Nr. 051/2023
Urteil vom 16. März 2023 - VII ZR 94/22 Der unter
anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige
VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute erstmals
entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein
Verbraucherbauvertrag im Sinne des mit Wirkung zum 1. Januar
2018 neu eingeführten § 650i BGB vorliegt.
Sachverhalt: Die beklagten Eheleute ließen als private
Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die
erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer vergaben.
Die Klägerin erbrachte von November 2018 bis Januar 2019
aufgrund eines Vertrags von August 2018 über die Ausführung
von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis
ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von
29.574,80 € leisteten die Beklagten Zahlungen in Höhe von
20.337,61 €.
Die Klägerin forderte die Beklagten
zunächst unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung des offenen
Betrags und anschließend zur Leistung einer Sicherheit
hierfür im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB
(Bauhandwerkersicherung) in Höhe von 9.880,05 € auf.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der
Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben. Hiergegen haben
sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Nachdem die
Beklagten einen Betrag in Höhe von 9.880,05 € an die Klägerin
gezahlt hatten, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der
Erledigungserklärung widersprochen. Das Oberlandesgericht hat
die nunmehr auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache
gerichtete Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten,
die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung sei
unbegründet gewesen. Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung
gemäß § 650f Abs. 1 BGB habe von Anfang an der
Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB
entgegengestanden. Die Beklagten als Besteller seien
Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen
Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB
geschlossen. Ein solcher liege auch bei einer - wie hier -
gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen vor.
Mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin
ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision der
Klägerin ist erfolgreich gewesen. Der VII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und
festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache
erledigt hat.
Die Klage auf Sicherheitsleistung war
ursprünglich begründet und hat sich erledigt. Die
Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz
1 Nr. 2 Fall 1 BGB liegen nicht vor. Die Parteien haben
keinen Verbraucherbauvertrag geschlossen.
Nach der
gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB setzt ein
Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag
mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum
Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es
schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die
Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im
Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin
unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von
dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird
ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung
eines Bauwerks "oder eines Teils davon" erfasst. Eine weitere
abweichende Formulierung findet sich zudem in § 634a Abs. 1
Nr. 2 BGB, der die Verjährung werkvertraglicher
Mängelansprüche regelt und dort eine spezielle
Verjährungsfrist für Ansprüche "bei einem Bauwerk" vorsieht.
Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags
verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher
eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens
unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie
Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht
ebenfalls für dieses Verständnis. Schließlich stützt auch die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine solche Auslegung.
Danach ist der Gesetzgeber bei der an das Recht der
Europäischen Union anknüpfenden Definition des
Verbraucherbauvertrags in § 650i BGB nicht versehentlich oder
aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften,
insbesondere der in § 650a BGB gewählten Terminologie
abgewichen, sondern hat bewusst die eigenständige klare
Formulierung gewählt, nach der sich der Unternehmer zum Bau
eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss.
Soweit
die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des
Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise
vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes
denselben Vorschriften zu unterwerfen wie die Verpflichtung
zum Neubau eines Gebäudes, hat das keine Umsetzung im Gesetz
gefunden. Hinzu kommt, dass diese rechtspolitische Erwägung
auch nicht ohne weiteres im Rahmen einer Auslegung mit
eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden kann, weil die
Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag
insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger
für den Verbraucher angesehen werden können als dies bei
einem Vertrag der Fall ist, für den sie nicht gelten.
Schließlich verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit
hier in besonderer Weise, den Begriff des
Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen
Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne
dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der
Unternehmer muss erkennen können, ob und welche
Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld
des Vertrages treffen.
Zu einem
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der
Europäischen Union besteht keine Veranlassung. § 650f Abs.
6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB kann mangels Vorliegens einer
planwidrigen Gesetzeslücke auch nicht entsprechend auf
Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baus eines neuen
Gebäudes angewandt werden. Die Feststellungen des
Berufungsgerichts, dass die übrigen Voraussetzungen des §
650f BGB nach Grund und Höhe vorlagen, sind rechtsfehlerfrei
und im Revisionsverfahren auch nicht angegriffen worden.
Vorinstanzen: LG Landau in der Pfalz - Urteil
vom 11. März 2021 - 2 O 315/19 OLG Zweibrücken - Urteil
vom 29. März 2022 - 5 U 52/21 (BauR 2022, 1346)
Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: Bürgerliches Gesetzbuch
§ 634a Verjährung der Mängelansprüche (1) Die in § 634
Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Ansprüche verjähren 1. … 2.
in fünf Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen
Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder
Überwachungsleistungen hierfür besteht, … …
§
650a Bauvertrag (1) Ein Bauvertrag ist ein Vertrag
über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung
oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines
Teils davon. …
§ 650f Bauhandwerkersicherung
(1) Der Unternehmer kann vom Besteller Sicherheit für die
auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte
Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die
mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs
anzusetzen sind, verlangen. …. … (6) Die Absätze 1 bis
5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller … 2.
Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag
nach § 650i oder um einen Bauträgervertrag nach § 650u
handelt. … …
§ 650i Verbraucherbauvertrag
(1) Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der
Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen
Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem
bestehenden Gebäude verpflichtet wird. …
Karlsruhe,
den 16. März 2023
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