflichtung vorsieht, von einem Instrument Gebrauch zu
machen, das diese Feststellung ermöglicht, die nützliche
Wirkung der von der Charta und von der Arbeitszeitrichtlinie
verliehenen Rechte nicht gewährleistet, da weder die
Arbeitgeber noch die Arbeitnehmer überprüfen können, ob diese
Rechte beachtet werden.
Eine solche Regelung könnte
daher das Ziel der Richtlinie, das darin besteht, einen
besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der
Arbeitnehmer sicherzustellen, gefährden, und zwar unabhängig
von der nach dem nationalen Recht vorgesehenen wöchentlichen
Höchstarbeitszeit. Dagegen bietet ein
Arbeitszeiterfassungssystem den Arbeitnehmern ein besonders
wirksames Mittel, einfach zu objektiven und verlässlichen
Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu
gelangen, und erleichtert dadurch sowohl den Arbeitnehmern
den Nachweis einer Verkennung ihrer Rechte als auch den
zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle
der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte.
Um die
nützliche Wirkung der von der Arbeitszeitrichtlinie und der
Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die
Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein
objektives, verlässliches und zugängliches System
einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer
geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Es
obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur
Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm
anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den
Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder
Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung
zu tragen.
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April 2019 |
Zur Zulässigkeit der
unaufgeforderten Aufschaltung eines separaten Wifi-Hotspots
bei WLAN-Kunden Karlsruhe,
Bundesgerichtshof-Urteil 25. April 2019 - I ZR 23/18
Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Aktivierung
eines zweiten WLAN-Signals auf dem von einem
Telekommunikationsdienstleister seinen Kunden zur Verfügung
gestellten WLAN-Router, das von Dritten genutzt werden kann,
wettbewerbsrechtlich zulässig ist, wenn den Kunden ein
Widerspruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten
WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und
auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits-
und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt.
Sachverhalt: Die Beklagte (Unitymedia) bietet
Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie stellt den Kunden
ihrer Internetanschlussleistungen auf Wunsch kostenfrei einen
WLAN-Router zur Verfügung, der gegen unberechtigten Zugang
Dritter durch eine mit einem Passwort geschützte
Verschlüsselung gesichert ist. Der Router verbleibt im
Eigentum der Beklagten. Anfang 2016 teilte die Beklagte ihren
Kunden mit, sie werde zur Erstellung eines flächendeckenden
WLAN-Netzes die Konfiguration der WLAN-Router dahin ändern,
dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das Dritten
einen Zugang zum Internet eröffne.
Die Klägerin, eine
qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sieht in
dieser unaufgeforderten Einrichtung eines Wifi-Spots bei
Verbrauchern eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive
Geschäftspraktik. Bisheriger Prozessverlauf: Die Klägerin
verlangt von der Beklagten Unterlassung der Aktivierung des
separaten WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht
vertraglich vereinbart worden ist und diese kein
Einverständnis erklärt haben. Das Landgericht hat die
Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur
Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat angenommen, die
Aktivierung eines zusätzlichen Signals beeinträchtige die
geschuldete Vertragsleistung nicht. Eine mögliche Belästigung
durch die einseitige Aufschaltung des zweiten WLAN-Signals
sei jedenfalls nicht unzumutbar, weil die Kunden dem
jederzeit - auch nachträglich - widersprechen könnten.
Eine
aggressive Geschäftspraktik liege nicht vor.
Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision
der Klägerin zurückgewiesen. Die Aktivierung des zweiten
WLAN-Signals stellt keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1
Satz 1 UWG dar. Die geschuldete Vertragsleistung - Zugang zum
Internet - wird durch das zweite WLAN-Signal nicht
beeinträchtigt. Ein ausschließliches Nutzungsrecht der im
Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das
einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte
entgegenstehen könnte, sehen die Verträge über
Internetzugangsleistungen nicht vor.
Der ungestörte Gebrauch
des Routers durch die Kunden wird weder durch die Aktivierung
des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb
beeinträchtigt.
In der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals liegt entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts keine aufgedrängte
Dienstleistung. Die Beklagte eröffnet ihren Kunden mit der
Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar
die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die
Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen. Die Klägerin möchte der
Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen
Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten
WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses
Signals liegt für sich genommen keine Dienstleistung der
Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers. Auch sonst gibt
es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des
zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1
Satz 1 UWG darstellt. Die Aktivierung ist ein ausschließlich
technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich
bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen
Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der
Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des
zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte
für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die
erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zu
Lasten der Kunden hat das Berufungsgericht nicht
festgestellt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko,
für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene
Rechtsverletzungen zu haften. Gegen eine Belästigung im
Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG spricht schließlich das
zeitlich uneingeschränkte Widerspruchsrecht der Kunden. Sie
können die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router
durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes
zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch
kurzfristig - spätestens zum übernächsten Werktag - beenden.
Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine
Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der
Belästigung. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden
werden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht
verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spricht
ferner das jederzeitige Widerspruchsrecht der Kunden. Die
Freischaltung des zweiten WLAN-Signals ist auch nicht mit der
in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen
einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten
zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu
ähnlichen Beeinträchtigungen führt. Eine aggressive
Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG liegt schon
deshalb nicht vor, weil den Kunden ein uneingeschränktes
Widerspruchsrecht zusteht und ihre Entscheidungsfreiheit
daher nicht beeinträchtigt wird. Vorinstanzen: LG Köln -
Urteil vom 9. Mai 2017 - 31 O 227/16 - MMR 2017, 711 OLG Köln
- Urteil vom 2. Februar 2018 - 6 U 85/17 - WRP 2018, 498
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 8 Abs. 1 und 3
UWG (1) 1Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche
Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. 2Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits
dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7
droht. (2) … (3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: 1. …
2. ... 3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass
sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4
des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der
Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der
Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz
der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30)
eingetragen sind; 4. … § 7 Abs. 1 UWG (1) 1Eine
geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in
unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. 2Dies gilt
insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der
angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen 1. … 2.
