Neue Werte des IMK Inflationsmonitors
Düsseldorf/Duisburg, 10. August 2023 - Die Inflationsrate in
Deutschland ist im Juli leicht auf 6,2 Prozent gesunken. Die
Teuerungsrate fiel für alle Haushaltstypen niedriger aus als
im Juni. Alleinlebende mit niedrigen Einkommen sind aber mit
einer Inflationsrate von 6,5 Prozent im Juli weiterhin etwas
überdurchschnittlich von der Preissteigerung belastet,
während Singles mit sehr hohen Einkommen mit 5,5 Prozent
deutlich unter dem Durchschnitt liegen.
Wie schon seit Anfang 2022 verzeichnen sie die niedrigste
haushaltsspezifische Belastung. Die Differenz betrug damit
im Juli 1,0 Prozentpunkte, nachdem es im Juni 1,3
Prozentpunkte waren. Das ergibt der neue IMK
Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Die
Forschenden erwarten in den kommenden Monaten einen weiteren
Rückgang der Inflation und empfehlen trotz der bisher nur
zögerlich sinkenden Kernrate, mit weiteren
Leitzinserhöhungen abzuwarten. Denn ein dadurch ausgelöster
noch stärkerer konjunktureller Einbruch und steigende
Arbeitslosigkeit würden ebenfalls Haushalte mit niedrigen
Einkommen besonders hart treffen.
Die IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober und IMK-Direktor
Prof. Dr. Sebastian Dullien analysieren mit dem Monitor seit
Anfang 2022 jeden Monat die Trends der Inflation und
berechnen spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative
Haushaltstypen, die sich nach Personenzahl und Einkommen
unterscheiden. Ärmere Haushalte sind stärker durch die
Inflation belastet, weil sie einen großen Teil ihres
schmalen Budgets für Nahrungsmittel und Haushaltsenergie
ausgeben müssen. Diese Güter des Grundbedarfs sind nach wie
vor die stärksten Preistreiber.
Im Vergleich der letzten Monate hat die Preisdynamik dort
aber nachgelassen, während Posten wie Pauschalreisen,
Gaststättenbesuche oder Versicherungen die allgemeine
Inflation etwas stärker beeinflussen. Solche Ausgaben fallen
in den Warenkörben von Haushalten mit mittleren und höheren
Einkommen stärker ins Gewicht. Deshalb sind die
einkommensspezifischen Differenzen seit Monaten rückläufig
und deutlich niedriger als auf dem Höhepunkt im Oktober
2022, als es 3,1 Prozentpunkte waren. Erstmals seit Beginn
der Untersuchung lagen im Juli auch Familien mit niedrigen
Einkommen bei der Inflation geringfügig unter dem
Durchschnitt aller Haushalte – mit 6,1 Prozent.
Dagegen hatten zwischen Februar 2022 und Februar 2023 diese
Familien durchgehend die höchste Inflationsbelastung tragen
müssen, in den ersten beiden Monaten 2023 zusammen mit
einkommensarmen Alleinlebenden. Dass die ärmeren Familien
nun nicht mehr hervorstechen, beruht auf rückläufigen
Kraftstoffpreisen. Diese schlagen sich rechnerisch im
Ausgabenportfolio von Familien spürbar nieder. Arme
Alleinstehende besitzen hingegen selten ein Auto, weshalb
ihre Inflationsrate davon weniger beeinflusst wird.
Die Teuerungsraten der übrigen untersuchten Haushaltstypen
lagen im Juli ebenfalls etwas unterhalb der allgemeinen
Inflationsrate, wobei der Abstand zum Durchschnitt meist mit
dem Einkommen steigt. So betrug die Inflation für
Alleinerziehende, für Alleinlebende und für kinderlose Paare
mit jeweils mittleren Einkommen je 6,0 Prozent.
Bei Alleinlebenden mit höheren Einkommen schlug die
Inflation mit 5,9 Prozent zu Buche, bei Familien mit
mittleren und mit hohen Einkommen waren es jeweils 5,8
Prozent.
Trotz des nachlassenden Drucks bei
den Preisen für Haushaltsenergie und Lebensmitteln spielen
diese Kostenfaktoren für Haushalte mit niedrigeren Einkommen
weiterhin eine besonders große Rolle, wie der
Detailvergleich zeigt. Bei ärmeren Alleinlebenden
trugen sie im Juli 3,8 Prozentpunkte zur
haushaltsspezifischen Inflationsrate von 6,5 Prozent
bei. Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigeren
Einkommen summierten sie sich auf 3,5 Prozentpunkte, bei
Familien mit mittleren Einkommen immerhin noch auf 2,7
Prozentpunkte.
Bei Alleinlebenden
mit sehr hohen Einkommen trugen
Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 1,5
Prozentpunkte zur Inflationsrate von insgesamt 5,5
Prozent bei. Das Problem wird vor allem für
Haushalte mit niedrigen Einkommen dadurch verschärft, dass
die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, kaum zu ersetzen
sind und viele nur geringe finanzielle Rücklagen haben. Für
die kommenden Monate erwarten Tober und Dullien einen
stärkeren Rückgang der Inflationsrate, vor allem ab
September, wenn Sondereffekte durch den Tankrabatt oder das
9-Euro-Ticket wegfallen, die zwischen Juni und August 2022
die Preise dämpften.
Die Fachleute des IMK rechnen auch mit einer spürbar
sinkenden Kerninflation, also bei der Teuerung ohne die
besonders schwankungsanfälligen Positionen Lebensmittel und
Energie. Denn der Preisdruck lasse bei vielen Produkten und
Dienstleistungen nach, weil die deutlich gesunkenen Energie-
und Rohstoffpreise mit einigem Zeitverzug über die
Produktionsketten hinweg auch bei den Endkund*innen ankommen
werden. Zudem werden stärkere Lohnsteigerungen nach Analyse
des IMK kompensiert durch die Auflösung von Lieferengpässen
und einen Abbau der aktuell noch zu beobachtenden
Übergewinne von Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der wirtschaftlichen
Schwäche im Euroraum und insbesondere in Deutschland sollte
die Europäische Zentralbank die Wirkung der bisherigen
Leitzinserhöhungen abwarten und vorerst eine Zinspause
einlegen, schreiben die Forschenden. Das sei auch im
Interesse von ärmeren Haushalten – trotz der sozialen
Spreizung bei der Inflation. Denn eine weitere Dämpfung der
Konjunktur durch hohe Zinsen könnte zu spürbar mehr
Arbeitslosigkeit führen. „Einkommensschwache Haushalte von
Arbeitnehmenden sind auch jene, die von einem Anstieg der
Arbeitslosigkeit am stärksten getroffen werden“, analysieren
Tober und Dullien.
„Sofern ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Eindämmung der
Inflation nicht erforderlich ist, sollte er daher vermieden
werden.“ Informationen zum Inflationsmonitor Für den IMK
Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die
für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster
ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche
verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln
über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu
Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt
und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung
errechnen.
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Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus
der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative
Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern
und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro),
höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem
Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit
einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen;
Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem
(1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr
als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte
ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen
3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird
monatlich aktualisiert.
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