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Frankenstein
Mary Shelley: Frankenstein; Insel - Verlag Frankfurt 1988; 372 Seiten; ISBN: 3 - 458 - 32730 - 4; 9,50 Euro

"Frankenstein oder Frankenstein oder Der moderne Prometheus (Original: Frankenstein or The Modern Prometheus) ist ein Roman von Mary Shelley, der 1818 erstmals anonym veröffentlicht wurde. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft.

Die Handlung wird durch eine Mischung aus Briefroman und klassischer Ich-Erzählsituation vermittelt. Viktor Frankenstein erzählt dem Leiter einer Forschungsexpedition, zugleich Kapitän des Schiffes, das ihn in der Arktis rettet, seine Geschichte. Der Roman wird so zu einem Lehrstück, gibt Frankenstein doch deutlich zu verstehen, dass seine Erzählung auch eine Warnung an den Zuhörer und damit auch die Leser sein soll: Er warnt vor einer entgrenzten menschlichen Vernunft, die sich selbst zu Gott macht und sich anmaßt, lebendige Materie zu schaffen. Die Figur des Viktor Frankenstein ähnelt damit sowohl dem 'literarischen' Faust als auch dem Prometheus aus der griechischen Mythologie.

Die Geschichte beginnt mit den Briefen von Robert Walton an seine Schwester. Er ist mit einem Schiff unterwegs, um eine Passage zum Nordpol zu entdecken, jedoch hat das Eis der Arktis ihn und die Mannschaft eingeschlossen. Während der Wartezeit beobachten sie, wie eine riesenhafte Person auf einem Hundeschlitten in Richtung Norden eilte. Am nächsten Morgen nehmen sie einen Mann an Bord, der schwerkrank und am Ende seiner Kräfte ebenfalls auf dem Weg nach Norden war. Es ist Viktor Frankenstein, der von Walton die nächsten Tage gesund gepflegt wird. Als er sich langsam erholt und den tödlichen Ehrgeiz in den Augen seines Retters erkennt, beginnt er, ihm seine Lebensgeschichte zu erzählen.

Viktor war bereits in seiner Kindheit in Genf (Schweiz) überaus intelligent und von einem unstillbaren Wissensdurst getrieben. Bereits früh kam er in Kontakt mit den Werken des Alchemisten Cornelius Agrippa und seiner Gesinnungsgenossen Albertus Magnus und Paracelsus. Doch bald erkannte er, dass deren Wissen weit überholt und fehlgeleitet war. Mit 17 reiste er nach Ingolstadt (Deutschland), um an der dortigen Universität Naturwissenschaften zu studieren. Während seiner Arbeiten fand er wieder Zugang zu seinen alten Mentoren und in Verbindung mit den derzeitigen Möglichkeiten entdeckte er schließlich das Geheimnis, wie man toten Stoffen neues Leben einhauchte.

Maßlos begeistert von dieser Erkenntnis, beschloss er, ein Wesen zu erschaffen. Monatelang trug er rastlos die notwendigen Materialien und Apparaturen zusammen und verzehrte sich bei seiner Aufgabe. Groß und mächtig sollte es werden, doch Viktor schlampte bei der Zusammenstellung und so war er von seiner Schöpfung bei ihrem ersten Atemzug angeekelt, so hässlich und furchteinflößend wirkte sie. Entsetzt floh er aus dem Labor und traf dabei auf seinen Jugendfreund Henri Clerval. Dieser war ihm nachgereist, um gemeinsam mit ihm zu studieren und weil er sich wegen dem Ausbleiben von Nachrichten Sorgen um Viktor machte. Dieser fürchtete sich davor, seinem Freund die Wahrheit zu offenbaren, doch als sie in Viktors Wohnung und Labor eintrafen, war das Wesen verschwunden.

