Duisburg, 02. September 2020 - Die
Maske, im Amtsdeutsch auch Mund-Nasen-Schutz genannt, ist
längst zum Symbol geworden für die Maßnahmen, mit denen der
Staat einerseits die Pandemie bekämpfen will, andererseits
aber auch unsere Freiheitsrechte beschränkt. Rechtsexperte
Prof. Dr. Simon A. Fischer von der SRH Fernhochschule – The
Mobile University erklärt, ob diese und andere Maßnahmen
legal sind und inwiefern sie in unsere Grundrechte
eingreifen. In seinem Lawcast erläutert
er diese Hintergründe auch im Video. Rechtsexperte Prof.
Dr. Simon A. Fischer erklärt, ob und welche Maßnahmen der
Corona-Pandemie legal sind. Quelle (©SRH Fernhochschule
Grenzen der Freiheitsrechte Die
Grundrechte aus unserer Verfassung schützen uns davor, dass
der Staat in unsere Freiheiten eingreift. „Eine absolut
freie Ausübung dieser Grundrechte kann es allerdings für
niemanden geben. Denn spätestens dort, wo ich mit meiner
Freiheitsbetätigung andere Menschen beeinträchtige oder
sogar gefährde, ist Schluss mit der Ausübung meiner
Freiheitsrechte“, so Prof. Dr. Simon A. Fischer. Einige
Freiheitsgrundrechte, darunter auch das Versammlungsrecht
aus Art. 8 GG und das allgemeine Freiheitsgrundrecht aus
Art. 2 GG, können aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt
werden.
Eines solches Gesetz, das die Einschränkung
von Grundrechten vorsieht, ist das Infektionsschutzgesetz
(IfSG): Aufgrund von §28 IfSG können Behörden
freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergreifen, um eine Pandemie
wie die Corona-Pandemie einzudämmen. Dazu zählt auch das
Gebot einen Mund-Nasen-Schutz generell in bestimmten
Alltagssituationen zu tragen, beispielsweise während der
Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.
Aufgrund des
Infektionsschutzgesetzes und des Versammlungsgesetzes können
unter bestimmten Voraussetzungen auch Demonstrationen
verboten oder, weniger einschneidend, Auflagen für die
Durchführung von Demonstrationen verhängt werden.
Wann aber sind solche freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen zulässig? Bevor solche Maßnahmen
ergriffen werden können, muss staatlicherseits sorgfältig
geprüft werden, ob die mit diesen Maßnahmen einhergehenden
Freiheitsbeschränkungen verhältnismäßig sind. Der Staat muss
also bei jedem Eingriff in die Freiheitsrechte seiner Bürger
den sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten.
Dabei wird in einer 4-stufigen Prüfung festgestellt, ob
eine freiheitsbeschränkende Maßnahme zulässig ist, oder doch
zu massiv in die Grundrechte der Bürger eingreift.
1. Stufe: Wird mit der Maßnahme ein
legitimer Zweck verfolgt? 2. Stufe: Ist
die Maßnahme geeignet, um diesen legitimen Zweck zu
erreichen? 3. Stufe: Gibt es kein
anderes, milderes aber gleich wirksames Mittel, um diesen
Zweck zu erreichen? 4. Stufe: Stehen die
mit der Maßnahme verbundenen Nachteile nicht außer
Verhältnis zum angestrebten Erfolg?
Corona und Demonstration Vergangenes
Wochenende fand in Berlin eine Großdemonstration gegen
Corona-Maßnahmen mit 40.000 Teilnehmern statt, 22.500 waren
ursprünglich angemeldet. Die Berliner Versammlungsbehörde
verbot die geplante Demonstration. „Eine Demonstration zu
verbieten ist immer besonders heikel“, meint Prof. Fischer,
„da eine Demonstration nicht nachgeholt werden kann. Das
Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird mir in diesem Fall
für die konkret angemeldete Demonstration vollständig
genommen. Dieser vergleichsweise schwere Grundrechtseingriff
bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung. Häufig wird es
mildere Mittel als ein komplettes Verbot geben, im Falle
einer Corona-Demo z.B. die Verhängung von bestimmten
Auflagen, wie das Einhalten von Sicherheitsabständen oder
das Tragen von Masken.“ Die Berliner
Versammlungsbehörde hatte das Demonstrationsverbot damit
begründet, dass im Rahmen der Demonstration, wie bereits bei
einer ähnlichen Demonstration Anfang August, Verstöße gegen
das Infektionsschutzgesetz zu erwarten seien. Das genügte
dem Verwaltungsgericht nicht, zumal der Veranstalter ein
Hygienekonzept vorgelegt hatte, das nach Ansicht des
Gerichts der Berliner SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung
entsprach.
„Das Gericht entschied, dass es ein
milderes Mittel als das Verbot gab, nämlich eine Änderung
der Streckenführung des Demonstrationszugs, um eine Ballung
der Teilnehmer und eine damit einhergehende Unterschreitung
des ohnehin gebotenen Mindestabstands zu vermeiden.“, so
Fischer. Aufgrund einer organisatorischen Änderung konnte
jedoch schließlich auch auf die Änderung der Streckenführung
wieder verzichtet werden, wie die nächste Instanz, das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg feststellte.
„Somit können wir festhalten: Auch in Corona-Zeiten
funktioniert unser Rechtsstaat“, meint der Rechtsexperte.
Ist die Maskenpflicht legitim? Zwar
wurde die Wirksamkeit der Masken zur Vermeidung weiterer
Infektionen noch nicht abschließend erforscht, aber nach
offiziellen Verlautbarungen fachkundiger Stellen können die
Masken dazu beitragen, die Weiterverbreitung des Virus
zumindest zu hemmen. Sie hemmen Tröpfchen oder Aerosole, die
beim Sprechen aus dem Mund ausgeworfen werden und fangen
diese ein. Somit tragen die Masken dazu bei, dass sich
Corona als Tröpfcheninfektion nicht weiter ausbreitet.
Da die Masken folglich die
Infektionswahrscheinlichkeit im Rahmen eines
zwischenmenschlichen Kontaktes verringern, sind sie
ein geeignetes Mittel um den legitimen Zweck, nämlich den
Gesundheitsschutz zu fördern.
„Zu Hause zu
bleiben wäre noch wirksamer, würde unsere Freiheitsrechte
aber erheblich mehr einschränken.“, meint Professor Fischer
und fügt hinzu: „Auch wenn den ein oder anderen das Maske
tragen nervt: Rechtlich ist der Grundrechtseingriff, der mit
dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verbunden ist, häufig
zulässig. Denn durch die Maske werden die Gesundheit und das
Leben anderer Menschen geschützt. Gefährdet die Maske jedoch
akut die Gesundheit des Trägers oder verhindert sie die
Ausübung von Grundrechten gänzlich, wie z.B. die Freiheit
eines Gastronomen seinen Beruf auszuüben, da seine Gäste mit
der Maske vor dem Mund schwerlich bei ihm essen können, ist
eine differenziertere Betrachtung geboten“.
Eine
solche Abwägung versucht der Staat im Rahmen der
Corona-Regelungen vorzunehmen. „Das gelingt ihm sicherlich
nicht immer. Allerdings haben wir hier unsere guten Gerichte
als rechtsstaatliches Korrektiv.“, bemerkt Prof. Fischer
zuversichtlich.
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