Duisburg, 05.
April 2016 - Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts
Duisburg hat die Anklage im Loveparade-Strafverfahren nicht
zugelassen. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde
abgelehnt. Der Beschluss wurde am 30.03.2016 gefasst und
heute den Verfahrensbeteiligten bekannt gegebenen. Danach
wird es keine Hauptverhandlung gegen die zehn
angeschuldigten Personen geben.
Das Gericht hat die gesetzliche Aufgabe, die mit der Anklage
erhobenen Vorwürfe zunächst daraufhin zu prüfen, ob eine
Hauptverhandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu
einer Verurteilung der Angeschuldigten führt. Nur dann darf
eine solche Hauptverhandlung durchgeführt werden. Die
eingehende Prüfung der Anklagevorwürfe und der hierzu
vorgelegten Beweismittel durch die 5. Große Strafkammer des
Landgerichts Duisburg hat ergeben, dass kein hinreichender
Tatverdacht besteht.
Die Vorwürfe der Anklage können mit den vorgelegten
Beweismitteln nicht bewiesen werden. Eine Verurteilung der
Angeklagten ist deshalb nicht zu erwarten. Das hat
die Kammer in ihrem 460 Seiten umfassenden Beschluss im
Einzelnen dargelegt.
Das wesentliche Beweismittel, auf dem die Anklage beruht,
ist das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Still.
Dieses Gutachten ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht
verwertbar. So leide es an gravierenden inhaltlichen und
methodischen Mängeln.
Aufgrund des Gutachtens lasse sich daher nicht beantworten,
aus welchen Gründen es zu den tragischen Ereignissen
anlässlich der Loveparade im Jahre 2010 kommen konnte.
Darüber hinaus bestehe gegen den Gutachter die Besorgnis der
Befangenheit. Zudem seien die Ausführungen der Anklage zur
Frage der Kausalität von Planungs- und Genehmigungsfehlern
für das Unglück nicht belegt. Andere tragfähige
Beweismittel, die den Anklagevorwurf stützen könnten,
stünden dem Gericht aber nicht zur Verfügung. Insbesondere
sei dem Gericht die Einholung eines neuen Gutachtens im
Zwischenverfahren von Gesetzes wegen untersagt.
Zwar dürfe das Gericht einzelne Beweiserhebungen auch im
Zwischenverfahren anordnen, es könne aber nicht das zentrale
Beweismittel durch ein neues ersetzen. Dementsprechend habe
die Kammer 75 Fragen an den Gutachter gestellt, die aber
weder zu einer abschließenden Klärung der offenen Fragen
noch zu einer Behebung der grundlegenden Mängel führten.
Zu den tragenden Gründen ihrer Entscheidung führt die Kammer
im Einzelnen aus:
1. Inhaltliche und methodische Mängel des Gutachtens
Das Gutachten von Prof. Dr. Still leidet an
schwerwiegenden methodischen und inhaltlichen Mängeln, die
dazu führen, dass die grundsätzlichen Fragen zu den Ursachen
des Loveparade-Unglücks nicht beantwortet werden. Der
Gutachter hat lediglich eine „erste grobe Risikoanalyse“ aus
Sicht eines Planers vor Beginn der Veranstaltung
vorgenommen. Damit kann der erforderliche Nachweis, dass
Fehler in der Planung oder Genehmigung die Todesfälle und
Verletzungen verursacht hätten (Kausalitätsbeweis), nicht
geführt werden.
- Prof. Dr. Still hat in unzulässiger Weise
die Auswahl der Tatsachen, auf denen sein Gutachten aufbaut,
auf örtliche Gegebenheiten beschränkt. Sämtliche andere
mögliche Unglücksursachen, insbesondere Handlungen der die
Veranstaltung vor Ort begleitenden Personen, hat er hingegen
nicht berücksichtigt. Prof. Dr. Still legt seinen
Berechnungen Planzahlen des Veranstalters zu den
Besucherströmen zugrunde. Von diesen Planzahlen behauptet er
zwar, sie seien manipuliert, verwendet sie aber gleichwohl
im Rahmen seines Gutachtens.
