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Mitten aus dem Leben - Urteile und Tipps zu §§
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Archiv 2020
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Dezember 2020 |
Fleischwirtschaft: Erfolglose Eilanträge betreffend
das Inkrafttreten von Teilen des
Arbeitsschutzkontrollgesetzes
Karlsruhe/Duisburg, 30. Dezember 2020 -
Die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts hat heute mehrere Anträge auf
einstweilige Anordnungen abgelehnt, mit denen verhindert
werden sollte, dass Teile des am 30. Dezember 2020
verkündeten Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im
Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) zum 1. Januar
2021 in Kraft treten.
Sie betreffen eine neue Regelung, die den Unternehmen der
Fleischwirtschaft ab dem 1. Januar den Einsatz von
Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen im Bereich
der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung in ihrem
Betrieb untersagt. Für die Führung eines Betriebes gilt vor
Ort ein Kooperationsverbot. Zudem ist die Beschäftigung von
Fremdpersonal in Leiharbeit ab dem 1. April 2021 nur noch
bis zum 1. April 2024 unter besonderen Bedingungen zulässig
und danach auf diesem Sektor ebenfalls verboten.
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November 2020 |
Sonderkündigungsrecht: Kfz-Versicherung nach 30.
November kündigen
Coburg/Duisburg, 27. November 2020 - Der vielbeschworene
Stichtag zur Kündigung der Kfz-Versicherung ist vorbei. Was
wenn die Rechnung des Kfz-Versicherers erst nach dem 30.
November im Briefkasten liegt? Man also auch erst später
erfährt, dass die Kfz-Versicherung im kommenden Jahr teurer
wird. Muss man zwangsläufig beim bisherigen Versicherer
bleiben? Nein. Hier kommt das Sonderkündigungsrecht ins
Spiel. Die einmonatige Kündigungsfrist beginnt erst bei
Erhalt der Rechnung. Selbst bei einem günstigeren Beitrag
entfällt das Sonderkündigungsrecht nicht automatisch. Es
kommt auf den Grund für die günstigere Prämie an. Sinkt der
Beitrag, weil sich wegen unfallfreiem Fahren die
Schadenfreiheitsklasse verbessert, während das Tarifniveau
des Grundbeitrags steigt, bleibt die Sonderkündigung eine
lukrative Option. Warum? Nicht unwahrscheinlich, dass die
Kfz-Prämie noch günstiger wird, wenn der Kunde sowohl von
einem besseren Schadenfreiheitsrabatt als auch von einem
niedrigen Tarifniveau profitieren kann.
Genau
hinschauen und Geld sparen Fazit: Die Rechnung sollte
genau gelesen werden. Besteht ein Sonderkündigungsrecht,
muss der bisherige Versicherer seinen Kunden deutlich darauf
hinweisen. Dem Wechsel zum günstigeren Kfz-Versicherer steht
dann – auch nach dem 30. November – nichts im Weg.
Vergleichen lohnt sich: Die Preisspannen zwischen den
einzelnen Anbietern sind erheblich: Oft lassen sich so ein
paar hundert Euro pro Jahr einsparen. Beim Preisvergleich
helfen entsprechende Portale im Internet. Doch Vorsicht,
kein Portal berücksichtigt alle Kfz-Versicherer und oft
handelt es sich leistungsseitig um ein abgespecktes Angebot.
Die Recherche in mehreren Portalen ist also
unerlässlich. Zudem arbeiten Onlineportale auf
Provisionsbasis. Für jede vermittelte Police zahlt ihnen der
betroffene Kfz-Prämie. Onlineportale sind also nur bedingt
unabhängig. Manche günstigen Direktversicherer sind dort gar
nicht zu finden. Daher lohnt sich stets auch eine parallele
Anfrage bei einem günstigen Versicherer.
Der
30. November ist vorbei: Kann man seine Kfz-Versicherung
trotzdem kündigen? Ja, wenn das Sonderkündigungsrecht
greift. Foto: HUK-COBURG
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Oktober 2020 |
Mit Winterreifen sicher durch die
kalte Jahreszeit § Bußgeld und Punkte bei
falscher Bereifung § Mögliche Konsequenzen beim
Versicherungsschutz Coburg/Duisburg, 29. Oktober
2020 - Zwar gibt es keine verbindliche Winterreifenpflicht,
aber die Straßenverkehrsordnung (§ 2 Absatz 3a der StVO)
fordert von Verkehrsteilnehmern, ihre „Ausrüstung an die
Wetterverhältnisse anzupassen“. Mittlerweile hat der
Gesetzgeber diese freie Formulierung konkretisiert: Autofahrer
müssen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder
Reifglätte Winterreifen aufgezogen haben. Was einen
Reifen zum Winterreifen macht? Sein Profil und seine
Lauffläche sind so konstruiert, dass er bei Matsch und
frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften
als ein Sommerreifen hat. Technische Details müssen
Autofahrer beim Kauf nicht kennen. Es genügt auf ein
Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) zu achten.
Neu ist, dass Reifen mit der Kennzeichnung M+S nicht mehr
in jedem Fall genügen. Und um als wintertauglich zu gelten,
müssen sie bis zum 31. Dezember 2017 hergestellt worden sein.
Diese Ausnahmeregelung hat bis zum 30. Dezember 2024 Bestand.
Wer die Winterreifen-Regelung missachtet, riskiert ein
Bußgeld und Punkte in Flensburg. Einen Punkt und ein Bußgeld
von mindestens 60 Euro kassieren alle, die die Polizei bei
Winterwetter mit Sommerreifen antrifft. Wird der Verkehr
durch die falschen Reifen gefährdet werden 80 Euro Bußgeld
und ein Punkt fällig. Aber auch dem Halter, der eine Fahrt
mit falscher Bereifung zulässt, droht ein Bußgeld in Höhe von
75 Euro und ein Punkt. Versicherungsschutz nicht gefährden
Bei einem Unfall nicht auszuschließen, sind Konsequenzen beim
Versicherungsschutz. Insbesondere wenn Schneematsch schon
wochenlang für Behinderungen auf den Straßen gesorgt hat.
Natürlich reguliert die Kfz-Haftpflichtversicherung eines
Unfallverursachers immer den Schaden des Opfers. Allerdings
kann sie den eigenen Versicherungsnehmer, der ohne
Winterreifen unterwegs war, im Nachgang mit bis zu 5.000 Euro
in Regress nehmen. Aber auch beim Unfallopfer kann falsche
Bereifung durchaus zum Problem werden: Lässt sich nachweisen,
dass dessen fehlende Winterausrüstung ursächlich für den
Unfall war – weil sich zum Beispiel der Bremsweg drastisch
verlängert hat – muss das Unfallopfer mit einer Mithaftung
rechnen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des
Unfallverursachers ersetzt den Schaden nicht komplett,
sondern nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Besonders
prekär kann sich das bei Personenschäden auswirken, wenn es
um Schmerzensgeld, Verdienstausfall oder Rentenzahlungen
geht. Fazit: Sommerreifen und winterliche
Straßenverhältnisse passen nicht zusammen. Wer das ignoriert,
riskiert neben den Folgen beim Versicherungsschutz auch
rechtliche Konsequenzen, insbesondere wenn durch den Unfall
Personen verletzt wurden. Höchstgeschwindigkeit Nicht
immer entspricht die maximale Geschwindigkeit, die man mit
den montierten Winterreifen fahren darf, der
Höchstgeschwindigkeit des Autos: Winterreifen sind weicher
als Sommerreifen. Fährt man schneller als erlaubt, erhitzt
sich die Karkasse (das tragende Gerüst des Reifens), kann der
Reifen platzen. Beim Räderwechsel in der Werkstatt sollte man
darauf achten, dass auf einem Zettel am Armaturenbrett die
zulässige Höchstgeschwindigkeit der Reifen vermerkt ist oder
die elektronische Anzeige des Fahrzeugs entsprechend
eingestellt wird. Selbstverständlich sollten Reifengrößen
verwendet werden, die vom Fahrzeughersteller vorgeschrieben
sind. Und noch etwas ist wichtig, die Profiltiefe der
Winterreifen. Mindestens 1,6 Millimeter schreibt der
Gesetzgeber vor. Experten empfehlen zur eigenen Sicherheit
aber 4 Millimeter.
Die „Ausrüstung ist den Witterungsverhältnissen anzupassen“,
heißt es in der Straßenverkehrsordnung. Autofahrer, die sich
daran nicht halten, sollten wissen, dass mangelhafte
Bereifung auch zu Konsequenzen beim Versicherungsschutz
führen kann. Foto: HUK-COBURG
Eilantrag bezogen auf das Gesetz zur Mietenbegrenzung im
Wohnungswesen in Berlin abgelehnt Karlsruhe, 29.
Oktober 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich gegen das
Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur
Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (im Folgenden:
MietenWoG Bln) am 22. November 2020 richtete, abgelehnt. Die
Beschwerdeführerin hat schon nicht dargelegt, dass ihr im
Fall der Ablehnung ihres Antrags ein schwerer Nachteil von
besonderem Gewicht droht. Ungeachtet dessen wurden auch für
die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter
Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt.
Herbstlaub: Wer muss Bürgersteig
freihalten? § Reinigungspflicht kann übertragen werden
§ Haftung bei Unfällen
Duisburg/Coburg, 20. Oktober 2020 - Der
Herbst hält Einzug: Das Laub verfärbt sich und fällt zu
Boden. Was im Sonnenschein schön aussieht, kann schnell zur
Gefahr werden. Denn im Herbst sinken nicht nur die
Temperaturen, auch die Niederschläge nehmen zu und feuchtes
Herbstlaub verwandelt Bürgersteige in rutschige Flächen. Ein
Unfall ist da schnell passiert. Kommunen können in ihren
Satzungen festschreiben, ob und in welchem Umfang sich
Hauseigentümer um die Reinigung der Bürgersteige kümmern
müssen. Wer sich der Reinigungspflicht dauerhaft entzieht,
begeht eine Ordnungswidrigkeit. Den Eigentümern eines
Mietshauses steht es offen, die Reinigungspflicht über den
Mietvertrag an die Mieter weiterzugeben. Ereignet sich
ein Unfall, hat der nicht nur eine strafrechtliche Seite.
Hier geht es, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch um
persönliche Haftung. Bricht sich ein Passant beispielsweise
das Bein, weil vergessen wurde, die Blätter wegzufegen, muss
der Verantwortliche für den Schaden aufkommen. Ohne
Haftpflichtversicherung kann das teuer werden: Im
geschilderten Fall können dem Geschädigten Schmerzensgeld –
und falls er arbeitet – auch eine Entschädigung für seinen
Verdienstausfall zustehen. Bleiben nach einem Unfall
dauerhafte Schäden zurück, können sogar lebenslange
Rentenzahlungen fällig werden. Ob und in welchem Umfang
ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen Regeln zum Trotz
oft von den speziellen Umständen des Einzelfalls ab. Sollte
der Geschädigte den Rechtsweg beschreiten, steht die
Haftpflichtversicherung ihrem Kunden zur Seite.
Gefährlich: Nasses Herbstlaub kann Bürgersteige
schnell in rutschige Flächen verwandeln. Räumen ist deshalb
für Hauseigentümer oder Mieter in vielen Kommunen Pflicht.
Foto: HUK-COUBURG
BGH: Unzulässige
Verfassungsbeschwerde gegen das Tabakerzeugnisgesetz
Karlsruhe, 16. Oktober 2020 - Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten
Senats die Verfassungsbeschwerde einer Produzentin von
Tabakerzeugnissen gegen das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG)
und die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte
Erzeugnisse (TabakerzV) nicht zur Entscheidung angenommen.
Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt,
dass eine Überprüfung dieser Regelungen am Maßstab der
deutschen Grundrechte nicht in Betracht kommt, weil sie
zwingendes Unionsrecht umsetzen. Angesichts der
zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden
unionsrechtlichen Fachrechts mit den Unionsgrundrechten
erscheint es auch ausgeschlossen, eine Überprüfung am Maßstab
der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage mit dem Ziel der
Ungültigerklärung dieses unionsrechtlichen Fachrechts zu
eröffnen. Soweit die Beschwerdeführerin die Umsetzung der
Richtlinie in nationales Recht als verspätet rügt, ist eine
Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar eröffnet,
eine Grundrechtsverletzung allerdings nicht genügend
dargetan.
BGH: Schadensersatzklausel für
Abbruch einer Mutter-Kind-Kur unwirksam Karlsruhe, 8. Oktober 2020 – Der unter anderem für das
Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Klausel in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kurklinik, die einen
Schadensersatzanspruch für den Fall vorsieht, dass die
Patientin einer Mutter-Kind-Kur diese vorzeitig abbricht,
unwirksam ist.
Sachverhalt Die Beklagte ist
Mutter von vier minderjährigen Kindern. Ihre gesetzliche
Krankenversicherung bewilligte eine dreiwöchige medizinische
Vorsorgemaßnahme in Form einer Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte
erhielt ein Einladungsschreiben der von der Klägerin
betriebenen Klinik, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
beigefügt waren. Deren Nummer 5.4 lautet wie folgt:
"Vorzeitige Abreise (Kündigung), Schadensersatz 5.4.1 Tritt
die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit,
die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der
Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden
verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der
gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen
Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 % des Tagessatzes
für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin
unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein
geringerer Schaden entstanden ist. 5.4.2 Das Recht zur
fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB
bleibt hiervon unberührt."
Die Beklagte bestätigte
durch ihre Unterschrift, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Klägerin erhalten zu haben und diese anzuerkennen.
Beigefügte Fragebögen zur Vorbereitung der Therapie füllte
sie aus und sandte sie – zusammen mit dem unterschriebenen
Exemplar der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – an die
Klägerin zurück. Die Beklagte trat die bis zum 21. März 2018
vorgesehene Kur am 28. Februar 2018 zusammen mit ihren vier
Kindern an, brach sie jedoch zehn Tage vor dem regulären Ende
aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind,
vorzeitig ab. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin
auf Schadensersatz in Höhe von 3.011,20 € in Anspruch.
Prozessverlauf Das Amtsgericht hat die auf Zahlung
des vorgenannten Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage
abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg
gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt sie ihre Klageanträge weiter.
Entscheidung
des Bundesgerichtshofs Der III. Zivilsenat hat die
Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen
Anspruch gegen die Beklagte auf die verlangte Zahlung. Die
Beklagte konnte die Kur durch konkludente Kündigung gemäß §
627 Abs. 1 BGB auch ohne besonderen Grund vorzeitig beenden,
so dass die Klägerin nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur
Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten
Leistungen hat. Zwischen der Klägerin und der Beklagten
war ein Vertrag über die Durchführung einer Mutter-Kind-Kur
(§ 24 Abs. 1 SGB V) zustande gekommen, der jedenfalls nach
seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag im
Sinne des § 630a BGB und damit als besonderes
Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Dieses unterliegt
dem jederzeitigen Kündigungsrecht der Patientin, da die von
der Klinik geschuldeten Leistungen im Sinne des § 627 Abs. 1
BGB Dienste höherer Art sind, die auf Grund besonderen
Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Die von § 627 Abs.
1, § 628 Abs. 1 BGB abweichende Nummer 5.4.1 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin ist unwirksam, weil sie
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – dem
"freien" und sanktionslosen Kündigungsrecht bei Diensten
höherer Art, die auf besonderem Vertrauen beruhen – nicht zu
vereinbaren ist.
Überdies ist sie mit dem
Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB unvereinbar, nach dem
vertragliche Schadensersatzansprüche eine zu vertretende
Pflichtverletzung des Schuldners – hier der Patientin –
voraussetzen. Eine Einschränkung auf diese Fälle sieht die
Klausel aber nicht vor.
Vorinstanzen: AG Strausberg,
Urteil vom 16. April 2019 – 10 C 17/19 LG Frankfurt (Oder),
Urteil vom 1. April 2020 – 16 S 249/19
Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 280 BGB Schadensersatz
wegen Pflichtverletzung (1) 1Verletzt der Schuldner eine
Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger
Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2Dies
gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu
vertreten hat. § 627 BGB Fristlose Kündigung bei
Vertrauensstellung (1) Bei einem Dienstverhältnis, das
kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die
Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung
zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in
einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu
stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund
besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. § 628
BGB Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung
(1) 1Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das
Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627
gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen
Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen.
2Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des
anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er
durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des
anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung
insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge
der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben.
3Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus
entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des §
346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt,
den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
zurückzuerstatten. § 630a BGB Vertragstypische Pflichten beim
Behandlungsvertrag (1) Durch den Behandlungsvertrag wird
derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines
Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der
versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur
Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit
nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist. § 24 SGB V
Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter (1) 1Versicherte
haben unter den in § 23 Abs. 1 genannten Voraussetzungen
Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche
Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des
Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung;
die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht
werden. 2Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in
dafür geeigneten Einrichtungen. 3Vorsorgeleistungen nach den
Sätzen 1 und 2 werden in Einrichtungen erbracht, mit denen
ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht. 4§ 23 Abs. 4 Satz
1 gilt nicht; § 23 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
Urteil im Verfahren zur Tötung von
Mine O.: Ehemann zu lebenslanger Haft verurteilt
Duisburg, 05. Oktober 2020 - In dem
Strafverfahren gegen den 29-jährigen Ehemann der Getöteten
hat die 5. Große Strafkammer – Schwurgericht – in der
öffentlichen Sitzung am 05.10.2020 ein Urteil verkündet. Der
Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft
verurteilt. Nach den Feststellungen der Kammer beschloss der
Angeklagte am Abend des 07.09.2019, seine Ehefrau zu töten,
da diese ihm mitgeteilt hatte, sich von ihm scheiden lassen
zu wollen. Hierzu würgte er sie mit beiden Händen so lange,
bis sie erstickte und noch am Tatort verstarb. Ihre Leiche
versteckte der Angeklagte zunächst in einem Koffer in der
Garage und vergrub sie anschließend in einem Waldstück, wo
die Polizei den Leichnam drei Monate später fand.
Die
Richter haben die Tat als Mord aus niedrigen Beweggründen
gewertet, weil die Motivation des Angeklagten in besonderem
Maße verwerflich und verachtenswert war. Sie haben
festgestellt, dass er seine Ehefrau tötete, weil er sie
allein für sich beanspruchte und nicht mit anderen Männern
teilen wollte. Das Gericht hat seine Überzeugung hiervon
insbesondere auf die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung des
Angeklagten gestützt, in der er dieses Motiv eingeräumt
hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aktenzeichen:
Landgericht Duisburg, 35 Ks 6/20
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August 2020 |
Kommunales Bildungspaket:
Regelungen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe wegen
Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit dem
Grundgesetz unvereinbar
Karlsruhe/Duisburg,
07. August 2020 - Der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem
Beschluss § 34 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 4
bis Abs. 7 und § 34a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)
in der Fassung vom 24. März 2011 in Verbindung mit § 3 Abs. 2
Satz 1 SGB XII für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.
Die angegriffenen Regelungen stellen eine unzulässige
Aufgabenübertragung dar und verletzen die
Beschwerdeführerinnen, kreisfreie Städte des Landes
Nordrhein-Westfalen, in ihrem Recht auf Selbstverwaltung. Die
Regelungen bleiben jedoch bis zum 31. Dezember 2021 weiter
anwendbar. Die in § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 SGB XII
geregelten Aufgaben entsprechen dagegen inhaltsgleich bereits
früher auf die Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe
übertragenen Aufgaben und sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Juli 2020 |
4 BGH-Urteile zum
"VW-Dieselskandal"
Schadensersatzklage
Keine "Deliktzinsen" für geschädigte VW-Käufer
Erfolgreiche Revision
Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig
aufzehren
Schadensersatzklage im sogenannten "Dieselfall" gegen die
VW AG bei Gebrauchtwagenkauf nach Aufdeckung des
"Dieselskandals" erfolglos VI ZR 5/20
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Der unter anderem für das
Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat
heute über einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen
mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen
Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des sogenannten
Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall
Schadensersatzansprüche verneint.
Sachverhalt: Der
Kläger erwarb im August 2016 von einem Autohändler einen
gebrauchten VW Touran Match zu einem Kaufpreis von 13.600 €,
der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189,
Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist
Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software
versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem
Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in
einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich
dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte
als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro
5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Vor dem
Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die
Beklagte in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über
Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren
vom Typ EA189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran
arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und
realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen,
und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt
stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Oktober 2015
nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung erlassen
und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der
bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten.
In der Folge hat die Beklagte bei Fahrzeugen mit dem
betroffenen Motortyp ein Software-Update bereitgestellt, das
nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers
aufgespielt wurde. Das Thema war Gegenstand einer
umfangreichen und wiederholten Berichterstattung in Presse,
Funk und Fernsehen. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im
Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten
Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des
Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Entscheidung
des Senats: Die Revision des Klägers, mit der er sein
Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg. Es ist nicht
zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Ansprüche aus § 826
BGB deshalb verneint hat, weil das Verhalten der Beklagten
gegenüber dem Kläger nicht als sittenwidrig anzusehen ist.
Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als
sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau
dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten
des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten
Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann
bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche
Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich
auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten
zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat. War
das Verhalten der Beklagten gegenüber Käufern, die ein mit
einer illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug vor
dem 22. September 2015 erwarben, sittenwidrig (vgl.
Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), so
wurden durch die vom Berufungsgericht festgestellte
Verhaltensänderung der Beklagten wesentliche Elemente, die
das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber
bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der
Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten
gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.
So war bereits die Mitteilung der Beklagten vom 22.
September 2015 objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller
Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine
vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche
Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung
und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung
war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer
von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung
der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als
selbstverständlich voraussetzen würden. Für die
Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit war damit kein
Raum mehr; hierauf konnte das geänderte Verhalten der
Beklagten nicht mehr gerichtet sein. Käufern, die sich, wie
der Kläger, erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem
die Beklagte ihr Verhalten geändert hatte, wurde deshalb -
unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im
Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des
Fahrzeugs im Besonderen - nicht sittenwidrig ein Schaden
zugefügt. Auch Ansprüche aus sonstigen Vorschriften hat
der Senat verneint.
Vorinstanzen: Landgericht Trier - Urteil
vom 03. Mai 2019 - 5 O 686/18 Oberlandesgericht Koblenz -
Urteil vom 2. Dezember 2019 - 12 U 804/19 Die maßgebliche
Vorschrift lautet: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem
anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum
Ersatz des Schadens verpflichtet.
Keine "Deliktzinsen" für
geschädigte VW-Käufer - VI ZR 397/19
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - In einem weiteren
VW-Verfahren hat der unter anderem für das Recht der
unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs entschieden, dass geschädigten Käufern
eines vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs
unter dem Gesichtspunkt sogenannter "Deliktszinsen" kein
Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten
Kaufpreises bereits ab Kaufpreiszahlung zusteht.
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb im August 2014 von einem
Autohändler einen gebrauchten, von der Beklagten
hergestellten Pkw Golf VI 1,6 TDI mit einer Laufleistung von
rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 €. Das Fahrzeug war
mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der mit
einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich
das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und
in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus
schaltet. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die
Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung
beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, ließ die Klägerin das von der
Beklagten entwickelte Software-Update im Jahr 2017
aufspielen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin im
Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten
Kaufpreises nebst Zinsen ab Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen
Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Bisheriger
Prozessverlauf: Das Landgericht Oldenburg hat die Beklagte im
Wesentlichen zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich
Nutzungsersatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des
Fahrzeugs verurteilt. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat
dieses Urteil auf die Berufung der Klägerin dahingehend
abgeändert, dass es ihr Zinsen bereits ab Kaufpreiszahlung
zugesprochen hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin
sowie die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen
ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein
Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher
sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu, auf den sie sich im
Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen
lassen müsse. Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des
Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab dem Zeitpunkt der
Zahlung könne die Klägerin von der Beklagten gemäß § 849 BGB
zudem sogenannte "Deliktszinsen" verlangen. Beide Parteien
haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.
Entscheidung des Senats: Beide
Revisionen hatten nur zum Teil Erfolg. Im Wesentlichen
unter Verweis auf sein erstes Urteil zum sogenannten
"Dieselskandal" vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) hat der VI.
Zivilsenat auch hier einen Anspruch der Klägerin aus § 826
BGB auf Erstattung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises
abzüglich der ihr durch den Gebrauch des Fahrzeugs
zugeflossenen Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen "Rückgabe"
des Fahrzeugs für gegeben erachtet. Einen Anspruch der
Klägerin auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB hat er
hingegen - anders als das Berufungsgericht - verneint.
Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust
durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies
gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen
des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. Vorliegend stand
einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand
entgegen, dass die Klägerin als Gegenleistung für die Hingabe
des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares
Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das
Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der
Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB
entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der
Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den
Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten
Sache auszugleichen. Vorinstanzen: Landgericht
Oldenburg - Urteil vom 11. Januar 2019 -3 O 1275/18
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 2. Oktober 2019 - 5
U 47/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden
zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ist wegen der
Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung
einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der
Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt
an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde
gelegt wird.
Erfolgreiche Revision gegen Abweisung einer
Schadensersatzklage in einem "Dieselfall" gegen die VW AG.
Zurückverweisung an Oberlandesgericht.
BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR
367/19
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Der
Kläger erwarb am 4. April 2013 von einem Autohaus einen
gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Tiguan
2.0 TDI zu einem Preis von 21.500 €. Das Fahrzeug ist mit
einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5,
ausgestattet. Die das Abgasrückführungsventil steuernde
Software des Motorsteuerungsgeräts erkannte, ob sich das
Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und
schaltete in diesem Falle in einen Stickoxid-optimierten
Modus. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand
geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen
Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden
nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das Kraftfahrt-Bundesamt
(KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige
Abschalteinrichtung und ordnete Mitte Oktober 2015 einen
Rückruf an, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Die
Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das
KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit
auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah.
