WM Moskau 2007  -  WM-Tag 28. April 2007 - Berichte über  Nationalteam
Kader - Spieler A - Z

 

28.4. 

16:15

Deutschland

: Kanada

2

3

 1:1, 1:1, 0:1) 

 

16:15

Schweiz

: Lettland

2

1

 0:0, 2:1, 0:0) 

 

20:15

Slowakei

: Norwegen

3

0

 (2:0, 1:0, 0:0) 

 

20:15

Schweden

: Italien

7

1

 (2:1, 4:0, 1:0) 

 

WM-Tag 28. April 2007

Abgeklärte Slowaken starten mit Pflichtsieg

Mytischtschi, 28.April 2007 - In der deutschen WM-Gruppe C zeichnet sich nach den ersten beiden Spielen das erwartete Bild ab. Nachdem Kanada die deutsche Auswahl am Samstag in Mytischtschi (Russland) mit 3:2 in die Knie gezwungen hat, löste auch die Slowakei mit einem 3:0 (2:0, 1:0, 0:0) gegen Norwegen ihre Aufgabe.

Die Slowaken, mit sechs Cracks aus der National Hockey League angetreten, erarbeiteten sich dabei geduldig ihre Tore. Mit einem Doppelschlag im ersten Drittel durch Treffer von dem quirrligen Marek Uram, der mit einem sehenswerten Handgelenkschuss sein Ziel anvisierte, und Verteidigerriese Zdeno Chara fanden sie frühzeitig entscheidend in die Erfolgsspur und mussten danach nicht mehr tun, als diesen Vorteil entsprechend zu verwalten.

Bei den Norwegern tat sich in dieser Phase vor allem eine eklatante Abschlussschwäche auf. Im Mittelabschnitt fehlte bei mehreren guten Chancen die Kreativität vor dem gegnerischen Tor. Die beste Möglichkeit vergab Lars Erik Lund, als er in der 34. Minute von der Strafbank kommend alleine vor dem slowakischen NHL-Goalie Jaroslav Halak nicht erfolgreich abschließen konnte.

Fleißig waren die Norweger nicht nur im Auslassen ihrer besten Torchancen, sondern auch im Sammeln von Strafzeiten. Konnten es sich die Slowaken leisten, die Partie bis wenige Sekunden vor Schluss ohne einen Spieler auf der Sünderbank abzuspulen, was nicht für einen letzten Einsatz spricht, so kamen die Schützlinge von Coach Roy Johansen auf insgesamt zwölf Strafminuten. Die Norweger hielten sich in Unterzahl bei nur einem Gegentreffer durch Radivojevic (38.) allerdings wacker.
TORE: 1:0 (12:00) Uram, 2:0 (12:51) Chara, 3:0 (37:39) Radivojevic (5:4)

Strafzeiten: Slowakei 2 – Norwegen 12
Schiedsrichter: Reiber (Kanada) 
Zuschauer: 2.800

Italien gegen Schweden chancenlos

Moskau, 28.April 2007 - Mit 7:1 (2:1; 4:0; 1:0) kam Italien gegen Olympiasieger und Weltmeister Schweden ebenso deutlich wie bisher die meisten anderen Underdogs in ihrem Auftaktspielen unter die Räder.

Dabei roch es kurzzeitig sogar nach einer Überraschung, denn in der 4. Spielminute brachte Giorgio de Bettin die Azzurri im Powerplay mit 1:0 in Führung. Danach allerdings nahmen die Tre Kronors Fahrt auf und die Dinge ihren erwartungsgemäßen Verlauf.

Obwohl die Skandinavier mit Alexander Steen von den Toronto Maple Leafs momentan nur einen NHL-Legionär und ansonsten ausschließlich in Europa tätige Profis im Kader haben, starteten sie mit dem 7:1 über Italien mehr als standesgemäß ins diesjährige WM-Turnier.