- Die von Prof. Dr. Still zugrunde
gelegten Teilnehmerzahlen konnte er trotz mehrfacher
Nachfrage der Kammer nicht schlüssig begründen. Z. B. beruft
er sich zur Begründung der von ihm angenommenen
Teilnehmerzahlen auf Schätzungen allein der
Transportkapazitäten des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr. Damit
bleibt ungeklärt, wie viele Besucher tatsächlich auf das
Gelände gelangt sind. Daher steht auch nicht fest, dass sich
eine – unterstellt – fehlerhafte Berechnung der
Besucherströme durch die Angeschuldigten im konkreten
Unglück ausgewirkt hat.
- Darüber hinaus ist das Gutachten an
zentralen Punkten in sich widersprüchlich. Prof. Dr. Still
geht einerseits davon aus, dass wegen der dem Unglücksort
vorgelagerten Vereinzelungsanlagen maximal ca. 44.000
Personen pro Stunde von außen auf das Gelände gelangen
konnten. Andererseits leitet er seinen Rückschluss auf eine
fehlerhafte Planung unter anderem aus der Annahme her, dass
zwischen 55.000 und 90.000 Personen pro Stunde auf das
Gelände gelangen sollten.
- Prof. Dr. Still hat seine Pflicht
zur persönlichen Erstattung des Gutachtens verletzt. Er hat
die verfügbaren Unterlagen nie selber vollständig gesichtet,
sondern die eigenständige Auswahl aller für das Gutachten
verwendeten Dokumente zwei Mitarbeiterinnen übertragen.
Diese Auswahl konnte er mangels Kenntnis der deutschen
Sprache nicht selbst prüfen.
-
Prof. Dr. Still hat zudem die Sorgfaltsmaßstäbe, die er den
Angeschuldigten auferlegt hat, nicht nachvollziehbar
begründet. Er hat sich mit den für Deutschland maßgeblichen
Normen und Regeln, die für die Veranstaltungsplanung
anzuwenden sind, nicht beschäftigt. Der vom Gutachter seiner
Engstellenberechnung zugrunde gelegte maximale
Personendurchfluss von 82 Personen pro Minute und Meter
findet sich nicht in den maßgeblichen Normen.
Er ist auch nicht allgemein als Stand der ordnungsgemäßen
Veranstaltungsplanung anerkannt. Dem Gutachten von Prof. Dr.
Still liegt ein falscher Ursächlichkeitsbegriff zugrunde. Er
vermengt die nach deutschem Recht zu unterscheidenden
Kategorien der Kausalität einerseits und der
Vorhersehbarkeit andererseits. Für eine Verurteilung ist
aber nach deutschem Recht erforderlich, dass sich ein
konkreter Planungs- oder Genehmigungsfehler eines
Angeschuldigten in einer konkreten Verletzung auswirkt.
2. Besorgnis der Befangenheit des Gutachters Prof.
Dr. Still
Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Still ist in
einer Hauptver- handlung nicht verwertbar, weil Prof. Dr.
Still als befangen abzulehnen wäre. Entsprechende
Ablehnungsanträge sind schon im Zwischenver- fahren
angekündigt worden. Ein Befangenheitsgesuch ist schon dann
erfolgreich, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist,
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen
zu rechtfertigen.
- Es kommt dabei nicht darauf an, ob
tatsächlich eine Befangenheit des Sachver- ständigen
besteht. Derartige Gründe für eine im Rahmen einer etwaigen
Hauptverhandlung erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen
benennt die Kammer wie folgt: Nachdem er das Gutachten
vorgelegt hatte, hat sich Prof. Dr. Still in öffentlich
gehaltenen Vorträgen, die auch über das Internet zugänglich
waren, unsachlich zu dem Unglück geäußert.
