Duisburg,
14. Januar 2010 - Die Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum – Zentrum
Internationaler
Skulptur steht im neuen Jahr vor einem Direktorenwechsel: Prof. Dr.
Christoph Brockhaus, der seit 1985 als Direktor dem renommierten
Skulpturenmuseum vorsteht, gibt die Leitung zum 1. Februar 2010
an Prof. Raimund Stecker ab.
Seit 1985 ist Christoph Brockhaus dem Duisburger Wilhelm Lehmbruck
Museum verpflichtet, dessen Leitung er nun nach 25 Jahren abgibt.
Ein lebendiges Bild von der Qualität und Vielfalt moderner und
zeitgenössischer, gelegentlich auch alter Skulptur, im Lehmbruck
Museum zu vermitteln, liegt ihm seitdem am Herzen. Ziel war es
stets, aus den seit 1964 angelegten Ansätzen eines Museums moderner
Skulptur eine Institution von europäischem Rang zu entwickeln und
das Museum – und damit auch Duisburg – mit der modernen Skulptur in
der Welt zu verankern.
Jenseits der Kernsammlung engagierte sich Brockhaus unermüdlich
stets auch für die Kunst im öffentlichen Raum, für architektonische
wie städtebaulichen Perspektiven, kulturelle Vielfalt in den Sparten
Musik, Performance und Tanz sowie den sehr frühen Aufbau einer
museumspädagogischen Abteilung.
Brockhaus (geb. 1944 in Lübeck) ist Wahl-Duisburger, seit er am 1.
Januar 1985 die Nachfolge von Dr. Siegfried Salzmann im Lehmbruck
Museum antrat.
Der Kunsthistoriker, der über das zeichnerische Frühwerk von Alfred
Kubin promovierte, war zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein und wechselte 1979 nach
Köln in die Leitung der Grafik- und Fotosammlung des Museums Ludwig,
wo er bis 1984 u.a. auch als Sonderbeauftragter für den Neubau von
Wallraf-Richartz-Museum / Museum Ludwig in Köln verantwortlich
zeichnete.
Sammlung Internationaler Skulptur der Moderne Die Sammlung des
Lehmbruck Museums konnte in den vergangenen zwei Jahrzehnten
qualitativ ausgebaut, quantitativ verdreifacht werden und wurde
ständig neu akzentuiert in Sammlungspräsentationen und integriert in
Wechselausstellungen präsentiert.
Neben dem Erwerb zahlreicher Werkgruppen ebenso wie Hauptwerken der
internationalen Skulptur der Moderne kann der Aufbau der
Fotosammlung mit dem Schwerpunkt der Bildhauerfotografie als
besonders innovativ herausgestellt werden.
Nach vierjährigen Verhandlungen gelang Brockhaus zu Beginn des
Jahres 2008 schließlich ein Meilenstein für die Sammlung des
Lehmbruck Museums: Der gesamte Lehmbruck-Nachlass – bestehend aus
1141 Werken des in Duisburg geborenen Bildhauers – konnte,
finanziert durch ein einzigartiges Public-Private-Partnership-Modell,
von der Erbengemeinschaft Lehmbruck, die Seite 3/5. Januar 2010
bislang die Werke als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt hatten,
übernommen werden.
Die seit langem angestrebte Sicherung des umfassenden Lebenswerkes
von Wilhelm Lehmbruck kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und
ermöglicht auch in Zukunft die Präsentation von Hauptwerken
Lehmbrucks im Duisburger Haus wie in internationalen Ausstellungen.
Foto Britta Lauer 2008
Ausstellungen
In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Duisburg wurden seit 1985
regelmäßig alle fünf Jahre der Wilhelm Lehmbruck-Preis als
bedeutendster europäischer Bildhauerpreis, alle zwei Jahre eine
Abschlussausstellung der Wilhelm Lehmbruck-Stipendiaten sowie die
Ausstellungen zum - durch den Freundeskreis ausgelobten - August
Seeling-Preis ausgerichtet. Ebenso wie zahlreiche Kooperationen mit
der Duisburger Künstlerschaft und ihren Interessensvertretungen
sowie Beiträgen zu den Duisburger Akzenten bilden diese
Ausstellungen feste Konstanten im Programm des Skulpturenmuseums.