Schweden – Italien 7:1 (2:1; 4:0; 1:0)

Tore:
0:1 (03:07) de Bettin PP1
1:1 (15:31) Davidsson
2:1 (17:19) Emvall PP1
3:1 (23:14) Martensson
4:1 (25:17) Bremberg PP1
5:1 (28:43) Davidsson
6:1 (29:53) Hedstrom
7:1 (51:50) Hallberg PP1

Moskau, 28.April 2007
Österreich: Coach Boni von Gegner Tschechien beeindruckt

Moskau, 28.April 2007 - Nach dem ersten WM-Tag liegt Österreich in Gruppe B auf Platz drei. Am Sonntag trifft das ÖEHV-Team auf Tschechien. Jim Boni erlebte einen überzeugenden WM-Auftakt des Weltmeisters von 2005, 2001 und 2000: „Gegen diese Mannschaft brauchen wir eine außergewöhnliche Leistung.“

Jim Boni verfolgte den 8:2-Kantersieg der Tschechen über Weißrussland am Freitag Abend nach Österreichs WM-Auftakt. Für das Team von Head Coach Curt Fraser war dies die höchste Niederlage seit über fünf Jahren. Mit sechs Toren Unterschied verlor Weißrussland zuletzt am
22.2.2002 beim 1:7 gegen Kanada. Die letzten vier Länderspiele wurden alle gewonnen.

„Was ich gestern gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt“, gesteht Jim Boni. „Gegen die Tschechen muss einfach alles passen. Aus fünf Torchancen müssen wir vier Tore machen. Jedes 5:3-Überzahlspiel muss zu einem Treffer führen.“

Bernd Brückler wird - wie mit Coach Boni abgesprochen - dieses Mal das Tor hüten. Der Legionär in Diensten der Espoo Blues hat eine starke Saison in Finnland hinter sich und die meisten Shutouts (8) erzielt. In Tallinn kam Brückler im letzten Jahr nicht zum Einsatz.

„Letztes Jahr war ich natürlich enttäuscht, denn ich fühlte mich eigentlich in Topform. Aber heuer bin ich mit Sicherheit noch besser“, verspricht der gebürtige Grazer.

Das 2:6 gegen die USA – übrigens die „knappste“ Niederlage aller vier Partien vom Freitag – lieferte Jim Boni wichtige Erkenntnisse: „Wir müssen für mehr Verkehr vor dem gegnerischen Tor sorgen. Wenn wir gegen die USA gleich unser erstes 5:3 Überzahlspiel zum Torerfolg nützen, steht es 1:1. Wir müssen unsere Spielweise finden: einfach, direkt, schnörkellos – wir können nicht so spielen wie die Tschechen.“

Torwart-Wechsel-Dich auf Weißrussisch

Mytischtschi, 28.April 2007 - Torwart raus, anderer Torwart rein und das ganze drei Mal in einer Partie. Dieses seltene Schauspiel bekamen 5.500 Zuschauer am Freitagabend beim WM-Spiel gegen die Tschechische Republik in Mytischtschi (Russland) von den weißrussischen Goalies und deren kantigem Cheftrainer Curt Fraser geboten. 

Im ersten Drittel tauschten der in Deutschland bestens bekannte Andrei Mezin (Nürnberg, Berlin) und Sergei Shabanov gleich zweimal den Platz im Gehäuse, in der 46. Minute war es dann ein weiteres Mal soweit. Die Hilflosigkeit der Torsteher, die zusammen von 30 Schüssen acht passieren lassen mussten, gegen die befreit aufspielenden Tschechen war offenkundig, das Wechselspiel glich nahezu einer Offenbarung des Schwachpunktes. 

