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Loveparade 2010
März 2018: Stiftung für Politiker ist keine Lösung für Hinterbliebene und Betroffene

 

Wir sind traumatisiert, aber nicht blöde
Stiftung für Politiker ist keine Lösung für Hinterbliebene und Betroffene
LoPa 2010 e.V.

Duisburg, 02. März 2018 - Die Love Parade, die Stiftung und ihre Kraft
Nach fast acht Jahren des traurigen Events in Duisburg, sind die 21 Toten und über 652  Verletzten in der Öffentlichkeit nahezu vergessen.

Anfang Februar diesen Jahres teilt die Stiftung (1) ihren Adressaten mit, dass die Ex-Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), Hannelore Kraft, in das Kuratorium der 2015 ins Leben gerufenen  Stiftung Duisburg 24-7-2010 aufgenommen wurde. Warum?

Stiftungschef Widera gegenüber der  Bild (2): „Hannelore Kraft ist aus dem Kreis der Hinterbliebenen angefragt worden. Das hat  sie angenommen. Sie hat dort ein hohes Ansehen. Allerdings ist es richtig, dass die Gruppe der Hinterbliebenen nicht homogen ist.“
Das ist für den Vorstand einer Stiftung sicherlich schlüssig, wenn weniger als 10% der Hinterbliebenen in seiner Organschaft vertreten sieht. Noch dramatischer in Sachen Repräsentanz stellt sich die Situation für die Betroffenen und Traumatisierten dar. Die Gruppe derer, die überlebt hat und ein Hundertfaches langfristig betrifft, ist in der Stiftung mit einer Einzelstimme vertreten, die aber aus familiären Gründen seit zwei Jahren verstummt ist. Die wollte ohnehin nur für sich sprechen. Einen Ersatz findet die Stiftung nicht. Diese Gruppe ist folglich überhaupt nicht vertreten.

Endgültiger Schlussstrich
Und genauso sieht auch der Lösungsansatz im Jahre Acht nach der Love Parade von 2010 aus: Nichts, und dieses Nichts wird pressewirksam aufgearbeitet, wenn es um Pöstchen und Finanzen geht, die kein Mensch braucht, der mit dem Trauma überleben muss und möchte. Insofern ist es für die  Betroffenen an der Zeit, nach zwei Jahren Stillschweigen einen endgültigen Schlussstrich unter die Zusammenarbeit mit einer politisch ausgerichteten Stiftung zu ziehen, um den eigentlichen Sinn und Zweck der Stiftung in die eigene Hand zu nehmen und die seit Jahren vorhandenen Lösungskonzepte behördlich wirksam vorzustellen und umzusetzen.

Rückblick
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, CDU, wird später sagen können: „Ich habe vor einem Jahr Duisburg als ungeeignet für die Loveparade  abgelehnt und bin dafür als Spaßverderber und Sicherheitsfanatiker beschimpft worden“.

Die Tatsache, dass die Love Parade als fester Bestandteil des Rahmenprogramms der Ruhr.2010 geplant und beworben ist, lässt Ende 2009, Anfang 2010 sowohl Finanzierungslücken als auch Sicherheitsfragen ins Hintertreffen geraten.

Allen voran fordert Fritz Pleitgen (SPD), ehemaliger Intendant des WDR und Cheforganisator Ruhr 2010: „Hier müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieses Fest der  Szenekultur mit seiner internationalen Strahlkraft auf die Beine zu stellen. (…) Eine  Absage der Loveparade wäre ein Debakel für das Revier.“

Und sein künstlerischer Direktor für die Kreativwirtschaft Ruhr 2010, Dieter Gorny (SPD): “Es gibt keine bessere Gelegenheit, sich international zu blamieren, als wenn man diese Chance verpasste.”

Mit  dieser Stimmgewalt hatten Medien wirksam den Trend in der Öffentlichkeit befeuert und die Weichen für Duisburg gestellt.

