IMK-Konzept
Düsseldorf/Duisburg, 30. Juni 2023 - Der Einbau einer neuen,
nicht-fossilen Heizung und parallel eine energetische
Sanierung einer älteren Immobilie können auf einen Schlag
mehrere Zehntausend Euro kosten. Die Bundesregierung hat
zwar großzügige Zuschüsse beim Heizungswechsel angekündigt,
insbesondere für Eigentümerinnen und Eigentümer mit
niedrigeren Einkommen. Doch auch die verbleibenden Ausgaben
können erheblich sein.
Durch ein neues zusätzliches Förderinstrument wäre es
möglich, eine Überlastung von Eigentümerinnen und
Eigentümern selbstgenutzter Immobilien zu verhindern, weil
diese monatlich für das komplette Sanierungsprogramm nicht
mehr bezahlen müssen als für eine neue Gas- oder Ölheizung.
Das Finanzierungsmodell würde es sogar für viele Haushalte
noch attraktiver machen, früher als durch das neue
Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgeschrieben auf klimaschonende
Heizungen umzusteigen.
Damit wäre ein wichtiger Beitrag geleistet, um die
Klimaziele der Bundesrepublik einzuhalten. Und zwar zu
vertretbaren Kosten für die öffentliche Hand und ohne die
Gefahr weitreichender Mitnahmeeffekte. Zu diesem Ergebnis
kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*
In ihrer Untersuchung entwickeln der wissenschaftliche
Direktor des IMK, Prof. Dr. Sebastian Dullien, und die
IMK-Expert*innen für Wohnungsmärkte und für
sozial-ökologische Transformation, Dr. Carolin Martin und
Dr. Tom Bauermann, das Konzept eines „Staatlichen
Sanierungskapitals“ für die Wärmewende. Ein wesentlicher
Ausgangspunkt dafür ist die Analyse, welche Kosten für den
Betrieb von Gas- und Ölheizungen in den kommenden
zweieinhalb Jahrzehnten realistisch sind. Diese würden von
vielen Laien und insbesondere von Akteuren, die das GEG
ablehnen, drastisch unterschätzt, weil sie den
mittelfristigen Anstieg des CO2-Preises viel zu niedrig
ansetzen, so die Forschenden.
Ein Anlass für solche Illusionen ist, dass die Entwicklung
des CO2-Preises bis 2026 noch politisch festgesetzt wurde.
Dadurch steigt der Preis für den Ausstoß einer Tonne
Kohlendioxid bis 2026 auf maximal 65 Euro. Das ist zwar
schon ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Status Quo von 25
Euro, aber er verdeckt die Dynamik, die in den darauf
folgenden Jahren absehbar ist. Denn ab 2027 soll dann ein
Marktmechanismus wirken. Er koppelt, vereinfacht gesagt, den
CO2-Preis an ein schnell abnehmendes Ausstoßvolumen, das mit
den Emissionszielen vereinbar ist.
Die nach IMK-Analyse aussagekräftigsten Studien
prognostizieren, dass der Preis pro Tonne dadurch schon bis
2028 auf deutlich mehr als 200 Euro klettern könnte.
Beispielrechnungen des IMK ergeben, dass bei einem Preis von
300 Euro pro Tonne die Heizkosten für ein teilweise
saniertes Altbau-Einfamilienhaus mit 120 Quadratmetern
Wohnfläche bis 2028 um 300 Euro pro Monat steigen könnten.
Sie lägen dann mehr als doppelt so hoch wie Anfang der
2020er Jahre.
Die monatlichen Heizkosten für ein genauso großes Haus mit
Wärmepumpe und besserer Dämmung lägen dagegen bei etwa 100
Euro – und das bliebe auch in den Jahren danach so, wenn die
Kosten für fossiles Heizen weiter anziehen. Gegenüber
Gasheizungen ist der Kostenvorteil nur geringfügig kleiner.
„Den wenigsten Menschen dürfte diese möglicherweise schon
bald eintretende Belastung für den Fall eines einfachen
Weiterbetriebs ihrer Heizung bewusst sein“, schreiben
Bauermann, Dullien und Martin. Dabei können nicht nur
fehlende Informationen eine Rolle spielen, sondern auch
psychologische Mechanismen, die in der Verhaltensökonomie
mittlerweile gut belegt sind: Menschen haben generell
besonders große Angst vor Risiken mit potenziell hohem
Schaden.
Daher wirkt die Möglichkeit, bei einer Havarie der alten
Heizung kurzfristig viel Geld für eine Wärmepumpe und
möglicherweise eine energetische Sanierung ausgeben zu
müssen, auf etliche Immobilieneigentümer*innen
abschreckender als die Aussicht, künftig jedes Jahr
drastisch mehr für Öl oder Gas zu zahlen – selbst wenn das
erste Risiko für die nächsten Jahre möglicherweise recht
klein ist, das zweite hingegen fast sicher eintreten wird.
Hinzu kommt das in der „Heizungsdebatte“ oft spürbare Gefühl, „ungerecht“
behandelt zu werden, wenn ausgerechnet die eigene Heizung
demnächst schlappmacht und dann Modernisierungspflichten
greifen. Bauermann, Dullien und Martin beschreiben solche
Konstellationen als „negative Lotterie“, die nach
Erkenntnissen der Verhaltensökonomie bei vielen Menschen für
starke Aversionen sorgt.