Der sichtlich angefressene Curt Fraser wollte nach dem Spiel aber trotzdem keinerlei Torhüterdiskussion aufkommen lassen. „Alle unsere Torhüter haben in der Vorbereitung sehr gut gespielt.“ Er nahm vielmehr seine komplette Mannschaft in die Kritik, stellte sich aber selbst der Verantwortung, um sich schließlich ein Versprechen abzuringen: „Wir werden unseren Weg wiederfinden und gegen die USA ein großes Spiel bieten. Das war ein schlechter Start in diese WM, aber möglicherweise haben wir gerade das gebraucht, wir waren nach sechs Siegen in der Vorbereitung vielleicht zu euphorisch.“  

Dass die Weißrussen zwei Tage vor der WM noch gegen die Slowaken gespielt hatten, sei keine Entschuldigung und habe keine Bedeutung, so der frühere NHL-Stürmer Curt Fraser, der nunmehr den Teamgeist beschwor: „Wir haben viele Fehler als Team gemacht und wir haben als Team verloren. Nun müssen wir uns wieder fokussieren und starkes, weißrussisches Eishockey spielen.“ Diesem weißrussischen Eishockey könnte sich dann in der Zwischen- oder Abstiegsrunde auch die deutsche Mannschaft gegenübersehen.

DEB-Team für großen Kampf nicht belohnt

Mytischtschi, 28.April 2007 - Die deutsche Mannschaft hat sich am Samstag bei ihrem ersten WM-Spiel in Mytischtschi (Russland) gleich Respekt verschafft. Am Ende blieb nach einem unglücklichen 2:3 (1:1, 1:1, 0:1) aber nur das blanke Schulterklopfen des Gegners Kanada.
Die DEB-Auswahl zeigte in dieser Partie, dass sie ihre Hausaufgaben für das Aufeinandertreffen mit dem vermeintlich stärksten Gruppengegner gemacht hatte. Konzentriert, engagiert und ohne einen zu großen Respekt vor dem klar favorisierten Widersacher kämpfte die junge Truppe erfolgreich gegen eine klare Niederlage, wie sie noch tags zuvor etwa Mitaufsteiger Österreich ereilte, an.
Gestützt auf eine solide, aggressive Defensive um Torhüter Dimitri Kotschnew stellten die Deutschen die Nordamerikaner vor Probleme, die diese allerdings mit einer im Spielverlauf immer höher werdenden Schlagzahl und einem „Geschenk“ des Gegners im letzten Drittel aus der Welt schaffen konnten.
„Ich bin stolz auf das Team, wir haben sehr viel richtig gemacht“, stellte Bundestrainer Uwe Krupp nach der Begegnung fest. „Trotzdem ist es erst ein Spiel und es liegt noch ein langes Turnier vor uns. Wir müssen das Gute aus diesem Spiel ziehen und weiter daran arbeiten.“
Kanadas Chefcoach Andy Murray zollte dem deutschen Team den nötigen Respekt: „Deutschland hat sich auch ohne NHL-Spieler mit einer harten und körperbetonten Spielweise sowie ohne Respekt präsentiert. Wir haben trotz eines schwierigen Spiels einen Weg zum Sieg gefunden.“
Noch keine zwei Minuten waren in der Begegnung vor 4.300 Zuschauern gespielt, da erhitzte bereits die erste rüde Attacke des kanadischen Verteidigers Shea Weber die Gemüter der auf russischem Boden bemerkenswert zahlreich vertretenen deutschen Fankolonie. Der Übeltäter wurde mit fünf Minuten plus Spieldauer bedacht, dem benommenen deutschen Angreifer Yannic Seidenberg, der offenbare Probleme hatte, sein Gleichgewicht wiederzufinden, blieb nur der Weg in die Kabine. Die erste Diagnose lautete Gehirnerschütterung.
Die deutsche Mannschaft verstand es allerdings nicht, aus dieser Überzahlgelegenheit Kapital zuschlagen, sondern durfte vielmehr froh sein, dass Eric Staal in der sechsten Minute eine Großchance zu einem „Shorthander“ ausließ. Alexander Sulzer bekam ohne Schläger an der eigenen blauen Linie knieend die Scheibe nicht unter Kontrolle, was den kanadischen Stürmer alleine vor dem DEB-Goalie Dimitri Kotschnew auftauchen ließ.
Die 1:0-Führung der Deutschen durch Christoph Ullmann (10.) der am kurzen Pfosten im Nachschuss erfolgreich war, gab der Partie einiges an Brisanz und zeigte, dass die Truppe von Uwe Krupp nicht gewillt war, den Kanadiern einen reibungslosen WM-Auftakt zu ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass bei der deutschen Mannschaft Einsatz und Willen stimmten, so mancher Fehler in der Defensive dadurch wettgemacht werden konnte.
Rund zweieinhalb Minuten vor der ersten Pause wurde Jamal Mayers nach einem schönen Pass von Jason Chimera aus der Ecke vor Kotschnew so sträflich alleine gelassen, dass dieser keine Mühe hatte, den Ausgleich herzustellen.
Eine ähnliche Situation bedeutete nur 53 Sekunden nach Wiederbeginn das 2:1 für Kanada, Eric Staal hatte genug Platz, um Kotschnew mühelos auszutanzen und ihm den Puck durch die Schoner zu schieben. Doch wie frech die deutsche Mannschaft sein kann, zeigte sich nur dreißig Sekunden später. Der kleine Düsseldorfer Verteidiger Robert Dietrich zog beim nächsten deutschen Angriff einfach von der Mittellinie ab und überraschte damit den indisponierten kanadischen Schlussmann Albert Roloson zum 2:2-Ausgleich. „Es war ein glückliches Tor“, bekannte der Schütze später, „es war aber schon meine Absicht, aus der Entfernung zu treffen.“

