Neue Werte - IMK-Konjunkturindikator
Düsseldorf/Duisburg, 19. Februar 2024 - Die
Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den
nächsten drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den
letzten Wochen auf bereits hohem Niveau noch leicht
gestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des
Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
der Hans-Böckler-Stiftung. Für den Zeitraum von Februar bis
Ende April weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren
Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen
bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 61,7 Prozent
aus.
Anfang Januar betrug sie für die folgenden drei Monate 56,8
Prozent. Gleichzeitig ist die statistische Streuung im
Indikator, in der sich die Verunsicherung der
Wirtschaftsakteure ausdrückt, mit 18,8 Prozent trotz eines
geringfügigen Rückgangs weiter hoch. Das nach dem
Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarnsystem zeigt, wie
in den Vormonaten, „rot“, was für eine akute
Rezessionsgefahr steht, die bis ins zweite Quartal 2024
reicht. Der leichte Anstieg des Rezessionsrisikos beruht vor
allem darauf, dass die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe
nach den aktuellsten verfügbaren Daten vom Dezember nochmals
gesunken ist.
Weitere Negativ-Faktoren sind die zuletzt schwachen
Einzelhandelsumsätze und ein gestiegener
„Finanzmarktstress“, den das IMK mit einem eigenen Indikator
ermittelt. Dieser Anstieg geht unter anderem auf die aktuell
überdurchschnittlich hohe Zahl an Unternehmensinsolvenzen im
Vergleich zum Vorpandemiestand zurück. Dass die
Rezessionswahrscheinlichkeit nicht noch stärker gestiegen
ist, liegt daran, dass die Aufträge an das Verarbeitende
Gewerbe zuletzt zugenommen haben. Diese positive Entwicklung
sollte aber nicht überschätzt werden, erklärt
IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald. Denn sie sei vor
allem auf Großaufträge im Flugzeugbau zurückzuführen, die
üblicherweise die konjunkturelle Grunddynamik weniger gut
widerspiegeln.
„Einige wichtige Rahmenbedingungen verbessern sich aktuell
eigentlich: Die Inflation ist deutlich rückläufig, was zu
einer absehbar stärkeren Entwicklung der realen Einkommen in
Deutschland führt. Parallel steigt die Erwartung, dass
demnächst die hohen Leitzinsen zumindest moderat gesenkt
werden. Schließlich scheint sich die Nachfrage nach
Investitionsgütern bei wichtigen Handelspartnern wieder zu
beleben, insbesondere in den USA“, analysiert Theobald das
aktuelle Konjunkturbild. Grundsätzlich bestehe daher die
Hoffnung, dass sowohl der private Verbrauch als auch die
Exporte im Jahresverlauf moderate Wachstumsimpulse für die
deutsche Wirtschaft liefern könnten.
Allerdings laufe gleichzeitig eine Art Rennen gegen die
Zeit, sagt der Ökonom: „Denn je länger die
Konjunkturschwäche andauert, desto stärker droht, dass sie
trotz Fachkräftemangels spürbar auf den Arbeitsmarkt
durchschlägt.“ „Mit jedem Monat wächst das Risiko, dass die
konjunkturelle Hängepartie, die wir seit mehreren Quartalen
erleben, in eine chronische Wachstumsschwäche umschlägt“,
warnt vor diesem Hintergrund IMK-Direktor Prof. Dr.
Sebastian Dullien.
In dieser Situation seien sowohl von der Europäischen
Zentralbank (EZB) als auch von der Bundesregierung positive
Signale gefordert: „Die EZB sollte möglichst bald die Zinsen
senken. Und die deutsche Politik sollte realistische,
schnell wirksame Maßnahmen auf den Weg bringen. Dazu gehören
erweiterte Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, wie sie
im Wachstumschancengesetz vorgesehen sind, und eine klare
Perspektive, dass die Schuldenbremse künftig nicht mehr
dringend nötige öffentliche Investitionen ausbremsen kann“,
sagt Dullien.
„Was hingegen nicht hilft, wären weitere Diskussionen um
eine Streichung des Solidaritätszuschlags. Die würde kaum
Investitionen anreizen, aber die Staatsfinanzen weiter
empfindlich schwächen.“
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus
der Real- und der Finanzwirtschaft zum jeweils vorliegenden
Veröffentlichungszeitpunkt ein. Darüber hinaus
berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK
nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine
Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch
reagiert als das Bruttoinlandsprodukt.
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