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Loveparade 2010
Januar 2019: Ergebnis des Rechtsgesprächs im Strafverfahren

 

Gericht regt Einstellung des Verfahrens an

Duisburg, 17. Januar 2019 - Der Vorsitzende der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg hat im Rechtsgespräch mit den Verfahrensbeteiligten am 16.01.2019 detailliert ausgeführt, dass und warum aus Sicht des Gerichts zum jetzigen Zeitpunkt eine Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens in Betracht gezogen werden sollte. In öffentlicher Hauptverhandlung hat er heute einen Vermerk über den Inhalt des Rechtsgesprächs verlesen.

Zu Beginn des Gesprächs hat er ausgeführt, dass mit der Tragödie während der Loveparade 2010 mit 21 Toten und zahlreichen Verletzten ein außergewöhnlich schwerwiegendes und folgenreiches Geschehnis angeklagt sei.

Der Prozess habe vielfältige tatsächliche wie rechtliche Fragen aufgeworfen. Gleichzeitig habe er erheblich zur Aufklärung der Geschehnisse bei der Veranstaltung beigetragen. Insbesondere durch die Vernehmung wichtiger Zeugen und das vorbereitende schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach habe man wichtige Erkenntnisse erlangt. Auf dieser Grundlage sei es richtig gewesen, die zehn Personen anzuklagen und es bestehe auch immer noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die angeklagten Personen für das Unglück mitverantwortlich seien.

Allerdings ergebe die Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zum jetzigen Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung der außergewöhnlich schweren Folgen der vorgeworfenen Taten, dass die individuelle Schuld eines jeden Angeklagten aus Sicht des Gerichts als gering bis allenfalls mittelschwer anzusehen wäre. Eine Vielzahl von Umständen sei dabei nach vorläufiger Bewertung voraussichtlich zu berücksichtigen: So könne davon ausgegangen werden, dass im Jahr 2010 keine klaren gesetzlichen und organisatorischen Vorgaben für die Planung einer derartigen Großveranstaltung vorlagen. In dieser unsicheren Rechtslage hätten die Angeklagten sich intensiv darum bemüht, die Veranstaltung aus ihrer Sicht sicher zu gestalten. Sie hätten teilweise auf Sachverständige vertraut, die sie mit der Prüfung bestimmter Aspekte der Veranstaltung betraut hätten. Diese Sachverständigen hätten letztlich keine Einwände gegen die Planung der Veranstaltung erhoben.

Neben den Planungsfehlern sei ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Personen am Veranstaltungstag für das Unglück mitverantwortlich. Insoweit hätten etwa die Einrichtung einer Polizeikette auf der Rampe zum Gelände, die nicht abgestimmten Öffnungen der Vereinzelungsanlagen, erhebliche Störungen der Kommunikation und Entscheidungen am Veranstaltungstag entgegen der vorherigen Absprachen in der Planung besondere Bedeutung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die An-geklagten achteinhalb Jahre lang unter dem Druck des Strafverfahrens standen, die Hauptverhandlung bereits 96 Verhandlungstage dauere und die Angeklagten strafrechtlich nicht vorbelastet seien.

Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht eine differenzierte Betrachtung der Angeklagten sachgerecht sein könnte. So könnte etwa danach differenziert werden, welchen Angeklagten über die Planungsphase hinaus auch am Veranstaltungstag eine operative Aufgabe zugekommen sei. Denn der Sachverständige habe in seinem vorläufigen Gutachten ausgeführt, dass die Tragödie auch am Veranstaltungstag noch hätte verhindert werden können.

Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten haben nunmehr Gelegenheit, auf der Grundlage der gerichtlichen Hinweise Erklärungen zu den aus ihrer Sicht vorstellbaren Bedingungen einer Verfahrenseinstellung abzugeben. Nach den Vorstellungen des Gerichts sollten diese Erklärungen bis zum 05.02.2019 abgegeben werden. Das Gericht wird den Prozess wie geplant am 30.01.2019 fortsetzen. An diesem und am Folgetag soll ein Polizeibeamter vernommen werden.

Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17