Am 12. Januar 2010 titelt die Bild-Zeitung "Weil das Geld fehlt, Loveparade schon  wieder vor dem Aus" (3)
Das ist die Gelegenheit, gegen konservative Bedenkenträger das Thema  in den Wahlkampf zu geben. Zwölf Tage später fordert NRW-SPD-Chefin Kraft medienwirksam die Hilfe vom Land für die Loveparade ein mit der Aussage: “Die Loveparade ist ein Stück Jugendkultur, die ins Jahr der Kulturhauptstadt gehört.”(4) Bis Mitte April ist  alles unter Dach und Fach, die Bild stolz: "Das Land Nordrhein-Westfalen habe letzte Hürden  beseitigt und der verschuldeten Stadt «grünes Licht» gegeben." (5)

Drei Wochen später ist  klar, wer für die neoliberal finanzierte Spaßkultur erfolgreich die Lorbeeren einfahren  möchte. Der zeitgleich veröffentlichte "partylifter"-Finanzierungsplan auf der Basis falscher Besucherzahlen der Lopavent GmbH spielte längst keine Rolle mehr, denn zu dem  Zeitpunkt stand fest: Das Land NRW zahlt.

Aber dieses auf Biegen und Brechen genehmigte Stück Kraft'scher Jugendkultur wird ein Fest mit 21 Toten und 652 Verletzten und lässt sich als Desaster nicht mehr weg diskutieren. Den Kopf halten in der Öffentlichkeit selbstverständlich die hin, die zum Zeitpunkt des Geschehens im Amt waren und nicht die, die die Amtsträger entsprechend unter Druck gesetzt haben.

Für die Aussage, man habe keinerlei Druck nach Unten hin ausgeübt, steht schließlich das Schicksal des damaligen  Duisburger Kulturdezernenten für Jugend, Bildung und Kultur, Karl Janssen (CDU). Er hatte den Event mit „Saufen, Sex und Drogen” zusammengefasst, konsequent abgelehnt und wurde deshalb von allen weiteren Event-Vorbereitungen ausgeschlossen. So kann man natürlich auch notwendige Genehmigungen erwirken. Inwieweit dieses Mobbing bei den Eventplanungen maßgeblich zur Katastrophe beigetragen hat, ist bis zum heutigen Tage ungeklärt. Die Einrichtung entsprechender Untersuchungsausschüsse ist bisher im Landtag an CDU, SPD und Grünen gescheitert.

Kraft (rechts, links der damalige 'frische' NRW-Innenminister Ralf Jäger) spielt seit 2001 auf der politischen Bühne NRWs eine bedeutende Rolle und war kaum über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Das änderte sich schlagartig am 31. Juli 2010. Unvergessen ist ihre fast siebenminütige Trauerrede. Im internationalen Blitzlichtgewitter macht die damals frisch gebackene Landesmutter Nordrhein Westfalens eine gute Figur mit der weitergegebenen Bitte eines Vaters, der sein Kind wenige Tage vorher auf dem Event verloren hatte:  „Der grausame Tod seiner Tochter könne im Nachhinein noch einen Sinn bekommen, wenn dieser Tod uns alle mahnt, unser aller Wertesystem zu überdenken." Kraft schob mit tränenerstickter Stimme nach: „Der Mensch und sein Wohlergehen müssten wieder wichtigste Leitlinie unseres Handelns sein."

Wenn die ihre Rede abschließenden Worte ernst gemeint waren, warum schafft es dann die Landesregierung binnen sieben Jahren nicht, den Menschen, die diesen Event verletzt und/oder traumatisiert überlebt haben, die notwendige Ruhe zu verschaffen?

Stattdessen wird die Spaltung innerhalb der Gruppen so weit voran getrieben, dass am Ende die Gruppe der Betroffenen zum Zeitpunkt des sich jährenden Geschehens von den Trauerfeierlichkeiten auf der Rampe ausgeschlossen wird.

Krafts jetzige Berufung in das Kuratorium  der Stiftung 24-7-2010 ist für viele Betroffenen aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre unzumutbar. Aber Betroffene, haben die je eine Rolle für die Stiftung 24-7-2010 gespielt?

