Sie waren schon
in den 1950er Jahren sozusagen lebensnotwendig, die Buden,
Büdchen, Kioske oder Trinkhallen - und das im gesamten
Ruhrpott.
Rückblick
Das mit dem "lebensnotwendig"
hatte damals schon eine ganz konkrete Bedeutung. Immerhin
schlossen die Nahversorgungsläden wie Konsum, Columbia Markt
oder auch die später "Tante-Emma-Laden" genannten kleineren
Geschäfte, die meist von Hausinhabern geführt wurden, schon
sehr früh (Ladenöffnunsgzeiten). Die Tante-Emma-Läden waren
so etwas wie etwas größere "Kaufmannsläden". Da gab es Säcke
mit Mehl, Zucker, Körner undsoweiter. Unbedingt waren die
kleinen Schublädchen zu erwähnen, da aus ihnen über die
Waage alles ausgewogen wurde, was die Hausfrau damals so
brauchte.
Zur Not gab es auch den mobilen Milchmann mit seinem
"Ausschankbottich" - auch Milchzapfstelle genannt. Meist
fuhren diese Milchmänner im Tempo-Dreirad (Zweitakter) durch
die Stadtteile. Mit einer Kanne bewaffnet wurde man von der
Mutter zum Auto geschickt. Dort wurde einem für einen, zwei
oder drei Groschen Milch in die Kanne gezapft. Am Freitag
boten diese fliegenden Händler auch Fisch an...
Aber was war an Werktagen zwischen 13:00 Uhr und 15:00 und
vor allem nach 18:30 Uhr? Das waren Zeiten, an denen die
Läden geschlossen hatten. Richtig, ab 18:30 werktags und
13:00 Uhr am Samstag lief nichts mehr, am Sonntag natürlich
gar nichts. Auch deshalb war eine gute Nachbarschaft damals
sehr viel wert, da man von der Nachbarin das fehlende
Gewürz, Brot oder gar Kaffe ausborgen konnte.
Da waren die Büdchen oft genug für spezielle Sachen Retter
in der Not. Es gab übrigens für den ganz schmalen Geldbeutel
die Schachtel mit "Liga" mit vier Zigaretten Inhalt für drei
Groschen.
Aber neben den Angeboten für Raucher und durstigen
Zeitgenossen gab es reichlich bunte und vor allem süße Dinge
für Kinder. Die "gemischten Tüten" für ein paar Groschen
waren der Hit. Wer damals Silberlinge oder
Knöterichbonbons (zwei für einen Pfennig) oder Eis am Stil
haben wollte, der war hier auch genau richtig. Und das nach
18:30 Uhr und auch am Sonntag. Später gab es sonntags Sport-
oder andere Zeitungen (mit Bildern) - nein, nicht nur die
BILD sondern Bravo!.
Diese Buden waren aber den großen Werken Duisburg mehr als
nur "an`ne Bude".
Das waren besondere Treffs oder Abholstellen. So bei
Thyssen, Phoenix oder die legendären Buden am Mannesmann-Tor
oder an der Kupferhütte.
"Ist der Heinz schon durch?" Eine atemlose Frau brachte das
mehr im Befehls- als im Frageton gegenüber den Bier
trinkenden Männern an der Kupferhüttenbude vor. Dies geschah
immer dann, wenn nach der Frühschicht auch der Lohn per Tüte
ausgezahlt wurde - was später nicht mehr der Fall war.
Unser Spezi aus Hochfeld hatte die unangenehme Eigenschaft,
mit der da noch prallen Lohntüte gern in eine der
umliegenden Kneipen oder auch an der Bude etwas zu
verbraten.
Egal wann man an solche Buden kam - es war immer etwas los,
man hörte den neuesten Klatsch und Tratsch, aber auch
Wohnungen, Fahrräder, Mopeds oder später Autos wechselten
beim Bier hier schon mal den Besitzer.
Schon in den 1950er Jahren waren die Buden Treffs der
Fußballfans vom DSV 1900 oder dem DFV 08, Hamborn 07
undsoweiter. Ab 1963 waren diese Buden Treffs der Fans des
Meidericher SV - ab 1956 MSV Duisburg. Meistens vor dem
Spiel, da man gern nach dem Spiel in eine nah gelegene
Kneipe oder nach Hause wetzte, um die schwarz-weißen Bilder
vom Spiel sehen und Ernst Huberty hören zu können. "Die mit
den weißen Stutzen und den Querstreifen sind die
Meidericher, die mit den dunklen Brustring auf dem Trikot
die Schwaben", hieß es dann. In den ersten Jahren dieser
schwarz-weißen Bilder begannen die Spiel in den
Wintermonaten am Samstag schon um 14:30 Uhr, da es noch
nicht überall Flutlichtanlagen gab.
Für mich waren Besuche bei Tante
Martha in Bochum - die Anreise erfolgte übrigens mit einem
Renault Dauphine - immer der absolute Hit. Tante Martha
betrieb ein Büdchen. Du meine Güte, was war das für ein
Gefühl die Kostbarkeiten von innen betrachten und zum Teil
auch vernaschen zu dürfen.
Kiosk Ludgeriplatz
Immer wenn ich nach Süddeutschland kam und die Gespräche auf
die Buden kamen, gab es damals viel baffe Gesichter. "Was
habst` da droben! Büdchen? Des kennen mer net!" Nach vielen
ausschweifenden Erklärungen war man später in der Runde der
als stur geltende und grantelnde Bayer durchaus der Meinung,
dass das mit den Buden im Pott gar keine schlechte Sache
sei.
Kiosk Oststrasse
Heute
"Opa, kauft du mir eine gemischte Tüte?" Das ist also
heute auch noch aktuell.
Die Dame im Büdchen schmunzelt: "Wie immer?" lautet die
Frage an das kleine Mädchen. Opa ist überrascht. "Kommst Du
denn öfter hier an die Trinkhalle?"
"Na klar Opa", kam es belehrend zurück. Kinder und Buden -
das ist es also immer noch, aber mit vielen Änderungen.
Heute liegen Heftchen mit Mangas oder kleine Figuren aus.
Die Konkurrenz der Discounter und die langen Öffnungszeiten
machen aus den Buden so etwas wie nostalgische Orte, eine
schon fast museale Art des Ruhrgebiets.
Wird fortgesetzt.
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