Novembertage - Stimmen und Wege
Dokumentarfilm Deutschland / Großbritannien 1990; 140 Minuten,
Farbe; Buch und Regie: Marcel Ophüls; Kamera: Pete Boultwood;
Schnitt: Sophie Brunet; Ton: Michael Busch
Ausgangspunkt für den Film sind die Ereignisse am 9. November
1989, so wie die BBC sie festhielt. Regisseur Marcel Ophüls
suchte mittels Zeitungsanzeigen die Leute, die auf diesen
Bildern sah und die ihn interessierten. Er befragte sie nach
ihren Erlebnissen. Ophüls suchte ihren Blick auf die Geschichte
der DDR. Wie sehen ihre Hoffnungen, wie ihre Erwartungen aus?
Ähnlich verfuhr er mit den Fernsehaufzeichnungen der letzten
großen Kundgebung der SED im November 1989. Er besuchte aber
auch jene Persönlichkeiten, die für die Endzeit der DDR prägend
waren: hohe Funktionäre der untergehenden DDR wie Egon Krenz
oder Günter Schabowski, Beobachter, dazu Regimefreunde wie die
Schriftsteller Stephan Hermlin und Heiner Müller oder die
Schauspielerin Barbara Brecht � Schall. Aber auch Oppositionelle
wie die Malerin Bärbel Bohley und der Dirigent Kurt Masur kommen
zu Wort. Ein Grenzbeamter, ein Sanatoriumsleiter und der
Pfarrer, der Honecker Asyl bot, sind Zufallsbekanntschaften, die
ebenfalls in den Film einfließen.
Ein Dokumentarfilm soll dieser Film sein. Richtig zufrieden
stellt er mich nicht. Der Film stellt nicht die Ereignisse dar,
die zum Untergang der DDR führten. Es fehlen schlichtweg die
Informationen, was ab dem Oktober 1989 in der DDR und dann in
Bonn und anderen westeuropäischen Hauptstädten geschah. Die
zeitgeschichtliche Einbindung des Filmes fehlt also völlig.
Dieser Film stammt aus dem Jahre 1990; er kann also nichts von
den Schwierigkeiten der Vereinigung berichten. Wie gestaltete
sich in den 1990er Jahren das deutsche Zusammenwachsen -
politisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell? Welche
Schwierigkeiten waren zu bewältigen? Welche Erfolge und
Misserfolge kann die ehemalige DDR zu Beginn des 21.
Jahrhunderts vorweisen? Diese Fragen können hier nicht
beantwortet werden. Dies sind aber die Fragen, die wesentlich
wichtiger sind als die Fragen, die in dem Film gestellt werden.
In seiner vorliegenden Form bleibt der Film oberflächlich und
nichtssagend. Er treibt keine Ursachenforschung, fragt also
nicht, woran die DDR letztendlich scheiterte. Gleichzeitig
eröffnet er keine Perspektiven für die Zukunft. So bleibt selbst
die Zustandsbeschreibung des Jahres 1990 zusammenhangslos - und
im Grunde genommen auch belanglos. Was eigentlich schade ist.
Aus dem Film- und Interviewmaterial hätte ein lebendigeres Bild
der Wendezeit gezeichnet werden können.
Es ist sehr deutlich spürbar, dass Marcel Ophüls nicht aus
Deutschland stammt. Ihm fehlt jeder Sinn und jedes Gefühl für
das Leben in den (damals noch) beiden deutschen Staaten. Einmal
davon abgesehen, dass der Film einseitig auf das Leben in der
DDR ausgerichtet ist und Westdeutsche gar nicht zu Wort kommen,
fehlt Ophüls jeglicher Zugang zu dem (freudigen?) Ereignis
Wiedervereinigung. Der unangenehme Effekt: Bei den DDR �
Politikern, den ehemaligen Machthabern werden keine kritische
Fragen gestellt. Weder Markus Wolf noch Günter Schabowski oder
Egon Krenz werden hart an der Sache befragt. Sie erhalten hier
eine unkritische Plattform zur Selbstdarstellung. Eine
ernstzunehmende Dokumentation hätte hier mehr leisen müssen. In
dieser Hinsicht ist der Film deutlich misslungen.
Späte Opfer - Deutsche in polnischen Lagern 1945 - 1950
Dokumentation 1998; 37 Minuten; Buch und Regie: Wolfgang
Bergmann und Helga Hirsch; Kamera: Fritz Poppenberg; Schnitt:
Wolfgang Bergmann; Ton: Yves Dujardin
Die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten war
eine Kollektivstrafe für die Verbrechen der Nationalsozialisten.
Aber auch Angehörige der deutschen Minderheit in Polen mussten
nach 1945 büßen. Sie waren polnische Staatsbürger. Sie lebten
schon vor 1939 in Polen. Und trotzdem wurden sie enteignet, zur
Zwangsarbeit verpflichtet und in den Arbeits- und
Konzentrationslagern aus der NS-Zeit interniert. Wo bis zum
Januar 1945 Polen unter den Deutschen leiden mussten, wurden nun
Deutsche von Polen unterdrückt und misshandelt. Mindestens
20.000 Inhaftierte starben an Misshandlungen, Hunger und
Epidemien.
Ein sehr persönlicher Film liegt hier vor. Neben historischen
Filmaufnahmen, Fotos und Karten gibt es verschiedene Geschichten
Deutscher, die ihre eigene Leidensgeschichte erzählen. Sie
erzählen eindringlicher und eindrucksvoller von dem Leben im
neuen polnischen Staat als objektive Fakten es könnten. Es
bleibt nur eine Frage: Warum war es für lange Zeit verpönt, über
die Geschichte der Deutschen in Polen zu berichten? Warum
schätzen wir unsere eigene Geschichte nur so gering? Warum wird
so nachhaltig über das Leid, das der Zweite Weltkrieg über die
Menschen brachte, geschwiegen?
Der Morgenthau- Plan
Dokumentation Deutschland 1995; 29 Minuten; Buch und Regie: Hans
� Rüdiger Minow; Kamera: Jörg Adams; Schnitt: Birgit Schaack
Der Morgenthau-Plan sah vor, die deutsche Großindustrie
abzurüsten und das gesamte politisch-militärische Establishment
in Deutschland komplett abzulösen. Er wurde in den Jahren 1942 -
1944 von einem Arbeitsstab unter dem amerikanischen
Finanzminister Henry Morgenthau jr. Ausgearbeitet. Morgenthau
hielt die Verflechtung zwischen Großindustrie und
Nationalsozialismus für die wesentliche Ursache des 2.
Weltkriegs. Nur wenn die Machtzusammenballung der deutschen
Schwerindustrie aufgelöst würde, ließ sich seiner Meinung nach
ein dritter Weltkrieg Deutschlands vermeiden. Die alten Eliten
halfen schließlich beim Wiederaufbau im Zeichen des Kalten
Krieges.
Ein mäßig informativer und sachlich gehaltener Film liegt hier
vor; deutsche und amerikanische Historiker kommen hier zu Wort,
historische Bilder sind zu sehen. Doch hier fangen meine
Irritationen schon an. Warum werden nur Bilder aus Deutschland
gezeigt - warum nicht aus Washington? Ein Finanzminister und
sein übergeordneter Präsident müssen doch irgendwann in der
Öffentlichkeit aufgetreten sein! Und wer war dieser Henry
Morgenthau jr. und sein politisch-familiärer Hintergrund, dass
er sich solche Gedanken um Deutschland macht? Hier weist der
Film für mich leichte formale Mängel auf.
Auch inhaltlich sehe ich Mängel. Der Morgenthau-Plan wird mir zu
oberflächlich erklärt. Wie hätte Deutschland nach dem 2.
Weltkrieg politisch regiert werden sollen - demokratisch? Was
sollte aus den Nazis werden? Welche Vorstellung hatte Morgenthau
von der zukünftigen Industrie Deutschlands? Es ist nur schwer
vorstellbar, dass Deutschland nur Bekleidung, Fernsehen,
Traktoren und Schreibmaschinen - beispielsweise - herstellt. An
dieser Stelle hätte der Film schon tiefgründiger sein dürfen.
Den Film enttäuschend zu nennen wäre sicherlich verfehlt. Die
Ungenauigkeit stört allerdings. Wer sich für (deutsche)
Geschichte interessiert, möchte sie auch erklärt bekommen. Und
zwar so gründlich, dass die Inhalte haften bleiben.
Der Kampf ums Dasein - Ein Missverständnis und seine Folgen
Dokumentation Deutschland 2002; Buch und Regie: Ulrich
Baringhorst; Kamera: Udo Alberts; Schnitt: Sabine Hoffmann; Ton
Till Butenschön
Menschen haben unterschiedliche Hautfarben. Ein Afrikaner ist
schwarz und sieht daher anders aus als ein Europäer. Vor 150
Jahren begann man in Europa, diese Unterschiede rassistisch zu
deuten. Die Menschheit wurde in hoch- und minderwertige Rassen
unterteilt. Die Nationalsozialisten griffen dann diese Theorien
später auf. Sie behaupteten, dass sich die deutsche
"Herrenrasse" im Kampf gegen andere durchgesetzt habe. Sie
beriefen sich dabei auf Charles Darwin Vererbungslehre und ein
?Recht des Stärkeren. Doch sie verstanden Darwin damit völlig
falsch. Seine Idee vom ?Kampf ums Dasein beschreibt nicht den
Sieg des Stärkeren, sondern einen Prozess, in dem etwas ganz
anderes wichtig ist: Anpassungsfähigkeit. Die Natur zeigt
nämlich, dass nur diejenigen Mitglieder einer Art überleben, die
sich am besten der Umwelt anpassen können. Doch die
Nationalsozialisten ignorierten solche Erkenntnisse. Sie liessen
sich auch nicht davon irritieren, dass die Existenz einer
?deutschen Rasse schon damals nicht wissenschaftlich nachweisbar
war.