- So hat er behauptet, dass die Daten
für das Genehmigungsverfahren manipuliert gewesen seien,
ohne dass er dies begründet oder belegt. Weiter hat er
ausgeführt, dass von den Planern der Veranstaltung
einfachste Gesetze der Mathematik, die sein Sohn im Alter
von vier Jahren beherrscht hätte, nicht beachtet worden
seien.
- Ferner hat er sich in Vorträgen und
einem Fachbuch nach Vorlage des Gutachtens auf bestimmte
Unglücksursachen und Ergebnisse festgelegt. Insbesondere hat
er Fehler in Planung, Genehmigung und Durchführung der
Veranstaltung als sicher unterstellt, ohne alternative
Unglücksursachen in Betracht zu ziehen. Ein Abrücken von
diesen öffentlich mehrfach verbreiteten Behauptungen in
einer Hauptverhandlung könnte für Prof. Dr. Still mit einem
erheblichen beruflichen Ansehensverlust verbunden sein.
- Auch habe Prof. Dr. Still sich
selbst nicht als unabhängigen, nicht weisungsgebundenen
Gutachter angesehen, sondern als von einem
Sicherheitsunternehmen und einer englischen Universität
beauftragt betrachtet. Diese haben die Vorgehensweise bei
der Gutachtenerstellung zumindest teilweise mitbestimmt.
Zudem hat er die Prüfung seines Gutachtens im Interesse der
Haftpflichtversicherung seiner Arbeitgeber für erforderlich
gehalten und eine entsprechende Überprüfung durchführen
lassen.
3. Keine Unumkehrbarkeit des Geschehens
Die Kammer bezweifelt die der Anklage zugrunde liegenden
Kausalitätserwägungen: Die Anklage geht davon aus, dass zu
einem bestimmten Zeitpunkt (15:30 Uhr bzw. 16:02 Uhr) die
tragischen Ereignisse unumkehrbar gewesen seien, also
unabhängig von weiteren Handlungen zum Unglück hätten führen
müssen. Dabei beruft sie sich auf Angaben des Prof. Dr.
Still.
Dieser allerdings nimmt eine Unumkehrbarkeit des
Geschehensverlaufs allenfalls zu deutlich späteren
Zeitpunkten an. Für die Frage der Ursächlichkeit etwaiger
Planungs- und Genehmigungsfehler für die Todesfälle und
Verletzungen kommen auch aus diesem Grund noch mögliche
andere Ursachen, insbesondere die später eingezogenen
Polizeiketten, die unterlassene Schließung der
Zugangssysteme und später entfernte Begrenzungszäune an den
Einlassanlagen, in Betracht.
Gegen den Beschluss der Kammer können Staatsanwaltschaft und
Nebenkläger binnen einer Woche sofortige Beschwerde
einlegen. Über diese entscheidet das Oberlandesgericht
Düsseldorf.
- Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft -
Die Entscheidung des
Landgerichts Duisburg, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen,
ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar
und rechtsfehlerhaft.
Gegen den Beschluss der
Strafkammer hat die Staatsanwaltschaft daher umgehend
sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Akribie und großem Fleiß hat sich die Kammer nach mehr
als zweijähriger Prüfung erkennbar bemüht, im
Zwischenverfahren die von der Staatsanwaltschaft
zusammengetragenen Beweismittel um fassend abschließend zu
würdigen und auf dieser Grundlage einen
Nichteröffnungsbeschluss gefasst, ohne dass sich die
Öffentlichkeit einen Eindruck sowohl von der Validität der
Beweismittel als auch dem Willensbildungsprozess der Kammer
verschaffen konnte.
Nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat die Kammer
die Funktion des Zwischenverfahrens überdehnt und den
Amtsermittlungsgrundsatz, der für sie gleichermaßen wie für
die Staatsanwaltschaft gilt, nicht in genügender Weise
beachtet. Der Beschluss der Strafkammer ist – jedenfalls
überwiegend – mit Bedenken gegen den Sachverständigen Prof.
Dr. Still und sein Gutachten begründet.
