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Traumzeit im Landschaftspark Nord in Duisburg
Wieder eine musikalische Wundertüte

Duisburg, 28. Juni 2024 - Die Traumzeit nahm wieder Fahrt auf. Längst entrückt von kopflastigen Weltmusik-Phantasien und Jazz-Strukturen, die einst der Gründer des Festivals Wilfried Schaus-Sahm hinterließ, bleibt das Event jedes Jahr eine musikalische Wundertüte.

Christoph und Julia zieht es immer wieder gerne nach Duisburg: „Es ist für jeden etwas dabei, uns reizt die klangliche Vielfalt im Landschaftspark“, sagen die beiden unisono. Diese war definitiv vorhanden und es gab wieder einige Highlights zu verzeichnen.

Unzweifelhaft gehörte die Hamburger Indie-Rock-Band Kettcar dazu, die schon 2019 das Festival von der Gießhalle her rockte. Dieses Mal hatten sie die Main-Stage, also den Cowperplatz, inne, vor knapp 5000 Leuten sagte Bassist Reimer Bustorf in die fiktive Fernsehkamera: „Schau, Mama, wir haben uns hochgearbeitet – wir dürfen jetzt auf der Hauptbühne spielen. Mach dir um mich keine Sorgen.“ Und diese Chance nutzte die Band instinktiv, die fünf Musiker spielten Hits wie „Benzin und Kartoffelchips“ von dem vermeintlichen Hit-Album „Ich vs. Wir“, was später dann in „Dosenbier und Chio-Chips“ im Refrain umgewandelt wird und die sinnhafte Phrase „Irgendwann ist irgendwie ein anderes Wort für nie“ hinterlässt.

Aber ein Aufatmen beim etwa einstündigen  Programm gab es nicht, direkt legte die Band den „Antihomophobie-im-Fußball“-Song „Und der Tag wird kommen“ nach, bei denen das Publikum so gut es konnte mitsang, auch eingedenk des einstigen Fussball-Profis Thomas Hitzlsperger und der vielen unbekannten Anderen, die sich erst nach ihrer Karriere als homosexuell outen können. Das Outing homosexueller Fußballer während der Laufbahn gilt bis heute noch als mögliches Karriereaus.

Nach dem neo-romantischen Stück „Sommer 89 – Er schnitt Löcher in den Zaun“, das von einem jungen westdeutschen Fluchthelfer handelt, der mit seinem alten Ford Granada bis an die österreichisch-ungarische Grenze fährt, um mit einem Bolzenschneider DDR-Bürgern die Flucht zu ermöglichen, sagt Wiebusch: „Humanismus ist nicht verhandelbar“.
Bei den aktuellen Wahlergebnissen im Osten wirkt dieses Lied allerdings geradezu romantisch-verklärt.

Für das Liebeslied „Balu, der Bär“  hatten einige Fans einen kleinen braunen Teddybär an einer Fahne mit dem Hamburger-Stadtwappen als Gag befestigt und schwenkten diese wild auf dem staubigen Cowperplatz.
Sänger Marcus Wiebusch sagte provokativ: „Einige denken ja immer noch, wir sind die Gründer der „Hamburger Schule“.“
Eher gehören sie inzwischen zur Generation 2.5, denn schließlich waren es Bands wie Die Sterne, Tocotronic oder Blumfeld, die dieses Feld musikalisch Anfang der 1990er-Jahre zuerst bestellten. Im letzten Drittel spielten sie noch „Balkon gegenüber“, eine Ballade passend zur zunehmenden Anonymität und Einsamkeit der Gesellschaft, in der das lyrische Ich sich fragt, was wohl mit dem Nachbarn von gegenüber passiert ist – der seit Tagen nicht mehr aufgetaucht ist. Die zweite Strophe zu dem einfühlsamen Song, die Wiebusch schon 2018 bei einem Auftritt in der Oberhausener Turbinenhalle den Fans versprochen hatte, lieferten Kettcar immer noch nicht.
Den großen Applaus am Schluss verdienten sie sich mit der Mitsing-Hymne „Landungsbrücken raus“ als Rausschmeißer, während von der nahen Hochofenbühne schon der Soundcheck der letzten Band Fjort herüberwaberte.

Traumzeit im Landschaftspark Nord in Duisburg II