Eher nüchtern und sachlich beschreibt der Film die Darwin`sche
Theorie und ihre rassistische Umdeutung. Philosophen kommen hier
genauso zu Wort wie Pädagogen und Naturwissenschaftler. Der Film
ist dabei in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil beschäftigt
sich mit Darwin und seiner Theorie. Dabei geht Regisseur Ulrich
Baringhorst auch auf die Anfänge der Anthropologie ein. Wie
können Daten über Menschen gewonnen werden? Die Forschungen
beweisen schnell, dass die Theorien der Nazis jeglicher
naturwissenschaftlicher Basis entbehren.
Der zweite Teil des Films beschreibt die Fehldeutungen der
Nationalsozialisten, macht aber auch klar, welche Bedeutung
diese Fehldeutungen haben. Die Fehldeutungen des
Sozialdarwinismus sind nicht originell, sondern schon in der
Öffentlichkeit vorhanden. Hitler macht sich den
Sozialdarwinismus zu eigen und zur Basis seines Macht- und
Expansionsdranges. So ganz am Rande gefragt: War Hitler
eigentlich der einzige rassistische Autor und Politiker? Oder
gibt es noch andere?
Historische Aufnahmen wechseln mit heutigen Bildern. Da der Film
so sachlich - neutral geraten ist, wirkt er sehr informativ.
Eine Sache wundert mich dann allerdings doch. Es ist eigentlich
offensichtlich, dass die Rassentheorien der Nationalsozialisten
völliger Quatsch sind. Warum das noch einmal mit einem eigenen
Film bestätigen?
Der KZ-Kommandant - Die ungewöhnliche Geschichte des Erwin Dold
Dokumentarfilm Deutschland 1991; 30 Minuten; Buch, Regie, Kamera
und Produktion: Manfred Bannenberg; Schnitt: Annemarie Schütte;
Ton: Horst Faahs
Das KZ Dautmergen liegt auf der Schwäbischen Alb. Es ist ein
Zweigstelle der grossen Todesfabrik Natzweiler. Spät und hastig
wurde es eingerichtet, um von Häftlingen Ölschiefer abbauen zu
lassen. 3.000 Menschen ohne ausreichende Verpflegung, Kleidung,
ärztliche Versorgung leben hier. ?Vernichtung durch Arbeit
lautet das Motto. Die meisten überleben die ?Hölle von Dautmegen
nicht.
Ende 1944 ereignete sich dort das, was späte pathetisch das
?Wunder von Dautmergen genannt wurde. Der Luftwaffenfeldwebel
Erwin Dold ist nach einem Abschuss an der Ostfront
dienstuntauglich. Er wird in das Lager Dautmergen abkommandiert.
Nach kurzer Einweisung wird er Lagerführer. Die Zustände im
Lager werden für den damals 25jährigen zum Trauma. Er sieht, wie
auf hochrädrigen Wagen die Toten aus dem Lager geschafft werden.
Ihm begegnen hungernde, kranke und total geschwächte Häftlinge.
Die Folge: Er hilft den Häftlingen. So wird Dold im Rastatter
Kriegsverbrecherprozess als einziger Angeklagter freigesprochen.
Sehr persönlich, sehr menschlich geht der Film das Thema an.
Erwin Dold erhält hier die Gelegenheit, seine eigene Geschichte
als Lagerkommandant zu erzählen. Historische Filmaufnahmen
fehlen hier völlig; der Film zeigt lediglich Fotos aus dem
Lager. Auch Zeugen, die vor der Kamera über das Wirken Dolds
berichten, gibt es keine.
So wirkt der Film doch sehr einseitig. Und zwar einseitig auf
die Person Erwin Dold ausgerichtet. Ich schaue mir den Film an.
Und komme hinterher ins Grübeln. Die Person Erwin Dold und ihr
Handeln wird gut und glaubwürdig dargestellt. Alles andere wurde
aber ausgeblendet. Das KZ Dautmergen ist in der breiten
Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt. Manfred Bannenberg
verpasst als Regisseur und Buchautor die Gelegenheit, das KZ
vorzustellen. Wer wurde dort eingewiesen? Seit wann gab es da
KZ? Wer � ausser Dold � arbeitete dort noch? Was wurde aus Dold
nach dem 2. Weltkrieg? Wie war das KZ an das Umland angebunden?
Wie nationalsozialistisch war Baden � Württemberg damals
eingestellt? Es sind einfach zu viele Fragen, die hier nicht
beantwortet werden. Ein paar Informationen mehr hätten dem Film
sicherlich genützt. Da wäre der Film zwar möglicherweise 15
Minuten länger geworden, hätte aber qualitativ dazu gewonnen.
?Dem Volke dienen - Warum Menschen Politiker werden
Fernseh-Essay Deutschland 1992; 43 Minuten; Regie und Buch
Christian Berg und Cordt Schnibben; Kamera: Ingolf Müller; Ton
Hermann Oberender, Lucia Dixon; Produktion: Süddeutscher
Rundfunk, Stuttgart
?Das Volk braucht Volksvertreter - auch wenn es sie verachtet.
Oder? Jeder zweite scheint politikverdrossen zu sein. Das Wort
?Politiker scheint daher ein Schimpfwort zu sein. Wie kann man
in einer solchen Situation noch Menschen motivieren, sich
politisch zu engagieren? Christian Berg und Cordt Schnibben
befragen beispielsweise Joschka Fischer von den Grünen und
Birgit Homburger von den Liberalen. Warum wurden sie
Volksvertreter? Wie wappnen sie sich gegen die Gefahr, süchtig
nach der Droge Macht zu werden?
enttäuschend ist der Film. Einmal davon abgesehen, dass sich der
Film in der Tagespolitik ergeht (Barschel-Affäre, deutsche
Wiedervereinigung), wirkt er doch auch zu bemüht. Es kommen zu
viele Politiker zu Wort. So wirkt der Film sehr unpersönlich.
Muss man wirklich die Ochsentour von der Kommunalpolitik über
die Landespolitik zur Bundespolitik durchziehen, um erfolgreich
mitreden zu können? Gab es in 1950er Jahren andere Gründe,
Politiker zu werden, als in den 1920er oder 1990er Jahren?
Besitzen Faktoren wie die regionale Herkunft, das Geschlecht,
die soziale Herkunft, der eigene Beruf oder die eigene Familie
einen Einfluss auf die politische Karriere? Wie erfolgreich
können heute Quereinsteiger sein? Fragen wie diese werden gar
nicht erst gestellt, geschweige denn beantwortet. Der Film
bleibt also viel zu oberflächlich. Vielleicht wäre es ja
sinnvoll gewesen, - aber Vorsicht halt! Es ist viel zu einfach,
hier ungebetene Verbesserungsvorschläge zu machen. Eine
Patentlösung, wie ein Film über Politikverdrossenheit und die
Gründe, warum jemand Politiker werden sollte, aussehen könnte,
habe ich auch nicht. Ich weiß aber, dass mir der vorliegende
Film überhaupt nicht gefällt. Wie schon gesagt: Er wirft mehr
Fragen auf als dass er Fragen beantwortet. Und das ist bestimmt
nicht Sinn eines Essays.
Sonntag, 13. August 1961 - Fernsehen der DDR
Dokumentation DDR 1961 / 1964 - Zusammenstellung Deutschland
1998; 49 Minuten
Es ist ein Sonntag, als die DDR am 13. August 1961 die Berliner
Mauer baut. Die Mauer überrascht die Menschen damals; sie erregt
aber auch die Gemüter in Ost und West. Die Führung der DDR sorgt
umgehend dafür, dass der Mauerbau propagandistisch
ausgeschlachtet wird.
Am 27. August 1961 sendet das Fernsehen der DDR den Beitrag ?Wie
der Frieden gerettet wurde�. In dem Beitrag wird geschildert,
wie die Westler vor dem Bau der Mauer Meißener Porzellan und die
hochwertigen Musikinstrumente aus volkseigener Produktion in
rauhen Mengen aufkauften und das für billiges Ostgeld. Doch
damit sei nun Schluss. 1964 wird in der Fernsehdokumentation
?Drei Jahre danach� erneut ein positives Fazit gezogen.
Wie funktioniert Propaganda? Der Film zeigt es deutlich. Die
eigene Meinung, das eigene Produkt wird in den Himmel gehoben,
die Konkurrenz verteufelt. Auf diese subtile Weise zeichnet der
Film ein Gefahrenszenario, das das eigene Land bedroht; die
eigene Heimat ist das Paradies auf Erden. So gesehen ist der
Film ein interessanter historischre Rückblick, wie er im
Fernsehen normalerweise nicht gezeigt wird.
Heute wissen wir ja, welchen Erfolg die Berliner Mauer hatte.
Die DDR gibt es nicht mehr. der Film ist daher auch so etwas wie
eine Mahnung. Doch wie erklären, worum es in dieser Mahnung
geht? Vielleicht hat es ja mal ein anglikanischer Geistlicher
auf den Punkt gebracht, dessen Predigt ich vor einigen Jahren
hörte. Er ermahnte die Christenmenschen, das Gerede von
Politikern nicht unkritisch zu übernehmen, sondern sich eine
eigene Meinung zu bilden. Die Bibel war dabei sein Maßstab. Ganz
egal, ob man an eine Religion glaubt oder nicht: Ich merke sehr
deutlich, dass der Mann recht hatte. Nichts ist so gut, wie es
in der Reklame und / oder Propaganda geschildert wird. Gerade
was das eigene, wirkliche und tägliche Leben angeht, wird sich
jeder schon eine eigene Meinung bilden können. Man braucht da
nur mit offenen Augen durch die Welt zu laufen.
NRW. Ein Steifzug durch die Geschichte
Dokumentation Deutschland 1995; 34 Minuten; Buch und Regie:
Christian Feyerabend; Kamera: Manfred Scheer; Schnitt: Mana Wolf
Im April 1945 ist der Krieg in Nordrhein � Westfalen zu Ende.
Überall schwenken die Menschen weiße Fahnen und ergeben sich den
?Amis� und ?Tommis�. Das Land Nordrhein � Westfalen wird am 2.