Freie künstlerische und kuratorische Entscheidungen prägte Christoph
Brockhaus im
Museumsprogramm darüber hinaus: stets stand die monografische oder
thematische
Präsentation der Skulptur des 20. Jahrhunderts im Vordergrund,
zumeist in Verbindung mit anderen künstlerischen Gattungen, etwa der
Grafik oder Fotografie.
Schwerpunktsetzungen
fanden sich in Ausstellungsprojekten zur Verbindung von west- und
osteuropäischer Kunst, insbesondere in der Zeit vor 1989, und zwar
unter Einbeziehung globaler Weltkulturen.
Architektur und Stadtraum
Zu einer der frühesten Aufgaben Brockhaus’ in Duisburg gehörte die
Betreuung des
Erweiterungsbaus des Lehmbruck Museums, der in den Jahren 1985-1987
die Fläche für Ausstellungen und Sammlungspräsentationen räumlich
verdoppelte. Ursprünglich für die Übernahme und Präsentation der
Expressionismus-Sammlung Buchheim geplant und von der
Architektengemeinschaft Manfred Lehmbruck / Klaus Hänsch ausgeführt,
wurde der „Neubau“ über die Jahre zum festen Ort für die
Sammlungspräsentation der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Bau, der südlich an den Skulpturenhof anschließt, wurde
unter der Leitung von Christoph Brockhaus sukzessive ein
Skulpturenpark im städtischen Kant-Park etabliert, der heute über 40
großformatige Skulpturen internationaler Bildhauerinnen und
Bildhauer zählt. So eroberte die Skulptur schrittweise den
Duisburger Stadtraum, vom Museum ausgehend über die Brunnenmeile und
U-Bahn-Kunst, Projekte, an denen Christoph Brockhaus in den 1980er
und 90er Jahren maßgeblich beteiligt war, und schließlich in den
„Garten der Erinnerungen“, Seite 4/5. Januar 2010
geplant und ausgeführt durch den israelischen Künstler Dani Karavan,
dem Christoph Brockhaus sich eng verbunden fühlt.
Ehrenamt
Auch sein ehrenamtliches Engagement führte Christoph Brockhaus
häufig in die Themenfelder der Architektur und des Städtebaus. So
engagierte er sich maßgeblich in der Projektbetreuung der
Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park (1990 – 1999) und
pflegte langjährige Kooperationen mit dem BDA Rechter Niederrhein,
etwa im Rahmen der regelmäßig im Lehmbruck Museum stattfindenden
„Nacht der Architektur“. In den letzten Jahren fungierte Christoph
Brockhaus u. a. als Mitglied des Kuratoriums der Initiative
StadtBauKultur des Landes Nordrhein Westfalen sowie als Mitglied des
Kuratoriums für „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ der
Bundesregierung in Berlin (seit 2007). Außerdem berät er die
Bundesregierung seit 1999 in Restitutionsfragen.
Ehrungen
2003 wurde Christoph Brockhaus durch die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen zum
Professor ernannt, 2006 wurde ihm der Duisburger Kaisermünzenpreis
für sein Engagement verliehen.
Perspektiven
Der Leitungswechsel im Lehmbruck Museum wird zum 1. Februar 2010
vollzogen.
Ab Februar wird Prof. Dr. Raimund Stecker, der bereits intensiv
damit beschäftigt ist, die Potentiale des Lehmbruck Museums für die
Zukunft planend und gestaltend zu nutzen, die Nachfolge von
Christoph Brockhaus antreten. Dieser bleibt dem Haus auch im Jahr
2010 noch verbunden mit der Fertigstellung begonnener Publikationen,
u.a. des wissenschaftlichen Bestandskatalogs der Skulpturensammlung
des Lehmbruck Museums.
Christoph
Brockhaus:
Gestalten statt verwalten, oder: Was zählt, ist das substantielle
Kunsterlebnis
Ein Resümee nach 25-jähriger Leitung des Lehmbruck Museums
„Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit“.
Friedrich Schiller, aus „Sprüche des Konfuzius“
Am Anfang, im Zuge der 1968er-Bewegung, glaubten manche Kollegen, so
auch ich, wir sollten, um das Kunstmuseum zu erneuern, frei nach
Bertold Brecht aus einem kleinen Kreis der Kenner einen großen
machen.