… 3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen
Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post,
ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des
Adressaten vorliegt, oder 4. … § 4a Abs. 1 UWG (1)
1Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung
vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen
Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu
veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.
2Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im
konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet
ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder
sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch
1. Belästigung, 2. Nötigung einschließlich der Anwendung
körperlicher Gewalt oder 3. unzulässige Beeinflussung.
3Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der
Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder
sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne
Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer
Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder
sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung
wesentlich einschränkt.
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur
Urheberrechtsverletzung durch Framing Beschluss
vom 25. April 2019 – I ZR 113/18 Der unter anderem für das
Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat darüber zu entscheiden, ob eine Verwertungsgesellschaft
den Abschluss eines Vertrages über die Nutzung von
Digitalisaten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet
davon abhängig machen darf, dass der Nutzer wirksame
technische Maßnahmen gegen sogenanntes "Framing" ergreift,
also gegen das Einbetten der auf dem Server dieses Nutzers
gespeicherten und auf seiner Internetseite eingestellten
Inhalte auf der Internetseite eines Dritten.
Sachverhalt: Die Klägerin, die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, ist Trägerin der Deutschen Digitalen
Bibliothek. Diese bietet eine Online-Plattform für Kultur und
Wissen an, die deutsche Kultur- und
Wissenschaftseinrichtungen miteinander vernetzt.
Auf
der Internetseite der Bibliothek sind über elektronische
Verweise ("Links") digitalisierte Inhalte abrufbar, die in
den Webportalen dieser Einrichtungen gespeichert sind. Die
Bibliothek speichert Vorschaubilder dieser digitalisierten
Inhalte. Einige dieser Inhalte, wie etwa Werke der bildenden
Kunst, sind urheberrechtlich geschützt. Die Beklagte, die
Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, nimmt die
urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber
an Werken der bildenden Kunst wahr. Die Klägerin verlangt von
der Beklagten den Abschluss eines Vertrags, der ihr das Recht
zur Nutzung dieser Werke in Form von Vorschaubildern
einräumt.
Die Beklagte macht den Abschluss eines
solchen Nutzungsvertrags von der Aufnahme folgender
Bestimmung in den Vertrag abhängig: "Die Lizenznehmerin
verpflichtet sich, bei der Nutzung der
vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame
technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder
Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden." Die Klägerin
lehnt eine solche Vertragsbestimmung ab und hat mit ihrer
Klage die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zum
Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne diese Regelung
verpflichtet ist. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht
hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Berufungsgericht die Verpflichtung der
Beklagten zum Abschluss eines Nutzungsvertrags ohne diese
Klausel festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren
ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die
Frage zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
vorgelegt, ob die Einbettung eines mit Einwilligung des
Rechtsinhabers auf einer frei zugänglichen Internetseite
verfügbaren Werks in die Internetseite eines Dritten im Wege
des Framing eine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne
des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, wenn
sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt,
die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat.
Die Beklagte ist als Verwertungsgesellschaft nach § 34 Abs. 1
Satz 1 des Verwertungsgesellschaftengesetzes zwar
verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte
jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen
Nutzungsrechte einzuräumen. Die Beklagte ist allerdings auch
verpflichtet, dabei die Rechte der ihr angeschlossenen
Urheber wahrzunehmen und durchzusetzen. Nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs könnte die Beklagte daher möglicherweise
verlangen, dass der mit der Klägerin zu schließende
Nutzungsvertrag die Klägerin zur Anwendung von technischen
Schutzmaßnahmen gegen Framing verpflichtet. Das setzt
allerdings voraus, dass eine unter Umgehung derartiger
Schutzmaßnahmen im Wege des Framing erfolgende Einbettung der
auf der Internetseite der Klägerin für alle Internetnutzer
frei zugänglichen Vorschaubilder in eine andere Internetseite
das Recht der Urheber zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke
verletzt. Ob in einem solchen Fall das Recht der
öffentlichen Wiedergabe aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie
2001/29/EG verletzt ist, der durch § 15 Abs. 2 UrhG ins
deutsche Recht umgesetzt wird, ist zweifelhaft und bedarf
daher der Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen
Union. Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 113/18 - Deutsche
Digitale Bibliothek Vorinstanzen: LG Berlin - Urteil vom 25.
Juli 2017 - 15 O 251/16 Kammergericht - Urteil vom 18. Juni
2018 - 24 U 146/17 - GRUR 2018, 1055 Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das
ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder
drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich
der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise,
dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu
Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu
verbieten. § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG Der Urheber hat ferner
das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form
öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe).
§ 34 Abs. 1 VGG Die Verwertungsgesellschaft ist
verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte
jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen
Nutzungsrechte einzuräumen. Die Bedingungen müssen
insbesondere objektiv und nichtdiskriminierend sein und eine
angemessene Vergütung vorsehen.
Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Zusammenbruch im Sportunterricht
Karlsruhe, 4. April 2019 - Der Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat heute über Amtshaftungsansprüche eines
(ehemaligen) Schülers wegen behauptet unzureichender
Erste-Hilfe-Maßnahmen durch das Lehrpersonal des Landes
Hessen anlässlich eines im Sportunterricht erlittenen
Zusammenbruchs entschieden. Er hat das vorangegangene Urteil
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und die
Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Sachverhalt: Der seinerzeit 18 Jahre alte Kläger war Schüler
der Jahrgangsstufe 13 und nahm im Januar 2013 am
Sportunterricht teil. Etwa fünf Minuten nach Beginn des
Aufwärmtrainings hörte er auf zu laufen, stellte sich an die
Seitenwand der Sporthalle, rutschte dort in eine Sitzposition
und reagierte auf Ansprache nicht mehr. Um 15.27 Uhr ging der
von der Sportlehrerin ausgelöste Notruf bei der
Rettungsleitstelle ein. Die Lehrerin wurde gefragt, ob
der Kläger noch atme. Sie befragte dazu ihre Schüler; die
Antwort ist streitig. Sie erhielt sodann von der Leitstelle
die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu
verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt
um 15.35 Uhr ein. Die Sanitäter und der Notarzt begannen
sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ungefähr 45 Minuten
dauerten. Sodann wurde der intubierte und beatmete Kläger in
eine Klinik verbracht. Im dortigen Bericht ist unter
anderem vermerkt: "Beim Eintreffen des Notarztes bereits 8
minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation". Es
wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach Kammerflimmern
diagnostiziert, wobei die Genese unklar war. Während der
stationären Behandlung ergaben sich weitere - teils
lebensgefährliche - Erkrankungen. Seit Oktober 2013 ist
der Kläger zu 100% als Schwerbehinderter anerkannt.
Prozessverlauf: Der Kläger verlangt Schadensersatz mit der
Begründung, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare
Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens wegen
mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge
unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin
und einen weiteren herbeigerufenen Sportlehrer. Hätten
diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung
eine Atemkontrolle und - angesichts des dabei festgestellten
Atemstillstands - anschließend eine Reanimation durch
Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht
zu dem Hirnschaden gekommen. Das Landgericht hat
die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Die Berufung
des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das
Oberlandesgericht hat dabei offen gelassen, ob die
Sportlehrer nach dem Ergebnis der in erster Instanz
durchgeführten Beweisaufnahme ihre Amtspflicht, erforderliche
und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, verletzt
haben. Denn es lasse sich jedenfalls nicht feststellen, dass
sich ein etwa pflichtwidriges Unterlassen einer ausreichenden
Kontrolle der Vitalfunktionen und etwaiger bis zum Eintreffen
der Rettungskräfte gebotener Reanimationsmaßnahmen kausal auf
den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt habe
beziehungsweise dass der Zustand des Klägers auf eine massive
Sauerstoffunterversorgung bis zum Eintreffen der
Rettungskräfte zurückzuführen sei. Denn es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass die Atmung des Klägers erst kurz
vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe oder
dass selbst bei Durchführung einer bereits vorher gebotenen
Reanimation der Kläger heute in gleicher Weise gesundheitlich
beeinträchtigt wäre. Die Wertung des Landgerichts, wonach
sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört habe zu
atmen, nicht verlässlich festlegen lasse, sodass auch nicht
festgestellt werden könne, ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen
geboten gewesen wären, sei nicht zu beanstanden.
Für
die Einholung eines Sachverständigengutachtens fehle es an
ausreichenden Anknüpfungstatsachen. Dieses Beweisergebnis
gehe zu Lasten des Klägers. Gegen das Berufungsurteil richtet
sich die vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
zugelassene Revision des Klägers.
Die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der u.a.
für das Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat hat
das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverwiesen, da auf der
Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes ein
Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen ist
und es insoweit weiterer tatrichterlicher Feststellungen
bedarf. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob aufgrund
der erstinstanzlichen Beweisaufnahme von einer schuldhaften
Amtspflichtverletzung auszugehen ist, dahinstehen lassen.
Revisionsrechtlich war deshalb zugunsten des Klägers zu
unterstellen, dass die beteiligten Sportlehrer notwendige
Erste-Hilfe-Maßnahmen pflichtwidrig unterlassen haben.
Hiervon ausgehend war die Ablehnung des Beweisantrags des
Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität
einzuholen, verfahrensfehlerhaft. Der Antrag zielte gerade
darauf ab, den Zeitpunkt des Atemstillstands festzustellen
und insoweit auch die Behauptung des beklagten Landes zu
widerlegen, wonach die Atmung erst unmittelbar vor dem
Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe, mithin der
dennoch eingetretene Hirnschaden nicht auf das Verhalten der
Lehrkräfte zurückzuführen sei. Bekannt (und unstreitig)
waren insoweit die Art und die Dauer der von dem
Rettungspersonal durchgeführten Wiederbelebungsmaßnahmen.
Auch geht aus dem vorgelegten Notarzteinsatzprotokoll
detailliert hervor, welche Befunde (einschließlich der
Sauerstoffkonzentration im Blut) vor Ort bei dem Kläger
erhoben wurden. Das Ausmaß des Hirnschadens ist ebenfalls
dokumentiert. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein
Sachverständiger anhand dieser Unterlagen in der Lage sein
wird, weitere Aufklärung hinsichtlich der tatsächlichen
Geschehensabläufe und damit letztlich in Bezug auf die
zwischen den Parteien streitige Frage nach der Ursächlichkeit
der (vom Berufungsgericht unterstellten) Versäumnisse der
Lehrkräfte für den eingetretenen Hirnschaden zu leisten. Nur
wenn dies ausgeschlossen wäre, hätte der Antrag abgelehnt
werden dürfen.
