Brüssel/Duisburg, 19. April 2024 -
Lobbyisten können noch immer von der Öffentlichkeit
unbemerkt auf die EU-Gesetzgeber Einfluss nehmen.
Das geht aus einem Bericht des Europäischen
Rechnungshofs hervor. Demzufolge hat das
EU-Transparenz-Register zwar positive Aspekte. So
könnten sich Bürgerinnen und Bürger anhand der
Angaben über Lobbyisten, die mit der Europäischen
Kommission, dem EU-Parlament und dem Rat im
Austausch stehen, über den potenziellen
Lobby-Einfluss informieren. Das Register habe aber
auch Schwächen und sei lückenhaft, was die
Transparenz der Lobbyaktivitäten in den drei größten
EU-Institutionen einschränke. Außerdem könnten
Lobbyisten die Registrierung für bestimmte Formen
der Einflussnahme völlig umgehen.
Lobbying ist ein wichtiges demokratisches
Instrument, das es Organisationen und Einzelpersonen
ermöglicht, einen Beitrag zur Politikgestaltung und
Entscheidungsfindung zu leisten. Allerdings kann
Lobbying ohne Transparenzmechanismen zu unzulässiger
Einflussnahme, zu unlauterem Wettbewerb oder sogar
zu Korruption führen. Jede EU-Institution hat daher
ihre eigenen Ethik-Vorschriften, um solchen
Grenzüberschreitungen vorzubeugen. Ferner haben die
EU-Kommission, das Europäische Parlament und der Rat
eine Vereinbarung über das sogenannte
Transparenz-Register geschlossen, das einen
zentralen Zugang für Lobbyisten bietet, die auf die
Politikgestaltung und Entscheidungsprozesse der EU
Einfluss nehmen möchten. 2021 einigten sich die
genannten Institutionen darauf, die Eintragung der
Lobbyisten im Register zur Vorbedingung für
bestimmte Tätigkeiten zu machen
("Konditionalitätsgrundsatz").
"Das EU-Transparenz-Register darf nicht zu einem
Papiertiger werden", so Jorg Kristijan Petrovič,
das für die Prüfung zuständige Mitglied des
Rechnungshofs. "Es enthält zwar nützliche
Informationen über Lobbying, hat aber nicht die
gewünschte Schlagkraft. Oft findet der Austausch
zwischen Lobbyisten und EU-Gesetzgebern fernab der
öffentlichen Wahrnehmung statt, was der Transparenz
schadet und sich negativ auf das Vertrauen der
Öffentlichkeit auswirkt."
Die Interinstitutionelle Vereinbarung von 2021 stehe
in weiten Zügen im Einklang mit den internationalen
Grundsätzen für Transparenz und Integrität bei der
Lobbyarbeit, so die EU-Prüfer. Es gebe jedoch keine
Mindestanforderungen für die Umsetzung. Stattdessen
werde den Institutionen Spielraum gelassen – zum
Beispiel bei der Festlegung, für welche
Lobbytätigkeiten eine Registrierung erforderlich ist
oder wie im einzelnen Lobbyisten mit den Mitgliedern
und den Mitarbeitern der Institutionen interagieren
können. Nur für bestimmte Zusammenkünfte und
Aktivitäten (z. B. die Teilnahme an Anhörungen und
Expertengruppen) sei eine Registrierung zwingend
erforderlich. So sei eine NGO, die in den
sogenannten Katargate-Skandal verwickelt gewesen
sei, im Juni 2022 an der Ausrichtung einer Konferenz
im Parlament beteiligt gewesen, obwohl sie nicht im
Register eingetragen war. Zugleich stünden den
Institutionen nur wenige Druckmittel zur Verfügung,
um dafür zu sorgen, dass Lobbyisten die für die
Registrierung und die Angabe von Informationen
geltenden Anforderungen einhalten. Zwischen 2019 und
2022 seien durchschnittlich jedes Jahr fast
1 000 Lobbyisten aus formalen Gründen aus dem
Register gestrichen worden, aber nur sechs infolge
von Ermittlungen.
Die Prüfer kritisieren, dass Lobbyisten sich nur für
Treffen mit den ranghöchsten Mitarbeitern der
EU-Institutionen registrieren müssen und auch nur im
Voraus geplante Termine berücksichtigt werden.
Spontane Treffen und Telefongespräche sowie
E-Mail-Verkehr müssten nicht formell festgehalten
werden, und für Treffen mit Mitarbeitern unterhalb
der Ebene eines Generaldirektors (also faktisch mit
fast allen Mitarbeitern) benötigten Lobbyisten keine
Registrierung. Zwar bemühten sich die Institutionen,
die Transparenz zu verbessern und die Registrierung
zu fördern. So würden mehr Informationen über
Treffen und Aktivitäten mit registrierten Lobbyisten
veröffentlicht. Allerdings geschehe dies nicht
systematisch. Auch sollte nach Ansicht der Prüfer
die Kontrolle der von den Lobbyisten eingetragenen
Daten weiter verstärkt werden. Sie verweisen dabei
insbesondere auf das Risiko, dass von Dritten
finanzierte NGO ihre Finanzquellen verschleiern,
indem sie offiziell angeben, nur ihre eigenen
Interessen oder die gemeinsamen Interessen ihrer
Mitglieder zu vertreten. Dies werde von einem
Drittel der registrierten NGO angegeben. Schließlich
enthalte die Website des Registers nicht genügend
Informationen über die wichtigsten Aspekte der
Lobbyaktivitäten, um eine öffentliche Kontrolle zu
ermöglichen; sie sollte außerdem nutzerfreundlicher
gestaltet werden.
Seit Einrichtung des Transparenz-Registers hat die
Zahl der registrierten Lobbyisten deutlich
zugenommen: Von etwa 5 500 im Jahr 2012 auf rund 12
500 im Jahr 2024. Das Register ist freiwilliger
Natur und beruht auf einer Interinstitutionellen
Vereinbarung, die keinen Gesetzescharakter hat.
Daher können auf dieser Grundlage keine Strafen
verhängt werden – im Gegensatz zu einigen
Lobbyvorschriften in EU-Ländern, die für einen
größeren Mitarbeiterkreis gelten. Im Dezember 2022
wurden Vorwürfe laut, Katar habe ehemalige und
aktuelle Mitglieder des Europäischen Parlaments
unrechtmäßig beeinflusst – oder sogar bestochen – um
außenpolitische Ziele zu erreichen ("Katargate").
Seitdem hat das Parlament mehrere Beschlüsse zur
Anwendung des Registers verabschiedet. Die Prüfung,
deren Schwerpunkt auf den Zeitraum 2019–2022 liegt,
ist vor Annahme der Beschlüsse angelaufen,
berücksichtigt diese aber. Der
Europäische Bürgerbeauftragte stellte kürzlich
Missstände bei der Verwaltungstätigkeit des von den
drei Institutionen gemeinsam wahrgenommenen
Sekretariats des Registers fest, das Beschwerden
nicht entsprechend nachgegangen war.
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