| Duisburg, 17. Januar 2015 - Der 
					österreichische Schriftsteller Robert Musil hat einmal 
					gesagt: „Ein phantastischer Lügner ist der, dessen Lügen zu 
					den Tatsachen stimmen.“ Und auch James Joyce pflichtete 
					ihm bei mit dem Satz: „Der Erfinder der Notlüge liebte den 
					Frieden mehr als die Wahrheit.“ So musste man schon fast 
					mitfiebern in dem Theaterstück „Die Wahrheit“ von Florian 
					Zeller, dass die Verstrickungen von Michel, gespielt von 
					Fernseh-Star Helmut Zierl, nicht ans  Bühnenlicht der 
					Homberger Glückaufhalle kommen. Denn der erfolgreiche 
					Pariser Geschäftsmann hat ein Verhältnis mit Alice (Caroline 
					Kiesewetter), der Frau seines besten Freundes, und muss 
					aufpassen, dass er sich bei der  Rekonstruktion seiner 
					Alibis zu den Terminen ihrer Treffen nicht verhaspelt.
 
 Auf jeden Fall weiß er wohl, „warum der Teufel die 
					Großmutter schlug“ - denn er ist um keine Ausrede oder 
					Notlüge verlegen. Nach einem Schäferstündchen in einem Hotel 
					mit Alice gibt Michel gegenüber seiner Frau Laurence (Karin 
					Boyd) vor, bei seinem Freund Paul (Uwe Neumann), der gerade 
					arbeitslos geworden ist, gewesen zu sein. Doch 
					komischerweise hatte dieser wohl kurz zuvor bei ihr 
					angerufen, um sich nach Michel zu erkundigen.
 
 So 
					fängt das Lügengerüst an zu wackeln, aber Helmut Zierl 
					spielt diesen durchtriebenen, aber sympathischen Ehebrecher 
					Michel mit einem windigen Desinteresse an den Gefühlen 
					seiner Mitmenschen. Nur wenn seine eigenen Bedürfnisse 
					missachtet werden, scheint er kurz aus seiner Egozentrik 
					aufzuschrecken: als Alice die Affäre beenden will, fährt er 
					mit ihr am Wochenende nach Bordeaux. Diese gibt vor bei 
					ihrer alten Tante zu sein, er sagt seiner Frau, er sei 
					geschäftlich unterwegs.
 
 Die Situation scheint zu 
					eskalieren, als Paul über Handy mit der Tante sprechen will, 
					und Michel nun mit verstellter Stimme, immer wieder 
					räuspernd nach neuen Lügen sucht - so schafft Helmut Zierl 
					mit seinem Spiel eine eigene Wahrheit ohne Fundament für den 
					tragischen Helden. Der betrogene Paul wittert, dass etwas 
					nicht stimmt, und wundert sich später, warum sein bester 
					Freund ihn beim Tennis immer gewinnen lässt. und dreht 
					gewieft  den Spieß um: „Ich dachte deine Affäre mit 
					Alice war die Rache für das, was ich gemacht habe.“
 
 Und gesteht dann ein fingiertes Verhältnis zu dessen Ehefrau 
					Laurence, so dass der scheinbar betrogene Ehebrecher Michel 
					völlig am Boden den sinnvollen Satz stottert: „Nicht mal 
					seinem besten Freund kann man vertrauen.“
 Da zischt ein 
					gewaltiges „Ohh“ durch das belustigte Homberger Publikum, 
					doch das Mitgefühl der 600 Zuschauer für den tragischen 
					Helden hält sich in Grenzen. Denn Michel bekommt noch mal 
					einen richtigen Anpfiff von seiner Ehefrau Laurence, als er 
					versucht seinen tatsächlichen Ehebruch mit ihrer fingierten 
					Affäre zu Paul aufzuwiegen.
 
 Diese hält es jedoch mit 
					James Joyce: „Hättest du denn die Wahrheit nicht 
					verschweigen können, ich hätte dich angelogen, um dich nicht 
					zu verletzen“, schreit sie am Ende, als Helmut Zierl sie mit 
					treu-doofen Augen anblickt. Welche Frau kann da widerstehen, 
					denn viele seiner Lügen waren wirklich nah an der Wahrheit – 
					die Zuschauer jedenfalls trampelten mit den Füßen für das 
					wahrhaftige Spiel der vier Akteure.
 
 
 
 
   
 
     
 
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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