Für das weitere Verfahren hat der
Senat auf Folgendes hingewiesen: Der Kläger kann sich nicht
entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten
Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern auf eine
Umkehr der Beweislast berufen mit der Folge, dass das
beklagte Land die Nichtursächlichkeit etwaiger
Pflichtverletzungen der Sportlehrer nachweisen muss. Zwar
gelten diese Grundsätze nach der Senatsrechtsprechung wegen
der Vergleichbarkeit der Interessenlage entsprechend bei
grober Verletzung von Berufs- oder Organisationspflichten,
sofern diese als Kernpflichten, ähnlich wie beim Arztberuf,
spezifisch dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer
dienen.
Dies hat der Senat für Hausnotrufverträge und
die Badeaufsicht in Schwimmbädern angenommen. Die Amtspflicht
der Sportlehrer zur Ersten Hilfe bei Notfällen ist
wertungsmäßig jedoch nur eine die Hauptpflicht zur
Unterrichtung und Erziehung begleitende Nebenpflicht. Die
Sportlehrer werden an der Schule nicht primär oder in erster
Linie - sondern nur "auch" - eingesetzt, um in Notsituationen
Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können.
Eine
Verletzung dieser Nebenpflicht, auch wenn sie grob fahrlässig
erfolgt sein sollte, rechtfertigt keine Beweislastumkehr in
Anlehnung an die oben aufgeführten Fallgruppen. Eine Haftung
des beklagten Landes (§ 839 BGB, Art. 34 GG) kommt nicht nur
im Fall grober Fahrlässigkeit in Betracht. Das
Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) greift hier
entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. § 680 BGB
will denjenigen schützen, der sich bei einem Unglücksfall zu
spontaner Hilfe entschließt. Dabei berücksichtigt die
Vorschrift, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten
schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen
kaum möglich ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen
in den Mitteln der Hilfe kommen kann.
Die Situation
einer Sportlehrkraft, die bei einem im Sportunterricht
eintretenden Notfall tätig wird, ist aber nicht mit der einer
spontan bei einem Unglücksfall Hilfe leistenden unbeteiligten
Person zu vergleichen. Den Sportlehrern des beklagten Landes
oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare
Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer
Weise durchzuführen. Um dies zu gewährleisten, mussten die
Sportlehrer bereits damals über eine aktuelle Ausbildung in
Erster Hilfe verfügen. Die Situation des § 680 BGB
entspricht damit zwar der von Schülern, aber nicht der von
Sportlehrern, zu deren öffentlich-rechtlichen Pflichten
jedenfalls auch die Abwehr von Gesundheitsschäden der Schüler
gehört. Selbst wenn es sich nur um eine Nebenpflicht der
Sportlehrer handelt, sind Sinn und Zweck von § 680 BGB mit
der Anwendung im konkreten Fall nicht vereinbar. Insoweit
ist der Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB auch davon
geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei
dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für
die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind. Zur
Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern aber
auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Dazu
stände eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit in
Widerspruch. Eine solche einschneidende Haftungsbegrenzung
erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund nicht
gerechtfertigt, dass mit jedem Sportunterricht für die
Schüler gewisse Gefahren verbunden sind. Es wäre aber nicht
angemessen, wenn der Staat einerseits die Schüler zur
Teilnahme am Sportunterricht verpflichtet, andererseits bei
Notfällen im Sportunterricht eine Haftung für
Amtspflichtverletzungen der zur Durchführung des staatlichen
Sportunterrichts berufenen Lehrkräfte nur bei grober
Fahrlässigkeit und damit nur in Ausnahmefällen einträte.
Vorinstanzen: Landgericht Wiesbaden – 5 O 201/15 -
Entscheidung vom 30. November 2016 Oberlandesgericht
Frankfurt am Main - 1 U 7/17 - Entscheidung vom 25. Januar
2018 § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB Verletzt ein Beamter
vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber
obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen. Art. 34 Satz 1 GG Verletzt
jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes
die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so
trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder
die Körperschaft, in deren Dienst er steht. § 680 BGB
Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem
Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der
Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten.
Zulässigkeit
der vom Deutschen Wetterdienst angebotenen DWD Warnwetter-App
Bundesgerichtshof Karlsruhe, 1. April 2019 -
Verhandlungstermin in Sachen I ZR 126/18 am 18. Juli 2019,
10.00 Uhr. Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht
zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber
zu entscheiden, ob der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine
kostenlose und werbefreie App mit zahlreichen Informationen
zum Wetter anbieten darf. Sachverhalt: Die Klägerin
bietet meteorologische Dienstleistungen sowohl über das
Internet als auch über eine App für mobile Endgeräte an. Die
App der Klägerin ist in der Standard-Version kostenlos und
werbefinanziert und in einer werbefreien Version gegen
Entgelt erhältlich. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist
der nationale meteorologische Dienst der beklagten
Bundesrepublik Deutschland (§ 4 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes
über den Deutschen Wetterdienst* [DWDG]). Seine Aufgaben sind
in § 4 Abs. 1 DWDG geregelt. Zu ihnen gehört unter anderem
die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen.
Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DWDG muss der DWD grundsätzlich
Vergütungen für seine Dienstleistungen verlangen. Einzelne
seiner Dienstleistungen sind nach § 6 Abs. 2a DWDG
entgeltfrei. Der DWD ist so zu führen, dass die nicht durch
Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering wie möglich zu halten
sind (§ 6 Abs. 1 DWDG).
Seit Juni 2015 bietet der DWD
eine App für mobile Endgeräte an. Mit dieser "DWD
WarnWetter-App" können nicht nur Wetterwarnungen, sondern
zahlreiche Informationen zum Wetter einschließlich
detaillierter Wetterberichte abgerufen werden. Diese App ist
unentgeltlich und werbefrei. Die Klägerin hält dies für
wettbewerbswidrig und hat die Beklagte auf Unterlassung der
unentgeltlichen Erbringung von meteorologischen
Dienstleistungen in Form der DWD Warnwetter-App in Anspruch
genommen, soweit diese Dienstleistungen über amtliche
Wetterwarnungen hinausgehen. Den Unterlassungsanspruch
hat sie in erster Linie auf wettbewerbsrechtliche
Vorschriften, hilfsweise auf das öffentliche Recht gestützt.
Die Beklagte hat hilfsweise Widerklage erhoben.
Damit begehrt sie die Feststellung, dass sie unter im
Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen nicht verpflichtet
ist, es zu unterlassen, die DWD Warnwetter-App kostenlos
anzubieten oder zu verbreiten. Bisheriger Prozessverlauf: Das
Landgericht hat die Regelungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs.
2a DWD als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG
und in dem Anbieten der DWD Warnwetter-App einen Verstoß
gegen diese Vorschriften gesehen. Es hat die Beklagte deshalb
zur Unterlassung verurteilt. Über die Hilfswiderklage der
Beklagten hat es nicht entschieden. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Oberlandesgericht die auf das
Wettbewerbsrecht gestützte Klage durch Teilurteil abgewiesen.
Es hat angenommen, es fehle an einem geschäftlichen Handeln
des DWD gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Beklagte habe nicht
mit dem Ziel gehandelt, eigenen oder fremden Wettbewerb zu
fördern. Sie werde vielmehr im Rahmen des ihr durch § 4 DWDG
zugewiesenen Aufgabenbereichs tätig. Hinsichtlich des
hilfsweise geltend gemachten öffentlich-rechtlichen
Unterlassungsanspruchs sei der Rechtsstreit nach einer
rechtskräftigen Entscheidung über den Streit im Übrigen an
das Verwaltungsgericht zu verweisen.
Mit ihrer vom
Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Vorinstanzen: LG Bonn - Urteil vom 15. November 2017 - 16
O 21/16 (MMR 2018, 189) OLG Köln - Urteil vom 13. Juli
2018 - 6 U 180/17 (GRUR-RR 2018, 461).
Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 4 Abs. 1 und 3 DWDG
lauten auszugsweise: (1) Aufgaben des Deutschen
Wetterdienstes sind 1.die Erbringung meteorologischer und
klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder
einzelne Kunden und Nutzer, insbesondere auf den Gebieten des
Verkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und
Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesens, der
Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden
Hochwasserschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der
Wissenschaft, 2. die meteorologische Sicherung der Luft-
und Seefahrt, der Verkehrswege sowie wichtiger
Infrastrukturen, insbesondere der Energieversorgung und der
Kommunikationssysteme, 3.die Herausgabe amtlicher
Warnungen über Wettererscheinungen, a)die zu einer Gefahr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder
b)die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witterungsereignissen
mit hohem Schadenspotenzial stehen, […] 7.die Überwachung
der Atmosphäre auf radioaktive Spurenstoffe und die
Vorhersage deren Verfrachtung, 8.der Betrieb der
erforderlichen Mess- und Beobachtungssysteme zur Erfüllung
der in den Nummern 1 bis 7 genannten Aufgaben als Teil der
Geodateninfrastruktur und 9.die Bereithaltung,
Archivierung, Dokumentierung und Abgabe meteorologischer und
klimatologischer Geodaten und Dienstleistungen. […] (3).
Der Deutsche Wetterdienst ist der nationale meteorologische
Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Er nimmt an der
internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Meteorologie und Klimatologie teil und erfüllt die sich
daraus ergebenden Verpflichtungen. § 6 DWDG lautet
auszugsweise: (1) Der Deutsche Wetterdienst ist so zu führen,
daß die nicht durch Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering
wie möglich zu halten sind. (2) Der Deutsche Wetterdienst
verlangt für die Erbringung seiner Dienstleistungen eine
Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom Vorstand auf
Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren,
gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaftlichen Wertes
oder ermäßigt auf Grund eines besonderen öffentlichen
Interesses, oder auf Grund internationaler Vereinbarungen in
einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für
Daten, Produkte und Spezialdienstleistungen. (2a) Sofern
nicht auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen eine Pflicht
zur Entrichtung von Gebühren besteht, sind folgende
Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes entgeltfrei:
[…] 2.jene an die Allgemeinheit nach § 4 Absatz 1 Nummer 3
und 7 zur öffentlichen Verbreitung, […]. § 3a UWG lautet:
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß
geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen
Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen. § 2 Abs.1 Nr. 1 UWG lautet: (1) Im Sinne
dieses Gesetzes bedeutet 1."geschäftliche Handlung" jedes
Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines
fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem
Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder
des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem
Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren
oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren
gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch
Rechte und Verpflichtungen […]. Karlsruhe, den 1. April 2019
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Februar 2019
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Kündigung des Chefarztes
eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung
Bundesarbeitsgericht -Erfurt, 20. Februar 2019 - Ein
der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf
seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der
Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des
katholischen Selbstverständnisses zu verhalten, nur dann nach
ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn
dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen
Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine
wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche
Anforderung darstellt. Die Beklagte ist Trägerin von
Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche
verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als
Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die
Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln
erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen
kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO
1993). Nach deren Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich ua.
beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der
Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen
schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung
rechtfertigen konnte. Der Kläger war nach katholischem Ritus
verheiratet.
