Duisburg, 1. Januar 2024 -
2023 war für die gesamte Republik von vielen Krisen
gekennzeichnet. Die schrecklichen Bilder der militärischen
Auseinandersetzungen aus aller Welt, aber auch die
Auswirkungen auf die Wirtschaft und das soziale Leben in
unserem Land, haben die Menschen psychisch stark
herausgefordert. Dies bemerkte auch die Deutsche
Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. (DGZ), die im zu Ende
gehenden 2023 auf eine Vielzahl von Hilfsgesuchen
Betroffener und Angehöriger zurückblickt, erklärt
Pressesprecher Dennis Riehle. Konkretisiert werden seine
Aussagen durch die Vereinsvorsitzende, Antonia Peters. Sie
führt in einem Rückblick auf die vergangenen 12 Monate aus,
dass für die Entwicklung hierfür zahlreiche Ursachen
zusammenkommen: „Corona wurde offiziell für beendet erklärt.
Doch die Auswirkung der Pandemie waren und sind auch in
diesem Jahr zu spüren gewesen. Online-Unterricht, Arbeiten
im Homeoffice hat den Umgang miteinander verändert.
Zoom-Konferenzen haben es zwar ermöglicht, sich mit
Kollegen, Freunden, Mitschülern und der Familie
auszutauschen. Doch jeder blieb für sich allein in seinen
vier Wänden. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten,
die ökonomische Lage in Deutschland, persönliche Sorgen und
Probleme haben auch unser seelisches Befinden
beeinträchtigt. Von Ängsten und Zwangsstörungen, die oft in
der Corona Pandemie ihren Anfang nahmen, erfuhren wir oft an
unserem Beratungstelefon“, so Peters.
Sie zieht
Bilanz – und erkennt Tendenzen, Probleme und Erwartungen:
„2500 Anrufer wurden von uns beraten und unterstützt. Die
Nachfrage nach Therapeuten- Kliniken- Selbsthilfegruppen war
groß. Dabei war die Aussicht auf lange Wartezeiten bei
Therapeuten und Kliniken für die Anrufer wie auch für uns
Berater sehr belastend. Die offenen Briefe, zu Beginn der
Pandemie an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und an
den aktuellen Minister Karl Lauterbach, haben keine
Veränderung gebracht. Beziehungsweise: Sie sind noch nicht
mal zur Kenntnis genommen worden. Menschen mit psychischen
Erkrankungen und wir, die Selbsthilfeorganisationen, fühlen
sich alleingelassen und nicht wertgeschätzt. Das wird uns
aber nicht davon abhalten, immer wieder den Finger in die
Wunde zu legen und uns für eine bessere Versorgung
einzusetzen“.
Gleichsam habe man laut Peters
vielfältiges Engagement gezeigt: „Unsere
Fortbildungsangebote, wie das Therapeutennetzwerk zur
Exposition, den Arbeitskreis für körperbezogene Zwänge und
unsere Jahrestagung in Tübingen sind auf großes Interesse
gestoßen und werden auch im neuen Jahr fortgesetzt. Unsere
Vorstandsmitglieder, und unsere Fachleute aus dem
wissenschaftlichen Beirat und dem Kuratorium haben in
Kliniken und auf Tagungen und Kongressen die Zwangsstörung
vorgestellt. Ein besonderes Anliegen war es uns dabei,
Menschen mit Zwängen und ihre Angehörigen zu informieren und
zu unterstützen. Hierzu haben wir neun kostenlose
Online-Seminare zu den Themen Zwangsgedanken, Angehörige,
Partnerschaftsbezogene Zwänge (ROCD),
Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT), Behandlung ambulant
versus stationär, sexuelle Zwangsgedanken, aufsuchende
Therapie, körperdysmorphe Störungen und der Überbrückung der
Wartezeiten angeboten. Anschließende Interviews mit den
Referenten sind auf unserem YouTube-Kanal zu finden. Die
Seminare waren mit 20-35 Teilnehmern gut besucht und werden
auch im neuen Jahr fortgesetzt. Unsere Vereinszeitschrift
Z-aktuell ist vier Mal erschienen und beschäftigte sich
unter anderem mit Themen wie den zwangsnahen Störungen und
Zwänge bei Kindern und Jugendlichen“, erläutert die
Vorsitzende in ihrem Statement zu den Aktivitäten der DGZ im
Jahr 2023.
Sie verweist auch auf das breitflächige
Unterstützungsangebot, das sich mittlerweile quer über die
Regionen verteilt: „Derzeit gibt es 70 Selbsthilfegruppen zu
Zwangsstörungen in Deutschland, die sich jetzt wieder in
Präsenz treffen können. In einigen Regionen gibt es
allerdings keine Selbsthilfegruppen, sodass ich selbst seit
der Pandemie sieben weitere Online-Selbsthilfegruppen für
Betroffene und Angehörige zu Zwängen und Trichotillomanie
anbiete. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr eine
Onlinegruppe für Gedankenzwänge, die Onlinegruppe für Eltern
und die Onlinegruppe für Kinder und Jugendliche. Unser
Bundestreffen für Selbsthilfegruppen fand 2023 ebenfalls
online statt, weil es zu wenig Anmeldungen für ein
Präsenztreffen in Hamburg gab. Ein Schwerpunktthema die
Mindfulness, also das Mitgefühl für sich – und wie man es
stäken kann“. Und nicht zuletzt sei man intensiv der
Öffentlichkeitsarbeit nachgegangen: „Unsere Homepage,
www.zwaenge.de, unserer
Videokanal, die Facebookseite und unser Instagram-Account
sowie regelmäßige Pressemitteilungen sind wichtige Angebote,
um unser Anliegen für Zwangsstörungen in die Öffentlichkeit
zu tragen. Anfragen der Presse und von TV-Formaten waren in
diesem Jahr eher verhalten. Das wird sich hoffentlich im
neuen Jahr wieder ändern“.
Abschließend richtet
Peters noch den Blick auf die politische Ebene: „Wir haben
nicht nur den offenen Brief an Karl Lauterbach auf den Weg
gebracht, sondern auch versucht, die
Psychotherapierichtlinie dahin ändern zu lassen, dass für
die Exposition mehr als drei Stunden pro Woche möglich
werden. Dieser Antrag wurde vom zuständigen G-BA abgelehnt.
Zudem haben wir die Anliegen der Zwangserkrankten beim
Roundtable der Bundespsychotherapeutenkammer, dem
Trialogischen Forum der DGPPN, dem Aktionsbündnis seelische
Gesundheit und dem Expertenrat des Paritätischen Hamburg
eingebracht, an der Mitgliederversammlung der Schweizer
Gesellschaft für Zwangsstörungen teilgenommen und die Arbeit
des Arbeitskreises ‚Körperbezogene Zwänge‘ bei den
BFRB-Tagen zu ‚Skin-Picking‘ in Köln vorgestellt. 2024
werden wir die Patientenleitlinie zu Zwangsstörungen
fertigstellen und veröffentlichen – sowie
Behandlungsempfehlungen für körperbezogene Zwänge
erarbeiten. Weitere Onlineseminare sind ab Mitte Januar
geplant, genauso treffen sich dann auch alle Onlinegruppen
wieder. Unsere Jahrestagung 2024 findet am 27. und 28.
September am UKE in Hamburg statt - und das Bundestreffen
für Selbsthilfegruppen ist für den 4. Mai 2024 geplant“, so
die DGZ-Vorsitzende.
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