Düsseldorf/Duisburg, 20. Juli 2023 - Drastischer Einbruch
beim Wohnungsbau: 2024 könnte Zahl der fertiggestellten
Wohnungen unter 200.000 sinken Beim Wohnungsbau in
Deutschland drohen wegen der hohen Zinsen und Baukosten 2023
und insbesondere 2024 drastische Einbrüche. So könnte die
Zahl der neu fertiggestellten Wohneinheiten in Mehr- und
Einfamilienhäusern von 295.000 im Jahr 2022 auf im
schlechtesten Fall schätzungsweise 223.000 in diesem und nur
noch 177.000 im kommenden Jahr sinken. Damit könnte 2024
fast wieder der historische Tiefststand von 2009 erreicht
werden – und das von der Bundesregierung angestrebte Ziel
von jährlich 400.000 neuen Wohnungen läge in weiter Ferne .
Der mögliche Einbruch bei den Fertigstellungen würde einem
Rückgang der realen Wohnungsbauinvestitionen um knapp 21
Milliarden Euro in diesem bzw. gut 16 Milliarden Euro im
kommenden Jahr entsprechen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine
neue Studie des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, welche
die Risiken für die lahmende Baukonjunktur abschätzt.*
Angesichts solcher Aussichten sollten die Ausgaben für
öffentlich geförderten Wohnungsbau erhöht und die Strukturen
für eine schnellere Umsetzung gestärkt werden, empfehlen die
Forschenden (Details unten). So ließe sich Risiken begegnen,
dass sich die Wohnungsknappheit noch weiter zuspitzt und die
Kapazitäten der Bauwirtschaft dauerhaft zurückgefahren
werden.
Für ihre Untersuchung haben die IMK-Fachleute Dr. Carolin
Martin und Dr. Thomas Theobald zusammen mit Lukas Jonas ein
statistisches Modell entwickelt, das insbesondere die
Wirkung der Zins- und der Einkommensentwicklung auf die
Bautätigkeit abschätzbar macht.
Die Zahl der Fertigstellungen 2022 hat das Modell mit
274.000 neuen Wohnungen relativ gut prognostiziert, wenn
auch leicht unterschätzt. Die Forschenden gehen daher davon
aus, dass auch die Vorhersagen für 2023 und 2024 eher den
unteren Rand definieren und sich somit zur Risikoabschätzung
eignen. Zudem erhöht aktuell das Bundesbauministerium die
Wohnungsbauförderung für Sozialbauten – der Effekt auf
Baufertigstellungen ist positiv, allerdings liegen noch
nicht genug Informationen vor, um die Wirkung für 2023 und
2024 einzukalkulieren.
Doch selbst wenn die Entwicklung etwas besser ausfiele als
in der Risikoabschätzung, würde das immer noch drastische
Rückgänge bedeuten, die die Baubranche über Jahre lähmen
könnten, warnen Martin, Theobald und Jonas: „Es besteht die
Gefahr eines Kapazitätsabbaus, der auch mittelfristig dafür
sorgt, dass das verfügbare Angebot weit hinter dem Bedarf
zurückbleiben wird.“
Um den absehbaren Einbruch der privaten Bauinvestitionen
zumindest teilweise auszugleichen, plädieren die Forschenden
für eine spürbare weitere Aufstockung der öffentlichen
Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau. Damit könnte nicht
nur ein Absturz der Baubranche verhindert, sondern auch der
Anteil günstigerer und energieeffizienter Wohnungen
gesteigert werden, die zuletzt von privaten Bauträgern
angesichts zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zu selten
gebaut wurden.
Befürchtungen, ein verstärktes Engagement der öffentlichen
Hand werde dazu beitragen, die Baupreise und indirekt auch
die Inflation anzuheizen, halten die IMK-Fachleute in der
gegenwärtigen Situation für überzogen. Die Risiken seien
beherrschbar, insbesondere, wenn man die Ausgaben
schrittweise aufstocke, die Lage im Jahresrhythmus
evaluiere, die sonstige Bautätigkeit im Blick behalte und
auf die weiteren Ausbaustufen bei ggf. besserer Entwicklung
verzichte. Zudem könne es andererseits auch zur Inflation
beitragen, wenn zu wenig Wohnungen gebaut werden und durch
die Knappheit Mieten weiter anziehen.
Konkret könne nach Analysen des IMK insbesondere eine
Aufstockung und Ausweitung von existierenden KfW-Programmen
für den sozialen Wohnungsbau helfen, die durch steigende
Zinsen verursachten Kosten abzufedern und so Bauprojekte zu
ermöglichen. Eine weitere Förderoption bestehe bei der
Erbpacht. Mittelfristig sinnvoll sei der Aufbau neuer
öffentlicher Einrichtungen, die den Bau bezahlbaren
Wohnraums fördern.
Dazu zählt das IMK:
- Eine bundesweit agierende Beratungsgesellschaft. Sie kann
kommunale Verwaltungen bei der Planung von Wohn- und
Stadtteilprojekten unterstützen. Hier würde sich ein Ausbau
der bereits existierenden Beratungsgesellschaft
„Partnerschaft Deutschland“ anbieten.
- Ein Bodenfonds, der die Kommunen dabei unterstützen kann,
das öffentliche Eigentum an Grund und Boden auszuweiten.
- Ein Beteiligungsfonds, der sich als
Minderheitsgesellschafter an öffentlichen
Wohnungsbaugesellschaften beteiligen und so deren
Eigenkapitalbasis stärken kann.
Lukas Jonas, Carolin Martin, Thomas Theobald Mehr öffentlicher Wohnungsbau
zum Erhalt der Kapazitäten? Eine Abschätzung möglicher
Rückgänge der Bauaktivität durch gestiegene Zinsen für die
Jahre 2023-24. MEHR
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