Nach der Scheidung von seiner ersten
Ehefrau heiratete er im Jahr 2008 ein zweites Mal
standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt
hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.
September 2009. Hiergegen hat sich der Kläger mit der
vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Arbeitsgericht
und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Über
ein in diesem Verfahren ergangenes Vorabentscheidungsersuchen
des Senats zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts hat
der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 11.
September 2018 (- C-68/17 -) entschieden.
Die
Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des
Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Kündigung ist nicht
durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers
sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner
Wiederverheiratung verletzte dieser weder eine wirksam
vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte
Loyalitätserwartung der Beklagten.
Die Vereinbarung
im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug
genommen wurde, ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit
dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als
schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Diese
Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der
katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen
seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG
gerechtfertigt ist.
Dies folgt aus einer
unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG,
jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts.
Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und
der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu
schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des
Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche,
rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.
Nationales Verfassungsrecht (vgl. dazu BVerfG 22. Oktober
2014 - 2 BvR 661/12 -) steht dem nicht entgegen. Das
Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der
Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen
der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten.
Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Auslegung der
Richtlinie 2000/78/EG seine Kompetenz nicht überschritten. Es
handelt sich nicht um einen „Ultra-Vires-Akt“ oder einen
solchen, durch den die Verfassungsidentität des Grundgesetzes
berührt wird.
Bundesarbeitsgericht Erfurt, Urteil
vom 20. Februar 2019 - 2 AZR 746/14 - Vorinstanz:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2010 - 5
Sa 996/09
Verfall von
Urlaubsansprüchen - Obliegenheiten des Arbeitgebers
Bundesarbeitsgericht, Erfurt, 19. Februar 2019 -
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub
erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres,
wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten
Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der
Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht
genommen hat.
Der Beklagte beschäftigte den Kläger
vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 als
Wissenschaftler. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
verlangte der Kläger ohne Erfolg, den von ihm nicht
genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den
Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag iHv. 11.979,26
Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs
hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt. Die
Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das
Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Urlaubsanspruch des
Klägers sei zwar zum Jahresende verfallen.
Der Kläger
habe aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen
können, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich
aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei.
Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der
Ersatzurlaubsanspruch abzugelten. Die Revision des Beklagten
hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG sieht vor, dass
Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen
wird, verfällt. Das galt nach bisheriger Rechtsprechung
selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber
rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu
gewähren. Allerdings konnte der Arbeitnehmer unter bestimmten
Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des
Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach
dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen
Urlaubstage gerichtet war. Diese Rechtsprechung hat der
Senat weiterentwickelt und damit die Vorgaben des
Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der
Vorabentscheidung vom 6. November 2018 (- C-684/16 -
[Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften]) umgesetzt. Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz
1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche
Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche
des Arbeitnehmers festzulegen.
Entgegen der Annahme
des Landesarbeitsgerichts zwingt die Vorschrift den
Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus
Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter Beachtung
von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG
(Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die
Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und
in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der
Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten
Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls
förmlich - auffordert, dies zu tun“.
Der Arbeitgeber
hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende
des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums
verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Bei
einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der
Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat,
den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf
hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des
Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Das
Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache
aufzuklären haben, ob der Beklagte seinen Obliegenheiten
nachgekommen ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil
vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - Vorinstanz:
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 Sa
982/14 -
Hinterbliebenenversorgung - Mindestehedauer - unangemessene
Benachteiligung Bundesarbeitsgericht, Erfurt,
19. Februar 2019 - Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
enthaltene Versorgungsregelung, nach der die
Hinterbliebenenversorgung entfällt, wenn im Zeitpunkt des
Todes des Versorgungsberechtigten die Ehe nicht mindestens
zehn Jahre bestanden hat, benachteiligt den unmittelbar
Versorgungsberechtigten unangemessen und ist daher nach § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Die Klägerin ist Witwe
ihres im Jahr 2015 verstorbenen Ehemanns, dem von seinem
ehemaligen Arbeitgeber ua. eine Hinterbliebenenversorgung
zugesagt worden war. Nach der Versorgungszusage entfällt die
Witwenversorgung, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des
Versorgungsberechtigten nicht mindestens zehn Jahre bestanden
hat. Die Ehe war im Juli 2011 geschlossen worden. Die
Klägerin hält den Ausschluss der Witwenversorgung für
unwirksam.
Die auf Zahlung einer Witwenrente ab Mai
2015 gerichtete Klage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Dritten Senat des
Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Enthält eine Versorgungszusage
Allgemeine Geschäftsbedingungen, so bewirkt eine hierin
enthaltene Mindestehedauerklausel von zehn Jahren eine
unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten.
Sagt der Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zu,
entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass
die Ehepartner der Arbeitnehmer abgesichert sind. Schränkt
der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zulasten
des Arbeitnehmers in der Versorgungszusage weiter ein,
unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle
nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wird die Zusage auf Ehepartner
beschränkt, mit denen der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes
mindestens zehn Jahre verheiratet war, wird von der die
Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik
abgewichen.