Der Kläger ließ das Software-Update im Februar 2017
durchführen. Mit seiner Klage begehrt der Kläger im
Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten
Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des
Fahrzeugs. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht
Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des
Klägers zum Oberlandesgericht Braunschweig hatte keinen
Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem
Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu.
Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB
schieden aus, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe,
welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden
Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den
Betrugstatbestand verwirklicht bzw. den Kläger vorsätzlich
sittenwidrig geschädigt habe. Abgesehen davon fehle es an
einem Schaden des Klägers.
Entscheidung des Senats: Der
unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen
zuständige VI. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil unter
Anwendung der Grundsätze seines Urteils vom 25. Mai 2020 (VI
ZR 252/19) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht vom Kläger
näheren Vortrag dazu verlangt, welche konkrete bei der
Beklagten tätige Person für den Einsatz der illegalen
Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Die Entscheidung über
den Einsatz der Abschalteinrichtung betrifft die grundlegende
strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die
Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor
geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro
5-Norm sicherstellen wollte.
Vor diesem Hintergrund genügte die Behauptung des Klägers,
die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch
einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder
zumindest gebilligt worden.
Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts ist der für einen Anspruch aus § 826 BGB
erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen,
dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update
durchgeführt hat. Liegt der Schaden - wie das
Berufungsgericht unterstellt hat - in einem unter Verletzung
des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers
sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so
entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert
oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern.
Ein solcher Schaden fällt auch unter den Schutzzweck des §
826 BGB.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen
die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich
Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens
verpflichtet. § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der
Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand,
ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig
berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm
zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz
verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Vorinstanzen: Landgericht Braunschweig - Urteil vom
06.07.2018, Az. 11 O 2675/17 Oberlandesgericht Braunschweig -
Urteil vom 13.08.2019, Az. 7 U 352/18
"VW-Dieselverfahren":
Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch
vollständig aufzehren und keine "Deliktszinsen" für
geschädigte VW-Käufer
Bundesgerichtshof-Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Sachverhalt: Der Kläger
erwarb im Mai 2014 von einem Dritten einen gebrauchten, von
der Beklagten hergestellten VW Passat 2,0 I TDI zum Preis von
23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger
eine Laufleistung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor
der Baureihe EA189, Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Der Motor
ist mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkennt, ob
sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb
befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid
(NOx)-optimierten Modus schaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt
erkannte in der genannten Software eine unzulässige
Abschalteinrichtung und ordnete einen Rückruf an. Ein von der
Beklagten daraufhin entwickeltes Software-Update ließ der
Kläger nicht durchführen, fuhr das Fahrzeug aber trotzdem
weiter. Das Fahrzeug hat inzwischen eine Laufleistung von
rund 255.000 km. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im
Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten
Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des
Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht
Braunschweig hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
Braunschweig die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur
Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im
Wesentlichen ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers
gegen die Beklagte bestünden schon deshalb nicht, weil der im
Hinblick auf die vom Kläger mit dem Fahrzeug gefahrenen
Kilometer vorzunehmende Vorteilsausgleich dazu führe, dass
der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis vollständig aufgezehrt
sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.
Entscheidung des Senats:
Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung
zuständige VI. Zivilsenat hat die Revision zurückgewiesen.
Die Annahme des Oberlandesgerichts, die
vorzunehmende Anrechnung der vom Kläger durch den Gebrauch
des Fahrzeugs gezogenen Nutzungsvorteile (vgl. Senatsurteil
vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19) zehre den
Kaufpreiserstattungsanspruch vollumfänglich auf, begegnet
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom
Oberlandesgericht dabei zur Berechnung des Wertes der
Nutzungsvorteile herangezogene Formel (Bruttokaufpreis mal
gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete
Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt) war revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden; die Annahme des Oberlandesgerichts, das
Fahrzeug habe im Erwerbszeitpunkt eine
Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern gehabt,
hatte der Kläger mit seiner Revision nicht angegriffen.
Einen Anspruch des Klägers auf sogenannte "Deliktszinsen"
nach § 849 BGB ab Zahlung des Kaufpreises hat der VI.
Zivilsenat ebenfalls verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift
grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den
Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn
dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch
Weggabe erfolgt. Vorliegend stand einer Anwendung des §
849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass der Kläger
als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in
tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat;
die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen,
kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem
solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem
pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit
einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.
Vorinstanzen: Landgericht Braunschweig - Urteil vom 27.
November 2017 -11 O 603/17 Oberlandesgericht Braunschweig -
Urteil vom 20. August 2019 - 7 U 5/18
Die
maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer zum
Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz
verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. […].
§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ist wegen der
Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung
einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der
Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt
an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde
gelegt wird.
Unfall und was dann? Unfallstelle
professionell absichern, die richtige Schadenmeldung
Coburg/Duisburg, 28. Juli 2020 - Ferienzeit ist
Urlaubszeit. Wie in jedem Jahr quälen sich Autokolonnen über
deutsche Straßen. Das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu
werden, steigt. Das Risiko kennen die Autofahrer. Deutlich
weniger können die Frage beantworten: Was ist im Fall der
Fälle zu tun? Werden Menschen verletzt, sollte die Polizei
und wenn nötig auch der Krankenwagen informiert werden. Noch
bevor die Polizei eintrifft, gilt es erste Hilfe zu leisten
und die Unfallstelle zu sichern. Letzteres beginnt mit
dem Einschalten der eigenen Warnblinkanlage und dem Anziehen
der Warnweste noch im Auto. Danach wird das Warndreieck
aufgestellt: Innerorts sollte es 50 Meter und auf Landstraßen
mindestens 150 Meter entfernt zur Unfallstelle stehen. Auf
Autobahnen beträgt die Distanz zwischen Warndreieck und
Schadenort mindestens 200 Meter. Liegt die Unfallstelle in
einer Kurve oder hinter einer Kuppe, wird das Warndreieck
davor aufgestellt. Wichtig ist, dass das Warndreieck so
steht, dass andere Verkehrsteilnehmer rechtzeitig und
deutlich sichtbar auf die Gefahrenstelle aufmerksam werden.
Das Aufstellen auf Landstraßen und Autobahnen ist ein
nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Zum eigenen Schutz
läuft man ganz weit rechts, am äußersten Fahrbahnrand – noch
besser: das Laufen hinter der Leitplanke. Wer das Warndreieck
aufgeklappt vor sich her trägt, verbessert zusätzlich seine
Sichtbarkeit. Die Polizei hält alle Unfall-Fakten in einem
Protokoll fest. Bleiben die Kontrahenten unter sich, füllt
man, wie die HUK-COBURG mitteilt, am besten einen
europäischen Unfallbericht aus. Der sollte griffbereit im
Handschuhfach liegen.
Wer alle Fragen nach
Personalien, Versicherung und Unfallhergang beantwortet sowie
ein Foto vom Unfallgeschehen macht, hat eine solide Basis für
die Schadenregulierung gelegt. Gibt es Zeugen, werden
natürlich deren Personalien notiert. – Den Unfallbericht
stellen Versicherer ihren Kunden in der Regel kostenlos zur
Verfügung. Stehen die Fakten fest, ist der Unfallverursacher
in der Uhr. Er muss seiner Versicherung den Schaden zeitnah
melden. Und selbst wenn die Haftung klar zu sein scheint,
sollte der Geschädigte das Gespräch mit der gegnerischen
Kfz-Haftpflichtversicherung suchen.
Unfall mit
ausländischem Pkw? Deutschland ist ein Transitland.
Gerade im Sommer sind viele ausländische Pkw auf deutschen
Straßen unterwegs und Unfälle zwischen Ausländern und
Deutschen keine Seltenheit. Verschuldet ein Ausländer einen
Unfall, kann sich der deutsche Geschädigte mit seinen
Ansprüchen an das „Deutsche Grüne Karte Büro“ wenden (Telefon
(030) 2020 5757; Telefax (030) 2020 6757;
dbgk@gruene-karte.de).
In der Regel überträgt das „Deutsche Grüne Karte Büro“ die
Schadenregulierung an einen inländischen
Kfz-Haftpflichtversicherer. Der Schaden des deutschen
Unfallopfers wird also reguliert, als hätte ein deutscher
Verkehrsteilnehmer den Unfall verschuldet.
Unfall - was tun?
Bundesgerichtshof entscheidet über
Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google:
Nicht immer gilt ein "Recht auf Vergessenwerden"
Karlsruhe. 27. Juli 2020 - Der Kläger
war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer
Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser
Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer
Million Euro auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank.
Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse
unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Der Kläger
begehrt nunmehr von der Beklagten als der Verantwortlichen
für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen,
diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der
Ergebnisliste nachzuweisen. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für Ansprüche aus dem Datenschutzrecht
zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers
zurückgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers
auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks
ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Der
Auslistungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfordert nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und dem
Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
6. November 2019 (1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II) eine
umfassende Grundrechtsabwägung, die auf der Grundlage aller
relevanten Umstände des Einzelfalles und unter
Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte
der betroffenen Person einerseits (Art. 7, 8 GRCh), der
Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und
der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in
den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte
andererseits (Art. 11, 16 GRCh) vorzunehmen ist.
Da
im Rahmen dieser Abwägung die Meinungsfreiheit der durch die
Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar
betroffenes Grundrecht in die Abwägung einzubeziehen ist,
gilt keine Vermutung eines Vorrangs der Schutzinteressen des
Betroffenen, sondern sind die sich gegenüberstehenden
Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Aus
diesem Gebot der gleichberechtigten Abwägung folgt aber auch,
dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann
tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf
den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des
Betroffenen Kenntnis erlangt. An seiner noch zur
Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelten
gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar
2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f.
Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest. Nach diesen
Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers auch unter
Berücksichtigung des Zeitablaufs im konkreten Fall hinter den
Interessen der Beklagten und den in deren Waagschale zu
legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der
für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen
Presseorgane zurückzutreten, wobei der fortdauernden
Rechtmäßigkeit der verlinkten Berichterstattung
entscheidungsanleitende Bedeutung für das Auslistungsbegehren
gegen die Beklagte zukommt.
Im Hinblick auf den
Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend
vereinheitlichten Datenschutzrechts und die bei Prüfung eines
Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende
umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen
Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen
Rechts stützen. Verfahren VI ZR 476/18: Der Kläger ist für
verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleitungen
anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen
beteiligt. Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war
Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite
eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach
eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz
nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und
Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere
Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner
dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser
Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das
Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde
seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie
versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst
negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen
ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative
Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend,
ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der
Beklagten als der Verantwortlichen für die
Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die
genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den
Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste
nachzuweisen und die Fotos von ihnen als sog. "thumbnails"
anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in
den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht
beurteilen zu können. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der
Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt. Zum einen ist durch den
Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob es mit den
Rechten des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens (Art.
7 GRCh) und auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen
Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar ist, bei der im Rahmen der
Prüfung seines Auslistungsbegehrens gegen den
Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes gemäß Art. 17
Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der
widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und
16 GRCh dann, wenn der Link, dessen Auslistung beantragt
wird, zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und
auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält,
deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt, und dessen
Rechtmäßigkeit mit der Frage der Wahrheitsgemäßheit der in
ihm enthaltenen Tatsachenbehauptungen steht und fällt,
maßgeblich auch darauf abzustellen, ob der Betroffene in
zumutbarer Weise - z.B. durch eine einstweilige Verfügung -
Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen und damit die
Frage der Wahrheit des vom Suchmaschinenverantwortlichen
nachgewiesenen Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung
zuführen könnte.
Zum anderen bittet der
Bundesgerichtshof um Antwort auf die Frage, ob im Falle eines
Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines
Internet-Suchdienstes, der bei einer Namenssuche nach Fotos
von natürlichen Personen sucht, die Dritte im Zusammenhang
mit dem Namen der Person ins Internet eingestellt haben, und
der die von ihm aufgefundenen Fotos in seiner
Ergebnisübersicht als Vorschaubilder ("thumbnails") zeigt, im
Rahmen der nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst.
a DS-RL / Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden
Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art.
7, 8, 11 und 16 GRCh der Kontext der ursprünglichen
Veröffentlichung des Dritten maßgeblich zu berücksichtigen
ist, auch wenn die Webseite des Dritten bei Anzeige des
Vorschaubildes durch die Suchmaschine zwar verlinkt, aber
nicht konkret benannt und der sich hieraus ergebende Kontext
vom Internet-Suchdienst nicht mit angezeigt wird.
Vorinstanzen: VI ZR 405/18: Oberlandesgericht Frankfurt am
Main – Urteil vom 6. September 2018 – 16 U 193/17 Landgericht
Frankfurt am Main – Urteil vom 26. Oktober 2017 – 2-03 O
190/16 und VI ZR 476/18: Oberlandesgericht Köln – Urteil vom
8. November 2018 – 15 U 178/17 Landgericht Köln – Urteil vom
22. November 2017 – 28 O 492/15
Die maßgebliche
Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:
Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden") (1)
Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen
zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten
unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist
verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen,
sofern einer der folgenden Gründe zutrifft: a) Die
personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie
erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht
mehr notwendig. (…) c) Die betroffene Person legt gemäß
Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein
und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die
Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß
Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig
verarbeitet. (…) (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht,
soweit die Verarbeitung erforderlich ist a) zur Ausübung des
Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)
Quadratische Verpackung für
Ritter-Sport-Schokolade bleibt als Marke geschützt Karlsruhe,
23. Juli 2020 - I ZB 42/19 und I ZB 43/19
Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Anträge auf
Löschung von zwei für Tafelschokolade eingetragenen Marken in
Form quadratischer Verpackungen zurückgewiesen. Damit steht
fest, dass diese Verpackungen weiterhin als Marken geschützt
sind. Sachverhalt: Für die Markeninhaberin sind seit 1996
und 2001 zwei dreidimensionale Formmarken als
verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Tafelschokolade"
registriert. Sie zeigen in zwei verschiedenen Größen jeweils
die Vorderseite und die Rückseite einer Verpackung mit einer
quadratischen Grundfläche sowie zwei seitlichen
Verschlusslaschen und einer weiteren Verschlusslasche auf der
Rückseite. Dabei handelt es sich um die neutralisierten
Verpackungen der Tafelschokoladen "Ritter Sport" und "Ritter
Sport Minis". Bisheriger Verfahrensverlauf: Die
Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt in
zwei Verfahren jeweils die Löschung der Marken beantragt. Das
Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anträge
zurückgewiesen. Auf die Beschwerden der Markeninhaberin hat
das Bundespatentgericht die Löschung der Marken angeordnet.
Es hat angenommen, die Zeichen seien nach § 3 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie
ausschließlich aus einer Form bestünden, die durch die Art
der Ware selbst bedingt sei.
Auf die
Rechtsbeschwerden der Markeninhaberin hat der
Bundesgerichtshof diese Entscheidungen aufgehoben und die
Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Er hat
ausgeführt, das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
liege nicht vor; das Bundespatentgericht habe deshalb die von
ihm offengelassene Frage zu prüfen, ob das
Eintragungshindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bestehe.
Danach sind Zeichen, die ausschließlich aus einer
Form bestehen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht,
dem Schutz als Marke nicht zugänglich. Das
Bundespatentgericht hat angenommen, dieses Schutzhindernis
liege nicht vor, und hat die Beschwerden der Antragstellerin
zurückgewiesen. Dagegen hat nun die Antragstellerin
Rechtsbeschwerden beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen.
Die Löschungsanträge sind nicht begründet. Die eingetragenen
Marken bestehen nicht ausschließlich aus einer Form, die der
Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Das einzige
wesentliche Merkmal der als Marken eingetragenen
Warenverpackungen sind deren quadratische Grundflächen.
Diese verleihen der in den Verpackungen vertriebenen
Tafelschokolade keinen wesentlichen Wert. Maßgeblich für die
insoweit erforderliche Beurteilung sind Beurteilungskriterien
wie die Art der in Rede stehenden Warenkategorie, der
künstlerische Wert der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit
im Vergleich zu anderen auf dem jeweiligen Markt allgemein
genutzten Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber
ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer
Vermarktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen
Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht.
Das
Schutzhindernis liegt vor, wenn aus objektiven und
verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die
Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen,
in hohem Maß durch dieses Merkmal bestimmt wird. Auf der
Grundlage der vom Bundespatentgericht getroffenen
Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die
Entscheidung der Verbraucher, die in den quadratischen
Verpackungen vertriebene Tafelschokolade zu kaufen, in hohem
Maße dadurch bestimmt wird, dass diese Verpackungsform der
Schokolade einen wesentlichen Wert verleiht.
Nach den
Feststellungen des Bundespatentgerichts hat die quadratische
Form der Verpackung keinen besonderen künstlerischen Wert und
führt auch nicht zu bedeutenden Preisunterschieden gegenüber
ähnlichen Produkten. Die Markeninhaberin verfolgt zwar eine
Vermarktungsstrategie, in der sie die quadratische Form der
Verpackung mit dem bekannten Werbespruch "Quadratisch.
Praktisch. Gut." herausstellt. Dies kann zwar dazu führen,
dass die Entscheidung der Verbraucher, die Schokolade zu
erwerben, durch die quadratische Form der Verpackung bestimmt
wird, weil die Verbraucher darin einen Hinweis auf die
Herkunft der Schokolade aus einem bestimmten Unternehmen
sehen und damit bestimmte Qualitätserwartungen verbinden.
Darauf kommt es aber nicht an.
Vom Markenschutz
ausgeschlossen ist die Form einer Ware oder einer Verpackung
nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur dann, wenn sie der Ware
einen wesentlichen Wert verleiht. Dafür bestehen im Fall der
hier in Rede stehenden quadratischen
Tafelschokolade-Verpackungen keine Anhaltspunkte.
Vorinstanzen: BPatG - Beschlüsse vom 4. November 2016 - 25 W
(pat) 78/14 BGH - Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 - I ZB
105/16, BGHZ 216, 208 - Quadratische
Tafelschokoladenverpackung I und I ZB 106/16 BPatG -
Beschlüsse vom 13. Dezember 2018 - 25 W (pat) 78/14 Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3
MarkenG (in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung)
Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die
ausschließlich aus einer Form bestehen, 1. die durch die Art
der Ware selbst bedingt ist, […] 3. die der Ware einen
wesentlichen Wert verleiht.
Regelungen zur
Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig
Karlsruhe, 17. Juli 2020 - Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung
veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts § 113 des
Telekommunikationsgesetzes (TKG) und mehrere Fachgesetze des
Bundes, die die manuelle Bestandsdatenauskunft regeln, für
verfassungswidrig erklärt. Sie verletzen die
beschwerdeführenden Inhaber von Telefon- und
Internetanschlüssen in ihren Grundrechten auf informationelle
Selbstbestimmung sowie auf Wahrung des
Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG). Die
manuelle Bestandsdatenauskunft ermöglicht es
Sicherheitsbehörden, von Telekommunikationsunternehmen
Auskunft insbesondere über den Anschlussinhaber eines
Telefonanschlusses oder einer zu einem bestimmten Zeitpunkt
zugewiesenen IP-Adresse zu erlangen. Mitgeteilt werden
personenbezogene Daten der Kunden, die im Zusammenhang mit
dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen stehen
(sogenannte Bestandsdaten). Nicht mitgeteilt werden
dagegen Daten, die sich auf die Nutzung von
Telekommunikationsdiensten (sogenannte Verkehrsdaten) oder
den Inhalt von Kommunikationsvorgängen beziehen. Die
Erteilung einer Auskunft über Bestandsdaten ist grundsätzlich
verfassungsrechtlich zulässig. Der Gesetzgeber muss aber nach
dem Bild einer Doppeltür sowohl für die Übermittlung der
Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch
für den Abruf dieser Daten durch die Behörden jeweils
verhältnismäßige Rechtsgrundlagen schaffen.
Übermittlungs- und Abrufregelungen müssen die
Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, indem sie
insbesondere tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen
hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz vorsehen. Der Senat
hat klargestellt, dass die allgemeinen Befugnisse zur
Übermittlung und zum Abruf von Bestandsdaten trotz ihres
gemäßigten Eingriffsgewichts für die Gefahrenabwehr und die
Tätigkeit der Nachrichtendienste grundsätzlich einer im
Einzelfall vorliegenden konkreten Gefahr und für die
Strafverfolgung eines Anfangsverdachts bedürfen.
Findet eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen statt, muss
diese im Hinblick auf ihr erhöhtes Eingriffsgewicht darüber
hinaus auch dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern
von zumindest hervorgehobenem Gewicht dienen. Bleiben die
Eingriffsschwellen im Bereich der Gefahrenabwehr oder der
nachrichtendienstlichen Tätigkeit hinter dem Erfordernis
einer konkreten Gefahr zurück, müssen im Gegenzug erhöhte
A-forderungen an das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter
vorgesehen werden. Die genannten Voraussetzungen wurden von
den angegriffenen Vorschriften weitgehend nicht erfüllt. Im
Übrigen hat der Senat wiederholend festgestellt, dass eine
Auskunft über Zugangsdaten nur dann erteilt werden darf, wenn
die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben
sind.
Zulässigkeit einer
Berichterstattung über lange zurückliegende Fehltritte
öffentlich bekannter Personen Karlsruhe, 9. Juli
2020 - Die 2. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem
Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der
Meinungs- und Pressefreiheit stattgegeben. Sie richtet sich
gegen ein zivilgerichtliches Verbot, in einem Porträtbeitrag
über einen öffentlich bekannten Unternehmer dessen mehrere
Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch im juristischen
Staatsexamen zu thematisieren. Die Kammer greift damit die
Maßgaben der Senatsentscheidungen zum „Recht auf Vergessen“
auf und konkretisiert sie für die Konstellation aktueller
Berichterstattung über vergangene Ereignisse. Dabei hat sie
bekräftigt, dass eine wahrhafte Berichterstattung über
Umstände des sozialen und beruflichen Lebens im Ausgangspunkt
hinzunehmen ist. Zudem hat sie klargestellt, dass die
Gewährleistung einer „Chance auf Vergessenwerden“ durch das
Grundgesetz nicht dazu führt, dass die Möglichkeit der
Presse, in ihren Berichten Umstände zu erwähnen, die den
davon Betroffenen unliebsam sind, schematisch durch bloßen
Zeitablauf erlischt. Vielmehr kommt es darauf an, ob für den
Bericht als Ganzen ein hinreichendes
Berichterstattungsinteresse besteht und ob es für die
Einbeziehung des das Ansehen negativ berührenden Umstands
objektivierbare Anknüpfungspunkte gibt. Solange das der Fall
ist, ist es Aufgabe der Presse, selbst zu beurteilen, welche
Umstände und Einzelheiten sie im Zusammenhang eines Berichts
für erheblich hält und der Öffentlichkeit mitteilen will.
Dies gilt auch unter den Verbreitungsbedingungen des
Internets.
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde
gegen strafrechtliche Verurteilung wegen Weitergabe einer
unverpixelten Bildaufnahme an eine Presseredaktion
Karlsruhe, 8. Juli 2020 - Die 2. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem
Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der
Pressefreiheit stattgegeben, die sich gegen eine
strafrechtliche Verurteilung wegen unbefugten Verbreitens
eines Bildnisses richtet. Die Bildaufnahme war
anschließend ohne ausreichende Verpixelung in einer großen
Tageszeitung veröffentlicht worden. Die Kammer stellt klar,
dass es Pressefotografen und Journalisten möglich sein muss,
ohne Furcht vor Strafe unverpixeltes Bildmaterial an
Redaktionen zu liefern. Eine strafrechtliche
Verantwortlichkeit für Persönlichkeitsrechtsverletzungen
durch eine spätere Veröffentlichung besteht auch dann nicht,
wenn die Zulieferer die Veröffentlichung aktiv anstreben.
Anderes kann nur gelten, wenn im Zuge der Weitergabe Umstände
verschwiegen werden, die für die von den Redaktionen zu
verantwortende Entscheidung über eine Unkenntlichmachung
erheblich sind.
Mieter müssen sich an den
Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen
Haus & Grund fordert Klarstellung vom Gesetzgeber
Hat der Mieter eine unrenovierte Wohnung –
ohne angemessenen Ausgleich – angemietet, ist der Vermieter
während des Mietverhältnisses zur Ausführung der
Schönheitsreparaturen bei wesentlicher Verschlechterung des
Zustandes verpflichtet. Mieter müssen sich aber an den
Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen. Das
hat der Bundesgerichtshof (BGH) heute in zwei Fällen
entschieden (VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18) -
siehe untenstehendes Urteil.
Der Vermieterverband Haus & Grund
Deutschland sieht nun große Probleme bei der praktischen
Umsetzung und fürchtet wachsendes Misstrauen zwischen Mietern
und Vermietern während der laufenden Mietverhältnisse. Ein
Mieter, der eine unrenovierte Wohnung mietet, dekoriert und
renoviert diese regelmäßig nach eigenen Wünschen durch
Eigenleistung. Übernimmt jetzt der Vermieter die
Schönheitsreparaturen, müssen Mieter und Vermieter während
des laufenden Mietverhältnisses immer im Einzelfall klären,
wann und mit welchen Mitteln diese ausgeführt werden.