Es war ein Tor zum genau richtigen Zeitpunkt. Das junge DEB-Team witterte die Chance auf eine Überraschung und trat weiterhin ausgesprochen konzentriert und engagiert auf, während die Kanadier, die merkten, dass sie längst kein leichtes Spiel haben werden, ebenfalls ihre Anstrengungen erhöhten.
Das Ergebnis daraus waren vermehrte Strafzeiten auf beiden Seiten. Dadurch drohte den Kanadiern, die zuvor durch Rick Nash (33.) eine gute Break-Chance ausgelassen hatten, auch der neuerliche Rückstand, als Deutschland in der 35. Minute fast eine Minute mit zwei Mann mehr auf dem Eis stand und Martin Ancicka den Posten traf.

Das letzte Drittel brachte einen weiteren Wermutstropfen aus deutscher Sicht, als in der 45. Minute mit Verteidiger Alexander Sulzer der zweite Spieler verletzt in die Kabine musste.
Nick Schultz hatte wenig später die Führung für Kanada auf dem Schläger, Kotschnew war bereits geschlagen. Doch aus spitzem Winkel brachte er den Puck nicht unter. Vier Minuten darauf erging es Petr Fical nicht besser, als er sogar bei eigener Unterzahl für Deutschland hätte vollstrecken können. Kanada kämpfte nun merklich um den Sieg, versuchte auf das deutsche Tor anzurennen, traf aber auf eine dicht gestaffelte Abwehr.
Ein Kommunikationsproblem zwischen Robert Dietrich, der seinen Schläger verloren hatte, und Dimitri Kotschnew hinter dem eigenen Tor brachte schließlich in der 52. Minute für Kanada auch den gewünschten Erfolg und Deutschland um den Lohn der eigenen Arbeit. Jamal Mayers musste nach diesem Fehler nur ins leere Tor einschießen.
Uwe Krupp reagierte unmittelbar mit einer Auszeit, doch diese Maßnahme konnte das Blatt ebenso wenig noch wenden wie das Herunternehmen des Torhüters elf Sekunden vor Schluss, allerdings bei eigener Unterzahl.