Oktober 1946 unter britischer Aufsicht gegründet.
Als 1949 die Demontage eingestellt wird, beginnen die
Schornsteine an Rhein und Ruhr wieder zu rauchen. Mit ihren
beiden Standbeinen Kohle und Stahl sorgt die Montanindustrie für
den wirtschaftlichen Aufschwung. Die Öffnung nach Europa und
neue Mitbestimmungsmöglichkeiten kommen hinzu.
Szenewechsel: Die `80er und `90er Jahre werden vom
Strukturwandel geprägt. Investitionen in die Bereiche Ökologie,
Forschung und Medien formen das bevölkerungsreiche Land.
Offizielle Politik und Freizeitvergnügen, Wirtschaft und Kultur
sind die Themen, um die es hier geht. Der Film lebt von seinen
historischen Filmaufnahmen. Der Film dauert etwas mehr als eine
halbe Stunde; er kann daher nur Schlaglichter aufzeigen. Der
Film ist ein Rückblick, kein mutiger Blick in die Zukunft. Der
Film ist aber auch an vielen Stellen ungenau. Die `70er, `80er
und `90er Jahre kommen faktisch im Film nicht vor. Ich bedauere
dies sehr. Wer einen Streifzug durch die Geschichte zeigen
möchte, muss auch auf diese Zeit eingehen. Oder ist die Zeit ab
1970 so uninteressant, dass sich ein Bericht darüber nicht
lohnt? Oder soll nicht darauf eingegangen werden, dass der
Strukturwandel noch nicht abgeschlossen ist, noch andauert und
auch nicht abzusehen ist, wie er weitergehen wird. So ist der
Film nichts weiter als ein nichtssagender Rückblick, der einen
kurzen Eindruck von der Gründung des Landes bietet � und weiter
nichts. Schade. Ein paar genauere und umfangreichere Infos
hätten den Film durchaus verbessert.
Todesspiel
Dokumentarische Filmerzählung Deutschland 1996; Buch und Regie:
Heinrich Breloer; Kamera: Hans � Günter Bücking; Schnitt: Monika
Bednarz � Rauschenbach; Ton: Philip Ulikowski
Deutschland ist in Aufruhr, als 1977 der Herbst anbricht. Harte
Polizeikontrollen und neue Gesetze sollen dazu beitragen, dass
Terroristen und deren ?Sympathisanten� gefasst werden. in
Politik und Kultur sind gegenseitige Verdächtigungen und
Beschuldigungen an der Tagesordnung.
Dafür gibt es aber auch einen handfesten Grund. Die RAF, die
?Rote Armee Fraktion�, entführt im September den
Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer in Köln. Ein
palästinensisches Kommando entführt die Lufthansa � Maschine
?Landshut� nach Mogadischu. Es möchte die im April 1977 zu
lebenslanger Haft verurteilten RAF � Mitglieder freipressen. Die
Aktionen enden tragisch. Nach der erfolgreichen Stürmung der
?Landshut� wird Schleyer ermordet. Die inhaftierten RAF �
Mitglieder begehen Selbstmord und werden tot in ihren Zellen
aufgefunden. Die Ereignisse von damals werden in einer
Filmerzählung beschrieben.
Der Film ist dabei eine Mischung aus Spielfilm,
Interviewpassagen und Originalaufnahmen. So entsteht ein
atmosphärisch dichte Film, der Ereignisse lebendig werden lässt,
die eigentlich zeitlich, politisch und in der Erinnerung weit
zurück liegen. Die Frage ist allerdings: Woher kommt die
Faszination gerade am ?Deutschen Herbst�? Ist es nur das
filmische Interesse � lässt sich ein solches Ereignis sehr
leicht in einem Film umwandeln? So gut der Film auch gemacht
ist, so unverständlich ist für mich die Motivation für den Film.
Vielleicht mache ich mir aber auch zu viele Gedanken. Vielleicht
sollte ich eher mit einer gewissen Blauäugigkeit und Naivität
herangehen. Vielleicht sollte ich ja sagen: So kann
Zeitgeschichte spannend vermittelt werden. ich bin schon
gespannt, ob irgendwann andere Ereignisse der politischen
Nachkriegsgeschichte verfilmt werden. Stoff würde es ja genug
geben...
Die okkulte Geschichte des 3. Reiches Das Rätsel des
Hakenkreuzes
Dokumentation Großbritannien 1991 50 Minuten; Buch und Regie:
Dave Flitton; Deutsche Übersetzung: Andreas Gronau;
Archivkamera: Neil McLauchlan, Schnitt: Justin McCarthy, Neil
McLauchlan, John Hagg; Musik: Andrew Redman
33.000 Hakenkreuze waren auf dem Höhepunkt der Nürnberger
Parteitage der NSDAP zu sehen. Zusammen mit anderem Zierat
sollen sie eine pseudo � religiöse Aura voller Prunk und
Mystizismus verbreiten. Das Hakenkreuz ist das Zeichen der NSDAP
und gleichzeitig ein Zeichen des Terrors.
Ursprünglich stammt das Symbol aus der asiatischen Mythologie.
Dort gibt es unterschiedliche Formen davon. Es ist das Zeichen
für die Schöpfung, die Sonne, das Feuer, aber auch immer das
Glück. Die russische Abenteuerin Helene Blavatsky entdeckte das
Hakenkreuz bei Studien in Tibet und deutete es als Symbol der
Macht. Die europäischen Okkultisten übernahmen das Hakenkreuz
auch als Symbol der Macht � so der Germanenforscher Guido von
List.
?Die okkulten Theorien eines von List fielen bei denen, die
durch die Umwälzungen der industriellen Revolution ihre
Orientierung und ihre Werte verloren hatten, auf fruchtbaren
Boden. So auch bei Adolf Hitler, der das Hakenkreuz zum
Parteisymbol erhob,� berichtet der Film.
Informativ ist der Film durchaus. Der Zuschauer erfährt diverse
Einzelheiten, die in der öffentlichen Diskussion durchaus
übergangen werden. Dass der Film Schwächen enthält, wird bei
genauerem Hinsehen schnell deutlich. Dass die bereits erwähnte
Madame Blavatsky die Begründerin der Theosophie ist und
zeitweilig auch im US � amerikanischen New York lebte, wird hier
verschwiegen. Wieso ließen sich die Massen von der
nationalsozialistischen Propaganda so verblenden? Was sagten die
Kirchen dazu, dass ihr Einfluss so schnell und so effizient
zurückgedrängt wurde? Wie kam es, dass die obskuren Ideen eines
Guido von List auf einen so fruchtbaren Boden fielen � das
Interesse an den alten Germanen hat doch bestimmt einen Grund.
Die Begründung ?Viele Menschen werden entwurzelt durch den
Übergang vom feudalen Agrarstaat zur Industriegesellschaft�
reicht mir persönlich nicht. Ich stelle mir die Frage: Könnte
Hitler auch heute noch Erfolg haben? Könnte er den Menschen
heute auch noch diesen esoterischen Quatsch vermitteln? Ich
glaube nicht. Wieso waren die Menschen damals so empfänglich
dafür? Ganz egal, was die Begründung ist: Allein diese Frage
wird mir nicht deutlich genug beantwortet. Ansonsten ist der
Film durchaus sehenswert.
Mythos, Kult und Symbolik im Dritten Reich
Dokumentation Deutschland 1997 35 Minuten; Buch, Regie, Schnitt:
Rüdiger Sünner; Kamera: Michael Berte; Musik Manolis Vlitakis
Der Nationalsozialismus beeindruckt durch seine Inszenierungen
und Monumentalbauten. Die Nazis verstanden sich dabei als das
?arische Licht� und wollten auf diese Weise gegen die ?jüdisch �
bolschewistische Finsternis� antreten. Sie bedienten sich dabei
vorchristlicher Symbole, vor allem germanischer Runen und
keltischer Kultorte wie den Externsteinen. So sollte eine
mystische Legitimation für die beanspruchte Führungsrolle
geschaffen werden.
Vordergründig ist dies ein informativer Film, führt er doch in
die unsinnige Verbindung aus Esoterik, Mythologie und Rassismus
ein, die das Denken der NS � Ideologen bestimmte. Größenwahn und
Leugnung wissenschaftlicher Fakten waren Bestandteil des Wahns.
Der Film weist aber auch erhebliche inhaltliche Mängel auf. Wie
war das Verhältnis zwischen Kirche und NS � Ideologie? Wer
entwickelte die NS � Ideologie? Auf welche geistigen und
(religions-= geschichtlichen Grundlagen baut die NS � Ideologie
auf? Diese Fragen werden erst gar nicht gestellt und daher auch
nicht beantwortet. Von daher wirkt der Film sehr unvollständig.
Ein paar Propagandabilder weniger, dafür ein paar Fakten mehr �
und der Film hätte an Kontur gewonnen.
Ganz normale Soldaten
Dokumentarfilm Deutschland 1995; Buch und Regie: Manfred
Bannenberg; Kamera: Leo Ganz; Ton: Horst C. Faahs; Schnitt:
Annemarie Bremer
Wilhelm von Schmeling und Friedrich Hassenstein waren ?ganz
normale Soldaten� im 2. Weltkrieg. Auch wenn sie nicht der SS
angehörten und damit nicht für die Konzentrationslager und die
Verfolgung politischer und rassischer Gegner in den besetzten
Gebieten verantwortlich waren, befehligte von Schmeling ein
Exekutionskommando, während Hassenstein Zeuge von
Massenerschießungen wurde. Angst vor dem Vorgesetzten, Angst
vor dem Kriegsgericht, Angst, über die eigenen Gefühle von Ekel
und Abscheu zu sprechen, und auch die Angst, von den eigenen
Leuten umgebracht zu werden � dies sind die Mechanismen, die den
Soldaten antrainiert wurden und die die Verbrechen des Krieges
erst ermöglichten.