Eines dürfte dabei jetzt schon klar sein: Klarer und
günstiger wird es durch das heutige Urteil für beide Seiten
nicht. „Das Urteil ist mit Blick auf die Kosten des Wohnens
ein verheerendes Signal für Mieter und Vermieter“,
kommentierte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. „Ist
der Vermieter verpflichtet, während eines laufenden
Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen auszuführen, muss er
diese Kosten in die Miete einpreisen. Mieter, die nur wenige
Jahre in einer Wohnung leben, werden dadurch mit höheren
Kosten belastet, ohne selbst in den Genuss einer Renovierung
zu kommen. Darüber hinaus tragen Mieter nach einer
durchgeführten Renovierung den Selbstanteil an den
angefallenen Kosten. So kann schnell ein vierstelliger Betrag
zustande kommen“, gab Warnecke zu bedenken. Haus &
Grund Deutschland fordert daher eine Klarstellung im Gesetz.
Der Gesetzgeber ist jetzt aufgefordert, Wohnkosten durch
Eigenleistungen der Mieter zu senken. „Schönheitsreparaturen
sollen daher Mietersache sein“, fordert Warnecke.
Bundesgerichtshof zu Ansprüchen des Mieters einer
unrenoviert überlassenen Wohnung auf Durchführung von
Schönheitsreparaturen durch den Vermieter
Urteil vom 8. Juli 2020 – VIII ZR
163/18 und VIII ZR 270/18
Karlsruhe, 08. Juli 2020 -
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren
entschieden, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung
als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die
Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom
Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen
verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des
Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich
in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür
anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen,
weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer
Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten)
Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Verfahren VIII ZR 163/18: Die Kläger mieteten im Jahr 2002
von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung
unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der
Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich
verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016
vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem
beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die
auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von
(zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den
Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung hat das
Landgericht (LG Berlin, 18. Zivilkammer) ausgeführt, den
Klägern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1
BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen
Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden
sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag
unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur
Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass
sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit
von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand
weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Kläger
diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein
Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den
Vermieter von vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine
deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der
Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche die
Beklagte nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein
Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung
zwischenzeitlich "verkommen" und "Substanzschäden"
vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.
Verfahren VIII ZR 270/18: In diesem Verfahren begehrt der
Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die Verurteilung der
Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter
Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im
Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin
unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er
die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur
Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands
erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die
Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Zur Begründung
hat das Landgericht (LG Berlin, 63. Zivilkammer) ausgeführt,
dem Beklagten stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm
geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2
BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des
Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei
Vertragsschluss. Danach wäre die Klägerin (Vermieterin)
aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich
verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den
Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine
vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu
verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang. Jedoch
sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon auszugehen,
dass der schlechte Anfangszustand der vertragsgemäße sei.
Der Vermieter müsse sich an dem im Mietvertrag festgehaltenen
– jedoch unwirksamen – "Renovierungsprogramm", wonach der
Mieter von Zeit zu Zeit die Schönheitsreparaturen hätte
ausführen müssen, spiegelbildlich festhalten lassen.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen. Zwar sind die Berufungskammern in beiden
Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der
Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag
unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung
überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller
Ausgleich gezahlt wurde. Der Bundesgerichtshof
hat damit seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen
Fällen an die Stelle der unwirksamen
Schönheitsreparaturklausel die gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz
2 BGB) normierte Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl.
Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35;
vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20).
Für eine von der Vermieterseite befürwortete ergänzende
Vertragsauslegung – die ohnehin nicht zu dem - einseitig an
den Interessen des Vermieters orientierten - Ergebnis führen
könnte, dass dem Mieter die Ausführung von Arbeiten auf
eigene Kosten freistehe, der Vermieter Schönheitsreparaturen
unter keinen Umständen auszuführen habe, ist deshalb kein
Raum. Ebenso wenig kann – anders als einige Literaturstimmen
und das Berufungsgericht im Verfahren VIII ZR 270/18 meinen -
der unwirksamen Formularklausel der Inhalt beigemessen
werden, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort
vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und
deshalb treffe ihn - ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen)
unrenovierten Zustand bei Mietbeginn - eine uneingeschränkte
Renovierungspflicht.
Ausgangspunkt der den Vermieter
treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand
der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen
Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der
unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung besichtigt
und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom
Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Verfahren
VIII ZR 163/18 führt das aber nicht dazu, dass
Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem
weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein
auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den Vermieter eine
Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche
Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat - was nach
langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 bzw. 25 Jahre)
naheliegt. Allerdings ist die Wiederherstellung des
(vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht
praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und
liegt auch nicht im Interesse vernünftiger
Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung
von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch
die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten
Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus
der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt
werden und der Mieter nach Durchführung der
Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem
vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es
der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die
jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen
angemessenen Ausgleich zu bringen.
Vor diesem
Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in
derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine
"frische" Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits
in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu
beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird
dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR
270/18) die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den
Vermieter, so kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters
nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der
Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug
geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie
im Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene
Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den
voraussichtlichen Kosten.
Beide Verfahren sind an das
jeweilige Berufungsgericht zurückverwiesen worden, da noch
weitere Feststellungen zu treffen sind und den Parteien
Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags und Anpassung
ihrer Anträge zu geben ist. Die maßgeblichen Vorschriften
lauten: § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1)
¹Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem
Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu
gewähren. ²Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in
einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu
überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu
erhalten. […] § 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch
des Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne
des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein
solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter
zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der
Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter
unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.
(2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und
Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn 1.der
Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder
2. […] Vorinstanzen: VIII ZR 163/18 Amtsgericht
Charlottenburg – Urteil vom 30. November 2016– 216 C 294/16
Landgericht Berlin – Urteil vom 2. Mai 2018 – 18 S 392/16 und
VIII ZR 270/17 Amtsgericht Schöneberg – Urteil vom 11. August
2017 – 19 C 408/15 Landgericht Berlin – Urteil vom 24. Juli
2018 – 63 S 283/17
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Juni 2020 |
Cabrio: Parken mit offenem oder
geschlossenem Verdeck Wer Diebstahl leichtfertig
ermöglicht, riskiert Versicherungsschutz
Coburg/Duisburg, 30. Juni 2020 - Autofahren mit offenem
Verdeck, für viele ist es gelebte Freiheit. Knapp 2,2
Millionen Cabrios sind auf Deutschlands Straßen unterwegs
(KBA, 1.1.2019). Doch irgendwann endet jede Autofahrt und die
Parkplatzsuche beginnt. Damit der Zweisitzer nicht zur
leichten Beute für Diebe wird, rät die HUK-COBURG
Cabriofahrern darauf zu achten, wo sie parken: Knapp 3,2
Millionen Euro zahlt Deutschlands größter Autoversicherer
jedes Jahr für gestohlene Cabrios bzw. für Diebstähle aus dem
Cabrio. Letztlich entscheidet der Abstellplatz darüber,
ob das Verdeck offen bleiben kann oder geschlossen werden
sollte. Autobesitzer mit abschließbarer Einzelgarage können
das Thema Verdeck getrost vergessen, wenn sie ihren Pkw dort
parken. Mehr Vorsicht ist bei Tiefgaragen geboten, die für
viele Personen frei zugänglich sind. Hier gelten dieselben
Regeln wie auf der Straße: Wer sein Cabrio abstellt, um
schnell etwas zu besorgen, kann das Verdeck offen lassen. Wer
aber mehrere Stunden parkt, sollte das Dach schließen.
Gleiches gilt bei Fahrten in Länder, in denen besonders
häufig Autos gestohlen werden wie zum Beispiel in Italien
oder Polen. Fans offener Verdecke sollten keine Taschen,
Handys oder Ähnliches im Auto liegen lassen. Fest ein- oder
angebaute Teile wie z.B. die Bordelektronik oder
Fahrzeugassistenz- oder Infotainmentsysteme sind über die
Teilkasko-Versicherung mitversichert. Macht ein Dieb dort
lange Finger, stellt sich aber auch hier die Frage, wo und
wie lange der Wagen geparkt wurde.
Verdeck auf oder zu? Wer sich nicht sicher ist, sollte sein
Verdeck einfach schließen. Foto: HUK-COBURG
Fazit: Cabriofahrer, die ihr Verdeck schließen, können in
punkto Versicherungsschutz nie etwas falsch machen. Wer es
offen lässt und leichtfertig einen Autodiebstahl ermöglicht,
muss mit Konsequenzen rechnen. Es kann sein, dass die
Teilkasko-Versicherung den Schaden nicht in vollem Umfang
übernimmt. Es gibt auch pragmatischen Grund für ein
geschlossenes Verdeck: Nach einem Regenguss Sitze und
Teppichboden des Zweisitzers zu trocknen, macht deutlich
weniger Spaß als eine Spritztour an schönen Sommertagen.
Unwirksame Entgeltklausel für
Basiskonto bei der Deutschen Bank Urteil vom 30. Juni
2020 - XI ZR 119/19
Karlsruhe, 30. Juni 2020 - Der u.a.
für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts
enthaltenen Entgeltklauseln für ein Zahlungskonto mit
grundlegenden Funktionen (Basiskonto) im Verkehr mit
Verbrauchern unwirksam sind, wenn bei der Bemessung des
Entgelts das kontoführende Institut den mit der Führung von
Basiskonten verbundenen Mehraufwand allein auf die Inhaber
von Basiskonten umgelegt hat.
Sachverhalt und
bisheriger Prozessverlauf: Der Kläger ist der Bundesverband
der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als
qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Er
wendet sich gegen die im Preis- und Leistungsverzeichnis der
beklagten Bank ausgewiesenen Entgelte für ein Basiskonto. Die
Beklagte verwendet ein Preis- und Leistungsverzeichnis
(Stand: 1. Januar 2017), in dem unter anderem die Preise für
ein Basiskonto im Sinne der §§ 30 ff. ZKG geregelt sind. Danach
beträgt der monatliche Grundpreis für ein solches
Konto 8,99 €. Die in diesem Preis enthaltenen
Leistungen umfassen insbesondere die Nutzung von
Online-Banking, Telefon-Banking und Bankingterminals, die
Nutzung des Bank Card Service, Kontoauszüge am Bankterminal,
beleglose Überweisungen sowie die Einrichtung und Änderung
von Daueraufträgen über Online-Banking und Bankingterminal.
Für beleghafte Überweisungen, für Überweisungen und die
Einrichtung oder Änderung von Daueraufträgen über einen
Mitarbeiter der Beklagten im telefonischen Kundenservice oder
in der Filiale sowie für ausgestellte oder eingereichte
Schecks hat der Inhaber eines Basiskontos ein zusätzliches
Entgelt von jeweils 1,50 € zu entrichten. Der Kläger hält die
Entgeltklauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG für unwirksam. Die Vorinstanzen
haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidung
des Bundesgerichtshofs: Der XI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtenen
Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen und
dieser nicht standhalten. Er hat deshalb die Revision der
Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im
Wesentlichen ausgeführt: Die Entgeltklauseln sind
Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB,
weil sie von der gesetzlichen Preisregelung des § 41 Abs. 2
ZKG abweichen. Danach muss das Entgelt für die grundlegenden
Funktionen eines Basiskontovertrags angemessen sein, wobei
für die Beurteilung der Angemessenheit insbesondere die
marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu
berücksichtigen sind. Die Einhaltung dieser
gesetzgeberischen Vorgabe hat im Fall von
Entgeltvereinbarungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
und in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnisse
durch eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu
erfolgen. Die Entgeltklauseln halten der Inhaltskontrolle
nicht stand und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Nr. 1 BGB unwirksam. Prüfungsmaßstab für die
Inhaltskontrolle ist § 41 Abs. 2 ZKG. Nach dessen Satz 1 muss
das Entgelt für die von § 38 ZKG erfassten Dienste, d.h. die
grundlegenden Funktionen eines Zahlungskontos, nämlich das
Ein- und Auszahlungsgeschäft sowie das Lastschrift-,
Überweisungs- und Zahlungskartengeschäft, angemessen sein.
Für die Beurteilung der
Angemessenheit sind nach § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG
insbesondere die marktüblichen Entgelte und das
Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Diese Bewertungsparameter
sind jedoch - was sich bereits aus dem Wortlaut
("insbesondere") ergibt - nicht abschließend. Bei der Prüfung
der Angemessenheit eines Entgelts für ein Basiskonto ist auch
in den Blick zu nehmen, dass die Vorschriften über das
Basiskonto allen, d.h. insbesondere auch einkommensarmen
Verbrauchern den Zugang zu einem Zahlungskonto mit
grundlegenden Funktionen und damit die Teilhabe am
Zahlungsverkehr ermöglichen sollen und der zur Verwirklichung
dieses Ziels in § 31 Abs. 1 ZKG geregelte Kontrahierungszwang
nicht durch zu hohe, prohibitiv wirkende Entgelte unterlaufen
werden darf. Das Entgelt für ein Basiskonto ist
jedenfalls dann nicht angemessen im Sinne des § 41 Abs. 2
ZKG, wenn in dem verlangten Entgelt Kostenbestandteile
enthalten sind, die entweder gar nicht oder jedenfalls nicht
nur auf die Nutzer der Basiskonten umgelegt werden dürfen.
Diese Vorschrift schließt es nach ihrem Sinn und Zweck
insbesondere allgemein aus, den mit der Führung von
Basiskonten verbundenen Zusatzaufwand oder die mit der
Ablehnung eines Antrags auf Abschluss eines Basiskontos
verbundenen Kosten allein auf die Inhaber von Basiskonten
umzulegen. Vielmehr müssen diese Kosten von den
Instituten durch die im freien Wettbewerb erzielbaren
Leistungspreise erwirtschaftet werden. Dagegen hat
die Beklagte verstoßen, indem sie nach den von ihr
vorgelegten Kostenkalkulationen für das Basiskonto und die
übrigen Girokonten den mit der Führung der Basiskonten
verbundenen Mehraufwand ausschließlich auf die
Basiskonten umgelegt hat.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. Mai 2018 - 2-28 O 98/17
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 27. Februar 2019 - 19 U
104/18 (WM 2019, 2197) Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 307 Abs. 1 und 2 BGB: (1) Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine
unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2)
Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen,
wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu
vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die
sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass
die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 38 Abs. 1
und 2 ZKG (1) Durch einen Basiskontovertrag wird das
kontoführende Institut verpflichtet, für den Kontoinhaber ein
Basiskonto in Euro zu eröffnen und zu führen. (2) Die
Kontoführung nach Absatz 1 muss die Erbringung folgender
Zahlungsdienste ohne Kreditgeschäft (Zahlungsgeschäft)
ermöglichen: die Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf das
Zahlungskonto oder Barauszahlungen von dem Zahlungskonto
ermöglicht werden (Ein- oder Auszahlungsgeschäft), sowie alle
für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge
und die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der
Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim
kontoführenden Institut des Kontoinhabers oder bei einem
anderen Zahlungsdienstleister durch a) die
Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger
Lastschriften (Lastschriftgeschäft), b) die
Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen
(Überweisungsgeschäft), c) die Ausführung von
Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines
ähnlichen Zahlungsinstruments (Zahlungskartengeschäft). § 41
Abs. 1 und 2 ZKG (1)
Der Kontoinhaber ist
verpflichtet, an das kontoführende Institut für die
Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrags das
vereinbarte Entgelt zu entrichten. (2) Das Entgelt für die
von § 38 erfassten Dienste muss angemessen sein. Für die
Beurteilung der Angemessenheit sind insbesondere die
marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu
berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten für Vereinbarungen
über vom Kontoinhaber zu erstattende Kosten entsprechend.
Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG
durch polizeiliches Betreten von Abgeordnetenbüros
30. Juni 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat
entschieden, dass der Präsident des Deutschen Bundestages
einen Abgeordneten in seinem Recht aus Artikel 38 Absatz 1
Satz 2 des Grundgesetzes dadurch verletzt hat, dass die
Polizei beim Deutschen Bundestag seine Abgeordnetenräume
betreten hat. Anlässlich eines Staatsbesuchs des
türkischen Staatspräsidenten hatten die Beamten dort
angebrachte Plakatierungen mit Zeichen der kurdischen
Volksverteidigungseinheiten YPG entfernt. Zur Begründung der
Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass das Handeln der
Polizei beim Deutschen Bundestag einen Eingriff in den
verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus
darstellt. Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil
das Vorgehen jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren
Sinne war. Im konkreten Fall waren die Anhaltspunkte für eine
Gefahrenlage nur schwach ausgeprägt. Zudem war nicht
ersichtlich, dass die Plakatierungen überhaupt von Passanten
wahrgenommen worden oder zum Anlass von Angriffen auf das
Parlamentsgebäude oder die Mitarbeiter genommen worden wären.
Anspruch auf Lärmschutz bei
Auswechslung des Teppichbodens durch Fliesen Urteil vom
26. Juni 2020 - V ZR 173/19
Karlsruhe, 26. Juni 2020 -
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass
ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer,
der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat
(Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der
schall-schutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN
4109 auch dann verlangen kann, wenn die Trittschalldämmung
des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen
Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen
Mindestanforderungen entspräche.
Sachverhalt: Die
Parteien sind Mitglieder einer
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers
befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten
Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden
Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit
Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den
Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht
geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren
Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von
der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag
gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der
Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den
schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder
Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung
gleichwertigen Bodenbelag mit einem
Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen,
hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen
Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Amtsgericht hat der
Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das
Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden
Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten
zurückgewiesen. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den
Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes
bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder
Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem
Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der
Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu
machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer
über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche
Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
Ein solcher
Nachteil ist dem Kläger infolge des Austauschs des
Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten entstanden. Der im
Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende
Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109,
wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt
und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich
und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt
grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des
Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall
ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen
Mindestanforderungen entspräche. Zwar muss der
Schallschutz in erster Linie durch die im
Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet
werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der
Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass
das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile
bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das
Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und
jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf.
Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer
nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei
der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch
die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen
Mindestanforderungen eingehalten werden. Anders kann es sein,
wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des
Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare
Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren
Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen
an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die
Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die
Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere
Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG
i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der
Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen. So ist es
hier.
Der Trittschallpegel überschreitet die
maßgeblichen Grenzwerte der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989
von 53 dB um 14 dB. Mit dem Fliesenbelag beträgt der
Trittschallpegel 66 bis 67 dB. Dem Beklagten ist die
Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall auch
zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen
erreichen, nämlich durch die Verlegung eines Teppichbodens
oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die
bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm
überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des
Gemeinschaftseigentums aufwändiger und mit weitaus höheren
Kosten verbunden.
Vorinstanzen: AG Mönchengladbach –
Urteil vom 28. November 2018 – 36 C 438/17 LG Düsseldorf –
Urteil vom 27. Juni 2019 – 19 S 152/18 Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: § 14 WEG Pflichten des
Wohnungseigentümers Jeder Wohnungseigentümer ist
verpflichtet: 1. die im Sondereigentum stehenden
Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von
dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch
zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer
über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche
Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (…) § 15 WEG
Gebrauchsregelung (…) (3) Jeder Wohnungseigentümer kann
einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile
und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem
Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich
die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der
Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen
entspricht. § 1004 BGB Beseitigungs- und
Unterlassungsanspruch (1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise
als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes
beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die
Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere
Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf
Unterlassung klagen.
Bundesgerichtshof bestätigt
vorläufig den Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung durch Facebook KVR 69/19 -
Beschluss vom 23. Juni 2020
Karlsruhe, 23.
Juni 2020 - Facebook verwendet
Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung
von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der
Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst
werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook untersagt, solche
Daten ohne weitere Einwilligung der privaten Nutzer zu
verarbeiten. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat
heute entschieden, dass dieses Verbot vom Bundeskartellamt
durchgesetzt werden darf.
Sachverhalt: Die in Irland
ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook)
betreibt in Europa das soziale Netzwerk Facebook, mit dem
privaten Nutzern eine Kommunikationsplattform im Internet zur
Verfügung gestellt wird. Weitere Tochtergesellschaften des
Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie
insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an.
Private Nutzer zahlen kein Entgelt für die Nutzung des
sozialen Netzwerks. Ihre Teilnahme am Netzwerk setzt aber
voraus, dass sie bei der Registrierung den
Facebook-Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese sehen vor, dass
Facebook jedem Nutzer ein personalisiertes Erlebnis
bereitstellt.
Dafür werden personenbezogene Daten des
Nutzers verwendet, die Facebook aus der Nutzung anderer
konzerneigener Dienste wie Instagram sowie aus sonstigen
Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com
zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine
Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung
personenbezogener Daten näher erläutert wird. Das Netzwerk
wird durch Online-Werbung finanziert. Hierzu kann zum
einen Werbung auf Facebook-Seiten platziert werden. Mit
verschiedenen von Facebook bereitgestellten
Programmierschnittstellen ("Facebook Business Tools") können
Unternehmen zum anderen eigene Internetseiten oder
Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit
Facebook-Seiten verbinden. So können Facebook-Nutzer über
Plugins ihr Interesse an diesen Seiten oder bestimmten
Inhalten bekunden ("Gefällt-mir-Button" oder "Teilen-Button")
oder Kommentare abgeben und sich über ein "Facebook-Login"
auf Interseiten Dritter mit ihren bei Facebook registrierten
Nutzerdaten einwählen.
Über von Facebook angebotene
Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg
der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert
werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten
Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über
entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf
von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden
muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von
"Facebook Analytics" erhalten Unternehmen aggregierte Daten
darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte,
Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen
angebotenen Diensten interagieren.
Bisheriger Verfahrensverlauf: Das
Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der
Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19
Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich
auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der
Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es
missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den
Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die
private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig
mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von
facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene
Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus
der Facebook-Nutzung selbst entstehen.
Mit
Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt
Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt,
entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und
personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.
Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte
Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von
Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung
der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur
Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht
vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden
ist.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf
aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Beschwerde abgelehnt. Es bestehen weder
ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von
Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch
daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit
den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen
missbräuchlich ausnutzt. Maßgeblich hierfür ist nicht die vom
Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund
gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von
personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren
Nutzung des Internets außerhalb von facebook.com und
unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den
Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang
steht.
Entscheidend ist vielmehr, dass
Nutzungsbedingungen missbräuchlich sind, die den privaten
Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen, - ob
sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des
Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem
potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch
ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden
ist, oder - ob sie sich nur mit einer Personalisierung
einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die
sie auf facebook.com selbst preisgeben. Das
Missbrauchsurteil – das nach gefestigter
Rechtsprechung sowohl die Feststellung nachteiliger Wirkungen
auf den betroffenen Märkten voraussetzt als auch eine
Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an
der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des
GWB orientiert – beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden
Überlegungen: Facebook ist als Betreiber eines sozialen
Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es bietet zum einen
privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der
Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur
Kommunikation an. Es ermöglicht zum anderen Unternehmen
Werbung im Netzwerk und finanziert damit auch die
Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein
(monetäres) Entgelt zahlen. Indem Facebook seinen Nutzern
personalisierte Erlebnisse und damit über die bloße
Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte
bereitzustellen verspricht, ergeben sich allerdings fließende
Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber
den Nutzern und der Refinanzierung der
Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der
Online-Werbung. Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber
trägt Facebook eine besondere Verantwortung für die
Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem
Markt sozialer Netzwerke. Dabei ist auch die hohe
Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus
ökonomischer Perspektive zukommt. Die fehlende
Wahlmöglichkeit der Facebook-Nutzer beeinträchtigt nicht nur
ihre persönliche Autonomie und die Wahrung ihres – auch durch
die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen
Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen
("Lock-in-Effekte"), stellt sie vielmehr auch eine
kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil
der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von
Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben
kann.
Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts
wünschen erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen
geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei
funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke
wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten
Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein
wesentliches Entscheidungskriterium wäre. Die so
ausgestalteten Nutzungsbedingungen sind auch geeignet, den
Wettbewerb zu behindern. Zwar ist die Marktstellung von
Facebook in erster Linie durch direkte Netzwerkeeffekte
geprägt, da der Nutzen des Netzwerks für die privaten Nutzer
wie für die werbetreibenden Unternehmen mit der Gesamtzahl
der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt.
Die
Marktposition von Facebook kann auch nur dann erfolgreich
angegriffen werden, wenn es einem Konkurrenten gelingt, in
überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität des Netzes
ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Jedoch handelt es
sich bei dem Zugang zu Daten nicht nur auf dem Werbemarkt um
einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem
Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer
erheblich größeren Datenbasis verstärkt die ohnehin schon
ausgeprägten "Lock-in-Effekte" weiter. Außerdem
verbessert diese größere Datenbasis die Möglichkeiten der
Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus
Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur
Verfügung stehenden Daten abhängen. Wegen der negativen
Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich
schließlich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für
Online-Werbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung
des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner
Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für
Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf
diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt.
Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten
Markt eintreten, sondern kann auch auf einem nicht
beherrschten Drittmarkt eintreten. Vorinstanz: OLG Düsseldorf
- Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V), WRP 2019,
1333 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: Relevante
Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB): § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden
Unternehmen (1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere
Unternehmen ist verboten. … § 65 Anordnung der sofortigen
Vollziehung … (3) 1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise
wiederherstellen, wenn 1.die Voraussetzungen für die
Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht
mehr vorliegen oder 2.ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder
3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur
Folge hätte. 2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine
aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die
Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die
Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das
Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung
ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des
Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.
Einstellung des
Loveparade-Prozesess: Existentielle Probleme für viele
Nebenkläge Verein Lopa 2010 e.V.:
Offener Brief an Oberbürgermeister Sören Link
Duisburg, 2. Juni 2020 - Die Einstellung des
Loveparade-Prozesses am 24.04.2020 hat nicht nur eine neue
Sichtweise der Vorkommnisse gebracht, sondern bringt
zusätzlich existentielle Probleme für viele Nebenkläger mit.
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor Monaten darauf
hingewiesen, dass viele Nebenkläger vor dem finanziellen Ruin
stehen werden.