Orientiert sich eine Ausschlussklausel an
willkürlich gegriffenen Zeitspannen ohne inneren Zusammenhang
zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck, so ist eine
unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten
gegeben, weil der Zweck der Hinterbliebenenversorgung durch
eine solche zehnjährige Mindestehedauer gefährdet ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2019 - 3 AZR
150/18 - Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil
vom 29. November 2017 - 6 Sa 486/17 -
Keine unbefristete, aber
langfristige Sozialbindung im dritten Förderweg
Karlsruhe, 8. Februar 2019 – V ZR 176/17
Der
Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass bei der
Förderung des sozialen Wohnungsbaus im sog. dritten Förderweg
individuell vereinbarte, zeitlich unbefristete städtische
Belegungsrechte unwirksam sind, und zwar auch dann, wenn die
Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von
Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat.
Die Unwirksamkeit der Vereinbarung hat aber nicht zur
Folge, dass die Belegungsrechte nicht bestehen. Vielmehr
hätten die Parteien, wenn ihnen die Unwirksamkeit bekannt
gewesen wäre, Belegungsrechte für einen möglichst langen
rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart. Ist – wie hier -
ein langfristiger, vergünstigter Kredit gewährt worden,
bestehen die Belegungsrechte deshalb im Zweifel während der
Laufzeit des Kredits fort. Sachverhalt: Die Klägerin ist eine
Wohnungsgenossenschaft. Mit notariellem Vertrag vom 30.
Januar 1995 kaufte ihre Rechtsvorgängerin, eine
Wohnungsbaugesellschaft, von der beklagten Stadt Grundstücke,
die im Rahmen des dritten Förderwegs (§ 88d des Zweiten
Wohnungsbaugesetzes) mit 52 Sozialwohnungen bebaut werden
sollten. Zu deren Teilfinanzierung gewährte die Stadt der
Wohnungsbaugesellschaft ein zinsgünstiges Darlehen. Die
Wohnungsbaugesellschaft verpflichtete sich im Gegenzug, der
Stadt unbefristete Belegungsrechte an den Wohnungen
einzuräumen sowie diese verbilligt und nur an Inhaber von
Wohnberechtigungsscheinen zu vermieten.
Zur Sicherung
dieser Verpflichtung wurde im Grundbuch zu Gunsten der Stadt
eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen. Mit
notariellem Vertrag vom 27. Oktober 1995 kaufte die Klägerin
die Grundstücke unter Übernahme der auf die Belegungsrechte
bezogenen Verpflichtung. Bisheriger Prozessverlauf: Mit ihrer
Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass sie die
Wohnungen nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugsfertigkeit
frei und ohne Beachtung von Belegungsrechten vermieten kann,
und dass die Stadt die Löschung der Dienstbarkeit bewilligen
muss. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin
zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und
die Sache zur neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen. Die von der Klägerin übernommene,
zeitlich unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung zu der
Vermietung der Wohnungen an Inhaber von
Wohnberechtigungsscheinen ist gemäß § 134 BGB unwirksam. Das
Rechtsgeschäft ist im dritten Förderweg auf der Grundlage von
§ 88d II. WoBauG zustande gekommen. Diese Art der Förderung
des sozialen Wohnungsbaus ermöglichte eine Vereinbarung des
staatlichen Darlehensgebers mit dem privaten Bauherrn. Dass
zeitlich unbefristete Belegungsrechte hierbei nicht
vorgesehen waren, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des
Gesetzes. Denn gemäß § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG soll
die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der
vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten,
wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der
Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland,
"ein längerer Zeitraum" geboten ist.
Ein "Zeitraum"
besteht in einem durch Anfang und Ende gekennzeichneten
Zeitabschnitt. Dieses Verständnis der Norm entspricht auch
der Gesetzesbegründung und der Systematik des Zweiten
Wohnungsbaugesetzes. Mit dem 1989 eingeführten dritten
Förderweg sollte nämlich eine gegenüber dem ersten und
zweiten Förderweg flexiblere Förderung des sozialen
Wohnungsbaus ermöglicht werden. Durch einen von
vornherein zeitlich begrenzten Eingriff in den allgemeinen
Wohnungsmarkt sollten kürzere Bindungen ermöglicht werden, um
die Investitionsbereitschaft privater Bauherren zu erhöhen.
Allein der Umstand, dass die Stadt der Rechtsvorgängerin der
Klägerin nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihr auch die
erforderlichen Grundstücke verkauft hat, rechtfertigt keine
unbefristete Bindung.
Zwar sind Grund und Boden -
zumal in städtischen Lagen - ein knappes Gut, das bei einem
Verkauf durch eine Stadt an einen Privaten dauerhaft bei
diesem verbleibt. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung gehört
es aber zum Konzept des dritten Förderwegs, dass die
öffentliche Hand privaten Investoren nach Möglichkeit
werthaltiges, kostengünstiges Bauland zur Verfügung stellt.