Viktor, von der monatelangen Überarbeitung und dem Schock schwer mitgenommen, erkrankte an Nervenfieber und nur der fürsorglichen Pflege Henris war es zu verdanken, dass er überlebte. Nachdem er wieder genesen war, widmete er sich gemeinsam mit seinem Freund den Studien und verdrängte alle Gedanken an seine Schöpfung. Kurz bevor er im nächsten Sommer seine Familie besuchen wollte, erreichte ihn ein Brief seines Vaters mit der Mitteilung, dass sein junger Bruder, Wilhelm ermordet worden war. Noch in der Nacht seiner Ankunft erblickte er eine riesenhafte Gestalt und war sofort davon überzeugt, dass seine Schöpfung der Übeltäter war. Doch an dessen statt wurde Justine, das Hausmädchen und Gesellschafterin der Franksteins des Mordes bezichtigt, weil ein Medaillon, das Wilhelm zum Zeitpunkt seines Todes getragen hatte, bei ihr gefunden wurde. Trotz der nachdrücklichen Fürsprache von Viktor und dessen Adoptivschwester Elisabeth wurde Justine für schuldig befunden und hingerichtet.

Viktor, der den wahren Täter kannte, verging in den nächsten Tagen förmlich vor Schuldgefühlen und Selbstmitleid, wagte es jedoch nicht, die Wahrheit zu offenbaren. Stattdessen unternahm er weite Streifzüge in die Umgebung, um sich abzulenken. Dabei traf er auf die von ihm geschaffene Kreatur. Diese erzählte ihm, dass es durch das versteckte Beobachten einer Bauernfamilie sprechen und lesen gelernt hatte. Doch obwohl es ihnen im Winter durch das Hacken von Brennholz und der Beseitigung des Schnees heimlich geholfen hatte, gerieten sie in Panik, als er sich ihnen schließlich offenbarte. Sie schlugen ihn und flohen dann vor ihm. Wütend und enttäuscht machte es sich daher auf dem Weg zu seinem Schöpfer.

Dessen Lebensgeschichte und Wohnort kannte es durch Viktors Tagebuch, das es bei seiner Flucht aus dem Labor zufällig mitgenommen hatte. Die Kreatur gab zwar zu, dass sie Wilhelm erwürgt hatte, doch konnte man dies auch als unglückseligen Unfall betrachten, da es nur die Hilfeschreie des Knaben verhindern wollte und ihre Kräfte zu stark waren. Auch betrachtete es sich nur als Opfer der widrigen Umstände und nur die Ablehnung der Menschen hätte in der Kreatur das Böse entfacht. Daher bat es Viktor ein zweites Geschöpf zu erschaffen, eine Frau. Es erhofft sich, durch ein ebenso hässliches Geschöpf wie er es ist, Liebe und Zuneigung zu erfahren. Gemeinsam sollten sie weitab jeder menschlichen Zivilisation ihr restliches Leben verbringen. Von den Worten des Wesens gerührt und um sich von seiner Schuld ihm gegenüber reinzuwaschen, willigte Viktor ein.

Unter einem Vorwand reiste er gemeinsam mit Henri nach England und weiter nach Schottland, um auf einer kleinen Orkney-Insel sein Werk zu vollenden. Doch er bekam Zweifel und fürchtete, dass das zweite Wesen genauso schlecht und böse sein könne, wie das erste. Außerdem argwöhnte er, die beiden Kreaturen könnten Kinder zeugen, welche Generationen später eine Bedrohung für die Menschen werden könnten. Daher vernichtete er sein fast vollendetes Werk vor den Augen des Unholds, der ihm heimlich gefolgt war. Rasend in seinem Zorn und Wut erwürgte dieser aus Rache Henri und versuchte, den Mord Viktor in die Schuhe zu schieben, was jedoch misslang. Daraufhin kehrte Viktor nach Genf zurück und heiratete seine geliebte Elisabeth. Doch der Unhold, empört über Viktors abermaligen Versuch, Trost und Liebe zu finden, während er selbst für den Rest seines Lebens alleine und ausgestoßen bleiben musste, ermordete die Braut noch in der Hochzeitsnacht. Als wenige Tage später Viktors Vater, durch die vielen schweren Unglücksfälle gezeichnet, an gebrochenem Herzen starb, machte sich Viktor auf, um sein Geschöpf zu jagen und zur Strecke zu bringen. Wild entschlossen folgte er der Spur, die der Unhold ihm hinterlassen hatte, bis in die weiten Eiswüsten der Arktis. Abgezehrt und schwerkrank traf Viktor schließlich auf das Schiff Waltons.