Der Verein Lopa 2010 e.V. setzt sich
seit 2011 für die Interessen der Verletzten ein. Da uns
bewusst war, dass nach den anfänglichen Unterstützungen durch
Stadt, Land und Veranstalter keine weiteren Stützen zu
erwarten waren, haben wir von Beginn an eine Stiftung als
beste Lösung bevorzugt. Diese wurde nach jahrelangem
Belächeln 2016 gegründet. Wir vermittelten der Stiftung
unzählige Adressen Betroffener und organisierten die
Jahrestage in den ersten Jahren nach dem Unglück der
Loveparade 2010. Leider mussten wir sehr schnell erkennen,
dass die Stiftung kein Interesse suggerierte um für Spenden
zu werben, um die finanziellen Belastungen der Betroffenen,
entstanden durch den Strafprozess, Therapien und mehr,
abzufedern. Ihre Aktivitäten für uns Betroffene des
Loveparade-Unglücks hat sie bis heute nicht nachgewiesen.
Geschäftsberichte und auch Tätigkeitsnachweise fehlen bis
dato ebenfalls. Eingegangene Spendengelder kamen an und
wurden durch Herrn Widera an die evangelische
Notfallseelsorge abgeführt. Aus diesen genannten Gründen
haben wir die Stiftung verlassen, denn sie war und ist bis
zum heutigen Tage nur eine partei-politische Organisation
unter der Schirmherrschaft einer kirchlichen Organisation.
Nun ist es an der Zeit, kurz vor dem zehnten Jahrestag
des Unglücks, dass der Duisburger Oberbürgermeister, Sören
Link, seine zugesagten Hilfen an die Betroffenen endlich in
die Tat umsetzt und seine Versprechen einlöst. Es muss
Gespräche geben und den Betroffenen geholfen werden! Sein
Versprechen einer lückenlosen Aufklärung wird wohl niemals
eingelöst. Deshalb fordern wir, die Betroffenen der
Loveparade 2010, dass Herr Link sich umso mehr dafür
einsetzt, sein zweites Versprechen an uns einzuhalten:
Finanzielle Hilfen.
Offener Brief an
Oberbürgermeister Sören Link
Duisburg, 18.05.2020
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
Link,
wir wenden uns abermals mit der
Bitte um Hilfe an Sie. Es ist viel Zeit vergangen seit der
letzten Zusammenkunft. Leider konnten wir keine persönliche
Kontaktaufnahme in den letzten 3-4 Jahren mit Ihnen
organisieren. Im Jahre 2012 versprachen sie uns eine
lückenlose Aufklärung. Sie ist wohl zum jetzigen Zeitpunkt
nicht mehr möglich.
Unsere Probleme sind aber bis heute
nicht gelöst! Und sind auch mit der Stiftung nicht lösbar.
Deshalb bitten wir Sie um einen persönlichen Termin um eine
gemeinsame Lösung zu finden.
Der Vorstand sowie Betroffene haben
sich Ende des letzten Jahres mit Frau Bärbel Bas MdB
zusammengesetzt und sie um Hilfe gebeten. Leider sind bei
diesen Gesprächen Versprechungen gemacht worden, die
wiedermal nicht eingehalten wurden.
Da jetzt das Gerichtsverfahren
eingestellt wurde, und die Nebenkläger (Betroffene) hohe
Kosten haben werden wie ZB: Gerichtskosten und Anwaltskosten.
Bitten wir Sie sich mit uns zusammen zu setzen um einen
gemeinsamen Lösungsweg zu finden.
Es kann nicht sein, dass die
Geschädigten der Loveparade Katastrophe nochmals bestraft
werden.
Die Spenden von Vereinen und Gruppen
über die evangelische Notfallseelsorge sind von ihr
angenommen worden. Weder die Betroffenen noch die Angehörigen
haben je etwas davon gesehen.
Wir bitten Sie heute
noch einmal:
Helfen Sie uns und halten
Sie Ihr Versprechen.
Mit freundlichen Grüßen
|
Mai 2020 II |
Unfall oder Diebstahl: Wie sind Pedelecs versichert
Coburg/Duisburg, 27. Mai 2020 - Oft ist
Homeoffice ein anderes Wort für Dauersitzen. Bewegung steht
hoch im Kurs und Radfahren erlebt gerade einen Boom. Denn wer
allein auf seinem Rad sitzt, kann sich nicht anstecken. Und
noch etwas spricht dafür: Beim Radfahren lässt sich die
Bewegung prima in den Alltag integrieren. Denn Corona hin
oder her, zumindest Einkaufen muss sein. Auch etwas weniger
Trainierte müssen auf das Rad nicht verzichten. Sie können
auf ein Pedelec umsteigen.
Wer nicht allein mit
Muskelkraft fährt, sollte im Hinterkopf haben, dass es
anderen Verkehrsteilnehmern schwerfällt, ein normales Rad von
der motorunterstützten Variante zu unterscheiden. Doch wenn
Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt werden, kann ein Unfall
schnell passieren, dann ist der richtige Versicherungsschutz
wichtig. Welche Variante die richtige ist, hängt von der
Geschwindigkeit des jeweiligen Modells ab. Bei einem Großteil
der Pedelecs handelt es sich um Räder, die eine elektrische
Tretunterstützung bis 25 Stundenkilometer liefern. Wie
die HUK-COBURG mitteilt, sind diese Pedelecs den Fahrrädern
gleichgestellt. Sie lassen sich ohne Zulassung, Führerschein
und Versicherungskenn-zeichen fahren. Das Unfallrisiko ist
oft – auch bei der HUK-COBURG – in einer bestehenden
Privathaftpflicht-Versicherung kostenlos miteingeschlossen.
Ein Blick in die Bedingungen oder ein Gespräch mit dem
Versicherer klärt, ob die kostenfreie Mitversicherung
wirklich besteht.
Andere Spielregeln gelten für
Fahrer der schnellen S-Pedelecs, deren Motorunterstützung
erst bei 45 Kilometern pro Stunde endet. Wer sich auf den
Sattel eines S-Pedelecs setzt, muss mindestens 16 Jahre alt
sein, einen Führerschein der Klasse AM und eine
Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen. Das dafür notwendige
Versicherungskennzeichen gibt es direkt bei der
Kfz-Versicherung. Diebstahl nicht ausgeschlossen Genau wie
ihre mit Muskelkraft betriebenen Pendants, die Fahrräder,
werden auch S-Pedelecs gerne gestohlen. Um dagegen versichert
zu sein, brauchen die Fahrer neben der
Kfz-Haftpflichtversicherung noch eine Teilkasko-Versicherung.
Doch auch für Fahrer der langsameren Varianten ist
Diebstahlschutz ein Thema: Verschwinden solche Pedelecs nach
einem Einbruch aus dem verschlossenen Keller oder der
verschlossenen Einzelgarage, ist das in der
Hausratversicherung kostenlos mitversichert. Anders sieht es
beim einfachen Diebstahl aus: Wenn also ein abgeschlossenes
Pedelec von der Straße weggestohlen wird. Hier kann in der
Regel nur der auf seinen Hausratversicherer zählen, der den
Zusatzbaustein Fahrraddiebstahl in seinen Vertrag
miteingeschlossen hat. Bis zu welcher Summe die
Versicherung im Schadenfall leistet, hat jeder selbst in der
Hand. Dieser Schutz greift im Allgemeinen nicht nur 24
Stunden am Tag, sondern im Rahmen der Außenversicherung auch
weltweit und er bezieht alle, fest mit dem Fahrrad
verbundenen Teile, wie beispielsweise Sattel oder Räder, mit
ein. Allerdings können solche Regelungen von Versicherer zu
Versicherer variieren. An dieser Stelle bringt ein Gespräch
mit dem eigenen Hausratversicherer Sicherheit.
BGH-Urteil: Schadensersatzklage im sogenannten
"Dieselfall" gegen die VW AG überwiegend erfolgreich
Karlsruhe, 25. Mai 2020 - Der unter anderem für das Recht der
unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat heute
entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen
Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs
Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Er kann Erstattung
des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises verlangen, muss
sich aber den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen und
VW das Fahrzeug zur Verfügung stellen.
Sachverhalt:
Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von
31.490,- € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen
VW Sharan 2.0 TDl match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor
des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die
Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Der Kilometerstand
bei Erwerb betrug 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die
Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der
Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die im Zusammenhang mit
dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf
einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)
unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den
Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten
Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit
niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb
außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den
Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate
geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die
Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5
maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die
Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im
Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Im September
2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer
entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015
erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des
Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen
Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug
des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer
unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten
auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen
Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten.
Die Beklagte
gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015 bekannt,
Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus
allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit
2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Nach der
Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in
einem adaptierten Modus 1 betrieben werden. Der Kläger hat
das Software-Update im Februar 2017 durchführen lassen. Mit
seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen die Zahlung
des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises in Höhe von 31.490
€ nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des
Fahrzeugs. Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Oberlandesgericht unter Zulassung der Revision die
Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Beklagte
nebst Nebenpunkten in der Hauptsache verurteilt, an den
Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und
Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Wegen des weitergehenden
Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Entscheidung
des Senats: Die zugelassene Revision der Beklagten, mit der
sie die Klageabweisung erstrebt hat, blieb ganz überwiegend
ohne Erfolg; sie war nur in Bezug auf Nebenpunkte geringfügig
erfolgreich.
Die Revision des Klägers, mit der er die
vollständige Erstattung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer
Nutzungsentschädigung erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger
Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB haftet. Das
Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger ist objektiv
als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte hat
auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen
grundlegenden strategischen Entscheidung bei der
Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch
Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA
systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der
Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland
Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware
bewusst und gewollt so programmiert war, dass die
gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen
Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden.
Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt
mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei
einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine
Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der
betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten
ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten
Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung
erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden
Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines
Gebrauchtfahrzeugs handelt. Das Berufungsgericht hat vor dem
Hintergrund des nicht ausreichenden Vortrags der Beklagten zu
den in ihrem Konzern erfolgten Vorgängen in nicht zu
beanstandender Weise angenommen, dass die grundlegende
strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und
Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der
Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen
Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der
Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen
vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit
ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang
umgesetzt worden ist. Zu Recht hat es dieses Verhalten der
Beklagten zugerechnet (§ 31 BGB).
Der Kläger ist
veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung
gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten
eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Darin
liegt sein Schaden, weil er ein Fahrzeug erhalten hat, das
für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Er kann daher von
der Beklagten Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des
Fahrzeugs verlangen. Dabei muss er sich aber die
Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer
anrechnen lassen, weil er im Hinblick auf das
schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht
bessergestellt werden darf, als er ohne den ungewollten
Vertragsschluss stünde.
Die maßgeblichen Vorschriften
lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in
einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen
vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des
Schadens verpflichtet. § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB): Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der
Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer
verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung
der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum
Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Vorinstanzen: Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 5.
Oktober 2018 – 2 O 250/17
Bundesgerichtshof zum Schadensersatzanspruch eines
Fußballvereins nach Zwangsabstieg
Karlsruhe,
20. Mai 2020 - Der u.a. für das Vereinsrecht zuständige II.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über den Anspruch eines
Fußballvereins auf Wiederzulassung zur Teilnahme am
Spielbetrieb in der Regionalliga nach einem zu Unrecht
angeordneten Zwangsabstieg entschieden. Sachverhalt: Der
Beklagte führt als regionaler Fußballverband den Spielbetrieb
der bei ihm eingerichteten Ligen und Wettbewerbe, u.a. die
Regionalliga Nord in der vierthöchsten Spielklasse, durch.
Der Kläger ist ein Sportverein, der während der Zeit, in
der seine Mannschaft in der Regionalliga Nord spielte,
Mitglied des Beklagten war. Derzeit spielt die Mannschaft des
Klägers in der siebthöchsten Spielklasse. Im Dezember 2013
beschloss das Präsidium des Beklagten den Zwangsabstieg des
Klägers aus der Regionalliga Nord zum Ende der Spielzeit
2013/2014. Der Bundesgerichtshof hat den
Zwangsabstiegsbeschluss mit Urteil vom 20. September 2016 für
nichtig erklärt (II ZR 25/15, BGHZ 212, 70, siehe auch
Pressemitteilung Nr. 163/2016). Der Kläger begehrt nunmehr
von dem Beklagten Schadensersatz in Form der Zulassung seiner
Mannschaft zum Spielbetrieb der Regionalliga Nord zur
nächsten Spielzeit.
Bisheriger Prozessverlauf: Die
Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seinen Antrag auf Zulassung zum Spielbetrieb weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof
hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger steht wegen des
rechtswidrigen Eingriffs in sein Mitgliedschaftsrecht durch
den Zwangsabstieg zwar nach § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf
Schadensersatz in Form der sogenannten Naturalrestitution zu.
Er kann die Herstellung des Zustands verlangen, der bestünde,
wenn er nicht zwangsabgestiegen wäre. Nach diesem
Grundsatz kann er aber keine Zulassung zur Teilnahme am
Spielbetrieb in der nunmehr anstehenden nächsten Spielzeit
verlangen. Ihm steht lediglich ein Anspruch darauf zu, so
gestellt zu werden, wie er heute stünde, wenn er in der
Spielzeit 2014/2015 noch am Spielbetrieb in der Regionalliga
Nord teilgenommen hätte. Nach dem insoweit maßgeblichen
Regelwerk des Beklagten, d.h. seinem Statut sowie seiner
Spielordnung nebst Anhängen, bezieht sich der mit der
Mitgliedschaft im Beklagten verbundene Anspruch auf Teilnahme
am Zulassungsverfahren für den Spielbetrieb der von der
Beklagten veranstalteten Liga nur auf die jeweils
anschließende nächste Spielzeit. Der Kläger kann daher
nur dann seine Zulassung zum Spielbetrieb der Regionalliga
Nord in der nächsten anstehenden Spielzeit verlangen, wenn
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden
könnte, dass er bei einer Teilnahme in der Spielzeit
2014/2015 auch heute noch in der Regionalliga Nord spielen
würde. Dies hat der Kläger nicht nachgewiesen, wie das
Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Insoweit greift
weder ein Anscheinsbeweis zu Gunsten des Klägers, dass er
nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund eines typischen
Geschehensablaufs über die Spielzeit 2014/2015 hinaus bis
heute in der Regionalliga Nord verblieben wäre, noch liegen
die Voraussetzungen einer anderen Beweiserleichterung vor. Da
die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht
gegeben waren, wurde die Revision gem. § 552a ZPO durch
Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.
Vorinstanzen: LG Bremen - Urteil vom 25. April 2018 - 9 O
664/17 OLG Bremen - Urteil vom 30. November 2018 - 2 U 44/18
Maßgebliche Normen: § 249 BGB [Art und Umfang des
Schadensersatzes] Abs. 1 "Wer zum Schadensersatz verpflichtet
ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn
der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten
wäre."
Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem
BND-Gesetz verstößt in derzeitiger Form gegen Grundrechte des
Grundgesetzes
Karlsruhe/Duisburg, 19. Mai 2020 - Mit
heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Überwachung
der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den
Bundesnachrichtendienst an die Grundrechte des Grundgesetzes
gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der
Ermächtigungsgrundlagen gegen das grundrechtliche
Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und die
Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt. Dies
betrifft sowohl die Erhebung und Verarbeitung der Daten als
auch die Übermittlung der hierdurch gewonnenen Daten an
andere Stellen wie ebenfalls die Kooperation mit anderen
ausländischen Nachrichtendiensten. Eine verfassungsmäßige
Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der
Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (auch:
„Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung“) ist jedoch
möglich.
Nach der Entscheidung ist die Bindung der
deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3
GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. Jedenfalls
der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
als Abwehrrechte gegenüber einer
Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf
Ausländer im Ausland. Das gilt unabhängig davon, ob die
Überwachung vom Inland oder vom Ausland aus erfolgt. Da der
Gesetzgeber demgegenüber von der Unanwendbarkeit der
Grundrechte ausgegangen ist, hat er den hieraus folgenden
Anforderungen weder in formeller noch in inhaltlicher
Hinsicht Rechnung getragen.
Weder ist er hinsichtlich
Art. 10 Abs. 1 GG dem Zitiergebot nachgekommen noch genügen
die Vorschriften zentralen Anforderungen der Grundrechte in
inhaltlicher Hinsicht. Insbesondere ist die Überwachung nicht
auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese
kontrollfähig strukturiert; auch fehlt es an verschiedenen
Schutzvorkehrungen, etwa zum Schutz von Journalisten oder
Rechtsanwälten. Hinsichtlich der Datenübermittlung fehlt
es neben anderem an der Gewährleistung eines hinreichend
gewichtigen Rechtsgüterschutzes und ausreichender
Eingriffsschwellen. Entsprechend enthalten die Vorschriften
zu den Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten
keine hinreichenden Begrenzungen und Schutzvorkehrungen.
Hinsichtlich all dieser Befugnisse fehlt es zudem an einer
ausgebauten unabhängigen objektivrechtlichen Kontrolle. Eine
solche Kontrolle muss als kontinuierliche Rechtskontrolle
ausgestaltet sein und einen umfassenden Kontrollzugriff
ermöglichen.
Bei verhältnismäßiger Ausgestaltung ist
das Instrument der strategischen
Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung demgegenüber
mit den Grundrechten des Grundgesetzes im Grundsatz
vereinbar. Die beanstandeten Vorschriften gelten daher bis
zum Jahresende 2021 fort, um dem Gesetzgeber eine Neuregelung
unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu
ermöglichen.
Eilantrag gegen Regelungen des
Infektionsschutzgesetzes zum Nachweis einer
Masernschutzimpfung abgelehnt Karlsruhe 18. Mai
2020 - Mit am heutigen Tag veröffentlichtem Beschluss hat die
1. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts Anträge auf vorläufige
Außerkraftsetzung mehrerer, den Nachweis einer
Masernschutzimpfung betreffende Regelungen des
Infektionsschutzgesetzes (IfSG) abgelehnt. Nach den
angegriffenen Vorschriften des IfSG darf eine Betreuung von
Kindern in einer Kindertagesstätte oder bestimmten Formen der
Kindestagespflege lediglich bei Nachweis entweder eines
ausreichenden Impfschutzes oder einer Immunität gegen Masern
erfolgen. Mit ihren Anträgen auf einstweilige Anordnung
wollen die Beschwerdeführer erreichen, dass eine
entsprechende Betreuung bis zur Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerden auch ohne den entsprechenden Nachweis
erfolgen darf. Sollen wie hier gesetzliche Bestimmungen außer
Kraft gesetzt werden, gilt allerdings ein strenger Maßstab.
Da die zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden nicht
vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet
erscheinen, hatte die Kammer über die Anträge auf
einstweilige Anordnung im Rahmen einer Folgenabwägung
aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden. Danach muss das
Interesse, Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer
Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, gegenüber dem
Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib
oder Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten.
Unzulässige Verfassungsbeschwerden gegen Lockerungen
und gegen Verlängerungen der Eindämmungsmaßnahmen zur
Covid-19 Pandemie Karlsruhe, 14. Mai 2020 - Die
1. und die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts haben mit heute veröffentlichten
Beschlüssen zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur
Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde des
demnächst 65-jährigen Beschwerdeführers im Verfahren vor der
3. Kammer zielte darauf, Bund und Länder zu verpflichten,
Lockerungen staatlicher „Corona-Maßnahmen“ zurückzunehmen.
Die Verfassungsbeschwerde eines jüngeren Mannes im Verfahren
vor der 1. Kammer zielte umgekehrt darauf, Einschränkungen
durch die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für
unter 60 Jahre alte Menschen weiter zu lockern.
Beschlüsse der EZB zum
Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig
Bundesverfassungsgericht/Karlsruhe,
5. Mai 2020 - Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite
Senat mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das
Staatsanleihekaufprogramm (Public Sector Purchase Programme –
PSPP) stattgegeben. Danach haben Bundesregierung und
Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus
Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, indem
sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die
Europäische Zentralbank (EZB) in den für die Einführung und
Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft
noch dargelegt hat, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen
verhältnismäßig sind.
Dem steht das Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Dezember
2018 nicht entgegen, da es im Hinblick auf die Kontrolle der
Verhältnismäßigkeit der zur Durchführung des PSPP erlassenen
Beschlüsse schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und
damit ebenfalls ultra vires ergangen ist. Einen Verstoß
gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung konnte
der Senat dagegen nicht feststellen. Aktuelle finanzielle
Hilfsmaßnahmen der Europäischen Union oder der EZB im
Zusammenhang mit der gegenwärtigen Corona-Krise sind nicht
Gegenstand der Entscheidung.
Anmerkung: Der Bundesbank
wurde untersagt an der EZB-Aufkaufprogramm-Aktion
mitzuwirken. Der EZB-Rat muss in einem neuen Beschluss
nachvollziehbar darlegen, dass das Programm verhältnismäßig
ist. Das alles steht nicht in einem Zusammenhang mit der
Pandemie. Also lautet die Frage: Wann lassen weltweit die
jeweiligen Notenbanken wieder Zinsen zu und stoppen die
Geldschwemme? In der Pandemie-Zeit wohl eher nicht.
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Loveparade -
Mai 2020 |
Loveparade
2010 -2020
Loveparade-Strafverfahren eingestellt -
Landgericht Duisburg erläutert über die
Ursachen der Katastrophe in einem Gerichtstermin
Duisburg, 04. Mai 2020 - Die 6. Große Strafkammer des
Landgerichts Duisburg hat das Verfahren gegen die drei
verbliebenen Angeklagten im LoveparadeStrafverfahren mit
Zustimmung der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
eingestellt. Mit diesem Beschluss endet das Strafverfahren.
Das Gericht hat den Verfahrensbeteiligten, insbesondere den
Nebenklägern, die im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse über
die Gründe für das Unglück in einem Termin erläutert. In
der Regel werden Einstellungsbeschlüsse nicht begründet. Den
Richtern war es aber ein besonderes Anliegen, gerade für die
Verletzten und Hinterbliebenen Aufklärungsarbeit zu leisten,
die über die den Strafprozess bestimmende Frage nach der
Schuld der Angeklagten hinausweist. Deshalb haben sie
detailliert geschildert, was sich nach ihren Erkenntnissen
von den Anfängen der Planung bis zum Ende des Unglückstages
zugetragen haben könnte. Dabei stützen sich die Richter auf
die Beweisaufnahme und den Inhalt der Akten.
Namentlich haben sie das schriftliche Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach vollumfänglich
berücksichtigt. Als wesentliche zusammenwirkende Ursachen für
die Katastrophe haben sie benannt: - Einen
Veranstaltungsort, der für das Veranstalterkonzept und die
erwarteten und auch die tatsächlichen Besuchermengen nicht
geeignet war, - Zugangsanlagen, die für die erwartete
Besucheranzahl zu geringe Kapazität hatten, - zu wenig
Fläche zwischen dem Zugang (über die Rampe Ost) auf das
Gelände und der Fläche, auf der die Musikwagen fuhren, -
die unkoordinierte Steuerung der Personenströme, - die
massiven Störungen in der Kommunikation, die notwendige
Absprachen teilweise unmöglich machten, - die fehlende
Abstimmung von Maßnahmen wegen des Rückstaus vor den
Zugangsbereichen sowie zwischen dem Zugang auf das Gelände
und der Fläche mit den Musikwagen, - organisatorische
Entscheidungen am Veranstaltungstag entgegen vorheriger
Absprachen, - die Errichtung der (dritten) Polizeikette auf
der Rampe Ost, die die Drucksituation auf der Rampe verstärkt
hat, - das nicht abgestimmte Öffnen der Zugangsanlagen
trotz angeordneter Schließung, - das Öffnen der
Zaunelemente an der Zugangsanlage West um 16:31 Uhr.
Nach den Ausführungen des Gerichts hätte das Unglück auch am
Veranstaltungstag noch durch eine Reihe von Maßnahmen
verhindert oder zumindest in den Folgen abgemildert werden
können, so etwa durch - eine zwischen dem Veranstalter
und der Polizei abgestimmte Steuerung der Personenströme
und/oder - koordinierte Maßnahmen wie zeitweilige
Schließungen der Vorsperren oder der Zugangsanlagen und/oder
- den verstärkten Einsatz von Ordnern, um Personen von
der Rampe weg zu leiten und auf das eigentliche
Veranstaltungsgelände zu führen und/oder - ein
vorübergehendes Anhalten der Musikwagen auf der
Paradestrecke, um besseren Personenfluss auf das Gelände zu
ermöglichen und/oder - den Abbruch des
Besucherzuflusses auf das Gelände und/oder - den
Abbruch des Besucherzuflusses in die Stadt Duisburg insgesamt
(Stopp des Bahnverkehrs).
Nach den Ausführungen der
Richter dürfte das Zusammenwirken einer Vielzahl von
Umständen dazu geführt haben, dass es zu dem Gedränge mit dem
tödlichen Verlauf gekommen ist. Unter Gesamtwürdigung dieser
Erkenntnisse und aller Umstände der Katastrophe kommt das
Gericht trotz der schwerwiegenden Folgen der Tat zu dem
Schluss, dass die (mögliche) individuelle Schuld der
Angeklagten an der Katastrophe zum jetzigen Zeitpunkt als
gering anzusehen sei. Deshalb soll das Verfahren gegen sie
nicht weitergeführt werden.
Nach Einschätzung der
Richter wäre für den möglichen Fall einer Verurteilung
Folgendes zu berücksichtigen: Die Handlungen der Angeklagten
haben die schrecklichen Geschehnisse nicht allein, sondern
erst im Zusammenwirken mit einer Vielzahl anderer Umstände
möglich gemacht. Aus der Beweisaufnahme ist ersichtlich, dass
die Angeklagten sich in der Planungsphase darum bemühten,
eine für die Besucher sichere Veranstaltung zu organisieren.