Gemäß § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG rechtfertigt eine
solche Bereitstellung von Bauland eine Bindung für einen
"längeren Zeitraum" von mehr als 15 Jahren; eine unbefristete
Bindung hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen. Dieses
Ergebnis entspricht allgemeinen subventionsrechtlichen
Grundsätzen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt,
dass der Staat einem Subventionsempfänger zur Sicherung der
Zweckbindung der Subvention keine beliebigen Beschränkungen
auferlegen darf. Die Beschränkungen müssen vielmehr geeignet
und erforderlich sein, um den mit der Subvention
zulässigerweise verfolgten Zweck für einen angemessenen
Zeitraum sicherzustellen. Deshalb können einem
Subventionsempfänger keine Bindungen auferlegt werden, die er
ohne zeitliche Begrenzung einhalten muss, nachdem die mit der
Subvention verbundenen Vorteile aufgebraucht sind. Der
Verkauf von Bauland stellt keinen unbegrenzt fortwährenden
Vorteil dar, zumal Preisnachlässe schon aus
kommunalrechtlichen Gründen nur in engen Grenzen zulässig
sind. Dauerhafte Beschränkungen für private Investoren lassen
sich nur dann erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit
dem Instrument des Grundstücksverkaufs, sondern mit dem dazu
bestimmten Instrument der Ausgabe eines Erbbaurechts verfolgt
wird.
Aus der Unwirksamkeit der Vereinbarung folgt
aber nicht ohne weiteres, dass bereits jetzt keine
Belegungsrechte mehr bestehen. Vielmehr ist davon auszugehen,
dass die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit
Belegungsrechte für einen möglichst langen rechtlich
zulässigen Zeitraum vereinbart hätten. Insoweit kommt es
nicht darauf an, wie sich die Mieten einerseits und die
Kreditkonditionen andererseits später tatsächlich entwickelt
haben. Maßgeblich sind vielmehr die Vorstellungen der
Parteien bei Vertragsschluss, und im Zweifel hätten die
Belegungsrechte, die als Gegenleistung für das Darlehen
übernommen wurden, während der Laufzeit des vergünstigten
Kredits fortbestehen sollen. Wann die Belegungsrechte enden,
hängt deshalb von den der Bauherrin gewährten Vorteilen ab.
Das Berufungsgericht wird daher aufklären müssen, zu
welchen Konditionen das Darlehen ausgereicht worden ist.
Vorinstanzen: LG Hannover – Urteil vom 16. September 2016 -
16 O 120/16 OLG Celle – Urteil vom 20. Juni 2017 - 4 U 128/16
Karlsruhe, den 8. Februar 2019 Die maßgebliche Vorschrift
lautet: § 88d II.
WoBauG Abs. 1: "Mittel zur Förderung
des sozialen Wohnungsbaues können auch abweichend von den §§
88 bis 88c vergeben werden. In der zwischen Darlehns- oder
Zuschußgeber und dem Bauherrn abzuschließenden Vereinbarung
können insbesondere Bestimmungen über Höhe und Einsatzart der
Mittel, die Zweckbestimmung, Belegungsrechte, die Beachtung
von Einkommensgrenzen, die Höhe des Mietzinses und etwaige
Änderungen während der Dauer der Zweckbestimmung sowie die
Folgen von Vertragsverletzungen getroffen werden. …
"
Abs. 2: "Für Bestimmungen nach Absatz 1 gilt folgendes: 1.
(…) 2. Die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und
der vereinbarten Mietzinsregelung soll 15 Jahre nicht
überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der
Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von
Bauland oder wegen der Förderung zugunsten bestimmter
Personengruppen, ein längerer Zeitraum geboten ist."
Automatisierte
Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle in Teilen verfassungswidrig
Karlsruhe, 5. Februar 2019 - Die
polizeirechtlichen Vorschriften zur
Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle in Baden-Württemberg und
Hessen sind teilweise verfassungswidrig. Dies hat der Erste
Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute
veröffentlichtem Beschluss unter Zugrundelegung der Maßstäbe
aus dem Beschluss vom selben Tag entschieden.
Beide Länder können ihre Regelungen
der Kennzeichenkontrollen im Wesentlichen auf ihre
Gesetzgebungszuständigkeit für die Gefahrenabwehr stützen.
Soweit Baden-Württemberg jedoch automatisierte
Kennzeichenkontrollen zur Unterstützung von polizeilichen
Kontrollstellen und Kontrollbereichen erlaubt, die zur
Fahndung nach Straftätern und damit zur Strafverfolgung
eingerichtet werden, fehlt es dem Land für die Regelungen
schon zur Einrichtung dieser Kontrollstellen und
Kontrollbereiche selbst an der Gesetzgebungskompetenz.
Dementsprechend ist auch die hieran
anknüpfende Kennzeichenkontrolle formell verfassungswidrig.
Aus formellen Gründen sind auch die hessischen Regelungen zur
automatisierten Kennzeichenkontrolle an polizeilichen
Kontrollstellen, die zur Verhütung versammlungsrechtlicher
Straftaten eingerichtet sind, sowie wiederum auch die
Regelung zur Einrichtung dieser Kontrollstellen selbst
verfassungswidrig. Als Eingriffe in Art. 8 GG genügen sie
nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Regelungen genügen auch nicht in jeder
Hinsicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. In beiden Ländern
werden Kennzeichenkontrollen nicht umfassend auf den Schutz
von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht begrenzt und werden
Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung ohne
eine ausreichend klare grenzbezogene Beschränkung erlaubt.
Nicht zu beanstanden sind die Regelungen zum Umfang des
Datenabgleichs. Entgegen der Praxis beider Länder sind sie
jedoch verfassungskonform einschränkend dahingehend
auszulegen, dass der Abgleich jeweils auf die Datensätze zu
beschränken ist, die für die Erreichung des konkreten Zwecks
der Kennzeichenkontrolle geeignet sind.
Der Senat hat die verfassungswidrigen
Vorschriften größtenteils übergangsweise für weiter anwendbar
erklärt, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2019.
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