Den Spielern stand nach der Partie die Enttäuschung noch ins Gesicht geschrieben. Christoph Ullmann sagte: „Wenn wir eine Nacht darüber geschlafen haben, dann sehen wir es aber sicher doch als tolles Spiel. Wir waren gut in die Partie gekommen und haben dann immer mehr Selbstvertrauen geschöpft.“

Einer, der bereits erhobenen Hauptes das Eis verließ, was der Düsseldorfer Robert Dietrich, der seine Leistung mit einem Treffer allerdings nicht herausheben wollte: „Wir haben ein Hammerspiel geliefert, unser Spiel gemacht und uns nicht auf das der Kanadier eingelassen. Jetzt geht’s weiter!“

TORE: 1:0 (9:51) Ullmann (Felski), 1:1 (17:39) Mayers (Murphy, Chimera), 1:2 (20:53) Eric Staal (Jackman, Williams), 2:2 (21:23) Dietrich (Hackert), 2:3 Mayers (Murphy, Chimera)

Strafen: Deutschland 18 – Kanada 21 plus 5 plus Spieldauer Weber
Schiedsrichter: Fonselius (Finnland)
Zuschauer: 4.300

Stimmen zum Spiel Deutschland gegen Kanada
Mytischtschi, 
28.April 2007 - Daniel Kreutzer: "Wie so oft haben wir gut gespielt, aber am Ende verloren. Es war eine hervorragende Leistung, genau so hatten wir es vor. Das 3:2 war sehr unglücklich, wir müssen jetzt das beste daraus machen und jedes Spiel so spielen, die Erfahrung mitnehmen und aufs Eis bringen, dann sind wir auf einem guten Weg."

Petr Fical: "Leider können wir uns für unser gutes Spiel nichts kaufen, aber wir haben Selbstvertrauen getankt. Ich hatte im letzten Drittel eine große Chance, habe den Puck aber leider nicht mehr hoch bekommen, sonst wäre es ein Tor geworden"

Dimitrij Kotschnew: " Ich habe beim dritten Tor versucht, die Scheibe zu stoppen und leider zu spät gesehen, dass Robert Dietrich keinen Schläger hatte. ein sehr unglückliches Tor."

Andy Murray: "Wir wussten, es wird gegen Deutschland schwer. Sie sind auf einem guten Weg, hatten keinen Respekt, so mussten wir uns den Sieg hart erarbeiten. Das Foul gegen Seidenberg war keine Absicht, eher ein Unfall, weil Seidenberg recht klein ist. Es war ein Foul, aber die Strafe war zu hart."

Uwe Krupp: " Ein sehr schweres Spiel gegen ein Team, das Weltmeister werden kann. Wir haben ein unglückliches Tor kassiert, aber gut gespielt. Es war nur ein Spiel, ab sofort beginnt die Vorbereitung auf das Spiel gegen die Slowaken, gegen die wir uns wieder warm anziehen müssen. Unsere jungen Spieler waren heute sehr gut, das war bemerkenswert gegen einen solchen Gegner. Die gute Leistung ist für mich keine Überraschung, wir haben nur Spieler geholt, die zu 100 Prozent auf diesem Niveau spielen können. Läuferisch können wir mithalten, spielerisch noch nicht ganz, wir müssen und mit jedem Spiel weiter verbessern. Die Slowaken werden ein ganz anderes Kaliber haben als jenes Team, gegen das wir zuletzt zweimal gespielt haben. In den nächsten 24 Stunden werden wir wissen, ob Sulzer und Seidenberg Montag spielen können."

Franz Reindl: "Wir haben uns heute sehr gut vor einem großen Publikum im Fernsehen präsentiert, das war sehr wichtig, eine Werbung für das deutsche Eishockey"

Bandenchekov: Die Hockeyweb Kolumne von Alexander Brandt

Moskau, 28.April 2007 - Wer die Berichterstattung des ersten WM-Tages verfolgt hat, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, die Delegationen seien hier in Moskau in großen Bordellen untergebracht. An jeder Ecke einarmige Banditen und zweiarmige Banditinnen, die sich nach Kategorien geordnet anpreisen: Blond, brünette, rothaarig, Hepatitis A,B, C. Taktik der Russen, die auf leichte Siege gegen übernächtigte Gegner hoffen?  