Ab hier führen abermals Waltons Briefe die Geschichte weiter, denn Viktor Frankenstein stirbt nur wenig später. Walton, der schließlich erkennt wohin falscher Ehrgeiz und blinder Enthusiasmus führen können, bricht die aussichtslose Expedition ab, nachdem das Eis sein Schiff wieder frei gegeben hat und segelt heimwärts. In einer Nacht kommt Frankensteins Kreatur an Bord und findet seinen Schöpfer tot. In tiefer Trauer um seine schlechten Taten und Abscheu auf sich selbst, kehrt es auf das Eis zurück, um im Feuer eines Scheiterhaufens letzten Trost zu finden.

Personen Viktor Frankenstein (im englischen Original: Victor)

Viktor wird als erstes Kind von Alphonse und Caroline Frankenstein in Neapel (Italien) geboren und wächst schließlich in Genf auf. Bereits als Kind ist er überaus intelligent und erfüllt von unbändigem Wissensdurst. Dieser Wissensdurst führt ihn schließlich an die Universität Ingolstadt, wo er in seinem unüberlegten Eifer das Monster erschafft. Als er das Ausmaß seiner hybriden Tat begreift, schlägt seine Begeisterung in Ekel, Bestürzung und Selbstvorwürfe um. Durch den Versuch, sich der Verantwortung für sein Handeln zu entziehen, wird er schuldig.

Frankensteins Monster (Unhold) (im englischen Original: creature oder daemon)

Welche Materialien Viktor Frankenstein für das Wesen verwendet und auf welche Weise er es zum Leben erweckt, werden nicht näher beschrieben. Wollte er sein Wesen anfangs noch schön und wohlproportioniert formen, konzentrierte sich Viktor in seinem Eifer jedoch zu sehr auf sein eigentliches Ziel (Leben erschaffen), sodass er diesen Bereich schmählich vernachlässigte.

Aussehen
"Die gelbliche Haut verdeckte nur notdürftig das Spiel der Muskeln und das Pulsieren der Adern. Das Haupthaar war freilich von schimmernder Schwärze und wallte überreich herab. Auch die Zähne erglänzten so weiß, wie die Perlen. Doch standen solch Vortrefflichkeiten im schaurigsten Kontraste zu den wässrigen Augen, welche nahezu von derselben Farbe schienen wie die schmutzig weißen Höhlen, darin sie gebettet waren, sowie zu dem runzeligen Antlitz und den schwarzen, aller Modellierung entbehrenden Lippen."
Zudem ist es etwa 8 Fuß (2,44 m) groß und besitzt außerordentliche Kräfte. Kälte und Hitze erträgt es viel leichter als normale Menschen, wohingegen es weitaus weniger Nahrung als diese benötigt.

Charakter
Das (männliche) Monster ist anfangs weder böse noch gut, sondern eher naiv. Erst mit der Zeit lernt es, nimmt seine Umwelt wahr und macht - hierin einem Kinde gleich - Erfahrungen, die schließlich dazu führen, dass er eine Identität, ein "Ich" herausbilden kann. Es stößt jedoch trotz seiner freundlich gemeinten Annäherungsversuche mehrmals auf feindliches Verhalten der Menschen. Enttäuschung, Traurigkeit und Selbstmitleid finden kein Ventil und schlagen in Hass und tätige Wut um. Es erkennt, dass das größte Problem seiner missratenen Existenz seine Einsamkeit ist. Es macht sich daher auf die Suche nach seinem Schöpfer, damit dieser ein zweites Geschöpf, eine Frau, schaffen solle. Es erhofft sich von einem ihm ähnlich abschreckenden Geschöpf Liebe und Zuneigung. Als sich diese Hoffnung jedoch nicht erfüllt, kippt das schwankende Gefühlsleben endgültig in den negativen Bereich: Das Monster wird zu dem furchtbaren Rachedämon, den die Literatur- und vor allem Filmgeschichte kennt. Dabei will es seinen Schöpfer jedoch nicht töten, sondern "nur" so viel Schmerz zukommen lassen, wie es selbst erleidet. Dass es deswegen andere Menschen tötet, ist nur Mittel zum Zweck.

Robert Walton

Robert Walton ist ein ehrgeiziger junger Mann mit dem unbändigen Drang, Großes zu vollbringen. Daher hat er eine Expedition ausgerichtet, um den Nordpol zu erreichen. Während sein Schiff vom Eis eingeschlossen ist, trifft er auf den schwerkranken Viktor Frankenstein, den er pflegt und der ihm daraufhin seine Geschichte erzählt. Waltons Briefe an seine Schwester umrahmen die eigentliche Handlung.