Auch ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagten seit
fast 10 Jahren einem Strafverfahren ausgesetzt sind, das
besonders großes mediales Interesse hervorgerufen hat. Zudem
mussten sie sich an 183 Verhandlungstagen einer öffentlichen
Hauptverhandlung stellen. Das ganze Verfahren war vor
allem für die Nebenkläger mit besonderen psychischen
Belastungen verbunden. Aber auch die Angeklagten waren durch
die lange Verfahrensdauer Belastungen ausgesetzt. Aus diesen
Gründen hält es das Gericht für geboten, das Verfahren nach §
153 StPO einzustellen.
Das
Loveparade-Strafverfahren in Zahlen
Das
Loveparade-Strafverfahren ist mit dem Beschluss der 6. Großen
Strafkammer vom 04.05.2020 beendet. Der Beschluss bildet das
Ende einer Hauptverhandlung, die am 08.12.2017 begonnen hatte
und an insgesamt 183 Hauptverhandlungstagen geführt wurde.
Das Gericht hat in der Hauptverhandlung neben einer Reihe
von Sachverständigen insgesamt 116 Zeugen vernommen, vor
allem Verletzte, Mitarbeiter der Stadt Duisburg, des
Veranstalters der Loveparade, der Polizei und der Feuerwehr.
Dabei stand den Richtern umfangreiches Aktenmaterial zur
Verfügung.
Allein die Hauptakte hatte am Schluss
einen Umfang von mehr als 60.000 Seiten. Hinzu kommen mehr
als 1.000 Aktenordner mit ergänzendem Aktenmaterial und knapp
1.000 Stunden an Videomaterial. An der Hauptverhandlung haben
zu Beginn 10 Angeklagte teilgenommen, die von 32
Rechtsanwälten verteidigt wurden, sowie mehr als 60
Nebenkläger mit 37 Nebenklageanwälten.
Auf Seiten des
Gerichts waren neben dem Vorsitzenden Richter Mario Plein
zwei beisitzende Richter und drei (ab Januar 2019 noch zwei)
Ergänzungsrichter und neben den beiden Schöffen weitere fünf
Ergänzungsschöffen an jedem Verhandlungstag anwesend. Drei
Staatsanwälte haben in der Regel die Anklage vertreten.
Für die Verhandlung hat die Messe Düsseldorf das Congress
Centrum Düsseldorf Ost (CCD Ost) in einen mobilen
Gerichtssaal mit modernster Technik umgebaut sowie Technik-
und Servicepersonal, Sanitäter und Brandwachen zur Verfügung
gestellt. Die durchschnittlichen Kosten für die
Räumlichkeiten und das Personal haben sich anfänglich auf ca.
29.000 EUR pro Verhandlungstag belaufen und ab Juni 2018 auf
ca. 26.000 EUR reduziert. Seit Mai 2019 betrug die
Saalmiete einschließlich Zusatzkosten durchschnittlich 22.000
EUR pro Verhandlungstag. Das beruht darauf, dass mit der Zeit
die Kosten für externes Sicherheitspersonal, Technik,
Sanitäter oder Brandwachen reduziert werden konnten.
Die Gesamtkosten des Verfahrens lassen sich derzeit noch
nicht exakt beziffern. Zu diesen Kosten zählen die
Entschädigungen für die 116 vernommenen Zeugen sowie
sämtliche Sachverständigen, aber auch die Gebühren der
Verteidiger und nahezu aller Nebenklagevertreter. Diese
Kosten werden erst in einem späteren Verfahren – dem
Kostenfestsetzungsverfahren – bestimmt. Die
Landesregierung hat zugesagt, eine Kostenübernahme im Wege
der Opferentschädigung für diejenigen Nebenkläger zu prüfen,
die nach dem Gesetz ihre Kosten selber tragen müssen.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17
Loveparade-Verfahren: Auch Staatsanwaltschaft hatte
ursprünglich eine andere Vorstellung vom Ausgang des
Prozesses Das Landgericht Duisburg hat heute das
Verfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten nach § 153
Abs. 2 der Strafprozessordnung mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft und der Verteidigung eingestellt. Wir sind
uns bewusst, dass diese Entscheidung den Verletzten und den
Angehörigen der Verstorbenen angesichts der schweren Folgen
der Katastrophe und des damit verbundenen Leids – wenn
überhaupt – nur schwer zu vermitteln ist. Uns ist diese
Entscheidung nicht leicht gefallen. Auch die
Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine andere Vorstellung
vom Ausgang des Prozesses. Sie erhebt die Anklage
grundsätzlich nicht, um das Verfahren dann im Rahmen der
Hauptverhandlung einzustellen. Deshalb empfinden auch wir die
Einstellung des Verfahrens als unbefriedigend, sind aber
zugleich davon überzeugt, dass diese Entscheidung nunmehr
sachgerecht ist.
Der Prozess ist aus unserer Sicht
nicht gescheitert oder mangels Verurteilung der Angeklagten
umsonst gewesen. Denn ein wesentliches Ziel des
Strafprozesses, nämlich die öffentliche Aufklärung der
Tatbeiträge der Angeklagten sowie der Ursachen des Unglücks
und damit die Antwort auf die nur allzu berechtigte Frage der
Angehörigen und Verletzten, warum ihre Nächsten gestorben
beziehungsweise warum sie verletzt worden sind, ist erreicht
worden. Hierzu wird der umfangreich begründete Beschluss
des Landgerichts vom heutigen Tage beitragen können. Die
Fortführung des Verfahrens zum Zwecke der Anhörung des
Sachverständigen in der Hauptverhandlung verspricht keinen
erheblichen weiteren Erkenntnisgewinn, der das Eingehen der
mit der Corona-Pandemie einhergehenden Gesundheitsrisiken für
alle Verfahrensbeteiligten rechtfertigen könnte. Das gilt
insbesondere, weil der Sachverständige auf Frage des Gerichts
mitgeteilt hat, dass er im Wesentlichen an dem Gesamtergebnis
seines vorläufigen schriftlichen Gutachtens festhält. Die
Erkenntnisse aus dem Gutachten sind auch ohne mündliche
Erörterung in der Hauptverhandlung sowohl durch die
Staatsanwaltschaft als auch durch das Gericht bei der
Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Zudem steht
nunmehr sicher fest, dass das für ein Urteil erforderliche
Beweisprogramm bis zum Eintritt der absoluten
Strafverfolgungsverjährung Ende Juli jedenfalls hinsichtlich
des gravierendsten Vorwurfs der fahrlässigen Tötung nicht zu
absolvieren ist. Zwar ist es möglich, dass die ebenfalls
angeklagten fahrlässigen Körperverletzungen zu einem späteren
Zeitpunkt verjähren.
Jede weitere Aufklärung des
Sachverhalts in dieser Hinsicht wäre aber mit einer
deutlichen Verlängerung des Verfahrens verbunden. Zudem wäre
auch der Ausgang des Verfahrens ungewiss, da nicht absehbar
ist, inwieweit diese Aufklärung überhaupt gelingen würde.
Bei Würdigung dieser Gesamtumstände ist die Fortführung des
Prozesses aufgrund der derzeit bestehenden Gefährdungslage
und mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten im Falle
einer Verurteilung wegen des weniger gravierenden Vorwurfs
der fahrlässigen Körperverletzung noch zu erwarten hätten,
nicht mehr verhältnismäßig.
Loveparade - Verein lopa2010ev: Was bleibt
nach 3572 Tagen?
Heute ist es 3572 Tage
her seitdem die beste aufgezeichnete Katastrophe in
Deutschland geschehen ist. 3572 Tage ermittelt man
so intensiv das bis heute die deutsche Justiz mit
tausenden Videos und Hunderttausenden Unterlagen es
nicht möglich war weder Schuldige noch
verantwortliche zu identifizieren. Viele Erinnern
sich noch daran das hinter dem Altar der Duisburger
Salvatore Kirche eine Ministerpräsidentin den
anwesenden hochrangiger Vertreter der Politik Kirche
sowie den Angehörigen und verletzten und Menschen in
Deutschland lückenlose Aufklärung versprochen wurde
. Nun 9 Jahre, 9 Monate und 10 Tage später steht
das Ergebnis fest was die deutsche Demokratie und
Justiz zu bieten hat und keinen verwundert.
Einstellung und das auf der frühestes Art die man
sich vorstellen kann. Weder gibt man den Gutachter
die Chance vorzutragen was er in diesem Verfahren
längst ermittelt hat noch haben Angehörige die
Chance anwesend zu sein das man wenigstens ihnen das
Wort (Einstellung) in ihren Augen sagen kann.
Sicher war uns den einen früher den andern später
längst klar das es kein Ergebnis geben kann da die
Ermittlungen schon 7 Jahre andauerten und Massen an
Unterlangen gesammelt worden sind. Nun Reiht sich
auch die Loveparade Duisburg in die endlose Reihe
von „Katastrophenopfern“ ein wo unser Rechtssystem
versagt. Von Rammstein, Eschede bis Berliner
Breidtscheidplatz ist Politik im Spiel, nur gibt es
kein Recht und Aufklärung. Unser Vertrauen in die
Justiz so ist nun endgültig schwer geschädigt und
wird das Leben vieler prägen. Viele Pateien nicht
mehr wählbar und vertrauen in Worte von Politikern
nichts mehr wert. In diesen Tagen wurde von vielen
betroffenen die Fragen an uns gewendet die bis heute
keine Hilfe hatten was mache ich den jetzt? Wie
geht es den weiter?
Auch ein Brief der
Angehörigen erreichte uns die zum europäischen
Gerichtshof ziehen wollen. Als Verein lopa2010ev
sehen wir uns daher weiter in der Pflicht Hilfe zu
leisten und werden selbstverständlich für eine
Aufklärung kämpfen. Derzeitig gibt es viele Wege die
wir noch gehen. Derzeitig prüfen wir die
Möglichkeit eine politische Untersuchung bei der EU
einzufordern. Dieses benötigt allerdings Zeit
da sie in 6 Sprachen übersetzt werden muss. Denn es
liegt auf der Hand das eine erheblichen Einfluss der
Politik und ein politischer Untersuchungsausschuss
viele Mal verhindert wurde so wie internen
Unterlangen der Vermittlung der Polizei und ihren
verhalten den Prozess verweigert worden sind.
Unser Appell an die Politik ist es nun sich mit uns
nach den ganzen Jahren endlich an einen Tisch eine
Lösung zu finden auch da viel Nebenkläger in Zukunft
zusätzlich zu ihren Schicksal nun Insolvenz sein
werden. Jeder Politiker der dieses so stehen lässt
hat sein Beruf verfehlt! Insbesondere sehen wir hier
den Ministerpräsidenten Armin Laschet,
Ministerpräsidenten Karl Josef Laumann,
Ministerpräsidenten Peter Biesenbach sowie
Ministerpräsidenten Herbert Reul sich mit uns in
Verbindung zu setzen bevor der schaden größer wird.
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April 2020 |
Eilantrag gegen Auswertung von
Krankenversicherungsdaten bei offenen Erfolgsaussichten
abgelehnt Karlsruhe, 30. April 2020 - Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung
veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten
Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung des
Vollzugs neu in das SGB V eingefügter Vorschriften abgelehnt,
die die Nutzung von Daten gesetzlich Krankenversicherter in
pseudonymisierter oder anonymisierter Form im Hinblick auf
digitale Innovationen und für weitere Zwecke, unter anderem
zur medizinischen Forschung, ermöglichen. Das Verfahren
wirft schwierige verfassungsrechtliche Fragen auf, über die
im Eilverfahren inhaltlich nicht entschieden werden kann. Die
Kammer hatte deshalb aufgrund summarischer Prüfung im Rahmen
einer Folgenabwägung zu entscheiden und den für die Prüfung
der vorläufigen Außerkraftsetzung eines Gesetzes geltenden
strengen Maßstab anzuwenden. Die Nachteile, die sich aus
einer vorläufigen Anwendung der Vorschriften ergeben, wenn
sich das Gesetz im Nachhinein als verfassungswidrig erwiese,
sind nach Ansicht der Kammer zwar von erheblichem Gewicht.
Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die
entstünden, wenn die Vorschriften außer Kraft träten, sich
das Gesetz aber später als verfassungsgemäß erwiese.
Loveparade-Strafverfahren: Unterbrechung wegen der
Corona-Pandemie beendet - Verhandlungstermin am 4. Mai kann
stattfinden Duisburg, 27. April 2020 -
Mit Beschluss vom 27.04.2020 hat die 6. Große Strafkammer
festgestellt, dass die Corona-Pandemie der Fortsetzung des
LoveparadeStrafverfahrens vorerst nicht mehr zwingend im Wege
steht und der Prozess fortgesetzt werden kann – wenn auch mit
besonderen Hygienemaßnahmen. Das Gericht begründet seine
Entscheidung mit einer verringerten Ansteckungsgefahr, die
sich aus einer Verbesserung der allgemeinen Gefährdungslage
in Bezug auf Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus und aus der
zwischenzeitlich erfolgten Umsetzung von Schutzmaßnahmen im
Sitzungssaal und im gesamten Gebäude ergibt.
Bei der
Beurteilung der Gefährdungslage stützt sich das Gericht auf
Informationen des Robert-Koch-Instituts sowie der Bundes- und
der Landesregierung und folgt der Empfehlung der
Landesregierung in deren Erlass vom 23.04.2020. Im gesamten
Gebäude und insbesondere auch im Sitzungssaal sind bauliche
Vorkehrungen getroffen worden, um den erforderlichen
Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Für Verfahrensbeteiligte
und Besucher stehen zudem Spender mit Desinfektionsmittel
bereit. Jede Person, die das Gebäude betritt, wird eingehend
nach ihrem Gesundheitszustand befragt. Um mögliche
Infektionsketten zurückverfolgen zu können, werden sämtliche
Personen, die das Gebäude betreten, namentlich erfasst. Diese
Maßnahmen hat das Gericht in Absprache mit dem Ministerium
für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes
Nordrhein-Westfalen, dem zuständigen Gesundheitsamt und dem
Bauaufsichtsamt der Stadt Düsseldorf umgesetzt. Wichtiger
organisatorischer Hinweis: Verfahrensbeteiligte und
Zuschauer, die an der Sitzung am 04.05.2020 teilnehmen,
werden dringend gebeten, im Gebäude besonders darauf zu
achten, ausreichenden Abstand zu anderen Personen zu halten
und die Hygienevorschriften strikt einzuhalten. Beim
Aufenthalt im Sitzungsraum muss der Sicherheitsabstand zu
anderen Personen nicht nur während der Sitzung, sondern
insbesondere auch in Pausen bei der Bewegung im Saal
eingehalten werden. Trotz aller Vorkehrungen bleibt ein
Restrisiko, bedingt durch die Vielzahl an Personen im Gebäude
und deren Anreise aus dem gesamten Bundesgebiet sowie der
Verhandlung in dem fensterlosen klimatisierten Saal. Für
mehrere Hochrisikopatienten ist die Teilnahme an der Sitzung
zwingend. Bitte helfen Sie mit, diese Personen zu schützen.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17
EU-Reiserecht, Flugverkehr und Tourismus in
der Coronakrise: Fragen und Antworten |
Brüssel/Duisburg, 27. April 2020 -
Grenzkontrollen, Flugzeuge am Boden, Reisen abgesagt:
Fluggesellschaften, die gesamte Reisebranche und Bürgerinnen
und Bürger in der EU leiden unter den Einschränkungen, die
eine schnelle, koordinierte Bewältigung der Corona-Pandemie
in der EU und in der Welt erfordern. In einem ausführlichen
Frage-Antwort-Katalog beantwortet die Vertretung der
Europäischen Kommission in Deutschland die am häufigsten
gestellten Fragen, soweit das zum aktuellen Zeitpunkt möglich
ist. Zum Beispiel: Wie unterstützt die EU
Tourismusunternehmen und Fluggesellschaften? Müssen Reisende
Gutscheine für abgesagte Pauschal- und Individualreisen
akzeptieren? Wie wird die Situation an den Schengen-Grenzen
in den Sommerferien sein?
Zur Frage, ob ausgefallene Reisen
oder Flüge mit einem Gutschein auf einen späteren Zeitpunkt
verschoben werden können oder der Reisepreis rückerstattet
werden muss, hat sich EU-Justizkommissar Didier Reynders
bereits mehrfach klar geäußert: „Nach EU-Recht haben
Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder
eine Rückerstattung bevorzugen. Alle Beteiligten sollten
zusammenarbeiten, um ein Angebot von freiwilligen und
abgesicherten Gutscheinen zu fördern, das für die meisten
Verbraucher attraktiv wäre. Die EU-Kommission hat bereits im
März einen Leitfaden veröffentlicht und ihre Position mit
allen Mitgliedstaaten geteilt, um einen kohärenten und fairen
Ansatz in der gesamten EU zu gewährleisten.“
Wie wirkt sich die
Coronavirus-Pandemie auf den Tourismus aus?
Der Tourismus ist einer der
Wirtschaftsbereiche, die mit am stärksten von der
Coronavirus-Pandemie betroffen sind.
Der Tourismus macht zwischen 10 und
11 Prozent der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union
aus. Sein Anteil an der Beschäftigung beträgt 12 Prozent,
d.h. er sichert 27 Millionen direkte und indirekte
Arbeitsplätze. Es gibt im Tourismus in der EU fast drei
Millionen Unternehmen. 90 Prozent von ihnen sind kleine und
mittlere Unternehmen, sehr viele davon sehr kleine
Unternehmen.
Weltweit wird laut der Welttourismusorganisation(link
is external) erwartet, dass die Coronavirus-Pandemie zu
einem Rückgang um 20 bis 30 Prozent im internationalen
Tourismus in diesem Jahr führen wird. Die EU-Kommission
schätzt die Einnahmeverluste auf europäischer Ebene auf 50
Prozent für Hotels und Restaurants, 70 Prozent für
Reiseveranstalter und Reisebüros und 90 Prozent für
Kreuzfahrten und Fluggesellschaften.
Wie unterstützt die EU-Kommission
den Tourismus, um die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen?
Alle betroffenen Unternehmen, von
den kleinen bis zu den großen, zu unterstützen, ist für die
Kommission eine Schlüsselpriorität.
Die Kommission hat bereits eine
Reihe von Maßnahmen ergriffen, um dem Sektor seit Beginn der
Pandemie zu helfen und verfolgt dabei einen doppelten Ansatz:
1. Kurzfristige Maßnahmen, damit die
Unternehmen die schwierige Krise bewältigen.
2. Mittelfristig eine Reform des
europäischen Tourismussektors
Mit dieser Reform soll die EU eine
neue Weltreferenz für einen verantwortungsbewussten,
nachhaltigen und innovativen Tourismus schaffen,
als Gegenstück zu den Auswüchsen des Massentourismus.
Welche Maßnahmen hat die
Kommission für den Tourismussektor im Zusammenhang mit dem
Coronavirus ergriffen?
Die Kommission hat eine Reihe von
Maßnahmen horizontaler und sektorspezifischer Art ergriffen,
um Reise- und Tourismusakteure zu unterstützen:
- Mit neuen befristeten temporären Beihilfenregeln erlaubt
die Kommission den Mitgliedstaaten, Unternehmen Zuschüsse,
Darlehen und Bürgschaften zu gewähren. Die Anträge werden
sehr schnell bearbeitet.
- Mit der Umschichtung von Mitteln
aus den EU-Strukturfonds hat
die EU-Kommission schnell 37 Mrd. Euro mobilisiert, um die am
stärksten betroffenen Unternehmen zu unterstützen. Diese
Mittel können auch für den Tourismus eingesetzt werden.
- Die Europäische Investitionsbank
(EIB) wird einen gesamteuropäischen
Garantiefonds in Höhe von 25 Mrd. Euro
einrichten, der Finanzierungen in Höhe von 200 Mrd. Euro für
kleine und große Unternehmen mit Schwerpunkt auf in der
gesamten EU unterstützen könnte.
- Um stark betroffene KMU sofort zu
entlasten, wird eine Milliarde Euro aus dem EU-Haushalt als
Garantie für den Europäischen Investitionsfonds
umgeschichtet. Damit sollen Banken Anreize erhalten, KMU und
dem Mittelstand Liquidität zur Verfügung zu stellen. Dies
wird dazu beitragen, 8 Mrd. Euro zur Unterstützung von
100.000 europäischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
zu mobilisieren.
Weitere Informationen:
Gesamtüberblick über die Unterstützung der EU für die
Wirtschaft in der Coronakrise
Wie unterstützt die EU-Kommission
den Luftfahrtsektor und die Fluggesellschaften darüber
hinaus?
Zu den spezifischen EU-Maßnahmen für
die Tourismus- und Reisebranche gehört die vorübergehende
Aussetzung der Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen/Slots
auf EU-Flughäfen, mit der sichergestellt wird, dass die
Fluggesellschaften die Slots nicht verlieren, wenn sie
weniger als 80 Prozent der Slots nutzen.
Am 13. März 2020 hatte die EU-
Kommission den Vorschlag vorgelegt, am
30. März hat der Rat diesen verabschiedet, so dass er jetzt
in Kraft ist.
Mit dieser Maßnahme werden zudem die
Emissionen gesenkt, indem so genannte „Geisterflüge“
vermieden werden, bei denen Fluggesellschaften fast leere
Flugzeuge fliegen, um ihre Slots zu behalten.
Am 26. März forderte die Europäische
Kommission die EU-Mitgliedstaaten auf, den Luftfrachtbetrieb
während der Coronavirus-Krise zu unterstützen. Der
neue Leitfaden empfiehlt operative und organisatorische
Schritte, um wesentliche Verkehrsströme, auch zur Beförderung
medizinischer Hilfsgüter und von Personal,
aufrechtzuerhalten.
Staatliche Beihilfen
Aufgrund der wirtschaftlichen
Auswirkungen auf den Coronavirus-Ausbruch hat die
EU-Kommission neue zeitlich befristete Regeln für staatliche
Beihilfen verabschiedet. Die am
19. März angenommene und am 3. April geänderte
Rahmengesetzgebung ermöglicht es den Mitgliedstaaten, die
volle Flexibilität, die in den Beihilfevorschriften
vorgesehen ist, zu nutzen, um die Wirtschaft in diesen
schwierigen Zeiten zu unterstützen, auch für besonders
betroffene Sektoren wie den Luftfahrtsektor.
Der Rahmen ermöglicht es den
Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Unternehmen aller Art
weiterhin ausreichend Liquidität zur Verfügung steht, um die
Kontinuität der Wirtschaftstätigkeit zu wahren.
Er ergänzt viele andere
Möglichkeiten, die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung
stehen,
- Beispielsweise können die
Mitgliedstaaten allgemein anwendbare Änderungen zugunsten von
Unternehmen vornehmen (z.B. Steuerstundungen oder die
Förderung von Kurzarbeit in allen Sektoren), die nicht unter
die Regeln für staatliche Beihilfen fallen. Sie können
Unternehmen auch eine Entschädigung für Schäden gewähren, die
durch den Ausbruch des Coronavirus entstanden sind und direkt
durch diesen verursacht wurden. Dies kann nützlich sein, um
besonders betroffene Sektoren, wie z.B. den Luftfahrtsektor,
zu unterstützen.
Die Kommission arbeitet weiterhin
mit allen Mitgliedstaaten zusammen, um Möglichkeiten zu
erörtern und praktikable Lösungen zu finden, um diesen
wichtigen Teil der Wirtschaft zu erhalten, wobei sie die
volle Flexibilität nutzt, die im Rahmen der Vorschriften über
staatliche Beihilfen besteht, und gleichzeitig bedenkt, dass
der Binnenmarkt unser bester Trumpf ist, um diese Krise zu
überstehen und danach wieder kräftig auf die Beine zu kommen.
Gibt es Beispiele für nationale
Maßnahmen, die die EU-Kommission in Zusammenhang mit dem
Ausbruch des Coronavirus genehmigt hat:
- Die Europäische
Kommission hat am 27.4. ein Darlehen in Höhe von 550 Mio.
Euro für die Fluggesellschaft Condor genehmigt für das der
deutsche Staat bürgt. Mit der Maßnahme soll der
Luftfahrtgesellschaft ein Ausgleich für einen Teil der durch
die Coronakrise erlittenen Einbußen gewährt werden.
Wird der Flugverkehr von
Umweltverpflichtungen entbunden?
Nein, die Maßnahmen in der
Coronakrise entbinden die im Luftfahrtsektor tätigen
Unternehmen nicht von der Verantwortung, ihren
Umweltverpflichtungen nachzukommen.
Die Europäische Kommission hat sich
verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, ein
Ziel, zu dem alle Wirtschaftssektoren einschließlich der
Luftfahrt beitragen müssen. Die Kommission wird noch in
diesem Jahr eine Strategie für nachhaltige und intelligente
Mobilität vorzulegen.
Außerdem schreiten die Arbeiten der
EU-Kommission an der Überarbeitung der
Energiebesteuerungsrichtlinie voran, ebenso wie die
Vorbereitungen zur Überarbeitung des
EU-Emissionshandelssystems (ETS) bis Mitte 2021.
Unternehmen, die in allen Sektoren
tätig sind, einschließlich derjenigen, die staatliche
Beihilfen erhalten, sollten ihren Beitrag zu unserer
europäischen Agenda für grünes Wachstum leisten.
Kann die Kommission ihre
Genehmigungen staatlicher Beihilfen an die Einhaltung
bestimmter Umweltkriterien/der EU-Klimaziele knüpfen?
Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu
entscheiden, ob sie staatliche Beihilfen gewähren wollen, und
Maßnahmen im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften und
ihren politischen Zielen zu konzipieren, wie z. B. die grüne
und digitale Umgestaltung ihrer Wirtschaft.
Eine gezielte und verhältnismäßige
Anwendung der EU-Beihilfevorschriften gewährleistet, dass
nationale Unterstützungsmaßnahmen Unternehmen, die von den
wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs
betroffen sind, wirksam helfen und gleichzeitig unangemessene
Verzerrungen des EU-Binnenmarkts begrenzen.
Rechtsanwälte der Nebenklage
appellieren: Loveparade-Prozess jetzt nicht
einstellen! Duisburg, 23. April 2020 - Die Unterzeichner sind
Nebenklagevertreter im LoveparadeStrafverfahren. Wir
haben zum Teil bereits in individuellen
Stellungnahmen für unsere Mandanten der geplanten
Einstellung des LoveparadeVerfahrens widersprochen.
Mit diesem öffentlichen Appell wenden wir uns noch
einmal an die 6. große Strafkammer des Landgerichts
Duisburg: Wir appellieren an das Gericht, das
Loveparade-Strafverfahren zum jetzigen Zeitpunkt
nicht - wie geplant - einzustellen. Im Frühjahr
2019 hatte das Gericht den Nebenklägern erneut
versprochen, die Ursachen der Loveparade-Katastrophe
2010 umfassend aufzuklären. Ein wesentlicher und
unverzichtbarer Schritt dazu ist die Einführung der
Erkenntnisse des gerichtlich bestellten
Sachverständigen Professor Dr.-Ing. Jürgen Gerlach
in die Hauptverhandlung, dessen schriftliches
Gutachten allein 3.800 Seiten beträgt. Dazu hatte
das Gericht bereits vor der Corona- Krise
Verhandlungstage reserviert. Es gibt keinen
zwingenden Grund den Loveparade-Prozess vor der
Anhörung des Sachverständigen einzustellen! Ein
Gesetz, das wegen der Corona-Krise am 27. März 2020
in Kraft getreten ist, ermöglicht es der
Strafkammer, „Corona bedingt“, das Strafverfahren
insgesamt für bis zu drei Monate zu unterbrechen.
Bereits am 2. April hat die Kammer die
Verhandlung unter Verweis auf dieses neue Gesetz
unterbrochen: „Das Gericht hat die Dauer der
Unterbrechung zeitlich nicht eingegrenzt. (..)
Theoretisch wäre (…) eine Unterbrechung bis Anfang
Juni möglich. Das Gericht beobachtet die dynamische
Entwicklung der Corona Pandemie fortlaufend und
überprüft, ab wann eine geänderte Gefährdungslage
eine veränderte Risikobewertung zulässt“.
(Presseerklärung des Landgerichts Duisburg vom
02.04.2020, Hervorhebungen durch die Unterzeichner)
Nur 5 Tage nach dieser unbefristeten
Unterbrechung der Hauptverhandlung wird am 7. April
klar, dass die Strafkammer das Strafverfahren nicht
etwa unterbrechen, sondern endgültig einstellen
will. Dazu gibt weder der dynamische Verlauf der
Corona-Pandemie in diesen Tagen Anlass, noch liegen
dazu die gesetzlichen Voraussetzungen vor. In
Nordrhein-Westfalen sind fast alle
Gerichtsverhandlungen im April unterbrochen worden.
Es gehe „nun darum, unter Beachtung aller
fortgeltenden Regeln der Gesundheitsfürsorge Schritt
für Schritt zum ursprünglichen Geschäftsbetrieb
zurückzukehren.“ (Peter Biesenbach, Justizminister
des Landes NRW am 19.04.2020) Der Loveparade-Prozess
findet im Kongresszentrum der Messe Düsseldorf
statt. Dort bestehen aufgrund der Größe des Saals
bessere Bedingungen als in jedem anderen
Gerichtssaal im Land, um eine Hauptverhandlung auch
unter den verstärkten „Corona-Bedingungen“
durchzuführen. Unter diesen hervorragenden
Voraussetzungen gibt es keinen Grund, das Verfahren
jetzt überstürzt einzustellen. Das Gericht
sollte vielmehr sein Versprechen vom Frühjahr 2019
jetzt einlösen. Das wichtigste Mittel der Aufklärung
ist das als nächstes in die Hauptverhandlung
einzuführende Gutachten des Sachverständigen Prof.
Dr. Gerlach. Die Nebenkläger und ihre Vertreter
erhoffen sich von diesem Gutachten Struktur und
Durchblick im Dickicht des sich mehrfach
überlagernden, multikausalen Geschehens, welches
letztendlich zu der Katastrophe mit 21 Toten und
mehr als 650 Verletzten geführt hat. Die
Nebenkläger haben viele Fragen an den Gutachter und
müssen die Möglichkeit erhalten, diese Fragen direkt
an ihn in einer öffentlichen Verhandlung zu richten.
Erst nach der Einführung des Gutachtens durch
Professor Gerlach und der öffentlichen Diskussion
dazu kann in einem Rechtsgespräch der Fortgang des
Loveparade-Verfahrens und ggf. dessen Einstellung
erörtert werden.
Loveparade-Strafverfahren: Weiterer Verlauf des
Verfahrens Verlängerte Stellungnahmefrist für Nebenkläger und
Aufhebung eines Sitzungstermins Duisburg, 17. April 2020 -
Die drei Angeklagten und die Staatsanwaltschaft haben heute
schriftlich erklärt, einer Einstellung des
Loveparade-Strafverfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO
zuzustimmen. Das Verfahren ist durch diese Erklärungen noch
nicht beendet. Das Gericht hat heute Nachmittag die
Nebenkläger über die Zustimmungen informiert. Sie haben
nunmehr Gelegenheit bis zum 27. April 2020, zu einer
möglichen Einstellung des Verfahrens abschließend Stellung zu
nehmen. Das Gericht wird erst dann über den weiteren Verlauf
des Verfahrens, insbesondere einen Termin für eine etwaige
Einstellung und ergänzende Erläuterungen, entscheiden.
Aufgrund von weiterhin bestehenden Schutzmaßnahmen zur
Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem
Coronavirus (SARSCoV-2) sowie der verlängerten
Stellungnahmefrist hat das Gericht den Sitzungstermin am 23.
April 2020 aufgehoben. Der nächste Sitzungstermin ist auf den
04. Mai 2020 bestimmt. Sollte er nicht stattfinden können,
wird dazu eine gesonderte Pressemitteilung ergehen.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17
Loveparade-Verfahren: Staatsanwaltschaft stimmt
Einstellung des Strafverfahrens zu Zustimmung zur
Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens
Duisburg, 17. April 2020 - Die
Staatsanwaltschaft hat heute dem Vorschlag des Landgerichts,
das Strafverfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten
gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen, zugestimmt. Angesichts
der schweren Folgen der Tragödie – 21 Tote, mehr als 650
Verletzte – und des damit verbundenen Leids ist uns diese
Entscheidung nicht leicht gefallen. Unter Berücksichtigung
der Gesamtumstände erscheint uns aber nunmehr eine
Einstellung des Verfahrens im Ergebnis vertretbar. Dabei
geht die Staatsanwaltschaft – bei vorläufiger Bewertung des
Beweisergebnisses – ebenso wie das Gericht davon aus,
dass sich der hinreichende Tatverdacht gegen die drei
Angeklagten bestätigt hat. Vorbehaltlich der
Verjährungsproblematik wäre daher ein Tatnachweis in der
Hauptverhandlung wahrscheinlich. Die Gründe, die dazu geführt
haben, dass die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens
dennoch erteilt wurde, sind vielfältig und können aufgrund
der Komplexität des Verfahrens an dieser Stelle nicht
abschließend dargestellt werden. Insofern wird ergänzend auf
die Ausführungen im anliegenden Handout Bezug genommen.
Folgende Erwägungen sind aber wesentlich:
Durch die bisherige Beweisaufnahme sowie das vorläufige
schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach
konnten die entscheidenden Ursachen für das Unglück aus Sicht
der Staatsanwaltschaft herausgearbeitet werden. Diese liegen
in der fehlenden Eignung des Veranstaltungsraumes und des
Veranstaltungskonzeptes für eine Veranstaltung dieser
Größenordnung sowie in einer fehlerhaften Steuerung der
Besucherströme am Veranstaltungstag. Dafür waren jedenfalls
überwiegend die Angeklagten verantwortlich.
Sie haben
daher ursprünglich nicht nur eine geringe
hypothetische Schuld auf sich geladen. Zu ihren
Gunsten ist hingegen zu berücksichtigen, dass es sich – nach
den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach – um
ein multikausales und im Einzelnen nur sehr schwer
vorhersehbares Geschehen handelte. Die Angeklagten sind
strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, sie sind durch
die jahrelange öffentliche Diskussion über das Verfahren und
ihre Rolle darin sowie die lange Verfahrensdauer erheblich
belastet. Für die Beantwortung der Frage, ob ein den
Angeklagten anzulastendes Verschulden im Sinne von § 153 StPO
gering ist, darf überdies nicht allein auf den Tatzeitpunkt
abgestellt werden, vielmehr ist auch der aktuelle
Verfahrensstand maßgeblich. Demzufolge sind heute wesentliche
Faktoren zu berücksichtigen, die in der Vergangenheit noch
nicht vorlagen, sich nunmehr aber erheblich auswirken.
Im Einzelnen: Seit der Teileinstellung des
Strafverfahrens im Februar 2019 hinsichtlich der früheren
sieben Mitangeklagten ist ein weiteres, die Angeklagten in
ihrer Lebensgestaltung deutlich belastendes Jahr mit
zahlreichen weiteren Hauptverhandlungsterminen vergangen.
Durch die Corona-Pandemie ist eine konkrete Gefährdung
zahlreicher Verfahrensbeteiligter und auch der an den
Sitzungen teilnehmenden Öffentlichkeit mit ganz erheblichen
Gesundheitsrisiken eingetreten. Diese Gefährdung wird –
wie die Unterbrechung des Verfahrens zeigt – zu einer
Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Es steht damit
nunmehr sicher fest, dass das für ein Sachurteil nach dem
Gesetz erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der
absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020
jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung
nicht zu absolvieren ist. Der Umstand, dass
möglicherweise hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen
Körperverletzung die Verfolgungsverjährung gegebenenfalls
erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten könnte, erscheint
demgegenüber weniger bedeutsam.
Angesichts der
Gesamtumstände teilt die Staatsanwaltschaft die Auffassung
des Gerichts, dass die Schuld der Angeklagten unter
Berücksichtigung der Gefahrenlage und des aktuellen
Verfahrensstandes als gering angesehen werden kann. Eine
Fortführung des Verfahrens ist daher – insbesondere auch mit
Blick auf die Strafe, die die Angeklagten bei einer
Verurteilung zu erwarten hätten – nicht mehr verhältnismäßig.
Zustimmung zur Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens
Duisburg, 17. April 2020 - Die
Staatsanwaltschaft hat heute dem am 7. April 2020
unterbreiteten Vorschlag des Landgerichts, das Strafverfahren
gegen die drei verbliebenen Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2
StPO einzustellen, zugestimmt. Die Staatsanwaltschaft
schließt sich der Würdigung des Gerichts, nunmehr auch
bezüglich dieser Angeklagten ein hypothetisches Verschulden
als nur noch gering im Sinne des § 153 Abs. 2 StPO zu
bewerten und ein öffentliches Interesse an der
Strafverfolgung zu verneinen, an.
Mit einer solchen
Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO wird das Strafverfahren
ohne Schuldspruch beendet. Sie erfolgt in der Regel – und so
auch hier – in einem Stadium, in dem die gesetzlichen
Voraussetzungen der Schuldspruchreife noch nicht vorliegen.
Deshalb verlangt das Gesetz nicht eine Schuldfeststellung,
sondern das hypothetische Urteil, dass “die Schuld des Täters
als gering anzusehen wäre” und die Feststellung, dass kein
öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StPO).
Damit setzt §
153 Abs. 2 StPO zugleich voraus, dass durch das Verfahren bis
zu der Einstellung ein Tatverdacht nicht ausgeräumt worden
ist. Dies ist hier der Fall. Angesichts der schweren Folgen
der tragischen Ereignisse erscheint es schwer vermittelbar,
aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft dennoch die
Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens erteilt hat. Im
Folgenden soll daher die Sicht der Staatsanwaltschaft
erläutert werden.
Die Ursachen der Tragödie am 24.
Juli 2010, die Rolle der Angeklagten und die Möglichkeiten
einer Fortführung des Verfahrens Die entscheidenden Ursachen
des Unglücks sind nach hiesiger Einschätzung mit
hinreichender Sicherheit ermittelt worden. Sie liegen in
der fehlerhaften Einschätzung der Eignung des
Veranstaltungsraumes für eine Veranstaltung dieser
Größenordnung, der fehlenden Eignung des
Veranstaltungskonzeptes für die erwarteten und 2
eingetretenen Besucherzahlen und in einer fehlerhaften
Steuerung der Besucherströme am Veranstaltungstag, nicht
zuletzt aufgrund mangelnder Kommunikation.
Diese
Würdigung wird durch die bisherige Beweisaufnahme belegt und
kann sich auf das rund 3.800 Seiten umfassende schriftliche
Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach stützen.
Aufgrund der in 183 Verhandlungstagen erhobenen zahlreichen
Beweise und den Ausführungen des Sachverständigen geht die
Staatsanwaltschaft bei vorläufiger Bewertung des
Beweisergebnisses ebenso wie das Gericht davon aus, dass sich
der hinreichende Tatverdacht gegen die drei Angeklagten
bestätigt hat. Vorbehaltlich der Verjährungsproblematik
wäre daher ein Tatnachweis in der Hauptverhandlung
wahrscheinlich. Die drei Angeklagten haben durch die
angeklagte Tat nach Bewertung der Staatsanwaltschaft
ursprünglich nicht nur eine geringe (hypothetische) Schuld
auf sich geladen. Dies folgt ebenfalls aus den im Rahmen der
umfangreichen bisherigen Beweisaufnahme und den durch den
Sachverständigen im Rahmen seines Gutachtens ermittelten
Ursachen der Katastrophe sowie den gravierenden Folgen der
Tat mit 21 Toten sowie über 650 zum Teil schwer und oftmals
auch heute noch traumatisierten Verletzten.
Nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung darf für die Beantwortung
der Frage, ob ein den Angeklagten anzulastendes Verschulden
gering ist, indes nicht allein auf den Zeitpunkt der
Tatbegehung abgestellt werden. Es ist vielmehr zu fragen,
welche Strafe bei Abschluss des Verfahrens auch mit Blick auf
die lange Verfahrensdauer und dem Umstand, dass die
Angeklagten jahrelang dem Druck des Verfahrens ausgesetzt
waren, tat- und schuldangemessen wäre.
Demzufolge ist
das Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 StPO auf
Grundlage des aktuellen Verfahrensstandes und der damit
einhergehenden geänderten Verfahrenslage zu prüfen. Dabei
sind insbesondere mit Blick auf die Möglichkeiten der
Fortführung des Verfahrens wesentliche Faktoren zu
berücksichtigen, die in der Vergangenheit entweder noch nicht
oder nicht mit dieser Sicherheit vorlagen, die sich aber
nunmehr ganz erheblich auswirken und letztlich aus Sicht der
Staatsanwaltschaft auch eine Verfahrenseinstellung gemäß §
153 Abs. 2 StPO rechtfertigen. Seit der Teileinstellung
des Strafverfahrens im Februar 2019 hinsichtlich der früheren
sieben Mitangeklagten ist ein weiteres, die Angeklagten in
ihrer Lebensgestaltung deutlich belastendes Jahr mit
zahlreichen weiteren Hauptverhandlungsterminen vergangen.
Durch die Corona-Pandemie ist eine konkrete Gefährdung
zahlreicher Verfahrensbeteiligter und auch der an den
Sitzungen teilnehmenden Öffentlichkeit mit ganz erheblichen
Gesundheitsrisiken eingetreten. Diese Gefährdung wird – wie
die 3 Unterbrechung des Verfahrens zeigt – zu einer
Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Es steht damit
nunmehr sicher fest, dass das für ein Sachurteil nach dem
Gesetz erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der
absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020
jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung
nicht zu absolvieren ist.
Zwar könnte hinsichtlich
des Vorwurfes der fahrlässigen Körperverletzung das
Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung nicht bereits
am 27. Juli 2020, sondern ggf. erst zu einem späteren
Zeitpunkt eintreten. Dazu müsste jedoch nachgewiesen werden,
dass die psychischen Folgen der Tat bei den Nebenklägern erst
zu einem späteren Zeitpunkt nach der Katastrophe aufgetreten
sind. Das Gericht hat zur Klärung dieser Frage teilweise
bereits psychiatrische Sachverständigengutachten in Auftrag
gegeben. Die weitere Aufklärung des Sachverhaltes
insoweit wäre – bei ungewissem Ausgang – mit belastenden
Untersuchungen der Nebenkläger und einer deutlichen
Verlängerung des Verfahrens verbunden; eine Nebenklägerin hat
gegenüber der seitens der Kammer beauftragten
Sachverständigen bereits erklärt, sie wolle die Begutachtung
wegen der damit einhergehenden psychischen Belastung absagen.
Bei Würdigung der Gesamtumstände erscheint
die Fortführung des Prozesses unter diesem Gesichtspunkt und
mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten zu erwarten
hätten, als nicht mehr verhältnismäßig. Die
teils geforderte Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr.
Gerlach in der Hauptverhandlung verspricht angesichts seiner
Stellungnahme vom 6. April 2020, wonach er im Wesentlichen an
dem Gesamtergebnis seines vorläufigen schriftlichen
Gutachtens festhält, keinen erheblichen weiteren
Erkenntnisgewinn, der das Eingehen gesundheitlicher Risiken
zu rechtfertigen vermag.
Natürlich hätte auch die
Staatsanwaltschaft gerne den Sachverständigen angehört und
ergänzend befragt. Eine kritische Auseinandersetzung mit
seinen Ergebnissen konnte bislang in öffentlicher
Hauptverhandlung nicht erfolgen. Dies erscheint jedenfalls
derzeit unter Berücksichtigung der gesundheitlichen
Gefährdungen nicht möglich. Die wesentlichen Erkenntnisse
des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach zu den
Ursachen der tragischen Ereignisse am 24. Juli 2010 werden
der (Fach-) Öffentlichkeit, jedoch in anonymisierter Form,
nach Abschluss des Strafverfahrens zur Verfügung stehen. Auf
dieser Grundlage können die erforderlichen Lehren zur
Vermeidung vergleichbarer Unglücke in der Zukunft gezogen
werden.
Zur Beurteilung der (hypothetischen)
Schuld der drei verbliebenen Angeklagten Die
tragischen Ereignisse haben 21 überwiegend jungen Menschen
das Leben gekostet. Mindestens 650 weitere wurden verletzt.
Viele von ihnen leiden noch heute an den traumatischen Folgen
des Ereignisses und kämpfen täglich damit. Dem Unglück ist
eine mehrmonatige, intensive Planungsphase voraus gegangen.
Die Angeklagten verfügten dabei, wie die bisherige
Beweisaufnahme belegt, über ein Problembewusstsein bezüglich
mehrerer als kritisch erkannter Stellen, namentlich der 4
Situation vor den Vereinzelungsanlagen, im Tunnel sowie der
Gefahr von Rückstaus im Übergangsbereich vom Kopf der Rampe
Ost auf die Eventfläche. Dennoch unterblieb letztlich die
gebotene ganzheitliche Betrachtung und Beurteilung der
Veranstaltung obwohl die verbliebenen drei Angeklagten über
größere Erfahrungen und Kenntnisse bei der Durchführung von
Großveranstaltungen verfügten. Allerdings sind auch zu
Gunsten der Angeklagten zahlreiche gewichtige Faktoren zu
berücksichtigen. Sie haben sich intensiv – wenn auch
unzureichend – bemüht, im Rahmen der Vorbereitung der
Veranstaltung, diese sicher zu gestalten. Keiner der
Angeklagten handelte gewissenlos oder aus ethisch
verwerflichen Motiven. Zudem wiesen die damaligen
gesetzlichen und organisatorischen Regelungen für die Planung
und Durchführung von Großveranstaltungen Lücken auf.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach
handelte es sich um ein multikausales und im Einzelnen nur
sehr schwer vorhersehbares Geschehen. Daher könne – so der
Sachverständige – nicht ausgeschlossen werden, dass auch das
Verhalten Dritter – und zwar nicht nur das der früheren
Mitangeklagten in der Planungs- und Ausführungsphase – zu den
tragischen Ereignissen beigetragen haben könnte, ohne dass
hierdurch allerdings eine Unterbrechung des durch die
Angeklagten in Gang gesetzten Kausalzusammenhangs erfolgte.
Des Weiteren wirken sich der lange Zeitablauf seit der
Tat und die angesichts der Komplexität der Vorgänge
entsprechend lange Verfahrensdauer von über 9 ¾ Jahren zu
Gunsten der Angeklagten aus. Die Angeklagten sind darüber
hinaus durch die jahrelange Diskussion über das Verfahren und
ihre Rolle darin in der (Medien-) Öffentlichkeit
einschließlich teilweise unhaltbarer, ehrenrühriger Vorwürfe
erheblich belastet. Sie sind zudem bis heute
strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und haben im
Rahmen der Hauptverhandlung stets die Bereitschaft zur
intensiven Auseinandersetzung mit den Vorwürfen gezeigt, und
zwar ohne irgendwelche – durchaus mögliche – Blockadeversuche
vorzunehmen. Fazit Fasst man die bisherigen Ausführungen
zusammen, gebieten weder spezial- noch generalpräventive
Erwägungen eine Fortführung der Hauptverhandlung. Eine
erneute Straffälligkeit der strafrechtlich bislang nicht in
Erscheinung getretenen Angeklagten ist nicht zu erwarten.
Auch generalpräventive Erwägungen erfordern keine Fortsetzung
der Hauptverhandlung mehr. So ist es aufgrund der tragischen
Ereignisse und der nachfolgenden strafrechtlichen
Aufarbeitung, wie zahlreiche Zeugen bekundet haben, bereits
jetzt zu einer deutlichen Verschärfung der bei
Großveranstaltungen einzuhaltenden Anforderungen und einer
Intensivierung der Prüfungsdichte gekommen. Zudem ist aus
der Sicht der Staatsanwaltschaft ein wesentliches Ziel dieses
Strafprozesses, nämlich die öffentliche Aufklärung der
Ursachen des Unglücks und damit die Antwort auf die nur allzu
berechtigte Frage der Angehörigen und Verletzten, warum 5
ihre Nächsten gestorben bzw. warum sie verletzt worden sind,
erreicht. Hierzu wird ergänzend auch der – seitens der
Kammer in ihrem Schreiben vom 7. April 2020 angekündigte –
Einstellungsbeschluss mit ausführlicher Begründung beitragen
können. Unter Berücksichtigung der möglichen Gefährdung der
Verfahrensbeteiligten durch das SARS-CoV-2-Virus der
Bewertung des Verfahrensstandes und der gebotenen
Gesamtwürdigung aller die Angeklagten be- und entlastenden
Faktoren erscheint die Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs.
2 StPO vor dem Hintergrund der schweren Folgen der Tat zwar
unbefriedigend, im Ergebnis aber nunmehr vertretbar und
sachgerecht.
Exkurs Die
gesetzliche Voraussetzungen des § 153 StPO Die
(hypothetische) Schuld ist gering im Sinne des § 153 StPO,
wenn sie im Vergleich mit Vergehen gleicher Art nicht
unerheblich unter dem Durchschnitt liegt. Dazu ist eine
Gesamtabwägung vorzunehmen. Ein der Einstellung gemäß § 153
StPO entgegenstehendes öffentliches Interesse kann sich
sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven
Gründen ergeben. Spezialpräventiv lässt sich das
öffentliche Interesse begründen, wenn ohne eine
strafrechtliche Sanktion weitere Straftaten der Angeklagten
zu befürchten wären. Auf generalpräventive Erwägungen lässt
sich das öffentliche Interesse stützen, wenn das
reaktionslose Hinnehmen der Tat die Rechtstreue der
Allgemeinheit beeinträchtigen würde. Der Begriff des
öffentlichen Interesses im Sinne von § 153 StPO kann nicht
mit „öffentlicher Interessiertheit“ oder dem Willen einzelner
Verfahrensbeteiligter, ein Verfahren fortzuführen,
gleichgesetzt werden. Auch außergewöhnliche Tatfolgen können
das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung begründen.
Urteil im Prozess wegen gemeinschaftlicher
Vergewaltigung - Jugendstrafen zwischen 1 1/2 und 2 1/2
Jahren verhängt Landgericht Duisburg, 16. April
2020 - In dem Strafverfahren gegen drei
Jugendliche im Alter von inzwischen 15 Jahren hat die 3.
Große Strafkammer – Jugendkammer – in nicht öffentlicher
Sitzung am 16.04.2020 ein Urteil verkündet. Zwei der
Angeklagten wurden wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung zu
Jugendstrafen von 1 ½ Jahren, einer der Angeklagten zu einer
Jugendstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Die Jugendstrafen von
jeweils 1 ½ Jahren hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt,
dabei aber die beiden Angeklagten mit einem Dauerarrest von 4
Wochen belegt. Der dritte Angeklagte bleibt weiter in Haft.
