| 
					Neue Studie des WSI
  Düsseldorf/Duisburg, 
					18. Januar 2023 - Von der Anhebung des Mindestlohns auf 
					zwölf Euro dürften über sechs Millionen Beschäftigte 
					profitiert haben. Beim Großteil von ihnen hat sich dadurch 
					nicht nur der Stundenlohn verbessert, auch ihre monatlichen 
					Gehälter sind im Schnitt deutlich gestiegen, zeigt eine neue 
					Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen 
					Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitgeber 
					haben also überwiegend auf die Erhöhung nicht etwa mit 
					Arbeitszeitreduzierungen reagiert, wovor im Vorfeld manche 
					Gegner gewarnt hatten.
 
 „Es ist daher damit zu rechnen, dass Millionen Beschäftigte 
					durch die Mindestlohnerhöhung mehr Geld zur Verfügung 
					haben“, schreibt Studienautor Dr. Toralf Pusch. Das stelle 
					für die Betroffenen gerade in Zeiten hoher Inflation eine 
					wichtige Hilfe dar und dürfte auch zur Stabilisierung des 
					gesamtwirtschaftlichen Konsums in der Krise beitragen.
 
 Die Untersuchung erscheint heute in der Fachzeitschrift 
					„Wirtschaftsdienst“.* Der Mindestlohn wurde zum 1. Oktober 
					auf zwölf Euro erhöht. Laut Pusch hat sich das direkt auf – 
					je nach Datenbasis – 6,2 bis 6,6 Millionen Beschäftigte 
					ausgewirkt. Den mitunter geäußerten Einwand, die positiven 
					Auswirkungen auf die Stundenlöhne würden durch 
					Arbeitszeitverkürzungen konterkariert, hält der 
					WSI-Arbeitsmarktexperte auf Basis neuer Befragungsdaten für 
					unbegründet. Sie zeigen, dass der höhere Mindestlohn den 
					betroffenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ein 
					Plus von durchschnittlich über 100 Euro pro Monat beschert 
					hat. Bei Minijobbenden mit vergleichsweise geringer 
					Stundenzahl war der Zuwachs niedriger.
 
 Pusch hat für seine Untersuchung Daten der jüngsten Welle 
					der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung 
					ausgewertet, an der im November 2022 über 5100 Personen 
					teilgenommen haben. Die Befragten bilden die Erwerbstätigen 
					in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, 
					Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Diejenigen 
					Befragten, deren Stundenlohn infolge der neuen gesetzlichen 
					Untergrenze gestiegen ist, sollten angeben, ob das auch auf 
					ihr Monatsgehalt zutrifft. Bei rund vier Fünfteln war das 
					der Fall. Diese gut 300 Personen wurden zusätzlich nach der 
					Spanne der monatlichen Gehaltserhöhung gefragt.
 
 Das Ergebnis: Bei 19 Prozent von ihnen waren es mehr als 200 
					Euro, bei 21 Prozent zwischen 100 und 200 Euro, bei 38 
					Prozent zwischen 50 und 100 Euro und bei 22 Prozent weniger 
					als 50 Euro (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version 
					dieser PM; Link unten). Aus diesen und weiteren Angaben hat 
					der WSI-Forscher näherungsweise die durchschnittlichen 
					Gehaltssteigerungen für verschiedene Beschäftigungsformen 
					berechnet. Demnach haben sozialversicherungspflichtig 
					Vollzeitbeschäftigte infolge der Mindestlohnerhöhung im 
					Schnitt monatlich 155 Euro mehr verdient, 
					sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigte 104 Euro 
					und geringfügig Beschäftigte immerhin noch 59 Euro 
					(Abbildung 2 in der pdf-Version).
 
 Die Teilnehmenden der Erwerbspersonenbefragung wurden auch 
					gefragt, ob ihnen im persönlichen Umfeld Fälle bekannt sind, 
					in denen der Mindestlohn nicht gezahlt wird, was immerhin 
					acht Prozent bejahten. „Mindestlohnumgehungen sind also 
					offensichtlich weiterhin ein Problem, dem die Behörden durch 
					bessere Kontrollen nachgehen müssen“, sagt Pusch. Die 
					Größenordnung der Verstöße lasse sich daraus aber nicht 
					abschätzen, so der Ökonom.
 
 Als Annäherung an die Frage nach dem Umfang der Umgehungen 
					hat der Experte die Entwicklung der Monatsgehälter im 
					Mindestlohnbereich zwischen 2013 und 2018 rekonstruiert, da 
					für diesen Zeitraum Daten der Einkommens- und 
					Verbrauchsstichprobe vorliegen. Den Berechnungen zufolge 
					sind diese Gehälter in nur fünf Jahren preisbereinigt um 
					durchschnittlich 18,7 Prozent gestiegen – ein weiteres Indiz 
					dafür, dass der Mindestlohn bei den meisten betroffenen 
					Beschäftigten ankommt. Mit weit verbreiteten 
					Arbeitszeitverkürzungen und umfangreichen Umgehungen sei 
					dieses deutliche Plus jedenfalls nicht vereinbar, erklärt 
					der WSI-Wissenschaftler.
 
 Puschs Fazit: Alles in allem sei davon auszugehen, dass 
					Millionen Geringverdienende dank der Mindestlohnanhebung 
					mehr Geld zur Verfügung haben. „Der Mindestlohn kann daher 
					neben den positiven Einkommenseffekten auch einen Beitrag 
					zur Stabilisierung des Konsums in einer wirtschaftlich 
					fragilen Zeit leisten.“
 
 *Toralf Pusch 12 Euro Mindestlohn: Millionen Beschäftigte 
					bekommen mehr Geld. Wirtschaftsdienst, Ausgabe 1, Januar 
					2023.
					
					MEHR ›
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   |