Elisabeth Lavenza

Als Tochter eines Mailänder Edelmannes und einer Deutschen, die bereits im Wochenbett starb, wuchs sie bei Pflegeeltern in ärmlichen Verhältnissen auf. Mit fünf Jahren wird sie von der Familie Frankenstein adoptiert und als Viktors Cousine aufgezogen. Sie ist ruhig und befasst sich mit den Werken der Poeten. Mit dem gleichaltrigen Viktor verbindet sie eine überaus enge Beziehung, die schließlich in einer Heirat gipfelt. In der Hochzeitsnacht wird sie von dem Monster aus Rache ermordet.

Alphonse Frankenstein

Alphonse Frankenstein ist der Vater von Viktor und dessen Brüdern. Er war früher ein angesehener Ratsherr, nun aber alt und kränklich. Die vielen Unglücksfälle setzen ihm schwer zu und er stirbt nur wenige Tage nach dem Mord an Elizabeth an gebrochenem Herzen.

Wilhelm Frankenstein (im englischen Original: William)

Wilhelm ist der jüngste Bruder von Viktor. Als er beim Versteckspiel mit Ernest auf das Monster trifft, wird es von diesem erwürgt. Es wird nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich dabei um einen vorsätzlichen Mord oder um ein Unglück handelt, weil das Monster seine Kräfte nicht richtig kontrollieren konnte. So oder so ist Wilhelm sein erstes Opfer und es erkennt, dass es auch Trübsal und Unglück verbreiten kann und nicht nur erleiden muss.

Justine Moritz

Justine Moritz wird mit zwölf Jahren durch Caroline Frankenstein in den Haushalt aufgenommen und ist von da an als Dienerin und Gesellschafterin tätig. Sie ist der gesamten Familie sehr zugetan und macht sich daher sofort auf die Suche nach dem vermissten Wilhelm. Als sie vor Erschöpfung in einer Scheune einschläft, schiebt das Monster ihr Wilhelms Medaillon unter. Justine wird daraufhin des Mordes an dem Knaben schuldig gesprochen und hingerichtet. Der Vorname ist möglicherweise eine Anspielung auf das Wort justice (Gerechtigkeit).

Henri Clerval (im englischen Original: Henry)

Er ist der Sohn eines Genfer Handelsmannes. Im Gegensatz zu Viktor interessiert er sich mehr für die geistigen Dinge des Lebens: Moral, Ethik, Politik. Trotzdem verbindet die beiden seit ihrer gemeinsamen Schulzeit eine überaus enge Freundschaft. Er folgt Viktor an die Universität Ingolstadt und begleitet ihn später auch nach England und Schottland, um sich dort weiterzubilden. Von dessen geheimen Aktivitäten weiß er jedoch nichts. Als Viktor sein zweites Geschöpf noch vor dessen Vollendung zerstört, erwürgt das Monster Henri aus blinder Rache. Dessen Versuch, den Mord Viktor in die Schuhe zu schieben, misslingt jedoch.

Ernest Frankenstein

Ernest Frankenstein ist 7 Jahre jünger als Viktor und der mittlere der Brüder. Er spielt in der Geschichte keine große Rolle, ist am Ende jedoch der Einzige der Familie Frankenstein, der die Tragödie überlebt.


Entstehung 

Geschrieben wurde der Roman in der Villa Diodati in der Nähe des Genfersees. Dort verbrachten Mary Shelley (damals noch Mary Wollstonecraft Godwin), ihre Stiefschwester Clare Clairmont, ihr (zukünftiger) Ehemann Percy Bysshe Shelley, Lord Byron und dessen Leibarzt John Polidori den Sommer 1816. Dieses Jahr ging aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Tambora im Jahr zuvor als das Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Anwesenden oft das Haus nicht verlassen. So beschlossen sie, jeweils eine Schauergeschichte zu schreiben und den anderen vorzutragen. Mary Shelley schrieb die Geschichte Frankenstein und John Polidori verfasste Vampyr - eine Vampirgeschichte (lange vor dem Entstehen von Bram Stokers Dracula).