Von Schmeling und Hassenstein gehören zu einer seltenen Spezies:
Sie gehören zu den Wehrmachtssoldaten, die heute offen über ihre
Kriegserlebnisse sprechen. Fast schon intellektuell beschäftigen
sich diese beiden alten Männer mit sich selbst. Auf mich
persönlich wirken ihre Augenzeugenberichte glaubwürdig. Alles in
allem ist dies ein gelungener Film. Auf den ersten Blick sind
weder offene Fragen noch offensichtliche Ungereimtheiten zu
sehen. Wer sich mit dem 2. Weltkrieg beschäftigen möchte, sollte
sich (auch) diesen Film ansehen, um einen ausgewogeneren Blick
auf die historischen Ereignisse zu bekommen. Schließlich fällt
es uns Nachgeborenen heute leicht, den Stab über andere Menschen
zu brechen. Doch die Frage, ob wir selbst zu Helden werden
würden, wird dabei völlig ausgeblendet. Aber egal � ich schweife
ab. Dies ist einer der wenigen Filme zur Nazizeit, die mir
bislang gefallen haben.
Glatzen, Marken und Tatoos
Dokumentarfilm Deutschland 2002; Regie und Buch Ulrich
Leinweber; Kamera: Kai Brandstätter; Schnitt: Hans Jürgen Bauer;
Ton: Michael Siedler
Neonazis tragen Bomberjacken, Springerstiefel und Glatzen. Oder?
Na ja, fast. Die Wirklichkeit ist vielfältiger. Es gibt auch
andere, viel unauffälligere Kleidungsstücke, die die
Zugehörigkeit zur rechten Szene zeigen. Das T � Shirt von Fred
Perry, die Jacke von Lonsdale oder die Schuhe von Dr. Martens
können solche Symbole sein. Lonsdale und Fred Perry sind
eigentlich etablierte Marken. Sie haben nichts mit dem
Neonazismus zu tun. Sie setzen sich sogar dagegen zur Wehr, von
der rechten Szene vereinnahmt zu werden. Die Firmen beliefern
die einschlägigen nicht mehr. Aber die rechte Szene besorgt sich
die gewünschte Ware über verschiedene Wege. Schließlich gelten
diese Marken als Erkennungszeichen.
Masterrace (?Herrenrasse�), Troublemaker und Walhalla sind
Marken, die als eigene Marken von den Rechten geschaffen wurden.
Es gibt auch eigene Marken für die Frauen. Tops von ?Pit Bull�
sind ein Beispiel hierfür.
Wann ist Bekleidung Mode, wann Symbol für eine bestimmte
Jugendkultur oder gar eine politische Aussage? Der Film versucht
eine Aussage am Beispiel des Neonazismus. Ein rechter Textilien
� Einzelhändler kommt hier genauso zu Wort wie ein
Sozialarbeiter und Vertreter der betroffenen Firmen. Für mich,
der sich vorher nie damit beschäftigte, ist dies schon ein
interessanter Film. Viele Details waren mir vorher unbekannt.
Inhaltlich ist der Film sicherlich rund. Eine Frage stelle ich
mir dann doch: Gibt es etwas Vergleichbares auch für die linke
Szene? Die Landeszentrale sollte hier schon eine gewisse
Neutralität zeigen. So sinnvoll und notwendig es ist, über den
Neonazismus zu berichten, so sinnvoll und erforderlich ist es
auch, über den Linksextremismus zu informieren. So entsteht viel
zu leicht der Eindruck, dass nur der Rechtsextremismus
gefährlich, unmenschlich und undemokratisch ist. Ausgewogenheit
ist also einzufordern, um politisch glaubwürdig zu bleiben.
Nazis von gestern im Netz von heute
Dokumentation Deutschland 1999; Regie und Buch: Ulrich
Leinweber; Kamera: Wilfried Kaute; Schnitt: Hans � Jürgen Bauer
?Schon `Mein KampfŽ online gelesen? Wie wär`s mit einem Adolf �
Hitler � Bildschirmschoner? Oder ein paar Nazi � Clips?� So
fragt der Film. ?Kein Problem. Wozu gibt es das Internet? So wie
alle profitieren auch die Altnazis und Neofaschisten vom Netz
der Netze. Ihre Texte, Thesen und Symbole sind via Internet so
leicht erreichbar wie nie zuvor.�
Der Film ist misslungen. Er ist zu oberflächlich und
unstrukturiert. Das zeigen schon die journalistischen W �
Fragen. Wer veröffentlicht im Netz? Glaubt man dem Film, sind es
die Nationalzeitung, Einzeltäter und Ausländer. Stimmt das aber
so? Sind die rechten Parteien und deren Umfeld nicht im Netz?
Ich habe keine Ahnung. Was wird wie veröffentlicht? Sind es nur
Texte, Symbole und Fotos? Oder auch Musik, Reden und Filme, die
heruntergeladen und abgespielt werden können? Werden
Naziprodukte im Netz gehandelt? Allein diese Fragen würden für
einen Film reichen.
Auch journalistisch hätte der Film besser aufbereitet werden
müssen. Es fehlt der ausgewiesene Experte, der stringent
erklären kann, was im Netz vorhanden ist und wer es nutzt. In
der vorliegenden Form wirkt der Film konfus. In dem Film kommen
auch Neonazis zu Wort, ohne dass für mich ersichtlich ist, wie
der Zusammenhang zum Internet aussieht. Es drängt sich also der
Verdacht der Flickschusterei auf. So mancher Fernsehbericht, der
sich um gelanglosere Themen kümmert, ist besser gestaltet. Die
Landeszentrale hätte all diese Sachen berücksichtigen sollen,
bevor sie den Film veröffentlichte.
Zuflucht im Zirkus � Die Artistin und ihr Retter
Dokumentarfilm Deutschland 1995; Regie: Micha Terjung; Kamera:
Gerald Schlaffke; Schnitt: Christoph Tetzner; Ton: Michael
Henseler; Dauer: 31 Minuten
Der Zirkus ist eine große Manege. Bunte Lichter, Musik, Tiere
und Clowns, spannende Dressuren und artistische Höchstleistungen
sind hier zu sehen. Die Zuschauer haben ihren Spaß. Die
Kunstreiterin Irene Bento hört in diese Welt. Den
Nationalsozialisten war Irene Bento allerdings unerwünscht. Sie
blieb trotzdem in Deutschland. Und schwebte ständig in großer
Gefahr. Sie musste zusehen, wie ihre Großmutter nach Auschwitz
abtransportiert wurde. Sie entging dem Konzentrationslager nur,
weil der Zirkuspatriarch Adolf Althoff sie zusammen mit ihrer
Mutter und ihrer Schwester bei sich aufnahm und versteckte.
Althoff wurde für seine Rettungsaktion in Yad � Vashem �Zentrum
in Jerusalem ausgezeichnet.
Der Film zeigt ein sehr persönliches Stück deutscher Zirkus- und
Zeitgeschichte. Hier geht es nicht um richtig oder falsch,
komplett oder unvollständig, hässlich oder schön, spannend oder
langweilig. Auf ansprechende und menschlich anrührende Weise
wird hier Geschichte erzählt. Lediglich das Ende kommt mir
persönlich zu abrupt. Es wird nicht ganz klar, wie es mit Irene
Bento nach dem Weltkrieg persönlich und beruflich weiterging.
Gründete sie eine Familie? Arbeitete sie weiter (erfolgreich) im
Zirkus? Dies sind die einzigen Kritikpunkte, die mir einfallen.
Ansonsten ist dieser Film wirklich sehenswert. Gäbe es mehr
solcher Filme, wäre auch klar, dass es nicht nur brutale,
grausame und überzeugte Nationalsozialisten gibt, sondern auch
viele mutige Menschen, für die es selbstverständlich war, Juden
zu verstecken, ihnen zu helfen und damit vor dem sicheren Tode
zu bewahren. Sie sind die stillen Helden, die es heute zu ehren
gilt.
Einmal Nazi � immer Nazi?
Dokumentation Deutschland 1997; Dauer: 28 Minuten; Regie und
Buch: Ulrich Leinweber; Kamera: Wilfried Kaute; Schnitt: Boris
Breithaupt
Wir werden alle mal älter. Was für den normalen
Durchschnittsbürger gilt, gilt auch für junge Neonazis. Sind sie
immer noch aktiv, radikal und brutal, wenn sie über 30 sind?
Ulrich Leineweber macht seit über 30 Jahren Filme mit und über
Rechtsradikale. Er suchte einige seiner Interviewpartner aus den
früheren Filmen wieder auf. ?Etwas älter sind sie geworden,
ruhiger und weniger auffällig verhalten sie sich. Sie haben
Kinder bekommen. Aber bei manchen hat sich nur die Fassade
geändert. Sie glauben nach wie vor an die `AuschwitzlügeŽ und an
den Führer, wagen es aber nicht mehr, mit diesen unpopulären
Meinungen nach außen zu gehen. Andere haben sich abgewendet, da
sie als Väter Verantwortung tragen und nun anders über Gewalt
und Politik denken,� berichtet der Film.
Der Film überrascht mich unangenehm. Ich hatte einen Film über
hartgesottene, überzeugte Neonazis erwartet. statt dessen
bekomme ich spätpubertierende Jugendliche zu sehen, die
weitgehend unpolitisch und aus der Öffentlichkeit verschwunden
sind. Diese Jugendlichen sind gutbürgerliche Familienväter,
gehen einer Arbeit nach und möchten sich in der Öffentlichkeit
nicht (wiedererkennbar) äußern. Ich frage mich, was der Film
überhaupt zeigt. Geht der Film nicht an der Realität vorbei?
Interessant sind für mich nicht die ?Jugendsünden� (wenn man es
so nennen kann) einiger Jugendliche. Interessant sind für mich
die Überzeugungstäter unter den Jugendlichen, die auch in ihrem
späteren Leben öffentlich zu ihren Ansichten stehen. Sie kommen
hier nicht vor. Was trieb jemanden wie Michael Kühnen dazu, ein
Neonazi zu werden und in der Szene Karriere zu machen � um nur
ein Beispiel zu bringen?