Leider muss ich den Eindruck zerstreuen, die großen Hotels hier sind ähnlich wie in Las Vegas konstruiert, also mit Kasinos verbunden. Mit den Kasinos kommen diverse Restaurants, Kegelbahnen, Billardtische, Säle mit Roulette-Tischen, vor denen Live-Bands in Glitzerklamotten Fahrstuhlmusik zum Besten geben. Und eben auch ein „Erotic-Club“, vor dem leicht bekleidete Damen zum Eintritt einladen sollen.  
Nun gab es in früheren Jahrzehnten immer wieder Eishockeyspieler, die solchen Versuchungen garantiert erlegen wären, jeder kennt die Geschichten. Aber heutzutage ist alles so straff und leistungsbezogen organisiert, dass sich niemand irgendwelche Schwächen leisten kann. Man hätte auch gar keine Zeit für Vergnügungen, das gilt nicht nur für die Spieler, auch für uns. Gestern am Eröffnungstag zum Beispiel: wir frühstückten um 9 Uhr
, schrieben dann ein paar Texte, ich ging noch kurz frische Luft schnappen, weil ich wusste, dass ich den Rest des Tages in Bussen und Hallen verbringen würde. Um 11 Uhr bestiegen wir dann den Bus nach Mytischtschi, stauten uns zwei Stunden lang zur Eishalle, um dort direkt zur Fragestunde mit Uwe Krupp zu stoßen. Danach schreiben, USA-Österreich schauen, wieder in einen Bus und ab zur „Khodynka“- Halle, Russland-Dänemark geschaut, Text geschrieben und wieder in einen Bus zum Hotel. Als ich dort ankam, war es schließlich fast 1 Uhr morgens. Dann will man nur noch schlafen, und zwar alleine. Den Spielern dürfte es nach harten Trainingseinheiten nicht viel anders gehen. 
Vielleicht sorgen die Kanadier  wenigstens für einen Skandal, es gab ja bei Weltmeisterschaften oft Geschichten von NHL-Millionären, die nach dem Ausscheiden aus den Play-offs zur WM fuhren, um ein wenig Spaß  zu haben. Doch die Kanadier sind in einem separaten Hotel, weil sie mit ihren Familien hergekommen sind. Wie langweilig. Man geht doch auch nicht mit einer Flasche Bier in eine Kneipe! 

Ich gebe aber zu: Als ich heute morgen zum Frühstück durch das Kasino ging und sah, dass einige betuchte Japaner mit der Kaffeetasse am Roulette saßen und um einen Bentley spielten (gestern wurde ein „Hummer“ gewonnen), überlegte ich kurz, mir den Bentley zu holen. Zwei Euro auf Schwarz! Aber mein Gehalt reicht nicht für die Teilkasko des Bentley, also ging ich lieber zum essen mit den Kollegen. 

Hier in Moskau gibt es sehr viele reiche Menschen, die sich Kasino-Aufenthalte leisten können, trotzdem beträgt das Durchschnittsgehalt nur 400 Euro pro Monat. Demzufolge müssen viele Menschen mit weit weniger Geld als 400 Euro auskommen, können sich die Eintrittspreise zu WM Spielen (10 bis 120 Euro) kaum leisten, von Souvenirartikeln ganz zu schweigen, die sind hier genauso teuer wie bei uns. Es war daher nicht überraschend, dass sich zu den ersten Spielen nur wenige Zuschauer verloren, erst beim Spiel der Russen und bei den Weissrussen waren die Ränge gut gefüllt.  

Die Eröffnungszeremonie zur WM war angenehm kurz, die Legenden Tretjak und Fetisov hielten kurze Ansprachen und während Tretjak sprach, wurde auf dem Videowürfel Viktor Tichonov eingeblendet. Vermutlich dachte er in dem Moment gerade: „Hätte ich den Tretjak nur nicht im olympischen Finale 1980 nach dem zweiten Drittel ausgewechselt...“ Gruß vom Glücksspiel - resistenten Alexander Brandt (falls Deutschland heute gewinnt, setze ich alles auf die 4!)