Das Konzept: Kreditnehmer*innen zahlen monatlich nur so
viel, wie sie mit der neuen Heizung sparen Genau an diesen
Punkten setzt das IMK-Konzept des „staatlichen
Sanierungskapitals“ an. Es sorgt dafür, dass die Rest-Kosten
nach Abzug der Förderung für den Umstieg auf eine effiziente
nicht-fossile Heizung und sogar eine flankierende
energetische Sanierung in selbst genutzten Immobilien
zeitlich stark gestreckt würden.
Kurzfristig muss nicht mehr gezahlt werden als für eine neue
fossile Heizung. Konkret funktioniert das Förderkonzept so:
Im Fall einer Heizungserneuerung müssen die
Hauseigentümer*innen zunächst als Eigenanteil jene Kosten
aufbringen, die für eine (hypothetische) neue Öl- bzw.
Gasheizung angefallen wären. Für darüber hinausgehende
Kosten, die für eine nicht-fossile Heizung und
gegebenenfalls nötige Sanierungsarbeiten anfallen, vergibt
die staatliche Förderbank KfW ein zinsgünstiges
Förderdarlehen.
Dessen Zinssatz soll etwa den vergleichsweise niedrigen
Refinanzierungskosten der KfW entsprechen (derzeit gut 2,5
Prozent), die in diesem Fall ohne Aufschlag an die Haushalte
weitergegeben werden sollen. Die monatlich für dieses
Darlehen zu zahlende Rate der Eigentümer*innen würde so
bemessen, dass sie der Höhe der Einsparungen entspricht, die
beispielsweise durch den Betrieb einer neu eingebauten
Wärmepumpe in der sanierten Immobilie entstehen, verglichen
mit den Heizkosten, die bei einer konventionellen Öl- bzw.
Gasheizung im unsanierten Haus entstanden wären.
Wenn beispielsweise die monatlichen Heizkosten mit Öl oder
Gas bei 400 Euro lägen und die mit Wärmepumpe bei 100,
betrüge die Rate also 300 Euro, bei 300 versus 150 Euro
wären es 150 Euro Schuldendienst. Die monatliche Rate würde
– weil ja auch Strom- und Gasverträge in der Regel für eine
Laufzeit von 12 bis 24 Monaten geschlossen werden – jedes
Jahr anhand der jeweiligen Brennstoffpreise neu berechnet.
Von der monatlichen Zahlung würde zunächst die Verzinsung
beglichen, der darüber hinaus gehende Betrag fließt in die
Tilgung und würde die Darlehenssumme verringern. Für eine
Fördersumme von 40.000 bis 50.000 Euro, die etwa für eine
Wärmepumpe plus energetische Sanierungsmaßnahmen realistisch
erscheint, hat das IMK verschiedene Modellrechnungen
angestellt. Abhängig von der Höhe des CO2-Preises wäre der
KfW-Kredit in 12 bis 26 Jahren abbezahlt, wenn lediglich die
monatlichen Einsparungen bei den Heizkosten überwiesen
werden. Ist der Ausgangsbetrag durch die staatliche
Förderung geringer, reduziert sich die Dauer entsprechend.
Freiwillige Tilgungen wären darüber hinaus jederzeit
möglich. Das „staatliche Sanierungskapital“ hat nicht nur
aus Sicht von Eigentürmer*innen große Vorteile,
argumentieren die IMK-Forschenden, sondern auch mit Blick
auf Klimaschutz und Staatsfinanzen. Weil es offen ist für
alle, die die Wärmewende in ihrer selbstgenutzten Immobilie
nicht auf einen Schlag bezahlen können oder wollen, bremst
es nicht die aus Klimasicht notwendige Beschleunigung bei
der energetischen Modernisierung des Gebäudebestands aus –
anders als etwa ursprünglich diskutierte
„Härtefallklauseln“.
Im Unterschied zu direkten Förderzahlungen aus dem
Bundehaushalt fallen KfW-Kredite nicht unter die
Schuldenbremse. Schließlich begrenzt das KfW-Kreditmodell
die Kosten für öffentliche Hand und Steuerzahlende. Und
sollte ein Kredit trotz der vorteilhaften Konditionen
platzen, wäre die Immobilie als Sicherheit verfügbar. Um
Mitnahmeeffekte zu Lasten der Allgemeinheit noch besser
auszuschließen, sieht das IMK-Konzept vor, dass die
prinzipielle Begrenzung der monatlichen Rückzahlungen auf
die eingesparten Heizkosten dann endet, wenn die Immobilie
verkauft oder vererbt wird.
Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgezahlte Summe kann
bei Bedarf in ein übliches Annuitätendarlehen umgewandelt
werden, gegebenenfalls mit reduziertem Zinssatz.
Schließlich, so die Forschenden, sei das Förderinstrument
„dafür gedacht, für Immobilieneigentümer*innen in einem
selbst bewohnten Eigenheim für deren Lebzeit eine
finanzielle Überlastung durch verschärfte GEG-Vorschriften
zu vermeiden, nicht das Vermögen etwa von Erben zu
schützen.“
*Tom Bauermann, Sebastian Dullien, Carolin Martin Mit
staatlichem Sanierungskapital die Wärmewende unterstützen.
Ein Vorschlag für ein neues Instrument, um die Akzeptanz
strengerer Heizungsstandards zu erhöhen.
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