Zu den formalen Fehlen kommen handwerkliche Unsauberkeiten
hinzu. Wo spielt die Handlung? Die Fußballfanclubs geben zwar
Hinweise; eine letztendliche Gewissheit gibt es aber nicht. Auch
Name wie ?Karl � Heinz Y� sollten nicht vorkommen. Also entweder
nur ?Karl � Heinz� oder mit vollem Namen (Karl � Heinz Müller �
Meier) � oder gar nicht. Es berührt mich auch unangenehm, dass
einige Interviewpartner nicht mir ihren Gesichtern zu sehen
sind. Entweder gebe ich ein Interview und stehe dann mit meinem
Namen und Gesicht dazu. Oder ich lasse es sein. dann muss dieser
Unwille, zu der eigenen Meinung zu stehen, aber auch kenntlich
gemacht werden.
Handwerklich ist der Film unterstes journalistische Niveau. Wer
also den Werdegang von Neonazis kennenlernen möchte, sollte sich
handwerklich und formal seriösere Quellen anschauen.
Die zweite Schöpfung
Dokumentationsfilm Deutschland 2000; 43 Minuten; Regie: Tilman
Achtnich; Kamera: Wolfgang Breuning; Schnitt: Hildegard
Schröder; Ton & Musik: Andreas Wetter
?Aus einem winzigen Stückchen Vorhaut züchten wir menschliche
Haut, die ein ganzes Fußballfeld abdeckt;� verkündet die
Forschungschefin der amerikanischen Firma Organogenesis.
Künstliche lebende Haut ist das erste Ersatzteil für den
Menschen, das quasi industriell hergestellt wird. In den
Biotechlabors stehen weitere Gewebe vor der Serienreife: Es sind
Knorpel, Knochen und Blutgefäße. Die Mikroelektronik macht den
Einbau von Steuersystemen in den Körper möglich. Di könnten
einen Querschnittsgelähmten wieder zum Gehen verhelfen.
Wann ist ein Mensch ein Mensch? Philosophen und Theologen können
sicherlich eine fundierte Antwort darauf geben. Biologen und
Mediziner werden bestimmt eine andere Antwort wissen.
Schließlich sollen sie Beschwerden lindern und Krankheiten
heilen. Auch wenn der menschliche Körper kein Ersatzteillager
ist, so bleibt aber auch die Frage, wie viele Schmerzen und
Einschränkungen ihm zuzumuten sind. Sind Krankheiten,
Fehlbildungen und Amputationen wirklich in Gottes Plan
vorgesehen? Eigentlich nicht. Daher ist es moralisch und ethisch
nicht verwerflich, wenn Mediziner Kranken ihre Lebensqualität
wiedergeben und sich dabei der Gen- und Biotechnologie bedienen.
Dass damit auch Geld verdient wird, nehme ich persönlich dabei
gerne in Kauf. Der vorliegende Film kann sicherlich eine große
Hilfe sein, sich eine eigene Meinung zu bilden. Eine gewisse
Unvoreingenommenheit und Interesse an dem Thema sind aber
unbedingt erforderlich. Ansonsten werden sich die Diskussionen
pro und kontra Biotechnologie immer weiter im Kreise drehen.
Komm ins Land der Leichen Die Droge Tabak und ihre Opfer
Dokumentation Deutschland 1992; 44 Minuten; Regie und Buch:
Georg M. Hafer und Kamil Taylan; Kamera: Detlef Dingens;
Schnitt: Sigrid Pribyl; Ton: Wolfgang Müller
Wayne McLaren war lange Zeit der Cowboy in der Marlboro �
Werbung. Als der Film 1992 gedreht wurde, leidet er an
Lungenkrebs im Endstadium. Janet Sackmann war einst ein
amerikanisches Star � Modell und ?Lucky � Strike � Girl� des
Jahres 1949. Auf Wunsch ihres Auftraggebers gewöhnte sie sich
das Rauchen an. Schließlich sollten die Werbemaßnahmen echt
aussehen. Im Jahre 1992 litt sie an Kehlkopfkrebs und konnte
daher nur noch mühevoll und krächzend sprechen.
Sie sind nur 2 der Opfer, die an der ?Droge� Tabak erkrankten.
Auf drastische Weise führt der Film dem Zuschauer die
gesundheitlichen Folgen des Rauchens vor Augen. Selbst Bilder
von einer Operation einer Raucherlunge sind in dem Film zu
sehen. Formal und inhaltlich ist der Film sicherlich in Ordnung.
Hier wird über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt.
Unter journalistischen Gesichtspunkten scheint mir der Film aber
sehr einseitig zu sein. Aus Gründen der Fairness wäre es schon
ratsam gewesen, auch die Gegenseite, also die Tabakkonzerne, zu
Wort kommen zu lassen. Die Aussage: ?Wir haben uns bemüht. Es
war aber niemand zu einem Interview bereit!� wäre mir lieber
gewesen als dieses völlige Schweigen. Wer sauber recherchiert,
gibt der Gegenseite die Möglichkeit zur Gegenrede. Nur so kann
sich der Zuschauer ein ausgewogenes Bild aneignen.
Raver, Rausch und Risiko
Dokumentarfilm Deutschland 1997; 29 Minuten; Buch und Regie:
Dietrich von Ruffer; Kamera: Armin Fauster; Schnitt: Salar Ghazi;
Ton: Oliver Lumpe
?Was mich nicht umbringt, macht mich härter,� behauptet Tim. Er
ist ?voll auf Ecstasy�. Die Droge verspricht Party ohne Ende.
Wenn sie Ecstasy nehmen, verspüren die Techno � Fans keine
Müdigkeit. So halten sie nächtelang durch.
Eine halbe Millionen Raver nehmen die Droge ein. Sie sind
zwischen 14 und 25 Jahren alt. Doch die Droge hat auch ihr
Kehrseite. Der Körper kann sich nicht mehr richtig erholen. Wird
dann noch eine Ecstasy � Pille mit falschre Zusammensetzung
genommen, kann es zum Kollaps kommen. Bleibende Schäden nicht
ausgeschlossen.
In Berlin taten sich Raver in der Initiative ?Eve und Rave�
zusammen. Sie möchten vor den Gefahren von Ecstasy warnen und
zum richtigen Umgang damit einladen. Verhängnisvoll ist vor
allem die Kombination von Ecstasy mit Speed, Kokain, LSD und
Heroin.
Sozialarbeiter und Ärzte kommen hier genauso zu Wort wie die
Raver � Szene. Inhaltlich ist der Film ja in Ordnung. Er
vermittelt die Fakten, die für Außenstehende wie mich
interessant sind. Die Bilder und Interviews wirken aber oft
genug künstlich und gestellt, so als ob der Reporter in seiner
formalen und verbalen Ausdrucksform in den 1970er Jahren
stehengeblieben wäre. Von daher wirkt der Film doch etwas
altertümlich und menschlich nicht wirklich anrührend. Oder bin
ich persönlich zu altmodisch für einen solchen Film? Nein, ich
glaube nicht. Ich mag zwar kein Techno, aber auch keine Drogen.
Dafür ist mir mein Körper zu schade. Dieser Film würde mich
überhaupt nicht beeinflussen, wenn ich mich für die eine oder
andere Richtung entscheiden müsste.
Politische Morde: Tod in Memphis Der rätselhafte Mord an Martin
Luther King
Dokumentarfilm Deutschland 1998; Produktion: Westdeutscher
Rundfunk / ConVoi Film; Buch und Regie: Thomas Giefer; Kamera:
Michael Hammon; Schnitt: Charly Neumann; Ton: Mark Shoney
Der schwarze amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King
wird am 4. April 1968 in Memphis erschossen. Die Folge? Die
Ghettos der Schwarzen stehen tagelang in Flammen. Der Traum von
der gewaltlosen Überwindung der Rassenschranken ist erst einmal
ausgeträumt. ?Ob der für den Mord verurteilte James Earl Ray
wirklich die Tat begangen hat, bleibt zweifelhaft. In
zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen, Freunden und Weggefährten
wird anderen möglichen Tätern, die der King � Biograph David
Garrow vermutet, nachgeforscht. Anhand zeitgenössischen
Dokumentarmaterials entsteht ein Bild des politischen und
sozialen Klimas der fünfziger und sechziger Jahre in den USA,�
berichtet die Werbung.
Und was zeigt uns der Film? Historische Aufnahmen und moderne
Bilder, Interviews und Fakten, Spekulation und Realität sind
hier zu sehen. Die Vergangenheit wird noch einmal lebendig, wenn
die Bilder Kings zu sehen sind. Wieso Verschwörungstheorien
vorgestellt werden, ist mir persönlich ein Rätsel. Sobald
berühmte Menschen gewaltsam sterben, wachsen die
Verschwörungstheorien wie Pilze ins Kraut. Martin Luther King
ist schon sehr lange tot. Praktische ist es heute unmöglich, den
Mörder Kings einwandfrei zu identifizieren.
So richtig zufrieden bin ich nicht mit dem Film. Er wirkt
irgendwie zu kühl und distanziert, als dass er überzeugen würde.
Der Film zeigt nur Kings Lebenswerk. Seine Herkunft und sein
Erbe werden nicht erwähnt. Der Film lässt hier viele Fragen
offen. Hier könnte der Film wesentlich genauer sein. Den Film
lieblos zu nennen, wäre sicherlich übertrieben. Ob es sich
allerdings lohnt, sich den Film anzuschauen, wird jeder
Zuschauer selbst entscheiden müssen.
Politische Morde: Der Tod des Pharao Mord an Anwar el Sadat
Dokumentation Deutschland 1998; Produktion Westdeutscher
Rundfunk Köln; Buch und Regie: Wilfried Huismann; Kamera: Hubert
Schick; Schnitt: Margot Löhlein; Ton: Markus Pufahl
Die Handlung spielt am 6. Oktober 1981 in der ägyptischen
Hauptstadt Kairo. Bei einer Militärparade stottert plötzlich ein
Lastwagen. Dann stoppt er. Drei Männer springen aus den Wagen,
schießen um sich und treffen Staatspräsident Anwar el Sadat.