Bandenchekov: Die Hockeyweb Kolumne von Alexander Brandt

Moskau, 26.April 2007 -  Nein, ich stehe nicht gerne um vier Uhr morgens auf. Schönen Dank an Germanwings, unser Flug nach Moskau wurde mal eben um zehn Stunden vorverlegt und ging um 6.30 Uhr ab. Egal, dadurch gewannen wir praktisch einen Tag vor Ort, dafür kann man schonmal früh aufstehen.
Kaum waren Kollege Christian Fuchs und ich mit zwei weiteren Journalisten Richtung Moskau abgehoben, da stellte sich schon die erste wichtige Frage: Wie heißt nun eigentlich der andere Spielort? Mytischi, laut englischer Schreibweise, so auch offiziell im Logo. Laut Wikipedia heißt das Nest aber „Mytischtschi“. Kann sich kein Schwein merken, ich habe mir eine Eselsbrücke gebaut: „Tisch“ muss drin sein, dann ist es richtig geschrieben. Aber wenn ich „Mytischtschi“ schreibe, muss ich auch „Owetschkin“ statt „Ovechkin“ schreiben. Hmpf.

Dabei schreiben die Russen zum Beispiel meinen Namen auch anders, auf dem Visum steht „Aleksander“. Damit sind wir quitt. Schuld an allem ist nur die kyrillische Schrift. Und natürlich die Amis. Keine Ahnung warum gerade in diesem Fall, aber sind die Amis nicht immer schuld, egal woran? Kyrillisch kennt jeder Internet-User. Wenn man eine Mail erhält, die zehn Mal weiter geleitet wurde, ist die Hälfte davon garantiert kyrillisch.   Also wie ist es nun richtig? Wikipedia lehrt, dass Kyrillisch in den westlichen Ländern ausspracheabhängig umgeschrieben wird und nicht Buchstabe für Buchstabe. Also müssen wir als Deutsche „Mytischtschi“ und „Owetschkin“ schreiben. Im Zuge der Globalisierung und um nicht jeden einzelnen Namen erst nachschlagen zu müssen, richten wir uns bei den Spielernamen aber einfach nach der offiziellen Schreibweise der IIHF. „Mytischtschi“ beim Ort und „Oveshkin“ bei den Spielern, so. Denn wenn ich „Mytischi“ schreibe, muss ich auch „Moscow“ schreiben. Meine Fresse, jetzt ist es aber gut!  

Während der WM wird diese Kolumne mitunter zum Weblog mutieren. Also kein reiner Kommentar, sondern mehr ein virtuelles Tagebuch, das aber schon Kommentare beinhalten wird. Eigentlich wird es eine Mischung aus Beidem sein. Also eine „Weblumne“. Oder ein „Kolblog“?  Und wie schreibt man das auf Kyrillisch? Egal, ich schreibe sowieso, was ich will. Der Tag vor dem großen Turnier war von Formalitäten geprägt. Geld holen (Rubel in Scheinen, damit er nicht wegrollt), akkreditieren und russische Handy-Karten besorgen. Letzteres macht Spaß, wenn man die Sprache nicht beherrscht. So haben wir uns mit Händen und Füßen unterhalten und als wir unser Ziel erreicht hatten, schüttelten uns sämtliche Mitarbeiter/innen freudestrahlend die Hände. Lustig, diese Deutschen.
Die WM ist straff organisiert, alles funktioniert reibungslos, allerdings muss man ständig durch Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Jedesmal beim betreten des Hotels, beim Presse-Center, beim akkreditieren. Die Leute sind freundlich, aber streng. Als wir uns entscheiden sollten, ob wir gleich nach dem einchecken zur Halle fahren, sagte die junge Dame von der Organisation energisch: "You have to make a decision now!" Und dann saß ausser uns niemand im Bus...  

Ich werde jetzt etwas ausruhen und Musik hören. Was passt zum Tag? Am besten Porcupine Tree - "Arriving somewhere... but not here". Oder was anderes? You have to make a decision now!  
Gruß vom müden Alexander Brandt