Zur Erreichung dieses Zieles haben wir die Vermittlungsarbeit
intensiviert, das Museum demokratisiert. Aber dann musste ich
erkennen, dass sich die Gesellschaft anders als gedacht entwickelt.
Gruppen- und Individualinteressen am Besuch des Kunstmuseums nahmen
ständig zu. Immer jüngere und immer ältere, gesunde bis kranke und
nationale bis internationale Besucher trugen immer neue Fragen,
Wünsche und Erwartungen an das Museum heran.
Die Vielfalt der spezifischen Anfragen überstieg zunächst unsere
professionellen und personellen Möglichkeiten, also mussten wir, um
unseren eigenen Ansprüche zu genügen, immer häufiger extern
geschultes Personal auf der Basis freier Mitarbeit in die aktive
Vermittlungspraxis und Museumsarbeit einbeziehen, schließlich auch
eine eigene Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit einrichten. Anders
gesagt: heute führen „tausend Wege“ zum Kunsterlebnis, längst nicht
nur der kunsthistorische Bildungsauftrag. Oft genug sind es kreative
Wege, die über die Rezeption von ausgestellten Kunstwerken ausgelöst
oder therapeutisch eingesetzt werden; ein andermal vollziehen sich
Zugänge über die Gleichzeitigkeit von Sehen und Hören durch die
Musik oder durch Tanzperformances zu ausgewählten Werken der
Sammlung.
Die Zugänge zur Kunst mögen noch so vielseitig sein; wenn sie nicht
an Meisterwerke der Kunst und an sinnstiftende Werke zum Vergleich
gebunden sind, verfehlt das Museum seinen Zweck. Darum haben der
qualifizierte Ausbau der Sammlung - tatsächlich ihre Verdreifachung
seit 1985 - und ihre in zeitlichen Abständen wechselnden
Präsentationen im Mittelpunkt meiner Anstrengungen gestanden.
Duisburg zur Stadt der modernen Skulptur zu verhelfen, war
angesichts der Bedeutung dieses Museums moderner Skulptur von
europäischem Rang naheliegend. Den guten Ruf des Lehmbruck Museums
und das Ansehen der Stadt Duisburg in der Welt zu festigen und
auszubauen, war ein weiteres Ziel mit entsprechenden Programmen.
Dem Versuch, einen spezifischen Beitrag gegen die zunehmende
kulturelle Kluft zwischen West- und Osteuropa zu leisten, politische
und systembedingte Grenzen zu sprengen und Brücken des gegenseitigen
Verständnisses zu bauen, galten vor allem – bis in die 1990er Jahre
hinein – zahlreiche Ausstellungen moderner Skulptur, angefangen bei
Lehmbruck in zahlreichen Museen der ehemaligen DDR und der früheren
Sowjetunion; umgekehrt fand die mittel- und osteuropäische Kunst bei
uns eine Stätte der Auseinandersetzung. Gleichermaßen gingen auch
Sammlungsbestände in Form von Ausstellungen in westeuropäische
Länder, Lehmbruck zuletzt in fünf Großstädte Japans, nach Paris und
Madrid.
Nicht alle Ziele konnten erreicht werden. Angesichts der großen
finanziellen Herausforderungen zum geglückten Erwerb des
Lehmbruck-Nachlasses (mit 1.141 Werken) mussten vier Vorhaben
unerfüllt bleiben: die nicht nur europäisch-nordamerikanisch,
sondern auch global orientierte Ausrichtung der Sammlung, die
dringend notwendige Bauerweiterung, der Aufbau eines
Forschungsinstituts in Verbindung mit einer nordrhein-westfälischen
Universität und die
Umgestaltung des Kant-Parks zu einem entschieden strukturierten
Bürger- und Museumspark.
Ich danke allen, den früheren wie den heutigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowie allen Freunden und Förderern des Lehmbruck
Museums, die an dem höchsten aller Ziele mitgewirkt haben: einem
zunehmend unterschiedlichen, immer aber substantiellen Kunsterlebnis
für jedeBesucherin und jeden Besucher. |