?Der Anschlag gilt der Person, aber auch der Friedenspolitik mit
Israel. Islamische Fundamentalisten gelten als die Auftraggeber
des Mordanschlags; sie verzeihen Sadat den Friedensschluss mit
dem Erzfeind 1977 nie.
Interviews mit Jehan Sadat, Helmut Schmidt, Ezer Weizman und
Jimmy Carter zeichnen in dieser Dokumentation sowohl ein Bild
des Politikers als auch des Nahost � Konflikts,� berichtet die
Werbung für den Film.
Zeitreisen gibt es nur im Fernsehen. Richtig? Ja, fast. Für mich
persönlich ist dieser Filme eine interessante Reise in die
Vergangenheit. Als Sadat ermordet wurde, war ich 13 Jahre alt.
In einem Alter also, in dem man sich in der Regel noch nicht für
Politik interessiert. Ich kann mich zwar grob an Sadat und
einige israelische Politiker erinnert; die Einzelheiten sind mir
aber entfallen, wenn ich sie denn je behalten habe. Natürlich
kann man Sadat und seine Ermordung als einen Wimpernschlag der
Geschichte bezeichnen. Rückblick rufen aber die Zeitgeschichte
in Erinnerung und machen Zusammenhänge noch einmal klar.
Der Film gefällt mir aber auch aus einem anderen Grund. Es ist
die Art des Erzählens, die ich mag. Moderne Bilder wechseln mit
historischen Aufnahmen, Interviewpartner mit Nachrichtenbilder.
Als Zuschauer hatte ich den Eindruck, Sadats Ermordung habe erst
gestern stattgefunden. Sehr persönlich, fest schon liebevoll ist
der Film. Die Person Sadat wird hier genauso vorgestellt wie
seine Politik und die oppositionelle Moslembruderschaft. Der
Wunsch, einen anderen Kanal einzuschalten, ist bei mir gar nicht
erst aufgekommen. Es hat mir Spaß gemacht, den Film zu sehen.
Ich kann ihn nur weiterempfehlen.
Nationale Symbole und Nationale Identität
Dokumentarfilm Deutschland 1989; Produzent: Bayerischer
Rundfunk; Gesamtspielzeit: 45 Minuten; Herausgeber: Deutsches
Filmzentrum e. V.
?Kein Staat kommt ohne nationale Symbole aus. Symbole werden
gebraucht, um auf die Prägung oder die Macht des Staates
hinzuweisen. Der Film beschäftigt sich mit der historischen
Entwicklung der Hymne, der Flagge und des Bundesadlers,�
berichtet das Deutsche Filmzentrum.
Ich entdecke diesen Film in der Duisburger Stadtbücherei und
leihe ihn mir aus, um ihn mir zuhause anzuschauen. Dass ich
keine optimale Film- und Tonqualität erwarten kann, ist mir ja
auch klar. Inhaltlich ist der Film allerdings enttäuschend. Er
beschreibt die Geschichte der nationalen deutschen Symbole, ohne
auf ihre Bedeutung einzugeben. Der Film bleibt dabei leider
sehr, sehr oberflächlich.
Der Film stammt aus der Zeit vor der Wiedervereinigung. Der
Autor hätte hier die Gelegenheit gehabt, die nationalen Symbole
zweier Staaten vorzustellen. Die Chance, die Symbole der DDR
mehr als dürftig vorzustellen, wird hier nicht genutzt. Als ich
mir den Film anschaue, frage ich mich daher schon, was mit dem
Film überhaupt bezweckt wird. Da der Film vom Bayerischen
Rundfunk produziert wurde, könnte man ihm ja Werbung für den
Freistaat unterstellen. Eine hinreichende Erklärung für die
unbefriedigende Oberflächlichkeit kann dies aber nicht sein �
schließlich geht der Film auch auf die staatlichen Symbole
Bayerns nicht wirklich ein.
Wie gesagt: Ich werde aus dem Film nicht schlau. Ich komme daher
zu dem Schluss, dass der Film schwach, nichtssagend und
überflüssig ist. Wer einen solchen Film veröffentlicht, blamiert
sich in meinen Augen. Wer nichts zu sagen hat, sollte auch den
Mund halten.
Stammtischparolen
Dokumentarfilm Deutschland 2002; Buch und Regie: Ulrich
Baringhorst; Kamera: Hans Hausmann; Schnitt: Sabine Hoffmann;
Ton: Till Butenschön
Sprüche und Vorurteile gehören zu den Stammtischen.
Stammtischparolen sind beliebt. Schließlich sind sie einfach und
benennen Schuldige. Sie teilen die Welt in Schwarz und Weiß ein.
Sie sind haltlos, rassistisch oder sexistisch. Doch wie soll man
mit solchen Sprüchen umgehen? Weghören? Ignorieren? Dagegen
argumentieren? ?Die Dokumentation zeigt einen Workshop, in dem
Argumentationsstrategien gegen Stammtischparolen eingeübt
werden,� berichtet die Landeszentrale.
Auf den ersten Blick mag das Thema interessant erscheinen. Ob
die gewählte Vorgehensweise aber wirklich geschickt ist, sei
einmal dahingestellt. Als ich den Film sah, langweilte ich mich,
ohne sagen zu können, warum. Handwerklich ist der Film in
Ordnung. Verschiedene Sprecher und Kameraeinstellungen wechseln
mit kurzen Einspielungen von Animationen.
Ich überlege: Wie hätte ich mich dem Thema genähert � filmisch,
meine ich? Eine Patentlösung fällt mir auch nicht ein. Mir
persönlich würde es leichter fallen, mich literarisch mit den
Stammtischparolen auseinanderzusetzen. Ob es vielleicht sinnvoll
gewesen wäre, beispielsweise einen Sozialwissenschaftler zu Wort
kommen zu lassen? Ja, auf jeden Fall. Damit wäre der formale
Rahmen aufgelockert worden. In seiner gegenwärtigen Form kann
man den Film auch als einen Bericht über einen Workshop in
Duisburg missverstehen. Was eigentlich schade ist. Mit ein wenig
Phantasie hätte man (als Filmemacher) mehr daraus machen können.
Angst haben & Angst machen
Dokumentarfilm Deutschland 1998; Buch und Regie: Ulrich
Leinweber; Kamera: Holger Schacht; Schnitt: Dirk Lepperhoff
Die Angst vor Gewalttaten nahm in den letzten Jahren deutlich
zu. Der alltägliche Überfall � oft nur wegen geringer Summen und
aus anderen nichtigen Gründen � ist immer öfter zu beobachten.
Die wachsende Armut und die damit einhergehende Spaltung der
Gesellschaft ist für viele Menschen eine Ursache dafür. Die
Folge? Immer mehr Menschen fühlen sich nicht mehr sicher; Angst
in der U � Bahn oder der Einkaufspassage sind oft zu spüren.
?Doch was tun? Ein Patenrezept gibt es nicht. Der Film ist eine
Dokumentation über Angst und Gewalt im öffentlichen Raum und
über mögliche Gegenstrategien,� berichtet die nordrhein �
westfälische Landeszentrale für politische Bildung.
Inhaltlich mag der Film ja in Ordnung sein. formal versagt er
völlig. Er vernachlässigt sämtliche journalistische Grundregeln.
Allein schon die W � Fragen werden hier nicht beantwortet. Wo
spielt die Handlung? Wer sind die handelnden Personen? Da schon
diese Fragen nicht beantwortet werden, erscheint mir die
journalistische Vorgehensweise als unseriös. Irgendwie werden
bei mir Erinnerungen an die üblen Auswüsche des Sozial �
Journalismus, wie ich ihn aus alten Filmen aus den `60er / `70er
Jahren kenne, wach. Die Wortwahl, die Art zu sprechen, teilweise
die Art der Bilder � sie lösen diese Assoziation aus.
Ob sich die Landeszentrale einen Gefallen mit einem solchen Film
tut, weiß ich nicht. Er zieht die eigentlich gute Intention der
Landeszentrale in ein zweifelhaftes Licht. Filme wie diesen
werde ich � unabhängig von seinem Inhalt � schon alleine aus
formalen Gründen nicht weiterempfehlen.
Kommunalwahlen: 16plus!
Dokumentarfilm Deutschland 1999; Regie und Buch: Manfred Bölk;
Kamera: Barthold Stromeyer; Schnitt: Ronald Bettac; Ton: Jochen
Herzog
Nadine ist Reporterin beim Internetmagazin
www.16plus.de . ?Auf ihren
Inlinern gleitet sie durch die Städte und Dörfer Nordrhein �
Westfalens. Ihre Aufgabe: knallharte Recherche. Ihr Thema: die
Kommunalwahl. Denn ab 16 können alle, die in Nordrhein �
Westfalen leben und EU � Bürger sind, bei den Kommunalwahlen
ihre Kreuze machen. Doch wissen die Wahlberechtigten überhaupt
von ihrem Glück? Das versucht Nadine herauszufinden,� berichtet
die Landeszentrale ?Ist ihnen ehŽ alles egal � oder machen sie
doch mit, wenn es um die Planung von Skaterbahnen, Discos und
besseren Busverbindungen geht?�
Ausgehend von der Kommunalwahl im Jahre 1999 und den
Verhältnissen im rheinischen Köln sowie dem westfälischen
Preußisch Oldenburg geht der Filmautor der Frage nach, wie
Kinder und Jugendliche sich in der Kommunalpolitik engagieren
können.
Poppig, modern, ausgewogen, zielgruppengerecht und konzentriert
ist der Film. Er ist schon eine Einladung, an den kommenden
Kommunalwahlen teilzunehmen und sich für das Leben in der
eigenen Stadt zu interessieren. Auch wenn ich persönlich schon
lange nicht mehr zur Zielgruppe des Films gehöre, gefällt er mir
trotzdem. So locker und leicht erzählt wie dieser sind nur
wenige Dokumentationen der Landeszentrale erzählt.