Nach den Feststellungen der Kammer wurde das
18-Jährige Opfer am Abend des 05.07.2019 zu einem Treffpunkt
bestellt. Dort traf die junge Frau auf einen ihr bekannten
12-Jährigen sowie einen der Angeklagten. Mit diesem hatte sie
vor der Tat – etwa zum Sommeranfang 2019 – eine kurze
Beziehung geführt. Den Vorwurf aus der Anklageschrift, er
habe sie bereits in diesem Zusammenhang zu sexuellen
Handlungen gezwungen, hat die Geschädigte in der
Hauptverhandlung nicht bestätigt. Sie begab sich anschließend
freiwillig mit beiden zu einem nahe gelegenen Waldstück.
Hierbei war der jungen Frau bewusst, dass es mit dem
Angeklagten – ihrem Ex-Freund – und dem anwesenden 12-
Jährigen zu sexuellen Handlungen kommen könnte, womit sie
auch einverstanden war. In dem Waldstück kamen die beiden
anderen Angeklagten und ein weiterer 12-Jähriger hinzu. In
der Folge kam es zwischen allen Angeklagten, einem der beiden
12-Jährigen sowie der Geschädigten zu sexuellen Handlungen.
Im Verlauf dieses Geschehens kam es auch zu
Gewaltanwendungen, z. B. Ohrfeigen, gegenüber der
Geschädigten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war sie mit
weiteren sexuellen Handlungen nicht mehr einverstanden.
Trotzdem zwangen die Angeklagten und einer der beiden
12-jährigen das Opfer weiterhin zum Geschlechtsverkehr.
Zugunsten der Angeklagten haben die Richter gewertet, dass
sie bei der Tat noch sehr jung waren und erst an der Schwelle
zur Strafmündigkeit standen. Zugunsten der beiden
Angeklagten, die Bewährungsstrafen erhalten haben, hat das
Gericht darüber hinaus berücksichtigt, dass diese bisher
nicht vorbestraft sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 33 KLs 20/19
Anklage wegen Verdachts der Tötung von Mine O. erhoben -
Ehemann angeklagt Landgericht Duisburg, 16.
April 2020 - Die Staatsanwaltschaft Duisburg
hat gegen den 29-jährigen Ehemann der Verstorbenen Anklage
wegen Totschlags bei dem Landgericht Duisburg erhoben. Das
Verfahren ist bei der 5. Großen Strafkammer als Schwurgericht
anhängig. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeschuldigten
vor, am 07.09.2019 zwischen 19:30 Uhr und 21:25 Uhr in der
gemeinsamen Wohnung in Duisburg spontan den Entschluss
gefasst zu haben, seine Ehefrau zu töten. Hierzu soll er ihr
an den Hals gegriffen, sie gewürgt und ihr mit den Händen so
lange die Luft abgedrückt haben, bis sie laut Anklage
erstickte und noch am Tatort verstarb. Hintergrund soll die
Absicht des Opfers gewesen sein, sich von dem Angeschuldigten
zu trennen. Der Angeschuldigte soll die Leiche seiner
Ehefrau anschließend in einem Duisburger Waldstück vergraben
haben, wo sie etwa drei Monate später von der Polizei
gefunden wurde. Die 5. Große Strafkammer – Schwurgericht –
prüft derzeit die von der Staatsanwaltschaft gegen den
Angeschuldigten erhobenen Vorwürfe im sogenannten
Zwischenverfahren. Dabei wird die Kammer über die Zulassung
der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden. Über die
Entscheidung wird die Pressestelle des Landgerichts Duisburg
im Wege einer weiteren Pressemitteilung informieren.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 35 Ks 6/20
Vorläufige Außervollzugsetzung vom Gottesdienstverbot
abgelehnt Karlsruhe, Bundesverfassungsgericht,
10. April 2020 - Die 2.
Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat
mit heutigem Beschluss einen Antrag auf vorläufige
Außervollzugsetzung einer Regelung der Verordnung zur
Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung
(im Folgenden: Corona-Verordnung), die unter anderem ein
Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält, auf der
Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt.
Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der
COVID-19-Pandemie
Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, 8. April 2020 - Mit
heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten
Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der
bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und
über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der
Corona-Pandemie abgelehnt. Der Antragsteller hielt die
Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu
demonstrieren oder neue Menschen kennenzulernen, für zu
weitgehend. Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes
der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der
Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn
diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass
einstweiliger Anordnungen abgelehnt. Er war aber
unbegründet.
Die Kammer
hatte im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer
Prüfung zu entscheiden, wobei die Auswirkungen auf alle von
den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen
waren. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer
vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen
Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar
von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich
die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer
Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß
erweisen würden.
Die Gefahren für Leib und
Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der
persönlichen Freiheit. Zwar
beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der
Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie
schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und
weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu
unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich
Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die
eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte
die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese
Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich
teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und
wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige
Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.
Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die
Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich
voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit
den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl
die Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar
wären. So würden dann Einrichtungen, deren wirtschaftliche
Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder
öffnen, Menschen ihre Wohnung häufig verlassen und auch der
unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufig stattfinden.
Damit würde sich aber auch die Gefahr der Ansteckung mit
dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung
der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung
schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von
Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen.
Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur
ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein
strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen
der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber
nicht im geforderten Maß unzumutbar. Es erscheint nicht
untragbar, sie vorübergehend zurückzustellen, um einen
möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu
ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der
Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib
und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen
Freiheit weniger schwer. Dabei ist auch zu berücksichtigen,
dass die Regelungen befristet sind, bezüglich der
Ausgangsbeschränkungen viele Ausnahmen vorsehen und bei der
Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens
individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu
tragen ist.
LOVEPARADE-Prozess Duisburg,
7. April 2020 - Zu dem heutigen Vorschlag des Landgerichts
Duisburg, den Loveparade-Prozess einstellen zu wollen,
erklärt die Kanzlei Baum Reiter & Collegen Folgendes: Es ist
zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten
der Einstellung zustimmen werden. Eine Einstellung wird
bedeuten, dass die Angeklagten, die nach Einschätzung des
Gerichts wahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt
worden wären, nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
Stattdessen werden die Kosten des Verfahrens von der
Staatskasse getragen. Wir bedauern, dass der
Loveparade-Prozess nach nunmehr fast 10 Jahren Bearbeitung
durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird.
Außer dem Gutachten des Sachverständigen wird es keine
richterlichen Feststellungen mehr geben. Die Geschädigten und
die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht.
Dies ist ein weiterer schwarzer Tag für die Opfer und
Angehörigen der Loveparade-Katastrophe. Wir erwarten jetzt
eine Abschlussdebatte des Landtags über die Konsequenzen aus
dem gescheiterten Loveparade-Prozess und die Konsequenzen,
die die Landesregierung aus dem Sachverständigen-Gutachten
u.a. im Hinblick auf die Rolle der Polizei ziehen wird.
Loveparade-Strafverfahren: Weitere Behinderung des Verfahrens
durch die CoronaPandemie – Gericht regt Einstellung an
Duisburg, 7. April 2020 - Die Kammer
hat den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagen, das
Loveparade-Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Sie
können zu diesem Vorschlag bis zum 20. April 2020 schriftlich
Stellung nehmen. Dem Vorschlag liegt die Würdigung
mehrerer unabhängiger Umstände zugrunde: Das Verfahren kann
aktuell wegen des Risikos der Verbreitung von Infektionen
durch den SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nur
eingeschränkt durchgeführt werden. Trotz aller
Schutzmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass unter den
notwendig zu beteiligenden Personen mehrere Angehörige von
Risikogruppen sind. Schon jetzt musste die Hauptverhandlung
deswegen unterbrochen werden. Eine weitere Anordnung von
Quarantänen gegen Prozessbeteiligte ist jederzeit möglich.
Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie ist
nicht absehbar, wann und wie die Verhandlung fortgesetzt
werden kann. Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer
erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen. Durch
die wahrscheinlich zugleich erforderliche Begrenzung der
Sitzungsdauer könnte allein die für ein Urteil notwendige
Einführung des Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr.
Gerlach zahlreiche zusätzliche Sitzungstage in Anspruch
nehmen. In ihre Überlegungen hat die Kammer die
Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens bereits einbezogen.
Professor Dr. Gerlach hat gegenüber dem Gericht schriftlich
erklärt, dass sich durch die in der Hauptverhandlung
erhobenen Beweise gegenüber seinen bisherigen Einschätzungen
keine wesentlichen Änderungen ergeben. Unabhängig von dem
Gutachten wäre es erforderlich, mehrere Nebenkläger zu
vernehmen und eine Reihe von psychiatrischen Sachverständigen
zu hören. Auch dies wäre mit einer erheblichen Gefährdung
aller Verfahrensbeteiligten verbunden. Dazu käme die starke
psychische Belastung für einige Nebenkläger.
Die
Kammer hält es zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten
die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könnte, wenn
es möglich wäre die Hauptverhandlung ohne zeitliche
Beschränkungen fortzusetzen. Da dies nicht der Fall ist,
besteht allerdings nur noch eine sehr geringe
Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt
verurteilungsreif aufzuklären.
Das im Verfahren
gründlich aufgeklärte, multikausale Geschehen auf der
Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 liegt bereits fast
zehn Jahre zurück. Spätestens am 27. Juli 2020 dürfte
hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung das
Prozesshindernis der absoluten Verjährung eintreten. Auch
dürfte eine etwaige Schuld der Angeklagten nach allen bisher
vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden.
Weiterhin muss die Kammer die lange Dauer des Verfahrens und
die konstruktive Mitwirkung der Angeklagten berücksichtigen.
Zudem war keiner der Angeklagten strafrechtlich vorbelastet.
Unter Würdigung dieser und weiterer Umstände würde sich eine
eventuelle Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens
bewegen. Sollten die für eine Einstellung erforderlichen
Zustimmungen erteilt werden und sich aus den Stellungnahmen
der Verfahrensbeteiligten keine Änderungen an der derzeitigen
Auffassung des Gerichts ergeben, würde das Verfahren
eingestellt. In diesem Fall beabsichtigt die Kammer, die
von ihr gewonnenen Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die
Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss
zusammenzufassen und dessen Inhalt im Rahmen einer zeitlich
begrenzten Hauptverhandlung vorzutragen. Der nächste
Sitzungstermin ist auf den 21. April 2020 bestimmt. Ob er
stattfinden kann, ist wegen der Corona-Pandemie noch unklar.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17
Corona-Homeoffice: Was ist
erlaubt, was nicht? Riedlingen/Duisburg, 3. April
2020 - Viele Arbeitnehmer arbeiten wegen des
Coronavirus aktuell aus den eigenen vier Wänden. Nach dem oft
sehr kurzfristigen Umzug von Rechner und Büroausstattung
starten viele zum ersten Mal in einen Berufsalltag von
Zuhause aus. Dabei stellen sich so manche Fragen: Wann muss
ich erreichbar sein, gibt es eine Dokumentationspflicht und
wie strikt muss die Arbeit vom Privaten getrennt werden?
Prof. Dr. Simon A. Fischer, Professor für Wirtschaftsrecht an
der SRH Fernhochschule, hat Antworten auf die wichtigsten
Fragen im Zusammenhang mit der Telearbeit.
Was im Corona-Homeoffice erlaubt ist und
was nicht – Experte für Arbeitsrecht der SRH Fernhochschule
informiert - Foto (©Alberto Grosescu / AdobeStock)
Mein Arbeitgeber ordnet Homeoffice an: Darf er das?
Eigentlich darf der Arbeitgeber nicht
einseitig Arbeit im Homeoffice anordnen. Allerdings haben das
die Gerichte bisher nur für „normale“ Umstände entschieden
und es vor allem damit begründet, dass der Arbeitnehmer den
sozialen Kontakt zu seinen Kollegen verlieren könnte. In der
jetzigen Situation muss man das allerdings anders bewerten,
denn der direkte und persönliche Kontakt zwischen Kollegen
sollte aktuell ohnehin nur dort stattfinden, wo er wirklich
notwendig ist, also z.B. in Krankenhäusern und Supermärkten.
Hinzu kommt, dass die Zeit im Homeoffice auf wenige Wochen
begrenzt sein dürfte. Somit gehe ich davon aus, dass der
Arbeitgeber das aktuell darf.
Laptopmangel: Kann der Arbeitgeber
die Verwendung des privaten PCs fordern?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die
Arbeitsmittel zu stellen und damit auch den dienstlichen
Computer. Es gibt allerdings viele Mitarbeiter, die gerne mit
ihren eigenen Geräten arbeiten, da ihnen diese vertrauter
sind. Das nennt man BYOD (bring your own device). So zu
arbeiten ist möglich, datenschutzrechtlich allerdings
kritisch zu sehen und verlangen kann es der Arbeitgeber
nicht.
Anforderungen an den Arbeitsplatz
zuhause
Auch zuhause sollten, sobald ein Computer
bzw. Laptop verwendet wird, die Vorschriften der
Arbeitsstättenverordnung zur Gestaltung von
Bildschirmarbeitsplätzen eingehalten werden. So müssen die
Bildschirme leicht dreh- und neigbar sein, es muss eine vom
Laptop getrennte Tastatur eingesetzt werden und so weiter.
Eine pragmatische Lösung wäre, die Mitarbeiter zu bitten
ihren Desktop PC am Arbeitsplatz abzubauen und mit nach Hause
zu nehmen. Viele Arbeitgeber werden ihre Mitarbeiter aber
Hals über Kopf und mit einem Laptop unter dem Arm nach Hause
geschickt haben. Hier sollte jedenfalls dann nachgebessert
werden, wenn die Mitarbeiter nicht sehr bald in das Büro
zurückkehren können.
Erreichbarkeit im Homeoffice
Man sollte während der auch sonst üblichen
Arbeitszeiten erreichbar sein. Auch wenn der Arbeitnehmer nun
von zuhause arbeitet, unterliegt er dem Weisungsrecht des
Arbeitgebers. Geht das nicht durchgängig, weil z.B. aufgrund
der KITA- und Schulschließungen Kinder zu betreuen sind,
sollte man sich bemühen, eine Absprache mit dem Arbeitgeber
zu treffen, zu welchen Zeiten man verlässlich erreichbar ist.
Wieviel Dokumentation muss sein?
Es gibt, auch für Arbeitnehmer, (noch)
keine gesetzliche Pflicht, die Arbeitszeit ab der ersten
Minute zu dokumentieren. Allerdings ist es sicherlich ratsam,
das im Homeoffice selbst zu tun, z.B. um später eine
Argumentationsgrundlage zu haben, falls der Arbeitgeber
anzweifelt, dass ich auf meine Stunden gekommen bin.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist
besser
Generell gilt sicherlich: Wenn mein
Arbeitgeber mir nicht vertraut, hätte er mich kaum ins
Homeoffice geschickt. Wo Vertrauen gut, Kontrolle aber besser
ist, hat der Arbeitgeber ein Problem. Er darf ohne das
Einverständnis des Arbeitnehmers dessen Wohnung nicht
betreten. Auch dürfte eine Arbeitszeitüberwachung, wie sie
z.B. durch das Auslesen gewisser Verkehrsdaten möglich sein
könnte, nicht zulässig sein. Ich werde jedoch nicht
verhindern können, dass mein Vorgesetzter sich hin und wieder
einmal telefonisch bei mir meldet und auch meinen
Arbeitsstand einer Plausibilitätsprüfung unterzieht.
Schnell die Wäsche aufhängen –
oder doch nicht?
Während der Arbeitszeit sind private
Tätigkeiten tabu, denn Arbeitszeitbetrug ist ein
Kündigungsgrund und sogar strafbar. Allerdings hat man
genauso wie im Büro auch zuhause das Recht, die Arbeit im
Rahmen von Pausen zu unterbrechen. Da sollte das Aufhängen
der Wäsche eigentlich drin sein. Und derjenige, der flexible
Arbeitszeiten hat, kann, falls das mit den Socken wieder
länger dauert, die Zeit auch einfach hinten dranhängen.
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März 2020 |
Eilantrag gegen „Mietendeckel “ erfolglos
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe/Duisburg, 12. März 2020 -
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des
Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung
der Bußgeldvorschriften des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im
Wohnungswesen in Berlin (sogenannter „Mietendeckel)
abgelehnt. Die Antragstellerinnen und Antragsteller, die
Wohnungen in Berlin vermieten, wollten erreichen, dass die
Verletzung von bestimmten Auskunftspflichten und Verboten zur
gesetzlich bestimmten Höchstmiete vorläufig nicht als
Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Soll ein Gesetz außer
Kraft gesetzt werden, gilt allerdings ein strenger Maßstab.
Die Kammer hatte darüber im Rahmen einer Folgenabwägung
aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden. Danach sind die
Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der
Bußgeldvorschriften ergeben, wenn sich das Gesetz im
Nachhinein als verfassungswidrig erwiese, zwar von besonderem
Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die
Nachteile, die entstehen würden, wenn die Bußgeldvorschriften
außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später doch als
verfassungsgemäß erweisen würde. Die Antragstellenden selbst
räumen ein, dass sich Vermieter dann nicht an die
gesetzlichen Vorgaben halten würden. Mit Beschlüssen vom
selben Tage hat die Kammer eine Verfassungsbeschwerde nicht
zur Entscheidungen angenommen und einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die
Beschwerdeführenden nicht hinreichend dargetan haben, dass
sie in ihren Grundrechten verletzt sind (1 BvR 475/20)
beziehungsweise dass ihnen durch die angegriffenen Regelungen
des Gesetzes ein schwerer Nachteil entsteht
(1 BvR 515/20).
Ohne
Aufenthaltsrecht von bestimmten existenzsichernden
Sozialleistungen ausgeschlossen Vorlage zum
Ausschluss von Sozialleistungen für Ausländer ohne
Aufenthaltsrecht unzulässig Pressemitteilung Nr. 15/2020
vom 4. März 2020 Beschluss vom 26. Februar 2020
1 BvL 1/20 Ausländerinnen
und Ausländer, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht
haben, sind nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von
bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen
ausgeschlossen. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die
1. Kammer des Ersten Senats die Vorlage eines Sozialgerichts
zurückgewiesen, das dies mit dem Grundrecht auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für
unvereinbar hält, soweit Unionsbürger vollständig von
existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen
das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese
Feststellung aber noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei.
Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrt eine
rumänische Familie im Wege des Eilrechtsschutzes die
Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB
XII. Die Ausländerbehörde hatte den Verlust des
Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die
allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern und die daraus
folgende Ausreisepflicht festgestellt. Über die hiergegen
gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht
entschieden. Die
Vorlage des Sozialgerichts im Wege der konkreten
Normenkontrolle ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht
nicht den Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Vorlage übergeht
mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur
Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die
verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne
deren Klärung das Bundesverfassungsgericht in diesem
Verfahren nicht entscheiden kann. Das Sozialgericht legt
nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier
konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt
werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der
Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht
ausgeschlossen ist.
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Februar 2020 |
Kopftuchverbot für
Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 27. Februar 2020 - Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung
veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat die
Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin
gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein
Kopftuch zu tragen, zurückgewiesen.
Danach ist die
Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im
Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht
neutral zu verhalten, aus verfassungsrechtlicher Sicht zu
respektieren. Zwar stellt diese Pflicht einen Eingriff in die
Glaubensfreiheit und weitere Grundrechte der
Beschwerdeführerin dar. Dieser ist aber gerechtfertigt.
Als rechtfertigende Verfassungsgüter kommen die Grundsätze
der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und
der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative
Religionsfreiheit Dritter in Betracht. Hier kommt keiner der
kollidierenden Rechtspositionen ein derart überwiegendes
Gewicht zu, das dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das
Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder
zu erlauben.
Verbot der geschäftsmäßigen
Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 26. Februar 2020 - Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes
Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das
Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter
zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene
Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem
Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen
Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt
autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu
respektieren.
Mit dieser Begründung hat der Zweite
Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in §
217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der
geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das
Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die
Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch
weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem
Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die
Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen,
dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu
beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung
verbleibt.
Keine Haftung für
Kundenbewertungen bei Amazon Karlsruhe, 20.
Februar 2020 - Der unter anderem für
Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat entschieden, dass den Anbieter eines auf der
Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für
Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich keine
wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
Sachverhalt: Der
Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die Beklagte
vertreibt Kinesiologie-Tapes. Sie hat diese Produkte in der
Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung
geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert
nachweisbar ist. Die Beklagte hat deshalb am 4. November 2013
gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgegeben. Die Beklagte bietet
ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an.
Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article
Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN
(Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die
sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten
Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts
angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon
die Produkte bewerten.
Amazon weist eine solche
Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden
ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem
Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu
diesem - unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen
- Produkt abgegeben wurden.
Am 17. Januar 2017 bot
die Beklagte bei Amazon Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem
Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem
die Hinweise "schmerzlinderndes Tape!", "This product is
perfect for pain…", "Schnell lässt der Schmerz nach",
"Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen
durch das Bekleben weg" und "Schmerzen lindern" enthielten.
Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung
einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen
lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab. Der Kläger
begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der
Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu
Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen.
Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei
Amazon nicht anbieten.
Bisheriger Prozessverlauf: Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein
Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a* UWG in Verbindung mit § 11
Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte
keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen
enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie
stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche
Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers
zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht
angenommen, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von
ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine
wettbewerbsrechtliche Haftung trifft. Ein
Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der
Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die
Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen
Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar
irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete
Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht
gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den
Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den
Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich
die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die
inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat.
Die
Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet,
finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und
werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der
Beklagten als Verkäuferin zugerechnet. Die Beklagte traf auch
keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die
Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1
UWG zu verhindern. Durch ihr Angebot auf Amazon wird
keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender
Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf
Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und
verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von
Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu
äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und
Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen
auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder
auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und
Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.
Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen
Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen
Eingriff in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es
hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine
Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes
fehlen.
Vorinstanzen: LG Essen - Urteil vom 30. August
2017 - 42 O 20/17 OLG Hamm - Urteil vom 11. September 2018 -
4 U 134/17 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß
geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen
Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1
UWG Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche
Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder
sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen
Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht
getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend,
wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung
geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: 1. die
wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie
Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken,
Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der
Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit,
Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst
und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche
Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder
die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der
Waren oder Dienstleistungen; § 8 Abs. 1 UWG Wer eine
nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung
vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr
auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch
auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige
Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. § 11 Abs. 1 Satz 1
Nr. 11 HWG Außerhalb der Fachkreise darf für
Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder
andere Mittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter,
insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder
Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche
Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder
irreführender Weise erfolgen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild
frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Unzulässiger Eilantrag gegen
Berliner „Mietendeckel“ Karlsruhe, 14. Februar
2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext:
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des
Ersten Senats einen Antrag auf Außerkraftsetzung einer
Vorschrift des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher
Vorschriften zur Mietenbegrenzung des Landes Berlin
(sogenannter „Mietendeckel) im Wege einer einstweiligen
Anordnung als unzulässig verworfen. Die Antragsteller,
die Wohnungen in Berlin vermieten, begehrten, die Verletzung
der Regelungen zu bestimmten Auskunftspflichten und zur
gesetzlich bestimmten Höchstmiete vorläufig nicht als
Ordnungswidrigkeit einzustufen. Ein zulässiger Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem
Bundesverfassungsgerichtsgesetz erfordert eine substantiierte
Darlegung seiner Voraussetzungen. Die Zulässigkeit eines
Eilantrags gegen ein Gesetz vor seiner Verkündung setzt dabei
voraus, dass der Inhalt des Gesetzes feststeht und seine
Verkündung unmittelbar bevorsteht. Diesen Anforderungen
genügt der Antrag nicht. Die Antragsteller haben nicht
dargelegt, dass das Gesetzgebungsverfahren infolge der im
Abgeordnetenhaus von Berlin im Januar 2020 durchgeführten
zweiten Lesung des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher
Vorschriften zur Mietenbegrenzung des Landes Berlin
vollständig abgeschlossen ist. Nach dem Berliner
Landesrecht werden Gesetzesanträge zwar regelmäßig in zwei
Lesungen beraten und beschlossen. Allerdings hat auf
Verlangen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des
Senats von Berlin eine dritte Lesung stattzufinden. Zudem
hat der Präsident des Abgeordnetenhauses Gesetze unverzüglich
auszufertigen. Hier ist aber weder vorgetragen noch
ersichtlich, dass sowohl der Präsident des Abgeordnetenhauses
als auch der Senat von Berlin keine dritte Lesung verlangt
haben, noch dass durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses
die Ausfertigung desselben vorgenommen wurde. Der Antrag ist
daher verfrüht.
Aus dem Grundgesetz ergibt sich
grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass Tarifverträge für
allgemeinverbindlich erklärt werden
Karlsruhe, 5. Februar 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat
eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der
Kurztext: Nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) können
Tarifverträge durch das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt werden. Sie
gelten dann nicht nur für die Tarifvertragsparteien und ihre
Mitglieder, sondern auch darüber hinaus. Jedoch ergibt
sich aus der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie
kein Recht darauf, dass ein Tarifvertrag für
allgemeinverbindlich erklärt wird. Daher hat die 3. Kammer
des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss die
Verfassungsbeschwerde einer Gewerkschaft und einer durch
Tarifvertrag eingerichteten Sozialkasse nicht zur
Entscheidung angenommen.
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Januar 2020 |
Urteil im Verfahren zum Tod einer Frau nach Stoß vor einen
Zug in Voerde Beschuldigter in der geschlossenen Psychiatrie
untergebracht
Landgericht Duisburg, 28. Januar 2020 -
In dem Strafverfahren (Sicherungsverfahren) gegen einen
28-jährigen Beschuldigten aus Hamminkeln hat die 5. Große
Strafkammer – Schwurgericht – in der öffentlichen Sitzung am
28.01.2020 ein Urteil verkündet. Der Beschuldigte wurde
(unbefristet) in einem geschlossenen psychiatrischen
Krankenhaus untergebracht.