Die Zurückweisung des Gutachters und seiner Ergebnisse ist
indes nicht gerechtfertigt. Gerade auch angesichts der
Vielzahl an Beweismitteln, die die Staatsanwaltschaft für
die von ihr erhobenen Tatvorwürfe – neben dem Gutachten des
Sachverständigen – benannt hat, hätte sich die Strafkammer
aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes zudem veranlasst
sehen müssen, einen
zweiten Gutachter zu beauftragen.
Die Beauftragung von Gutachtern durch das Gericht im Stadium
des Zwischenverfahrens ist gängige Praxis. Es entspricht
zudem der üblichen Verfahrensweise, die Staatsanwaltschaft
und die übrigen Verfahrensbeteiligten (frühzeitig) auf
etwaige Bedenken hinzuweisen und der Staatsanwaltschaft
Gelegenheit zu geben, die für erforderlich erachteten
ergänzenden Ermittlungen nachzuholen.
Prof. Dr. Still ist ein international anerkannter
renommierter Experte, an dessen Sachkunde und Unabhängigkeit
keine Zweifel bestehen. Er hat nachvollziehbar und im Kern
unverändert dargelegt, dass bei der Planung und Genehmigung
der maximal möglichen Durchflusskapazität des zum
Veranstaltungsgeländes führenden Tunnels – 82 Personen pro
Meter pro Minute – keinerlei Beachtung geschenkt und dadurch
das tragische Geschehen herbeigeführt worden ist.
Die gegen diese Bewertung seitens der Strafkammer erhobenen
Bedenken teilt die Staatsanwaltschaft nicht, auch weil es
sich bei der maximalen Durchflusskapazität um einen
wissenschaftlich anerkannten Erfahrungswert handelt. Dieser
muss als allgemeingültiger Wert angesehen werden, für den es
einer sachverständigen Feststellung im Einzelfall nicht
bedarf.
Die Ablehnung des Sachverständigen als befangen entbehrt aus
Sicht der Staatsanwaltschaft der Grundlage; sie wäre nur
möglich, wenn der Sachverständige durch mündliche oder
schriftliche Äußerungen den Eindruck einer
Voreingenommenheit hervorgerufen hätte. Dies ist auch unter
Berücksichtigung der von der Strafkammer aufgeführten
Umstände nicht der Fall.
Den von der Staatsanwaltschaft festgestellten Zeitpunkt der
„Unumkehrbarkeit des Geschehens“, den die Strafkammer als
nicht belegt ansieht, hat die Staatsanwaltschaft in ihrer
Anklage, gestützt auf zahlreiche Beweismittel, wie etwa
Videoaufnahmen, Zeugenaussagen, aber auch Feststellungen des
Sachverständigen Prof. Dr. Still, sehr sorgfältig begründet.
Die Zweifel des Landgerichts sind – auch unter
Berücksichtigung der insoweit von der Strafkammer
angeführten Gründe – nicht nachvollziehbar. Die in diesem
Zusammenhang von der Strafkammer angesprochen
Alternativursachen sind – weder für sich genommen noch
insgesamt – ursächlich für das tragische Geschehen geworden.
Die Staatsanwaltschaft
geht davon aus, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf als
zuständiges Beschwerdegericht den Beschluss des Landgerichts
aufheben und die Durchführung des Hauptverfahrens anordnen
wird. Nur dadurch wird – auch im Interesse
der zahlreichen Opfer und ihrer Angehörigen – die gebotene
weitere Aufklärung der Ereignisse in öffentlicher
Hauptverhandlung sichergestellt.
- Stellungnahme von
Oberbürgermeister Sören Link - "Fünf Staatsanwälte und fast Hundert Polizisten haben in den
letzten Jahren zur Loveparade-Katastrophe ermittelt. Die
Hauptakte umfasste mehr als 44000 Seiten, über 3400 Zeugen
wurden vernommen. Trotz dieser kaum vorstellbaren Datenflut
konnte im strafrechtlichen Sinne kein Schuldiger gefunden
werden.