Er schreit aber auch ein wenig nach Fortsetzung. Was im Jahre
1999 richtig war, kann im Jahre 2009 schon wieder falsch sein.
Für mich als Erwachsenem ist es schon interessant, zu erfahren,
welche Erwartungen und Erfahrungen Jugendliche mit der
Kommunalpolitik machen und wie sie daran rangeführt werden
können. So kann Zeitgeschichte spannend und lebendig
dokumentiert werden.
Codename: Linux
Dokumentation Frankreich 2001; Buch und Regie: Hannu Puttonen;
Kamera: Arto Kaivanto; Schnitt: Kimmo Kohtamäki; Ton: Pirkko
Tiitinen; Produktion: Making Movies Oy, Helsinki / ADR Paris
Man schreibt das Jahr 1991, als der 20jährige finnische Student
Linus Torvalds in einer Internet Newsgroup die Frage stellt:
?Wie kann man ein besseres Betriebssystem herstellen?� Er habe
da ein Hobbyprojekt, nichts großes...
10 Jahre später ist aus dem Hobbyprojekt ein weltweit genutztes
Betriebssystem geworden. Es macht dem Marktführer Microsoft auf
dem Server � Markt massive Konkurrenz. Es ist auch auf Behörden-
und Privat PCs immer häufiger zu finden. Der fundamentale
Unterschied zwischen Linux und anderen Betriebssystemen wie
Windows? Es gehört niemandem. Jeder darf es nutzen, ändern und
erweitern. Einzige Bedingung: Er stellt es anderen Nutzern
kostenlos zur Verfügung.
In den armen Ländern Afrikas und Asiens gilt es als kostenfreies
Betriebssystem. In Europa wird es wegen seiner offenen und damit
sicheren Architektur geschätzt.
?Ein toller Film,� lautet mein erster Eindruck. Selbst ich, der
den Computer lediglich als Anwender nutzt, habe verstanden, wie
das Betriebssystem Linux entstanden ist und was so besonders
daran ist. Doch dann kommen die ersten Zweifel. Habe ich
überhaupt schon mal Linux genutzt? Wie sieht es überhaupt aus?
Woran erkenne ich es auf dem Bildschirm? Antworten gibt mir der
Film nicht. Sollte ich die Antworten vielleicht schon kennen,
wenn ich mir den Film anschaue? Nur: Muss ich mir den Film
tatsächlich anschauen, wenn ich Linux von Anfang an kenne? Ich
denke, nicht.
Auch journalistisch seien ein paar Fragen erlaubt. Hat Linus
Torvald wirklich nur aus Idealismus gehandelt? Oder ist er dank
Linux reicht geworden? Was ist mit seinen Mitstreitern � auf den
Fernsehbildern sehen sie wie alternative Chaoten aus, denen Geld
nicht so wichtig ist. Ihre Rauschebärte scheinen der Beweis
dafür zu sein. Doch inwieweit täuscht der Eindruck? Als ich den
Film sehe, wird diese Frage � genau wie die anderen � nicht
beantwortet. Ich bedauere dies sehr. Zur Erfolgsgeschichte hätte
� zumindest für meinen persönlichen Geschmack � auch gehört,
dass der berufliche Hintergrund der Linux � Entwickler
beleuchtet wird. Dies hätte den Film inhaltlich abgerundet.
Die Idee des Films gefällt mir, nämlich einen erfolgreichen
Menschen vorzustellen, der auf seinem Fachgebiet viel geleistet
und erreicht hat. Es sollte mehr solcher Filme geben.
Kopftuch, Glaube, Politik
Dokumentation Deutschland 1998; Produktion: Westdeutscher
Rundfunk; Länge: 30 Minuten; Buch und Regie: Ulrich Baringhorst
& Andreas Achenbach; Kamera: Tom Kaiser; Schnitt: Inge Kamps
?Dortmund, in einer Gesamtschule. Der Anteil der islamischen
Schülerinnen und Schüler ist hier besonders hoch. Ein Streit
bricht aus, als die 13jährige Nevin nach den Ferien auf einmal
mit Kopftuch im Unterricht erscheint. Darf sie das? Eine heftige
Diskussion beginnt.
In der Türkei sind Kopftücher ebenfalls umstritten. Werden die
Frauen, die mit großen schwarzen Tüchern ihren Kopf fast
vollständig verhüllen, zum Tragen des Tuches gezwungen oder
demonstrieren sie freiwillig und offen für einen religiös �
islamischen Staat? Moderne türkische Frauen, die bewusst auf das
Kopftuch verzichten, befürchten jedenfalls bei einem möglichen
Siegeszug der islamischen Fundamentalisten einen Verlust ihrer
persönlichen Freiheiten,� steht da als Inhaltsangabe auf der
Filmkassette. Da es auch in Duisburg viele Zuwanderer gibt,
leihe ich mir den Film in der dortigen Stadtbibliothek aus.
Zuhause werfe ich den Videorekorder an.
Ist es Frauen wirklich religiös vorgeschrieben, ein Kopftuch zu
tragen? Oder wird das Kopftuch religiös � politisch missbraucht?
Ist das Kopftuch möglicherweise integrationshemmend? Der Film
gibt hier keine eindeutige Antwort. Ich habe eher den Eindruck,
dass es eine ganz persönliche, aber auch kulturbedingte
Entscheidung ist, ob Frauen ein Kopftuch tragen. Selbst
religiöse Würdenträger, die hier zu Wort kommen, geben keine
klare Antwort. Eine objektive Antwort scheint es also nicht zu
geben.
Mir persönlich fehlt hier der Bezug zu Nordrhein � Westfalen.
Wie viele Moslems gibt es in Nordrhein � Westfalen? Wie
politisiert und religiös ausgerichtet sind sie? Wie
fundamentalistisch und extremistisch sind sie? Diese Frage hätte
ich gerne beantwortet. Diese Antworten und nicht allgemeines
Geschwafel wäre die Aufgabe der Landeszentrale gewesen.
Der Reichseinsatz
Dokumentarfilm Deutschland 1993; Produktion Lichtfilm Hamburg,
Norddeutscher Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk, Arte; Länge 90
Minuten; Buch und Regie: Wolfgang Bergmann; Kamera: Rali
Raltschev; Ton: Jifko Marev; Schnitt: Inge Behrens
?Zwangsarbeiter in Deutschland. 17 Jahre alt war Jerzy Borucki,
als er in Warschau bei einer Militärrazzia verhaftet, interniert
und wenige Tage später in einen Viehwaggon gesteckt wurde. Ein
Zug brachte ihn in Hitlers Großdeutsches Reich, wo er 10 Stunden
am Tag bei Thyssen Henschel Autos montieren musste. Lohn gab es
keinen. Kontakte zur Außenwelt waren strengstens untersagt. An
die 8 Millionen Fremd-, Zivil- und Zwangsarbeiter hielten
Deutschlands Wirtschaft während des 2. Weltkrieges in Gang. Die
Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Fremdarbeiter zwischen
zivilen Lagern und KZ waren menschenunwürdig und kosteten vielen
das Leben.�
Diese Inhaltsangabe auf der hinteren Schutzhülle des Videos
weckt mein Interesse. Also schaue ich mir den Film, den ich mir
in der Duisburger Stadtbücherei ausgeliehen habe, zuhause an.
Sehr informativ und lehrreich ist der Film für mich. Ich hatte
mich zuvor nicht mit dem Einsatz ausländischer Arbeitskräfte
während des 2. Weltkrieges beschäftigt. Daher sind mir viele
Informationen neu. Der Film enthält sowohl historische als auch
heutige Filmaufnahmen. Überlebende der Weltkriege berichten über
ihre Erlebnisse und Erfahrungen. So wird es auch ein lebendiger
Film, weil Geschichte so lebendig und greifbar erzählt wird.
So ernst das Thema auch sein mag, so gelungen ist der Film. Er
menschelt, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Er informiert,
ohne übertrieben nüchtern oder sachlich zu sein. Wie objektiv
der Film ist, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber auch egal.
Gerade die subjektive Färbung macht den Film sehenswerter als
jede sachlich � neutrale Berichterstattung. Der Film gefällt
mir. Vom Fernsehen bin ich inzwischen Werbeunterbrechungen und
das Umschalten gewöhnt. Beides vermisse ich hier nicht. Ich bin
neugierig genug, um den Film komplett zu sehen. Ein schöneres
Kompliment kann ich ihm nicht machen.
Eine Woche der Gewalt Rostocker Krawalle � August 1992
Dokumentation Deutschland 1992; Produktion: Spiegel TV (1992);
Autoren: Maria Gresz u. a.; Kamera: Christian Sievers u. a.;
Schnitt: Stefan Brautlecht u. s.; Ton: Wolfgang Uther
?Bürgerkriegsähnliche Zustände in Rostock Lichtenhagen�,
?Flüchtlingsheime brennen�, ?Es hätte ein Kinderfest werden
können, es wurde ein Pogrom�, ?Wenn die Gewalt zur Methode wird�
� Schlagzeilen aus dem August 1992. Seit dem ?Rostocker
Ereignis� nehmen Gewalttätigkeiten Jugendlicher gegen Ausländer
im gesamten Bundesgebiet zu. Gelegenheits- oder
Überzeugungstäter? Beide greifen auf rechtsextremistisches
Gedankengut zurück. Die Palette der Ursachen ist breit: Fehler
in der Sozialpolitik, allgemeine Perspektivlosigkeit.�
So steht es als Inhaltsangabe auf der Schutzhülle des Videos.