Nach den Feststellungen
der Kammer stieß der Beschuldigte am 20.07.2019 die am
Bahnsteig des Bahnhofs in Voerde wartende Geschädigte in
Tötungsabsicht vor einen einfahrenden Zug. Die junge Frau
wurde von dem Zug erfasst und verstarb noch am Tatort. Zuvor
war der Beschuldigte bereits mit anderen auf dem Bahnsteig
wartenden Personen in Konflikt geraten.
Die Richter
haben die Tat als Mord mit dem Merkmal der Heimtücke
gewertet. Sie haben hierzu festgestellt, dass der
Beschuldigte bei der Tat bewusst den Umstand ausnutzte, dass
die Frau nicht mit einem Angriff auf ihr Leben rechnete und
sich deswegen hiergegen nicht zur Wehr setzen konnte. Das
Gericht hat dagegen das Merkmal der Mordlust nicht
angenommen.
Die Richter konnten nicht feststellen,
dass es dem Beschuldigten darum ging, sich durch die Tötung
eines Menschen Befriedigung zu verschaffen. Die Motivlage
blieb nach der durchgeführten Beweisaufnahme unklar. Die
Richter haben überdies nach Anhörung eines psychiatrischen
Sachverständigen festgestellt, dass der Beschuldigte die Tat
aufgrund einer psychischen Erkrankung beging. Es konnte zudem
nicht ausgeschlossen werden, dass er bei der Tat
schuldunfähig war. Weil das Gericht davon ausgegangen
ist, dass der Beschuldigte wegen seiner Erkrankung auch in
Zukunft für die Allgemeinheit gefährlich ist, hat es seine
unbefristete Unterbringung in einem geschlossenen
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Urteil ist nicht
rechtskräftig. Aktenzeichen: 35 Ks 20/19
Alkohol im Blut kann Versicherungsschutz kosten ·
Mitfahrt bei Betrunkenem kann Konsequenzen haben ·
Promillegrenzen gelten auch beim Radfahren
Coburg/Duisburg, 23. Januar 2020 -
Die fünfte Jahreszeit hat begonnen und nähert sich
langsam ihrem Höhepunkt. Für viele Narren gehört ein guter
Schluck genauso zum Fasching wie die gute Laune. Manch einer
fühlt sich nach ein, zwei Gläsern immer noch als Herr des
Geschehens, doch der Eindruck täuscht. Schon geringe
Alkoholmengen genügen, um die Reaktionsfähigkeit drastisch
einzuschränken.
Bei Fahrauffälligkeiten – wie dem Fahren
von Schlangenlinien oder zu dichtem Auffahren – drohen
bereits ab 0,3 Promille ein Fahrverbot, Punkte und ein
Bußgeld. Wer mit 0,5 Promille in eine Polizeikontrolle gerät,
wird mit mindestens 500 Euro zur Kasse gebeten, darf sich
mindestens einen Monat nicht ans Steuer setzen und kassiert
zwei Punkte in Flensburg.
Ist ein Autofahrer mit mehr als 1,1
Promille unterwegs, geht der Gesetzgeber automatisch von
absoluter Fahruntüchtigkeit aus. Wen die Polizei so antrifft,
der muss sich für mindestens sechs Monate von seinem
Führerschein verabschieden. Weitere Konsequenzen sind drei
Punkte in Flensburg und eine Geldstrafe. Bei solch einer
Trunkenheitsfahrt wird der Führerschein entzogen. Seine
Rückgabe muss bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt
werden.
Fahranfänger sollten berücksichtigen: Bis
zum 21. Geburtstag beziehungsweise während der Probezeit ist
Alkohol am Steuer absolut tabu. Auch Rad fahren und Alkohol
passen nicht zusammen: Wer angetrunken einen Unfall
verursacht, läuft ab 0,3 Promille ebenfalls Gefahr, seinen
Führer-schein verlieren. Ab 1,6 Promille muss auch ein
Radfahrer mit einem Verfahren rechnen - unabhängig davon, ob
er einen Führerschein besitzt.
Nicht mit Versicherungsschutz
spielen
Soweit die strafrechtliche Seite. War bei
einem Unfall Alkohol im Spiel, kann sich das, wie die
HUK-COBURG mitteilt, auch auf den Versicherungsschutz
auswirken. Inwiefern hängt vom Blutalkoholspiegel und der
individuellen Fahrtüchtigkeit ab. Also davon, ob der Fahrer
eine Situation erkannt und angemessen reagiert hat. Wer
Schlangenlinien gefahren ist, Autos gerammt hat oder von der
Straße abgekommen ist, hat diese Grenze überschritten. Wie
viel Alkohol zu Ausfallerscheinungen führt, ist bei jedem
verschieden. Im Extremfall genügt ein Glas Sekt.
Lässt sich der Unfall eindeutig auf
Alkoholkonsum zurückführen, greift in der
Kfz-Haftpflichtversicherung die Trunkenheitsklausel. Sie
befreit den Versicherer von seiner Leistungspflicht. Das
heißt: Die Versicherung reguliert den Schaden des Opfers,
nimmt aber den Unfallverursacher in Regress. Maximal 5.000
Euro kann sie sich vom Schädiger zurückholen.
In der Kasko-Versicherung kann sich der
Versicherer auf Leistungsfreiheit berufen und nur einen Teil
des Schadens oder gar nichts bezahlen. Bei 1,1 Promille gilt
der Alkoholgenuss automatisch als unfallursächlich.
Allerdings genügen auch geringere Mengen, um den
Versicherungsschutz ins Wanken zu bringen. Die Gretchenfrage
ist und bleibt die Ursächlichkeit für die Karambolage.
Beifahrer mit in der Verantwortung
Auch wer bei seinem alkoholisierten
Trinkkumpan ins Auto steigt, muss bei einem Unfall mit
Konsequenzen rechnen. Wird der Beifahrer verletzt, können
seine Ansprüche gekürzt werden, die er im Normalfall gegen
den Verursacher gehabt hätte. Dies gilt zum Beispiel für das
Schmerzensgeld. Die Rechtsprechung unterstellt hier, dass ein
Beifahrer, der sich zu einem Betrunkenen ins Auto setzt, sich
selbst gefährdet und die Verletzungsfolgen dadurch mit
verursacht hat.
Selbst am Morgen nach einer fröhlich
durchzechten Nacht ist der Alkohol immer noch ein Thema.
Schließlich dauert es um die zehn Stunden, bis ein Promille
Alkohol im Körper abgebaut wird. Im Zweifelsfall empfiehlt
sich der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.
Kein gewohnheitsrechtliches
Wegerecht aufgrund jahrzehntelanger Duldung durch den
Nachbarn Karlsruhe, 24. Januar 2020 - Der V.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute
entschieden, dass im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn
ein Wegerecht nicht aufgrund Gewohnheitsrechts durch eine –
sei es auch jahrzehntelange – Übung entstehen kann. Außerhalb
des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur aufgrund
schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den
Voraussetzungen des § 917 BGB bestehen. Sachverhalt: Die
Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an einer
öffentlichen Straße liegender Grundstücke, die mit drei
aneinandergrenzenden Häusern bebaut sind. Im rückwärtigen
Teil dieser Grundstücke befinden sich Garagen, die
baurechtlich nicht genehmigt sind. Die Beklagte ist
Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg
befindet, über den die Kläger die Garagen und die
rückwärtigen Bereiche ihrer vorne über die Straße
erschlossenen Grundstücke erreichen. Eine Nutzung des
Weges wurde seit Jahrzehnten durch frühere Eigentümer der
Grundstücke und nach dem Eigentumsübergang auf die Beklagte
durch diese selbst geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezember
2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die
"Kündigung des Leihvertrages über das vor über 30 Jahren
bestellte, schuldrechtliche Wegerecht". Sie kündigte an,
den Weg zu sperren und begann mit dem Bau einer Toranlage.
Die Kläger, die sich auf ein zu ihren Gunsten bestehendes
Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegrecht berufen, verlangen
von der Beklagten, die Sperrung des Weges zu unterlassen.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die
Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, die Kläger an der
Nutzung des Weges zu hindern, insbesondere durch das
Anbringen eines Tores mit Schließanlage. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Kläger
aufgrund eines zu ihren Gunsten bestehenden Gewohnheitsrechts
zur Nutzung des Zuwegs zum rückwärtigen Bereich ihrer
Grundstücke berechtigt seien. Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen. Die Kläger können sich nicht auf
Gewohnheitsrecht berufen. Gewohnheitsrecht entsteht durch
längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige,
gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als
verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Als
ungeschriebenes Recht enthält es eine generell-abstrakte
Regelung; diese muss über den Einzelfall hinausweisen. Zwar
muss Gewohnheitsrecht kein "Jedermann-Recht" sein. In dem
Unterfall der sog. Observanz, bei der es sich um ein örtlich
begrenztes Gewohnheitsrecht handelt, kann dieses auch im
Verhältnis einer begrenzten Zahl von Eigentümern und Pächtern
zueinander entstehen, etwa nur für eine Gemeinde oder die
Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft.
Voraussetzung ist aber auch in diesem Fall, dass die
ungeschriebene Rechtsnorm, die die Beteiligten als
verbindlich anerkennen, alle Rechtsverhältnisse einer
bestimmten Art beherrscht.
Gewohnheitsrecht kann als dem
Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur
zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf
eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber
beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen
einzelnen Grundstücksnachbarn. In einem konkreten
Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann
ein Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch außerhalb des
Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder
als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB
entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch
jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn. Das
Oberlandesgericht wird zu prüfen haben, ob den Klägern gemäß
§ 917 Abs. 1 BGB ein Notwegrecht zusteht. Dies wäre der Fall,
wenn die ordnungsmäßige Benutzung ihrer Grundstücke eine
Zufahrt über die Grundstücke der Beklagten erforderlich
machte. Soweit die Grundstücke nur zu Wohnzwecken genutzt
werden, wird ein Notwegrecht allerdings schon deshalb
ausscheiden, weil die im hinteren Bereich der Grundstücke der
Kläger befindlichen Garagen baurechtlich nicht genehmigt und
mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig sind.
Soweit die Grundstücke gewerblich genutzt werden, kommt ein
Notwegrecht hingegen grundsätzlich in Betracht, da bei einem
Gewerbegrundstück etwa Be- und Entladevorgänge sowie das
Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem verbindungslosen
Grundstücksteil für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich
sein und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforderlich
machen können.
Vorinstanzen: LG Aachen – Urteil vom
11. Oktober 2017 – 11 O 157/17 OLG Köln – Beschluss vom 1.
Juni 2018 – 16 U 149/17 Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 1027 BGB Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so
stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu. §
1004 BGB (1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch
Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so
kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der
Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere
Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf
Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen,
wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. § 293 ZPO
1Das in einem anderen Staat geltende Recht, die
Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur
insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. 2Bei
Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von
den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist
befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum
Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
Keine
Überwachung des ruhenden Verkehrs durch private Dienstleister
OLG Frankfurt am Main/Duisburg, 20. Januar 2020 - Das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat in einer
Grundsatzentscheidung die Überwachung des ruhenden Verkehrs
durch „private Dienstleister“ für gesetzeswidrig erklärt. Die
so ermittelten Beweise unterliegen einem absoluten
Verwertungsverbot, entschied das OLG mit heute
veröffentlichtem Beschluss. Nr. 06/2020
Der
Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main (Stadt
Frankfurt) hatte als Ortspolizeibehörde wegen unerlaubten
Parkens im eingeschränkten Halteverbot gegen den Betroffenen
ein Verwarngeld von 15 € verhängt. Auf den Einspruch des
Betroffenen hat das Amtsgericht Frankfurt am Main das
Verwarngeld durch Urteil vom 19.07.2018 bestätigt. Die
Feststellungen zu dem Parkverstoß beruhen auf der Angabe des
in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen H.. Dieser war der
Stadt Frankfurt durch „die Firma W. überlassen“ und von der
Stadt als „Stadtpolizist“ bestellt worden. Die Tätigkeit übte
der Zeuge in Uniform aus.
Gegen diese Verurteilung
wendete sich der Betroffene vor dem OLG mit Erfolg. Das
Verfahren sei einzustellen, da die zugrundeliegenden Beweise
einem absoluten Beweisverwertungsverbot unterlägen,
begründete das OLG seine Entscheidung. Der Einsatz „privater
Dienstleister“ zur Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs
sei gesetzeswidrig. Das Recht, Ordnungswidrigkeiten zu
ahnden, sei ausschließlich dem Staat – hier konkret der
Polizei – zugewiesen. Dieses im Rechtsstaatsprinzip
verwurzelte staatliche Gewaltmonopol beziehe sich auf die
gesamte Verkehrsüberwachung, d.h. sowohl den fließenden als
auch den ruhenden Verkehr.
Im Einzelnen: Das OLG
hatte zunächst das Innenministerium gebeten, die
Rechtsstruktur des Vorgehens der Stadt Frankfurt mitzuteilen.
Nach Rücksprache mit der Stadt Frankfurt erklärte das
Ministerium, dass die Stadt Frankfurt für die Kontrolle des
ruhenden Verkehrs Leiharbeitskräfte eines privaten
Dienstleisters auf Basis einer Stundenvergütung einsetze. Die
von der privaten Firma überlassenen Leiharbeitskräfte würden
„unter dem Einsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sowie
einer physisch-räumlichen und organisatorischen Integration
in die Gemeindeverwaltung“ durch „das Regierungspräsidium
Darmstadt gem. § 99 Abs. 3 Nr. 4e HSOG zu Hilfspolizeibeamtin
und -beamten bestellt“ (Stellungnahme der Stadt Frankfurt vom
20.05.2019). Gemäß § 99 Abs. 2 S.1 HSOG hätten
Hilfspolizeibeamte im Rahmen ihrer Aufgaben die Befugnisse
von Polizeivollzugsbeamten. Diese umfassenden Rechte seien
einzelvertraglich wieder beschränkt. Das Innenministerium
teilte zudem mit, dass neben der Stadt Frankfurt auch weitere
Kommunen in Hessen Aufgaben bei der Überwachung des ruhenden
Verkehrs an Leiharbeitskräfte übertragen hätten und diese
jeweils zu Hilfspolizeibeamten bestellt worden seien.
Diese Leiharbeitskräfte trügen in einigen Kommunen
Uniformen, aber nicht in allen. Dieses Vorgehen erklärte das
OLG nun für gesetzeswidrig: Die der Stadt Frankfurt als
Polizeibehörde gesetzlich zugewiesene Verpflichtungen, den
ruhenden Verkehr zu überwachen und Verstöße zu ahnden, seien
hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürften
diese Aufgaben nicht durch private Dienstleister durchgeführt
werden. Die Überlassung privater Mitarbeiter nach dem
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Durchführung
hoheitlicher Aufgaben sei unzulässig. Die Bestellung privater
Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der
Ortspolizeibehörden sei gesetzeswidrig.
Es
gebe keine vom Parlament erlassene Ermächtigungsgrundlage,
die die Stadt Frankfurt berechtigte, die Aufgabe der
Überwachung des ruhenden Verkehrs auf „Dritte“ zu übertragen.
Ein über die Arbeitnehmerüberlassung entliehener Mitarbeiter
werde nicht „Bediensteter“ der Stadt Frankfurt und könne
deshalb auch nicht durch einen hoheitlichen Bestellungsakt
„Stadtpolizist“ werden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
diene dazu, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung im
privatwirtschaftlichen Bereich einzudämmen.
Ein
Wirtschaftsunternehmen (und nicht der Staat) dürfe
kurzfristige auftretende Tätigkeitsspitze durch die
kurzfristige Hinzuziehung fremder Arbeitskräfte ausgleichen,
wobei entscheidend sei, dass der entliehene Arbeitnehmer im
verleihenden Unternehmen verbleibe. Das
Regierungspräsidium Darmstadt habe für die vorliegend
vorgenommene Bestellung einer Privatperson zu einem
„Stadtpolizisten“ auch keine Zuständigkeit. Sie ergebe sich
insbesondere nicht aus § 99 Abs. 3 Nr. 4 HSOG. § 99 HSOG
erfülle vielmehr nicht die Voraussetzungen für eine
Ermächtigungsnorm und könne als Landespolizeigesetz diese
auch nicht erfüllen. § 99 HSOG regele lediglich die Frage
einer möglichen landesspezifischen Umsetzung bei der
Durchführung („Wie“), wenn dies in einer
Ermächtigungsgrundlage vorgesehen wäre („Ob“). Für die
Verkehrsüberwachung fehle jedoch diese
Ermächtigungsgrundlage. Mit Hilfe des Polizeirechts der
Länder könne eine verfassungsrechtlich verankerte und in
Bundesgesetzen geregelte Kompetenz-, Regelungs- und
Sanktionierungszuweisung nicht umgangen oder außer Kraft
gesetzt werden. § 99 Abs. 3 HSOG sei nach Sinn und Zweck der
Vorschrift und gemäß der gesetzgeberischen Konstruktion vor
dem Hintergrund seines eng auszulegenden Ausnahmecharakters
zu Art. 33 Abs. 4 GG so aufgebaut, dass die jeweilige Behörde
für die ihr übertragenen (polizeilichen) Tätigkeiten jeweils
eigene Bedienstete und Bedienstete der jeweils nachgeordneten
Behörden als „Hilfspolizeibeamte“ bestellen könne.
Die Stadt Frankfurt könne daher nach § 99 Abs. 3 HSOG für die
eigene „Stadtpolizei“ „eigene Bedienstete“ bestellen. Das
habe sie indes nicht getan. Stattdessen habe sie die
„Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im
strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen“
lassen. Es sei nach Außen der „täuschende(n) Schein der
Rechtstaatlichkeit“ aufgebaut worden, „um den Bürgern und den
Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu
vermitteln“. Tatsächlich seien diese aber durch einen
„privaten Dienstleister“ durchgeführt worden, der im Ergebnis
durch Verwarngelder finanziert werde, deren zu Grunde
liegende Verstöße er selbst erhebe. Oberlandesgericht
Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.1.2020, Az: 2 Ss-Owi
963/18 (vorausgehend Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil
vom 19.7.2018, Az: 979 OWi - 858 Js 47749/17)
Erläuterungen:
In Frankfurt wurden 2018 über 700.000 Parkverstöße geahndet
mit einem Sanktionswert von über 10 Mio. €. Das OLG Frankfurt
ist laut der Beschlussbegründung das erste OLG, welches sich
mit der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes „privater
Dienstleister“ im Bereich der Verkehrsüberwachung des
ruhenden Verkehrs befasst. Den Einsatz sog. „privater
Dienstleister“ bei der Überwachung des fließenden Verkehrs
hatte das OLG bereits grundsätzlich für gesetzeswidrig
erklärt (Grundsatzentscheidungen v. 26.04.2017 - 2 Ss-Owi
295/17 sog. Lauterbach-Entscheidung; Beschluss vom 06.11.2019
- 2 Ss-OWi 942/19 - vgl. Presseerklärung Nr. 65/2019 vom
12.11.2019; Beschluss vom 27.11.2019 - 2 Ss-OWi 1092/19 -
vgl. Presseerklärung
Nr. 78/2019 vom 20.12.2019).
Art. 33 Grundgesetz [Staatsbürgerliche Rechte] (1) ....
(4)
Die Ausübung
hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der
Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen,
die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnis stehen. § 99 HSOG Hilfspolizeibeamtinnen und
Hilfspolizeibeamte (1) 1 Zur Wahrnehmung bestimmter
Aufgaben der Gefahrenabwehr oder zur hilfsweisen Wahrnehmung
bestimmter polizeilicher Aufgaben können
Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte bestellt
werden; in den Landkreisen und Gemeinden können sie die
Bezeichnung Ordnungspolizeibeamtin oder
Ordnungspolizeibeamter führen. 2 Die Bestellung ist
widerruflich. (2) ... (3) 1 Zu Hilfspolizeibeamtinnen und
Hilfspolizeibeamten können bestellen 1. die kreisfreien
Städte und Landkreise eigene Bedienstete, 2. die
Polizeibehörden eigene Bedienstete, 3. die Landräte
eigene Bedienstete und Bedienstete kreisangehöriger
Gemeinden, 4. die Regierungspräsidien a) Bedienstete
sonstiger Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen
Rechts, b) Privatforstbedienstete, die als
Forstschutzbedienstete amtlich bestätigt worden sind, und,
soweit in sonstigen Rechtsvorschriften nichts anderes
bestimmt ist, Bedienstete von Unternehmen, die dem
öffentlichen Verkehr dienen, c) amtlich verpflichtete
Fischereiaufseherinnen und Fischereiaufseher, d) sonstige
Bedienstete des Landes, e) andere Personen. 2 Bestellungen
von Bediensteten kreisangehöriger Gemeinden sowie
Bestellungen nach Satz 1 Nr. 4 Buchst. a bis c erfolgen auf
Antrag.
Neue Düsseldorfer Tabelle
2020
Die von dem
Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene "Düsseldorfer
Tabelle" wird zum 1.
Januar 2020 geändert. Die Änderungen betreffen im
Wesentlichen (1) die Bedarfssätze minderjähriger und
volljähriger Kinder, (2) den Bedarf eines Studierenden, der
nicht mehr bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt,
sowie (3) die sogenannten Selbstbehalte. Am Ende dieser
Mitteilung wird (4) kurz die Bedeutung der "Düsseldorfer
Tabelle" erklärt und (5) eine Perspektive für das Jahr 2021
gegeben. 1. Bedarfssätze für Kinder
Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht
auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der "Zweiten
Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom
12.09.2019".
Der Mindestunterhalt beträgt danach ab
dem 1. Januar 2020: - für Kinder der 1. Altersstufe (bis
zur Vollendung des 6. Lebensjahres) 369 EUR (Anhebung um
15 EUR), - für Kinder der 2. Altersstufe (bis zur
Vollendung des 12. Lebensjahres) 424 EUR (Anhebung um 18 EUR)
und - für Kinder der 3. Altersstufe (vom 13. Lebensjahr
bis zur Volljährigkeit) 497 EUR (Anhebung um 21 EUR).
Diese der Entscheidung des Gesetzgebers folgende Erhöhung des
Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der
Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer
Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5.
Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um
jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben. Auch die
Bedarfssätze volljähriger Kinder, die in 2018 und in 2019
unverändert blieben, werden zum 01.01.2020 angehoben. Sie
betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe. Die
Einkommensgruppen, die zuletzt zum 01.01.2018 erhöht wurden,
bleiben unverändert.
2. Bedarf von
Studierenden In Anlehnung an den zum 01.08.2019
gestiegenen Höchstsatz nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz steigt der Bedarf eines
Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem
Elternteil wohnt, von bisher 735 EUR auf 860 EUR
(einschließlich 375 EUR an Warmmiete). Auf den Bedarf des
Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen.
Dieses beträgt seit dem 1. Juli 2019: - für ein erstes
und zweites Kind 204 EUR, - für ein drittes Kind 210 EUR
und - ab dem vierten Kind 235 EUR.
Das Kindergeld
ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und
bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den
Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des
Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang
der Tabelle beigefügten "Zahlbetragstabellen" aufgelistet.
3. Selbstbehalte Erstmals seit
2015 ändern sich die sogenannten Selbstbehalte. Diese
Selbstbehalte bilden den dem Unterhaltspflichtigen mindestens
zu belassenden Betrag ab. Gegenüber den Ansprüchen
minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder
bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt
der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der
allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt der notwendige
Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen
960 EUR und des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen
1.160 EUR statt bislang 880 EUR bzw. 1.080 EUR. Der
notwendige Selbstbehalt beinhaltet Wohnkosten (Warmmiete) von
430 EUR. Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die
Wohnkosten diesen Betrag überschreiten und nicht unangemessen
sind. Sofern nicht der Mindestbedarf des
unterhaltsberechtigten Kindes betroffen ist, beträgt der dem
Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf mindestens
1.400 EUR statt bisher 1.300 EUR. Gegenüber Ansprüchen auf
Ehegattenunterhalt bzw. Unterhaltsansprüchen der Mutter oder
des Vaters eines nicht ehelichen Kindes beträgt der
Eigenbedarf des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab dem
01.01.2020 1.280 EUR und des nicht erwerbstätigen
Unterhaltspflichtigen 1.180 EUR.
Die Unterscheidung
zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen
Unterhaltspflichtigen erfolgt in Anlehnung an den Beschluss
des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2019 (Aktenzeichen
XII ZB 341/17). Der Selbstbehalt gegenüber
Unterhaltsansprüchen von Eltern steigt zum 01.01.2020 von
bisher 1.800 EUR auf 2.000 EUR. Auswirkungen des sogenannten
Angehörigenentlastungsgesesetzes sind noch nicht
berücksichtigt.
4. Hintergrund der
"Düsseldorfer Tabelle" Die seit dem 1. Januar
1979 von dem Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene
"Düsseldorfer Tabelle" beruht auf Koordinierungsgesprächen
aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des
Familiengerichtstages e.V. Sie ist eine Richtlinie und
Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts im
Sinne des § 1610 BGB und wird von allen Oberlandesgerichten
zur Bestimmung des Kindesunterhalts verwandt.
5. Perspektiven für 2021 Die nächste
Änderung der Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum
1. Januar 2021 erfolgen. Nach der Mindestunterhaltsverordnung
vom 12. September 2019 wird dann der Mindestunterhalt -
für ein Kind der 1. Altersstufe auf 378 EUR, - für ein
Kind der 2. Altersstufe auf 434 EUR und - für ein Kind
der 3. Altersstufe auf 508 EUR steigen.
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