Das Gericht führte heute aus, dass vor allem das Gutachten
des Panikforschers Keith Still nicht verwertbar sei, da es,
ich zitiere, „an gravierenden methodischen und inhaltlichen
Mängeln“ leide. Die Vorwürfe der Anklage können mit den
vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden, weswegen
eine Verurteilung nicht zu erwarten sei.
Ich bin kein Jurist und kann deswegen keine fachliche
Einschätzung abgeben. Ich bin sicher, es wird in den
nächsten Tagen viele geben, die die Begründung des Gerichts
fundiert bewerten können. Aber ich bin ein Mensch. Ein
Mensch, der Familie hat, eine Frau, Freunde, Menschen die
ich liebe, die mein Leben bereichern – ja ausmachen.
Und als solcher leide ich heute mit den Angehörigen, mit den
Eltern, Partnern, mit den Freundinnen und Freunden, mit den
vielen Verletzten und Traumatisierten, mit den Menschen, für
die die Loveparade eine Zäsur in ihrem Leben darstellt, von
der sich viele bis heute nicht erholt haben.
Sie alle werden heute schwer tragen an der Entscheidung des
Gerichts. Sie werden schwer daran tragen, dass es auf die
Frage, wer die Schuld an dieser Katastrophe trägt, auch nach
über fünf Jahren keine eindeutige Antwort gibt.
Wer seinen Sohn, seine Tochter, sein Liebstes verloren hat,
der fragt nicht nach Verfahrensfehlern oder danach, warum
ein Gutachten verwertbar ist oder nicht. Der darf
Unverständnis äußern, dass es mehr als ein halbes Jahrzehnt
brauchte, um diese Katastrophe aufzuarbeiten, ohne dass am
Ende jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden
konnte. Ich weiß allerdings auch, dass viele Betroffene
schon lange davon ausgingen, dass die juristische
Aufarbeitung ihnen keinen Frieden bringen wird. Für viele
war es ein Schlag ins Gesicht, dass die damalige Stadtspitze
und der Geschäftsführer des Veranstalters nicht auf der
Liste der Beschuldigten standen.
So ist der heutige Tag für
viele eine weitere Enttäuschung.
- Sofortige Beschwerde im Falle
der Nichteröffnung eines Strafverfahrens -
Die Entscheidung der Kammer eines Landgerichts, ein
Strafverfahren nicht zu eröffnen und die Anklage nicht zur
Hauptverhandlung zuzulassen, kann mit dem Rechtsmittel der
„sofortigen Beschwerde“ angefochten werden. Die Entscheidung
über diese sofortige Beschwerde trifft das
Oberlandesgericht.
Eine solche „sofortige
Beschwerde“ können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch
Nebenkläger einlegen. Sie muss innerhalb einer Woche nach
Zustellung der Nichteröffnungsentscheidung an die
Verfahrensbeteiligten bei dem Landgericht eingelegt werden,
das die Nichteröffnung des Verfahrens beschlossen hat. Der
Senat beim Oberlandesgericht kann die Entscheidung der
Kammer des Landgerichts über die Nichteröffnung entweder
bestätigen oder dahingehend abändern, dass er die Eröffnung
des Hauptverfahrens und damit die Durchführung der
Hauptverhandlung gegen einzelne oder alle Angeschuldigte vor
einer Strafkammer des Landgerichts anordnet.
Dann
muss das Strafverfahren im angeordneten Umfang vor dem
Landgericht durchgeführt werden. Die Entscheidung des Senats
des Oberlandesgerichts ist abschließend. Es steht kein
weiteres Rechtsmittel zur Verfügung. Dem Senat bei dem
Oberlandesgericht werden für seine Entscheidung im
Beschwerdeverfahren alle Akten zur Verfügung gestellt, auf
die das Landgericht seine Entscheidung gestützt hat. Der
Senat überprüft die Entscheidung des Landgerichts dann unter
allen rechtlichen Gesichtspunkten.