?Spiegel TV� hat diese Dokumentation, die von der nordrhein �
westfälischen Landeszentrale für politische Bildung
veröffentlicht wird, erstellt. Vordergründig berichtet der Film
sachlich � neutral über die damaligen Geschehnisse; mir
persönlich fehlen jedoch die Hintergrundinformationen. Wie sehen
die (damaligen) sozialen und wirtschaftlichen Probleme Rostocks
aus? Wie viele Ausländer gab es damals in Rostock und wie sah
ihre humanitäre Lage aus? Was hat sich in den folgenden Jahren
in Mitteldeutschland politisch, wirtschaftlich und sozial
geändert? Fragen wie diese werden nicht beantwortet.
Das Versagen von Bürgerschaft, Polizei und Politik wühlt auch
jetzt, über 15 Jahre später, immer noch auf. ?Was für Deutsche
leben da drüben in der ehemaligen DDR eigentlich,� frage ich
mich. ?Die wollen dieselben Deutschen sein wie ich? Das kann
doch nicht wahr sein!� Eben weil der Film unkommentiert Fakten
vermittelt, entsteht auch heute noch sehr leicht ein schlechter
Eindruck von den neuen Bundesländern...
Soldatenglück
Dokumentation Deutschland 2002; Buch und Regie: Ulrike Franke
und Michael Loeken; Kamera: Jörg Adams; Schnitt: Niko Remus;
Ton: Csaba Kulcsar; Produktion Westdeutscher Rundfunk / arte;
Gesamtspielzeit: 54 Minuten
?Soldaten Glück und Gottes Segen,� wünscht der deutsche
Kommandant seinen Soldaten, die Anfang 2002 in einem
Auslandseinsatz ausrücken. Was erwartet die Soldaten in den weit
entfernten Krisengebieten, in Afghanistan, im Kosovo und
anderswo?
?Die Dokumentation zeigt den Alltag deutscher und amerikanischer
Einsatztruppen im Kosovo. Gemeinsam mit dem Sänger Gunter
Gabriel, der als Truppenbetreuer vor Ort ist, werden die Lager,
die Stimmung, die Situation vor Ort erkundet. Schnell wird
deutlich: Der Einsatz fern der Heimat ist monoton und
anstrengend, erstarrt schnell in Routine. Abwechslung tut not,
um die Moral der Truppe zu erhalten. Truppensender hören und
Tütensuppen einkaufen reichen da nicht aus. Ein Konzert mit
Gunter Gabriel gehört deshalb zu den Höhepunkten,� berichtet die
Inhaltsangabe.
Für mich als überzeugten (ehemaligen) Zivildienstleistenden ist
dieser Film schon interessant. Ich hatte bislang keine
Vorstellung davon, wie das Leben in der Truppe aussieht. Was
machen die Soldaten in der Freizeit? Wie sieht die
Truppenbetreuung aus? (Mir war schon nicht bekannt, dass Gabriel
dort tätig ist.) Auch ohne dass der Film zu sehr aus dem
Nähkästchen plaudert � deutsche Truppen sind hier nicht im
Einsatz zu sehen-, bekomme ich doch eine gewisse Vorstellung
davon.
Außerdem bekomme ich eine gewisse Vorstellung davon, wie der
Einsatz der deutschen Truppe im Kosovo aussieht. Natürlich
kommen hier auch britische und amerikanische Soldaten zu Wort.
Einige andere Faktoren werden aber nicht erwähnt. Wie sieht die
kirchliche Betreuung der Soldaten aus? Warum beteiligen sich
deutsche Soldaten überhaupt an der Friedenssicherung im Kosovo?
Was ist ihre genaue Aufgabenstellung? Sind die Soldaten
freiwillig dort? Allein dieses Hintergrundwissen wer für mich
schon wichtig gewesen, um die Aussagen im Film richtig
einzuordnen. Mir persönlich ist der Film zu oberflächlich und
eigentlich auch nichtssagend, um wirklich zu informieren.
Wirtschaftsfaktor Untermensch
Dokumentation Deutschland 1999; Regie: Dagmar Christmann;
Kamera: Helmut Handschel und Frank Schwarz; Schnitt: Michael
Nieberg; Produktion: WDR / HR /Arte; Gesamtspielzeit: 29 Minuten
?Juden wurden in der NS � Zeit systematisch beraubt. Nicht nur
von den Nazis; auch alteingesessene Banken und
Wirtschaftsunternehmen beteiligten sich an der Ausplünderung der
deutschen Juden. Die Unternehmen richteten sich nach den
gültigen, von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetzen,
handelten also wenig spektakulär und `nach VorschriftŽ. Und
deshalb hielt sich auch nach 1945 der Eindruck, dass sich die
Unternehmen korrekt verhalten hätten,� erzählt die Inhaltsangabe
auf der hinteren Schutzhülle.
Viele historische und moderne Bilder, Informationen und
Emotionen, Zeitzeugen und wenige Nachgeborene gibt es hier zu
sehen.
Eigentlich müsste ich sagen: Dies ist ein guter Film. Doch ein
wenig unbefriedigend ist dieser Film. ?Welche Gesetze
ermöglichten die Arisierung von jüdischen Firmen,� frage ich
mich. ?Warum kommen die beschuldigten Banken nicht zu Wort? Die
journalistische Fairness schreibt das doch vor!� Unter diesem
Gesichtspunkt ist dieser Film eindeutig opferbezogen. Hinzu
kommt der fade Beigeschmack, dass amerikanische Rechtsanwälte
sehr gut an der Entschädigung jüdischer Nazi � Opfer verdienten.
?Haben die nicht ein stärkeres Interesse an den Verfahren gegen
die deutschen Banken als die Opfer? Und warum wird erst jetzt,
50 Jahre nach Kriegsende, darüber gesprochen,� frage ich mich.
Auch diesen Fragen hätte nachgegangen werden müssen. So bleibt
der Film doch sehr viele Frage offen.
Neue Arbeit
Dokumentation Deutschland 2001; Gesamtspielzeit: 17 Minuten;
Produktion: Tricast Wuppertal; Konzept und Schnitt: Kirsten
Ankermann; Kamera: Fridhelm Büchele; Musik: Michael Römer
?Herkömmliche Arbeit? Mangelware! Die Technologisierung und der
Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft vernichten immer mehr
Arbeitsplätze. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann meint: Die
übliche Jobarbeit hat ausgedient. Die bezahlte Ganztagsstelle
wird es in Zukunft immer seltener geben. Anstatt jedoch immer
mehr Leute zu entlassen, so Bermanns Vorschlag, sollten alle
Beschäftigten ihre Jobarbeit reduzieren und die freie Zeit mit
neuen Arbeitsformen füllen. Zum einen mit selbstbestimmter, an
den eigenen Wünschen ansetzender Arbeit, die die Leute `wirklich
wirklichŽ wollen. Diese Arbeit soll sich selber refinanzieren
oder gesellschaftlich bezuschusst werden.
Zum zweiten mit `High � Tech � Selfproviding`, also mit
Eigenarbeit auf hohem Niveau � das in vier Monaten in einem
beispielhaften Projekt in Eigenleistung selbstgebaute Haus
erspart etwa Mietzahlungen für 10 Jahre,� lautet die
Inhaltsangabe auf der hinteren Schutzhülle.
Ich bin mir etwas ratlos. Ich habe nun schon viele Ideen und
Vorschläge gehört, wie Arbeit effektiver, menschengerechter und
die Kreativität anregend gestaltet werden kann. Alternative
Wirtschaftsideen gibt es viele. Durchsetzen konnte sich bislang
keine. Im Zweifelsfall waren die Interessen der Anteilseigner
wichtige als die Interessen der Belegschaft. Daher weiß ich
nicht, ob mir der Film wirklich etwas Neues bietet. Im Grunde
ist dies einer der belanglosen und mäßig interessanten Filme,
die man sich ansieht und dann ganz schnell beiseite legt.
Tugenden Soziale Schlüsselqualifikationen im Beruf
Dokumentation Deutschland 2001; Gesamtspieldauer 30 Minuten;
Buch und Regie: Ulrich Leinweber; Kamera: Stefan Schmidt �
Herzberg und Holger Schacht; Schnitt: Hans � Jürgen Bauer
?Maik ist Lehrling in einem Autohaus. Er soll eine Gummidichtung
austauschen. Ihr Wert: 2.- DM. Aber er hat sich nicht die Hände
gewaschen. Die Türverkleidung wird schmutzig. Sie muss komplett
ausgetauscht werden. Die Kosten dafür betragen 150.- DM.
Maik lernt daraus: Sauberkeit, Ordnung und Disziplin sind
Tugenden, die immer noch gefragt sind � besonders, wenn das
Fehlen dieser Tugenden teure Folgen hat. Nicht nur im Autohaus,
auch in der Fabrik, in der modernen Softwarefirma, bei der
Bundeswehr. Alle schätzen die klassischen Tugenden, zu denen
auch Höflichkeit, Pünktlichkeit und Fleiß zählen. Alle fordern
sie auch ein,� steht da in der Inhaltsangabe.
Ich leihe mir den Film in der Duisburger Stadtbibliothek aus und
schaue ihn mir zuhause an. Ich schaue ihn mir an einem Sonntag
Nachmittag an. Und bin eigentlich sehr verwundert. Eigentlich
müsste der Film äußerst langweilig und wenig informativ sein.
Schließlich geht es hier um Alltäglichkeiten. Höflichkeit,
Sauberkeit, Disziplin und Ordnung sind doch
Selbstverständlichkeiten. Oder? Eigentlich schon. Schließlich
sind dies die Eigenschaften, die das Leben ausmachen. Oder?
Eigentlich schon.
Gibt es Eigenschaften, die von einem Vorgesetzten und
Firmeninhaber verlangt werden können? Inwieweit kann ich auch
von einem Firmeninhaber verlangen, eine soziale Verantwortung
für den Mitarbeiter zu übernehmen, grundsolide, kontinuierlich
und gewinnbringend, damit arbeitsplatzsichern zu wirtschaften
und für eine angenehme Arbeitssituation in der Firma zu sorgen?
Der Film schreit gewissermaßen nach einer Fortsetzung, die sich
ganz diesem Gesichtspunkt widmet.
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