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Loveparade 2010
September 2015: Erstes
Loveparade-Zivilverfahren

 

Klage eines Feuerwehrmannes abgewiesen
Kein Schmerzensgeld für nur mittelbar verursachte psychische Schäden
Kanzlei Baum ∙ Reiter & Collegen zum Urteil

Duisburg, 28. September 2015 - Mit einem heute verkündeten Urteil hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg die Klage eines Feuerwehrmannes auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der tragischen Ereignisse bei der Loveparade 2010 abgewiesen. Der Kläger hat von der Veranstalterin L. GmbH, deren Geschäftsführer Rainer S. und dem Land Nordrhein-Westfalen zuletzt rund 90.000 Euro verlangt.

Die Entscheidung entspricht der vom Gericht in der mündlichen Ver-handlung vom 1. September 2015 mitgeteilten Auffassung. Dabei ist die Kammer der Frage, wie es zu den dramatischen Ereignissen am 24. Juli 2010 kommen konnte, nicht nachgegangen. Denn selbst wenn die Beklagten hierfür die Verantwortung tragen müssten, hätte der Kläger nach Auffassung des Gerichts keinen Anspruch.

Grund hierfür sei, dass nur der unmittelbar Verletzte Ansprüche habe, nicht aber derjenige, der die Verletzung oder den Tod Anderer lediglich miterlebe. Die von der Rechtsprechung hiervon anerkannten Ausnahmen träfen auf den Kläger nicht zu. Insbesondere habe er nicht die Verletzung oder den Tod naher Angehöriger erleben müssen.

Die Kammer hat deshalb offen gelassen, ob der Kläger – wie von ihm behauptet – an einer posttraumatischen Belastungsstörung infolge seiner Erlebnisse bei der Loveparade erkrankt ist. Eine solche Belastungsstörung würde nicht unmittelbar auf einer Handlung oder einem Unterlassen der Beklagten, sondern auf einer psychisch vermittelten Schädigung im Rahmen eines Rettungseinsatzes beruhen. Die Ersatzpflicht eines Schädigers gehe nicht so weit, dass eine nur durch den Anblick des Leides Anderer ausgelöste psychische Erkrankung des Retters zu entschädigen sei.

Polizisten oder Feuerwehrleute seien aufgrund ihrer Berufswahl vermehrt seelisch belastenden Situationen ausgesetzt. Entstehe hieraus eine psychische Erkrankung, sei dies dem Berufsrisko zuzuordnen. Hierfür müsse gegebenenfalls der Dienstherr nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einstehen, nicht aber der Verursacher einer solchen belastenden Situation.
Gegen das Urteil kann der Kläger binnen eines Monats Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen.


Kanzlei Baum ∙ Reiter & Collegen zum Urteil
„Der vorliegende Schadensersatzprozess zeichnet ein völlig falsches Bild der Interessen der Opfer“, so Prof. Dr. Reiter von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen, die selbst eine große Anzahl an Opfern vertritt. Es sei strategisch völlig verfehlt, eine Klage derart öffentlichkeitswirksam zu führen, bei der es kaum auf die eigentlichen Geschehnisse des Unglücks, sondern auf eine spezielle Rechtsfrage des Einzelfalls ankommt.

Weiter führt Prof. Dr. Reiter aus: „Wir halten den Ansatz, die Ansprüche der Opfer vorschnell, teilweise in überzogener Höhe, auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen, für verfehlt. Im Zivilverfahren muss der Kläger beweisen, wer für den Schaden verantwortlich ist. Aufgrund der Komplexität und Schwierigkeit des Sachverhalts dürfte dies dem jeweiligen Kläger vor Abschluss des Strafverfahrens schwerfallen. Ohnehin erwarten wir, dass das Zivilgericht im Zweifelsfall die rechtshängigen Verfahren aussetzen wird, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg sowie der zuständigen Strafkammer abzuwarten“.

In der Tat sind die beiden vorgenannten Stellen seit nunmehr fünf Jahren um eine vollumfängliche Aufklärung bemüht. Zentrales Beweismittel ist dabei ein Sachverständigengutachten, dessen Geeignetheit zur verlässlichen Aufklärung der Geschehnisse vom 24. Juli 2010 jedoch umstritten ist. Das Strafverfahren befindet sich fünf Jahren nach dem Unglück noch immer im Zwischenverfahren. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde vom Landgericht Duisburg noch nicht getroffen.

Das sich nun bereits seit gut eineinhalb Jahren hinziehende Zwischenverfahren bei den Strafbehörden stellt eine große Belastung für Opfer und Hinterbliebene dar. Dennoch ist sich Prof. Dr. Reiter sicher: „Die Geltendmachung der Ansprüche der Geschädigten als Nebenkläger im Strafverfahren ist der richtige Weg. Die Betroffenen können erst dann abschließen, wenn die Frage der Verantwortung geklärt ist“.

Der klagende Feuerwehrmann muss nun zusammen mit seiner Rechtsvertreterin entscheiden, ob er gegen das abweisende Urteil des Landgerichts Duisburg Berufung einlegt. Ob das Oberlandesgericht Düsseldorf als zuständiges Berufungsgericht dann eine vom Landgericht Duisburg abweichende Rechtsposition einnimmt, bleibt ungewiss.