Im Falle der
Nichteröffnung eines Strafverfahrens wird der Senat eine
eigene Prüfung und Bewertung der Anklage vornehmen. Kommt
auch der Senat zu dem Ergebnis, dass im Falle der
Durchführung eines Hauptverfahrens nicht mit einer
Verurteilung der Angeschuldigten zu rechnen ist, weist er
die Beschwerde zurück. Sofern aus Sicht des Senats jedoch
eine Verurteilung aller oder einzelner Angeklagter zu
erwarten ist, lässt er die Anklage insoweit zu und
beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens.
- Die Kanzlei baum reiter & collegen:
Bankrotterklärung der Justiz - Die Kanzlei
baum reiter & collegen, die zahlreiche Loveparade-Opfer
vertritt, wägt weitere Schritte ab. Die Sozietätspartner
Gerhart Baum und Prof. Dr. Julius Reiter sehen nun die
Staatsanwaltschaft sowie die Landesregierung in der
Verantwortung.
Erneute Schlappe für die
Loveparade-Opfer: Das Landgericht Duisburg stellt das
Hauptverfahren gegen die Verantwortlichen der
Loveparade-Katastrophe ein, bei der 21 Menschen ums Leben
kamen sowie Hunderte verletzt und traumatisiert wurden. Die
Richter begründen ihren Beschluss mit dem fehlenden
Tatverdacht aus tatsächlichen Gründen. Es lägen nicht genug
Beweise gegen die Angeschuldigten vor. Die Kanzlei baum
reiter & collegen, die eine Vielzahl an Nebenklägern
vertritt, zweifelt die Gründlichkeit des Beschlusses an und
wägt weitere juristische Schritte ab.
„Die Nichtzulassung der Anklage nach rund sechs Jahren
Ermittlungen ist eine Bankrotterklärung der Justiz. Die
Beweislage hätte eine strafrechtliche Klärung dringend
erfordert“, erklärt Gerhart Baum, Bundesinnenminister a. D.
und Partner der Kanzlei baum reiter & collegen. Es handelt
sich um einen Sachverhalt, bei dem man nach den äußeren
Umständen von Anfang an diese Katastrophe befürchten musste.
Den Betroffenen fehlt jegliches Verständnis dafür,
dass eine strafrechtliche Klärung nun nicht erfolgen soll.
Sie haben einen Anspruch darauf auch im Andenken an ihre
Toten, dass die Sache jetzt nicht zu den Akten gelegt wird.
„Wir sehen uns außerstande, den Opfern zu erklären,
dass das Fehlverhalten einiger nun weder aufgeklärt noch
gesühnt wird.“, erklärt Prof. Dr. Julius Reiter, Partner der
Kanzlei baum reiter & collegen. „Durch die Entscheidung des
Landgerichts ist auch die Abwicklung der Entschädigungen
erheblich erschwert worden. Die Betroffenen sind jetzt auf
langwierige Verfahren vor den Zivilgerichten angewiesen. Es
ist zu befürchten, dass dadurch auch die Behandlung
langdauernder seelischer Schädigungen gefährdet ist“.
Die Nebenklägervertreter prüfen nun sämtliche
Rechtsmittel. „Wir erwarten, dass die Staatsanwaltschaft
sofortige Beschwerde einlegt“, so Reiter. Abzuwägen gilt,
inwieweit eine Beschwerde als Nebenkläger erfolgversprechend
ist. Baum appelliert an das Land NRW: „Es ist jetzt auch
Sache der Landesregierung, die durch sofortige Hilfe nach
der Katastrophe ihre Verantwortung unter Beweis gestellt
hat, zu erklären, wie sie sich eine Aufklärung vorstellt.
Wir wiederholen unsere Forderung für die Einrichtung einer
Opferstiftung. Der Landtag sollte erwägen, zumindest das
Organisationsverschulden unabhängig von der strafrechtlichen
Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss zu klären.“
-
Erklärung des Landgerichtspräsidenten Ulf-Thomas Bender
(Auszug) -
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Auszug
aus dem Nichteröffnungsbeschluss der 5. Großen Strafkammer
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