Duisburg, 24. Juni 2015 -
... sich an den Dingen stoßen wollen, damit der Leib
den Schmerz von der Seele nimmt... „Liebe Angehörige,
liebe Betroffene, meine Damen und Herren, es sind
berührende Worte, die das Junge Ensemble Ruhr gerade zu der
Musik von Ludovico Einaudi vorgetragen hat. Für viele
werden diese Zeilen aus dem Gedicht des Lyrikers Heinz
Kahlau einige der Gefühle widerspiegeln, die die Katastrophe
am 24. Juli 2010bei ihnen ausgelöst hat. So jedenfalls
geht es mir. 5 Jahre sind vergangen, seit jenem schönen
Sommertag, dem diese Stadt und Tausende Techno-Fans weltweit
schon lange entgegen gefiebert hatten. Es war der Tag,
an dem die größte Technoparty des Jahres steigen sollte,
hier in Duisburg. Es war der Tag der 19. Loveparade.
Es war der Tag, an dem die Loveparade in einer unfassbaren
Katastrophe endete. Für 21 Familien ist der 24. Juli
2010 mit unermesslichem Leid verbunden. Sie trauern um
den Verlust eines geliebten Menschen.
Sie trauern
• um ihre Töchter und Söhne, • um ihre
Geschwister, • ihre Enkelinnen und Enkel, •
Nichten und Neffen, • um ihre Partnerinnen und
Partner, • ihre Freundinnen und Freunde.
Unzählige Menschen verbinden mit diesem Tag entsetzliche
Bilder. Viele erinnern sich an Schmerzen, an
Angst, an Todesangst. Und auch an
hilflose Ohnmacht, während sie versuchten,
zwischen Hunderten Verletzten Hilfe zu leisten. Viele haben
das Erlebte bis heute nicht verarbeiten können: 5 Jahre
sind vergangen – das Trauma „Loveparade“ blieb. Es ist
den Angehörigen der Opfer kaum noch zu erklären, dass es
nach fünf Jahren immer noch so viele offene Fragen und so
wenig Antworten, so wenig Gewissheit gibt. Ich kann
sicher nur in Ansätzen ermessen,
wie riesig die Belastung derer
ist, die sich verzweifelt Aufklärung über die Geschehnisse bei der Loveparade
wünschen Viele Menschen warten auf
eine juristische Klärung, als einen
wichtigen Schritt zur Aufarbeitung der Tragödie.
Nicht zuletzt auch deshalb, um
diesen unvorstellbar schmerzhaften und
belastenden Teil ihrer Geschichte verarbeiten zu
können, einen Weg zum Weiterleben zu finden. Mit ihnen
allen wünsche ich mir, dass es bald dazu kommt. Das
Unglück wirkt in uns allen
fort: In dieser Stadt und
ihren Menschen, in Ihnen, liebe
Anwesende, und in mir. Deshalb rücken wir auch an diesem
5. Jahrestag der Tragödie zusammen, erinnern uns und
gedenken hier am Mahnmal im Park an der Karl-Lehr-Straße
gemeinsam der Opfer. Dabei gilt unsere
Verbundenheit und unser tief
empfundenes Mitgefühl den Hinterbliebenen.
Auch für sie ist das Leben in den vergangenen 5 Jahren
weitergegangen, doch wir wissen: Trauer hat ihre eigene
Zeitrechnung, einen eigenen Kalender. In unsere Mitte
nehmen wir heute außerdem besonders diejenigen, die noch
immer an den Folgen der Loveparade zu tragen haben. Für
sie wünschen wir uns, dass der gute Geist dieser
Gedenkveranstaltung ihnen auch über diesen Jahrestag hinaus
Erleichterung und Ermutigung sein kann.
In
diesem Zusammenhang ist mir heute
einmal mehr ein wichtiges Anliegen,
Danke zu sagen. Danke an die Gruppen und
Initiativen, die den Loveparade-Betroffenen ein Forum
schaffen und sich sehr engagiert und
nachdrücklich für ihre Interessen
und auch für die Aufarbeitung der Tragödie
einsetzen. Großer Dank gebührt auch 5 Jahre nach der
Loveparade-Tragödie der Notfallseelsorge. Es ist wirklich
eine ganz großartige Arbeit, die die Seelsorgerinnen und
Seelsorger leisten, und sie ist so viel mehr, als man es
sich unter „ErsterHilfe für die Seele“ zunächst vorstellen
kann.