Die Stiftung 24-7-2010

Der derzeitige im Beirat vertretene Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Sören Link (SPD): [...] Die Gründung der Stiftung ist ein wichtiger Schritt, um den Hinterbliebenen und Betroffenen auch langfristig kompetente Hilfe, Begleitung und Beratung zur Seite zu  stellen. Viele waren daran beteiligt, dass dieser Schritt gelungen ist. Mein  tiefempfundener Dank gilt in diesem Zusammenhang den Initiatoren, allen, die an der  Realisierung dieser Stiftung beteiligt waren und denen, die sie von jetzt an in die Zukunft  tragen.

Das war am fünften Jahrestag ein Lichtblick und die Hoffnung aller Hinterbliebenen und  Betroffenen, vorhandene Gruppierungen zu bündeln und einen festen Ansprechpartner in allen  Belangen zu haben. Der Blick auf eine über weite Teile des Jahres völlig verwahrloste Gedenkstätte spiegelt heute einerseits das, was die Arbeit und die Arbeitsweise der Stiftung  auszeichnet, andererseits was aus unserer Arbeit geworden ist. Dann und wann ein Newsletter,  der dich als registriertes Opfer wissen lässt, was von Oben entschieden wurde. Das Warum und Weshalb  wird seither an ganz anderer Stelle ausgemacht. Das mag der Arbeitsweise einer Partei gerecht werden, innerhalb einer Stiftung geht es jedoch nicht um Wähler, sondern um die Betreuung  individueller Schicksale; hier geht es um Menschen, die den Weg in ihr Leben zurückfinden  müssen. Warum das in der vorhandenen Konstellation nicht gelingen will, erklärt vielleicht der Blick in die Stiftungsorgane.

Den Vorstand teilen sich die Evangelische Kirche, vertreten durch Jürgen Widera (ehemaliges  SPD-Mitglied und Sohn des Duisburger FDP-Urgesteins Franz Widera), und die Stadt Duisburg, vertreten durch Birgit Nellen. Die langjährige Mitarbeiterin der Stadt Duisburg und heutige Teamleiterin im Dezernat des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg wird ihren derzeitigen  Job ohne eine gewisse SPD-Affinität kaum ausüben können.
Das Kuratorium ist eine bunte Mischung aus Evangelischer Kirche, Industrie und SPD. Zumindest im Beirat finden sich zwei Hinterbliebene wieder - neben einer Vertreterin für  Betroffene, die deren Vertreterin nicht sein möchte, Evangelischer Kirche, der Stadt  Duisburg (SPD) und Presse.

Wir sind traumatisiert, aber nicht blöde
Diese Stiftung sammelt nicht, sondern sie zapft immer wieder kraftlos die ihr bekannte Quelle an. In der oben genannten Konstellation kann es durchaus vorkommen, dass der Vorstand es als Erfolg verbucht, wenn das Land alleine für die Prozessbetreuung der Betroffenen im Düsseldorfer Kongresszentrum insgesamt 400.000.- Euro Steuergelder zusichert.

Die Frage, wer diese Anträge real gestellt hat, wer für diese Summe betreut wird - zumal eine Seelsorge ehrenamtlich bzw. kostenlos ist, können wir als Betroffene nicht beantworten. Der gesunde Menschenverstand sagt uns: „Lass dich anwaltlich vertreten?" und selbst die Presse stellt fest, daß es während des Prozesses sehr ruhig geworden ist und kaum noch Betroffene vor Ort sind.

Es mag für die Betroffenen ein weiterer Kraftakt werden,  abschließende Regelungen mit der Opferschutzbeauftragten zu treffen, aber es wird dann einen einmaligen Konsens mit und für alle geben, und kein Diktat im Rahmen einer Stiftung, bei der bis heute fraglich ist, wen sie warum mit und von was unterstützen möchte.
Vor allem, wann? Zum 10. Jahrestag vielleicht??

(1) - Homepage Stiftung: http://www.stiftung-duisburg-24-7-2010.de/
(2) -  https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/hannelore-kraft/neuer-job-fuer-hannelore-kraft54910370.bild.html
(3) - 20100121bild.de-Weil das Geld fehlt Loveparade schon wieder vor dem Aus.pdf
(4) - 20100124.finanznachrichten.de-WAZ Kraft fordert Hilfe vom Land für die Loveparade.pdf
(5) - 20100416bild.de-Loveparade 2010 in Duisburg gesichert.pdf