Duisburg, 1. Dezember 2021 - Das
Kanalnetz in Deutschland erstreckt sich im öffentlichen
Bereich über eine Länge von 594 000 Kilometern. Im
Privatbereich kommt die anderthalb- bis zweifache Strecke
dazu. Fraunhofer UMSICHT hat im Auftrag der Fachvereinigung
Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V. abgeschätzt, welche
Menge an Mikroplastikpartikeln durch den Verschleiß von
Abwasserrohren aus Kunststoff in die Umwelt gelangen.
Die Überlegungen zeigen: Die freigesetzte Abriebmenge liegt
in ähnlicher Größenordnung wie die von Rasentrimmern.
Mikroplastikabrieb im öffentlichen Kanalnetz
Kunststoffe sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig.
Auch der Anteil an Kunststoffrohren im Abwassersystem steigt
seit Jahren. Mittlerweile bestehen knapp 18 Prozent des
öffentlichen Abwassernetzes aus Kunststoff1 – das
entspricht einer Strecke von 106 920 Kilometern unter der
Erde. Sie besitzen eine glatte Oberfläche und hohe
Elastizität.
Dennoch geben Kunststoffrohre Mikroplastikpartikel an die
Umwelt ab.
»In den Kanälen herrschen sehr aggressive Bedingungen durch
Feuchtigkeit, Strömung und Abrasivstoffe«, schildert Jürgen
Bertling, stellvertretender Abteilungsleiter
Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement beim UMSICHT,
»Durch den Verschleiß setzen die Rohre schließlich
Mikroplastikpartikel frei.«
Die partikulären, schleißenden Bestandteile stammen
überwiegend aus dem Niederschlagswasser und finden sich
deshalb in Regen- und Mischkanälen. Zwar geht nicht der
gesamte Abrieb in die Umwelt, da Abwasserbehandlungsanlagen
einen Teil zurückhalten. Allerdings wird ein Teil der
zurückgehaltenen Partikel mit dem Klärschlamm wieder auf
Felder ausgebracht. Reine Regenwasserkanäle führen dagegen
meist ungeklärt oder nur durch einfache Absetzbecken in die
Vorfluter.
46 Tonnen Mikroplastik pro Jahr im öffentlichen
Bereich
Die Forschenden von Fraunhofer UMSICHT konnten in einer
ersten Studie im öffentlichen Kanalnetz einen Abrieb von 120
Tonnen Mikroplastik pro Jahr abschätzen. Davon hält die
Abwasserbehandlung rund 62 Prozent zurück. Die freigesetzte
Abriebmenge beträgt daher 46 Tonnen pro Jahr. Im privaten
Bereich gestaltet sich die Abschätzung durch die wenigen
Daten schwieriger. Das Team hat angenommen, dass der
Durchmesser der Rohre kleiner, aber der Kunststoffanteil
demgegenüber hoch ist. Der abgeschätzte Abrieb von rund 500
Tonnen pro Jahr im Abwassernetz auf privaten Grundstücken
reduziert sich durch die Abwasserbehandlung auf ca. 190
Tonnen pro Jahr.
Kunststoffrohre werden während des Einbaus häufig vor Ort
gekürzt und neu gefast. In der Regel wird dies ohne
besondere Vorkehrungen durchgeführt, und die Späne
verbleiben im Rohr oder zum größten Teil im umgebenden
Erdreich. Die Emissionen durch Schnittverluste beim Verlegen
schätzen die Forschenden aber auf unter 10 Tonnen pro Jahr
und damit vergleichsweise gering ein.
Mikroplastikemissionen von Kunststoffrohren eher
gering
Die Ergebnisse der Abriebmengen liegen somit weit unter den
Abriebmengen, die zum Beispiel durch Pellets entstehen
(14924 t/a) entstehen, aber in vergleichbarer Größenordnung
wie Rasentrimmer (123 t/a)3. Die Abschätzungen
zeigen, dass zurzeit die Mengen an Kunststoffabrieb im
Vergleich zur Gesamtmenge der Mikroplastikemissionen eher
gering sind. Die emittierten Polymere PE und PVC gelten
allerdings als besonders schwer abbaubar.
Von Parameterkombinationen zur wahrscheinlichen
Abriebmenge
Um die jährlichen Abriebmengen erstmalig abschätzen und ggf.
einen Handlungsbedarf erkennen zu können, haben die
Forschenden in einem ersten Schritt zu Messverfahren und
Abschätzung des Abriebs recherchiert. Daraufhin erfolgte die
Abschätzung beruhend auf der Verteilung von Längen,
Durchmessern und der Abriebtiefen über die Lebensdauer, die
veröffentlichten Literaturwerten entnommen wurden. Die
wenigen verfügbaren Daten dienten dem Team für eine erste
Einschätzung. Allerdings hinterfragen sie die
Vergleichbarkeit der verwendeten Ergebnisse der Darmstädter
Rinne bei verschiedenen Werkstoffen in Hinblick auf
Laborversuche und Lebensdauer.
»Da wir die Parameter nur sehr unsicher bestimmen können,
haben wir für jeden Parameter ein gewisses Intervall
geschätzt«, erklärt Jan Blömer, Abteilung Nachhaltigkeit und
Partizipation. »Den Abrieb berechnen wir jeweils für 1000
Parameterkombinationen. Daraus können wir dann einen
wahrscheinlichen Abrieb mit einer gewissen Schwankungsbreite
bestimmen.« Der Abrieb pro Jahr ergibt sich so aus der
Kanalnetzlänge multipliziert mit dem Anteil der
Kunststoffrohre, der Verschleißbreite und der
Verschleißtiefe geteilt durch die Lebensdauer.
Mikroplastik in der Umwelt
Große Mengen von Kunststoffen gelangen jedes Jahr in die
Umwelt.2 Fraunhofer UMSICHT arbeitet seit 2015
daran, den Erkenntnisstand rund um die Thematik
Kunststoffemissionen zu verbessern. Das Forschungsteam der
Konsortialstudie Mikroplastik konnte im Juni 2018 insgesamt
ca. 70 Quellen für Mikroplastikemissionen identifizieren.3 Die
(primären) Mikroplastikemissionen in Deutschland haben sie
auf 330 000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Aktuell versuchen die
Wissenschaftler*innen, einzelne Quellen genauer zu bestimmen
und auch die Transferpfade in die Umwelt aufzuschlüsseln.
[1] Berger et al. (2020)
[2] Geyer, Jambeck und Law (2017)
[3] Bertling, Hamann und Bertling (2018)
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