Verehrte Notfallseelsorgerinnen,
verehrte Notfallseelsorger, ich danke
Ihnen für die professionelle und intensive
Betreuung der Angehörigen der Opfer und der Verletzen! Und
lassen Sie es mich hier bitte ausdrücklich feststellen: Ich
bin froh, dass es Sie gibt!
Gleiches gilt
für unseren hochengagierten Ombudsmann,
Jürgen Widera. Seit über zwei Jahren
ist er Ansprechpartner für die Angehörigen und Betroffenen,
hat beraten, vermittelt und auch ganz konkret geholfen,
deren Anliegen auf den Weg zu bringen. Vielen Dank, lieber
Herr Widera, für Ihre gute und wichtige Arbeit.
Ausdrücklich geht mein herzlicher Dank auch an jene, die
sich liebevoll um die Pflege der Gedenkstätte kümmern,
hierfür viel Zeit und auch Geld investieren. Dies gilt
auch für die neue Gedenktafel, die auf Initiative aus dem
Kreis der Angehörigen vor einigen Tagen
angebracht wurde. Sie ergänzt die
Gedenkstätte auf Wunsch vieler Angehöriger
um die Möglichkeit individueller Gestaltung. Möglich
gemacht hat dies ThyssenKrupp Steel Europe mit Unterstützung
der Hüttenwerke Krupp Mannesmann. Beide Duisburger
Stahlunternehmen haben einen Entwurf des Architekten
Alexander Ahlert und die von Rüdiger
Eichholtz stammende künstlerische
Gestaltung überzeugend umgesetzt. Sie alle
setzen damit ein Zeichen der
Anteilnahme und der engen Verbundenheit zu
unserer Stadt. Danke dafür an die Arbeitsdirektoren beider
Unternehmen, danke lieber Thomas Schlenz und lieber Peter
Gasse. Und selbstverständlich herzlichen Dank an die beiden
genannten kreativen Unterstützer und ihr Team.
Unterstützung hat es in den
vergangenen fünf Jahren ohnehin und
glücklicherweise viel gegeben. Viele
Menschen und Institutionen dieser
Stadt übernahmen Verantwortung, zeigten Anteil
und Mitgefühl. Standen den Hinterbliebenen und Betroffenen
in ihrem Leid unterstützend zur Seite und halfen so, die
Wunden zu schließen und den Blick schrittweise wieder in die
Zukunft zu richten.
Für diesen Blick nach vorn steht
ab sofort auch eine Stiftung, die eine Reihe von bisher auf
mehreren Schultern verteilten Aufgaben unter ihrem Dach
vereinen wird. Sie trägt den Namen
„Duisburg 24. 7. 2010“ und
will auch präventive Beiträge leisten,
damit sich ein solches Unglück niemals wiederholt. Ich freue
mich sehr, dass der Wunsch der Angehörigen und Betroffenen
nach einer solchen Einrichtung nun umgesetzt werden konnte.
Allen, die den Stiftungsgründern
bei ihrer Initiative geholfen haben,
danke ich sehr. Im Bewusstsein,
Mitverantwortung für die Folgen der
Katastrophe zu tragen, hat auch
die Stadt Duisburg deren Anliegen
nach Kräften unterstützt. Und wird
der Stiftung auch in Zukunft zur Seite
stehen. Ich hoffe, dass die Stiftung
ihren Beitrag zur Trauerarbeit und
zur Verarbeitung der schrecklichen Ereignisse
leisten wird. Dass sie den Schmerz, den die
Hinterbliebenen in Ihren Herzen tragen, lindern kann.
Dass sie die Folgen für die Betroffenen mildert. Und
dass sie Ihnen allen Hoffnung gibt. Denn die Hoffnung
ist es, die uns auch in den schlimmsten Momenten die Kraft
gibt, den Blick nach vorn zu wagen.
Vielen Dank!“
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