Traumzeit im Landschaftspark Nord in Duisburg
Duisburg, 28. Juni 2024 - Die Band Hotel
Rimini aus Leipzig hatte ihren Auftritt zur bester Kaffee-
und Kuchenzeit. Scheinbar belangloser Tanztee-Swing, der
über die konzertante Rhythmusgruppe aus Kontrabass,
Violoncello und Violine entsteht, wird hier durch
dissonante, schrille Calexico-Gitarren und tieftraurige
Momente der Streicher ins Stolpern gebracht. Wenn es
tiefgründig und traurig wurde, klangen Hotel Rimini wie die
Tindersticks, zumal ihr Sänger Julius Forster ins Basstimbre
changieren kann, so wie Tindersticks-Frontmann Stuart
Staples. Seine Texte sind nie eindeutig, beschäftigen sich
auch mit dem sozialen Abgehängtsein beim Grillabend mit den
Kollegen.
Experimentell sind die Musiker auf jeden Fall,
viele Songs haben sie noch nie öffentlich gespielt: „Ihr
seid ein gutes Premierepublikum“, lobt Forster die knapp
3000 Fans auf dem Cowperplatz . Raum für freie Assoziation
bleibt in den Lyrics, bei dem Song „Arbeit und Struktur“
spielt Forster darauf an, dass die künstlerische Freiheit,
so sehr der Sänger sie genießt, eben auch mal Strukturen
braucht. Einige Songs von der EP „Die Zeit schlägt mich tot,
aber ich schlag zurück“ handeln vom Stehenbleiben in der
Zeit, ja manchmal wirken die Lyrics wie bei Reinhard Mey
traumwandlerisch, allerdings geht es dann mehr ins
Albtraumhafte – dann, wenn nämlich das lyrische Ich merkt,
dass seine Grillfreunde die weltlichen Herausforderungen
meistern, der träumende Sänger hingegen nicht. Das wurde
auch im Song „Deja Vu“ thematisiert, musikalisch dabei über
dezente Disssonanzen. Es gab verhaltenen Applaus für die
sechs Leipziger Musiker für die gute, aber auch nicht
leichte Kost zur besten Tee-, und Kaffeezeit.
Auf der
Hauptbühne versuchten sich die Musiker von Adam Angst im
Piano gestützten Post-Punk, während Mine in der Gießhalle
vom 90er-Eurodance getragenen Hip-Hop mit ihrer Band
spielte. Der erkrankte Sänger Engin wurde von der Gruppe
Loki ersetzt, die irgendwas mit teppichartigen
Keyboard-Clustern und traditionellem Folk machten.
Mina Richman lieferte einen poppigen Soul-Set, in besten
Momenten stakste sie wie Anne Haigis über die Bühne und sang
ähnliche Phrasierungen und erklärte den etwa 700 Zuhörern
bei ihrem Gig, warum es besser sei, hier auf der
Hochofenbühne zu spielen als bei den spießigen Eltern ihres
Freundes in Bonn bei Kaffee und Kuchen zu sitzen. Und sie
spielte unvermittelt auf die MeToo-Debatte an. „Nein heißt
Nein – falls das nicht verstanden wird, geht zur Security“,
riet sie den weiblichen Besuchern bei möglichen
Zudringlichkeiten. So aber setzte sie den möglichen
Flirtfaktor unter den vielen jungen Besuchern quasi auf
Null.
Eine andere feministische Debatte entstand
derweil an den vier Toillettenwagen unweit der Hauptbühne,
die – im Sinne der Gleichberechtigung voll korrekt -
paritätisch aufgestellt waren: also zwei für die Damen, zwei
für die Männer. Allerdings war die Schlange bei den Frauen
immer doppelt bis dreifach so lang wie bei den Männern, so
dass auch Frauen den Toilettenwagen der Männer im
Kabinenbereich benutzten. Festivalbesucherin Bea war etwas
empört: „Wir Mädels haben auf allen Festivals die längere
Schlange, das muss man doch langsam wissen. Vielleicht hätte
man mal drei Wagen für uns Frauen und zwei für die Herren
aufstellen können“, befand sie kritisch.
Zum Schluss
holten Fjort, die übrigens beim von Kettcar geführten Label
„Grand Hotel van Cleef“ verlegt sind, noch den
Vorschlaghammer raus. „Wir haben in einem Probenraum von der
Größe zwei mal zwei Quadratmeter angefangen zu dritt Musik
zu machen, nur weil ich so viele Textideen aufgeschrieben
hatte“, erklärt Sänger Chris Hell. Auf einer weitaus
größeren Fläche konnten sie sich mit den verbliebenen 1000
Zuhörern an der Hochofenbühne austoben, als sie ihren
Gitarren lastigen, vertrackten Post-Rock gemischt mit
ungestümen Hardcore-Sequenzen in die Menge hauten. Der
Auftritt der drei Aachener Musiker war laut und gewaltig,
viele Songs vom Album „Nichts“ waren zu hören.
Und
der Vermerk an die Altbier-Fans bleibt, wie im letzten Jahr
– ein „Krefelder“ zu trinken, war auch dieses Jahr nicht
möglich im Duisburger Landschaftspark. Christoph und Julia
sind jedenfalls auf den Geschmack gekommen: „Wir versuchen
auch nächstes Jahr dabei zu sein.“
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