Karlsruhe/Duisburg, 09. Juli 2020 - Der
unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren
entschieden, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung
als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die
Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom
Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen
verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des
Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich
in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür
anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen,
weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer
Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten)
Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt.
Sachverhalt und Prozessverlauf
Verfahren VIII ZR 163/18: Die Kläger
mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei
Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer
Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich
verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016
vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem
beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die auf
Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von
(zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den
Vorinstanzen keinen Erfolg.
Zur Begründung hat das
Landgericht (LG Berlin, 18. Zivilkammer) ausgeführt, den
Klägern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1
BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen
Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden
sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag
unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur
Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass
sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit
von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand
weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Kläger diesen
Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein Anspruch
auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den Vermieter von
vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den
vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende
Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht
schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des
Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung
zwischenzeitlich "verkommen" und "Substanzschäden"
vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.
Verfahren VIII ZR 270/18: In diesem
Verfahren begehrt der Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die
Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret
bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei
Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der
Vermieterin unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015
forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner
Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands
erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die
Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Zur Begründung
hat das Landgericht (LG Berlin, 63. Zivilkammer) ausgeführt,
dem Beklagten stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm
geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2
BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des
Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei
Vertragsschluss. Danach wäre die Klägerin (Vermieterin)
aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich
verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den
Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine
vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu
verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang.
Jedoch sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon
auszugehen, dass der schlechte Anfangszustand der
vertragsgemäße sei. Der Vermieter müsse sich an dem im
Mietvertrag festgehaltenen – jedoch unwirksamen –
"Renovierungsprogramm", wonach der Mieter von Zeit zu Zeit
die Schönheitsreparaturen hätte ausführen müssen,
spiegelbildlich festhalten lassen.
Die
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Der
Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen das Berufungsurteil
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zwar sind die Berufungskammern in beiden Fällen
zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der
Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag
unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung
überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller
Ausgleich gezahlt wurde. Der Bundesgerichtshof hat damit
seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an
die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die
gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte
Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl. Senatsurteile
vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; vom 22.
August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20).
Für eine
von der Vermieterseite befürwortete ergänzende
Vertragsauslegung – die ohnehin nicht zu dem - einseitig an
den Interessen des Vermieters orientierten - Ergebnis führen
könnte, dass dem Mieter die Ausführung von Arbeiten auf
eigene Kosten freistehe, der Vermieter Schönheitsreparaturen
unter keinen Umständen auszuführen habe, ist deshalb kein
Raum. Ebenso wenig kann – anders als einige Literaturstimmen
und das Berufungsgericht im Verfahren VIII ZR 270/18 meinen -
der unwirksamen Formularklausel der Inhalt beigemessen
werden, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort
vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und
deshalb treffe ihn - ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen)
unrenovierten Zustand bei Mietbeginn - eine uneingeschränkte
Renovierungspflicht.
Ausgangspunkt der den
Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der
Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die
jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung
mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung
besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen
über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen
wurden.
Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts im Verfahren VIII ZR 163/18 führt das aber
nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter
unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von
vornherein auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den
Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der
anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat
- was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 bzw.
25 Jahre) naheliegt.
Allerdings ist die
Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in
der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich
nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger
Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung
von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch
die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten
Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus
der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt
werden und der Mieter nach Durchführung der
Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem
vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es
der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die
jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen
angemessenen Ausgleich zu bringen.
Vor diesem
Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in
derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine
"frische" Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits
in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu
beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird
dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR 270/18) die
Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so
kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines
Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der Mieter von dem
mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen
Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie im
Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene
Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den
voraussichtlichen Kosten.
Beide Verfahren sind an das
jeweilige Berufungsgericht zurückverwiesen worden, da noch
weitere Feststellungen zu treffen sind und den Parteien
Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags und Anpassung
ihrer Anträge zu geben ist.
Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: § 535 Inhalt und
Hauptpflichten des Mietvertrags (1) ¹Durch den
Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den
Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. ²Der
Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und
sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]
§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des
Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne
des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein
solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter
zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der
Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter
unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.
(2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und
Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn
1.der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug
ist oder 2. […]
Vorinstanzen
VIII ZR 163/18 Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom
30. November 2016– 216 C 294/16 Landgericht Berlin –
Urteil vom 2. Mai 2018 – 18 S 392/16
und
VIII
ZR 270/17 Amtsgericht Schöneberg – Urteil vom 11. August
2017 – 19 C 408/15 Landgericht Berlin – Urteil vom 24.
Juli 2018 – 63 S 283/17
Mieter müssen sich an
den Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen
Haus & Grund fordert Klarstellung vom Gesetzgeber Hat
der Mieter eine unrenovierte Wohnung – ohne angemessenen
Ausgleich – angemietet, ist der Vermieter während des
Mietverhältnisses zur Ausführung der Schönheitsreparaturen
bei wesentlicher Verschlechterung des Zustandes verpflichtet.
Mieter müssen sich aber an den Renovierungskosten regelmäßig
zur Hälfte beteiligen. Das hat der Bundesgerichtshof
(BGH) heute in zwei Fällen entschieden (VIII ZR 163/18 und
VIII ZR 270/18). Der Vermieterverband Haus & Grund
Deutschland sieht nun große Probleme bei der praktischen
Umsetzung und fürchtet wachsendes Misstrauen zwischen Mietern
und Vermietern während der laufenden Mietverhältnisse.
Ein Mieter, der eine unrenovierte Wohnung mietet,
dekoriert und renoviert diese regelmäßig nach eigenen
Wünschen durch Eigenleistung. Übernimmt jetzt der Vermieter
die Schönheitsreparaturen, müssen Mieter und Vermieter
während des laufenden Mietverhältnisses immer im Einzelfall
klären, wann und mit welchen Mitteln diese ausgeführt werden.
Eines dürfte dabei jetzt schon klar sein: Klarer und
günstiger wird es durch das heutige Urteil für beide Seiten
nicht.
„Das Urteil ist mit Blick auf die Kosten des
Wohnens ein verheerendes Signal für Mieter und Vermieter“,
kommentierte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. „Ist der
Vermieter verpflichtet, während eines laufenden
Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen auszuführen, muss er
diese Kosten in die Miete einpreisen. Mieter, die nur wenige
Jahre in einer Wohnung leben, werden dadurch mit höheren
Kosten belastet, ohne selbst in den Genuss einer Renovierung
zu kommen. Darüber hinaus tragen Mieter nach einer
durchgeführten Renovierung den Selbstanteil an den
angefallenen Kosten. So kann schnell ein vierstelliger Betrag
zustande kommen“, gab Warnecke zu bedenken.
Haus &
Grund Deutschland fordert daher eine Klarstellung im Gesetz.
Der Gesetzgeber ist jetzt aufgefordert, Wohnkosten durch
Eigenleistungen der Mieter zu senken. „Schönheitsreparaturen
sollen daher Mietersache sein“, fordert Warnecke.
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