Hintergründe

Shelley entlehnte den Namen des Monster-Erschaffers vermutlich von der Burg Frankenstein an der Bergstraße in der Nähe des südhessischen Darmstadt. Shelley hatte ihre Reise von Basel zurück nach London auf dem Rhein unternommen, der in Sichtweite des Berges (etwa 20 km) fließt. Die Burg gesehen hat sie wohl nicht, da sie mitten in der Nacht vorbeifuhr.

Percy Shelley beobachtete als Kind den Arzt James Lind bei der Wiederholung der "Froschschenkelexperimente" von Luigi Galvani. Es ist denkbar, dass er seiner zukünftigen Ehefrau davon berichtet hatte und diese es als Inspiration für ihre Erzählung verwendete. Als weitere Quelle der Inspiration Shelleys gelten die Experimente Andrew Ures. Nach einer umstrittenen These des hessischen Heimatforschers Walter Scheele aus dem Jahr 1999 soll der Alchemist Johann Konrad Dippel, der seine Experimente auf Burg Frankenstein an der Bergstraße durchführte, das historische Vorbild für Shelley's Roman gewesen sein.

In Ingolstadt, dem Handlungsort, erinnert heute noch eine nächtliche Frankenstein-Stadtführung (seit 1995) an den berühmten fiktiven Studenten. 1800 wurde die Universität nach Landshut und 1826 nach München verlegt - die direkte Nachfolgerin der Universität Ingolstadt ist somit die heutige Ludwig-Maximilians-Universität München," ist im Internet über das Buch zu lesen.

Die romantische Grundstimmung ist in dem Buch überdeutlich zu spüren. Ein edler Charakter bewirkt edle Gedanken und edle Taten. Vater Frankenstein und die Frauen in der Handlung sind die Beispiele dafür. Doch die Risse sind überdeutlich sichtbar. Selbstüberschätzung, Größenwahn und Besessenheit führen zu der Schaffung eines unkontrollierbaren Monsters, das im Laufe der Handlung namenlos bleibt. Viktor Frankenstein steht nicht für seine Taten ein, verweigert jegliche Verantwortung und beschleunigt damit die Katastrophe. Frankenstein nimmt lieber den Tod der eigenen Familie in Kauf, als daß er für seine Handlungen geradestehen würde.
Das Monster kann als Darstellung des Bösen und Häßlichen genommen werden. Aus dem Gefühl des Ausgestoßenseins heraus versucht das Monster, sich das ihm zustehende Glück mit Gewalt zu nehmen. Trotz aller literaturwissenschaftlichen Erklärungsansätze (siehe oben) bleibt seine Beschreibung unbefriedigend. Es besitzt übermenschliche Kräfte und ist überall anwesend. Es gibt aber auch Fragen, die hier leider völlig vernachlässigt werden. Das Monster wird aus Körperteilen Verstorbener erschaffen. Nehmen wir nur das Gehirn als zentrale Steuerungs- und Gefühlsinstanz. Sind die Gedanken, Gefühle, Charaktereigenschaften und Erinnerungen der Ursprungsperson wirklich verlorengegangen? Wie erlebt das Monster seine Wiederbelebung? Wie schafft es das Monster, seinem Schöpfer quer durch Europa zu folgen? Der erzählerische Gesichtspunkt bleibt hier unterentwickelt. Rational und vernungsorientiert darf man sich der Figur des Monsters nicht nähern. Teils archaisch - unbedarft, teils emotional, teils intellektuell und sich selbst reflektierend handelt das Monsters. Die Handlung bezüglich des Monsters ist nicht immer nachvollziehbar. Wie schafft es die Kreatur, ungesehen Ingolstadt zu verlassen? Wie kann das Monster monatelang in einem kleinem Schuppen wohnen? Wirklich rational darf man sich als aufgeklärter Leser der Handlung nciht nähern.
Das Buch gehört zu den Klassikern der Literaturgeschichte. Man muß es kennen, allein schon um die ganzen Filmadaptionen richtig einordnen zu können. Da auf Horror- und Schockelemente verzichtet wird, eignet sich das Buch für lange Winterabende, wenn - bildlich gesprochen - das Feuer im Kamin knistert und die heiße Tasse Tee griffbereit auf einem Tisch steht.