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Archiv Mai - August 2024

Ruhr IHKs: „Wir brauchen mehr Geld für Straßen und Brücken“

10-Punkte-Plan für bessere Infrastruktur an NRW-Verkehrsminister Krischer überreicht   Immer mehr Straßen und Duisburg, 30. August 2024 - Brücken im Ruhrgebiet sind marode. Das belastet die Wirtschaft. Die Unternehmen sind schlecht erreichbar und können ihre Waren nicht transportieren. Sie sind verunsichert und zögern, wenn es um Investitionen in den Standort geht. Die Ruhr-IHKs haben Ideen, wie es auf dem Asphalt wieder besser laufen könnte.


Ihren Plan überreichten sie nun NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer. Ganz oben auf der Liste: mehr Geld, um Straßen zu reparieren und auszubauen. Außerdem fordern sie, Baustellen besser zu managen und kaputte Brücken schneller zu ersetzen.   Es ist voll auf den Straßen zwischen Rhein und Ruhr – und das nicht nur nach Feierabend. Viele Lkw dürfen die wichtigen Routen über die A40, A42 oder A3 teilweise nicht nutzen. Die Brücken sind zu instabil. Für die Unternehmen bedeutet das: Stress.  

„Kaputte Straßen und Brücken sind eines unserer größten Probleme. Dauerstau gehört mittlerweile zum Alltag unserer Ruhrwirtschaft. Hinzu kommt eine Konjunktur, die seit Monaten in den Seilen hängt. Das alles belastet die Betriebe. Die Konsequenzen sind deutlich: Investitionen gehen zurück und neue Unternehmen wollen sich nicht ansiedeln“, beklagt Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen IHK, beim Austausch mit Minister Krischer.  


Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK, warnt: „Wir haben starke Unternehmen, ein dichtes Straßennetz. Eigentlich beste Voraussetzungen. Probleme machen uns steigende Baukosten und lange Verfahren. Sie führen dazu, dass uns die Brösel-Brücken aus den 70er-Jahren immer stärker abhängen. Die Politik muss dringend nachbessern. Wir brauchen mehr Geld, schnellere Planung und zügige, gute Lösungen. Das heißt auch: nicht jedes Anliegen kann berücksichtigt werden.“  


Die Ruhr-IHKs sind sich einig: Der Sanierungsstau ist groß. Zugleich sind die Verfahren veraltet. Sie erwarten deswegen in den nächsten Jahren deutlich mehr Baustellen in der Region. Sie fordern: „Das Ruhrgebiet muss Modellregion für schnellen Brückenbau werden. Mehr als zwei bis drei Jahre sollten auch aufwendige Verfahren nicht dauern. Außerdem brauchen wir eine Task Force, die die Baustellen besser aufeinander abstimmt“, so Stoffels. Bauunternehmen haben neue Methoden, Brücken in viel kürzerer Zeit zu erneuern. Das sollte die Politik stärker fördern und nutzen.  


Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, dazu: „Uns holen leider die Fehler vergangener Jahrzehnte ein, in denen zu wenig in den Erhalt von Infrastruktur investiert wurde. Die Bürger und die Unternehmen sind auf eine intakte Infrastruktur angewiesen. Deshalb hat für uns die Sanierung Priorität. Mit der Sanierungsoffensive NRW haben wir einen klaren Fahrplan für Straßen, Brücken und Infrastrukturanlagen vorgelegt, um den Standort Nordrhein-Westfalen zukunftsfest zu machen. J

etzt geht es an die Umsetzung und wir machen Tempo, etwa durch Rekordinvestitionen bei der Sanierung und schnellere Modulbauweisen für Brücken-Ersatzbauten. Ich freue mich, dass die IHKs diese Offensive unterstützen. Denn die Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur wird eine Kraftanstrengung, die nur gemeinsam gemeistert werden kann.“    

Den 10-Punkte-Plan können Sie hier abrufen:
www.ihk.de/niederrhein/10punkteplan  

Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen IHK, übergibt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (beide mittig) im Beisein der Präsidentinnen und Präsidenten der Ruhr-IHKs den 10-Punkte-Plan für eine verlässliche Infrastruktur. Foto: Niederrheinische IHK/Bettina Engel-Albustin



Rezessionsrisiko spürbar gesunken

IMK-Konjunkturindikator zeigt erstmals seit Monaten nicht mehr „rot“
Düsseldorf/Duisburg 21. August 2024 - Die Aussichten für die Konjunktur in Deutschland hellen sich langsam auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen spürbar gesunken. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.


Für das zweite Quartal 2024 von April bis Ende Juni weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 48,7 Prozent aus. Anfang März betrug sie für die folgenden drei Monate noch 58,3 Prozent. Die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrückt, ist mit 18,7 Prozent zwar relativ hoch und etwas gestiegen.


Der Rückgang des Rezessionsrisikos ist aber so stark, dass das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarninstrument erstmals seit Juni 2023 nicht mehr „rot“ anzeigt. Stattdessen wechselt er auf „gelb-rot“, was eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit signalisiert, aber keine akute Rezessionsgefahr mehr. Der spürbare Rückgang des Rezessionsrisikos beruht vor allem darauf, dass sich die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe nach den aktuellsten verfügbaren Daten erholt hat.


Da sich die Energiepreise stabilisiert haben, geht das IMK davon aus, dass auch die Produktion in energieintensiven Branchen und insbesondere in der Chemieindustrie „ihren Tiefpunkt durchschritten“ und weiteres Aufwärtspotenzial hat. Für eine weitere Erholung der Industrieproduktion sprechen auch Zuwächse beim Export. Weitere Positiv-Faktoren für die Konjunktur sind aufgehellte Stimmungs- und Finanzmarktindikatoren.


So hat sich der „Finanzmarktstress“, den das IMK mit einem eigenen Indikator ermittelt, ebenfalls spürbar entspannt. Unter dem Strich „zeigt sich nunmehr eine Mehrzahl konjunktureller Frühindikatoren aufwärtsgerichtet“, fasst IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld die aktuelle Situation zusammen. Zwar gebe es Ausreißer, etwa die schwachen Einzelhandelsumsätze. „Eine Aufhellung der Konjunktur deutet sich aber stärker an als in den Vormonaten.“


Die neuen Indikatorwerte stehen in Einklang mit der aktuellen IMK-Konjunkturprognose, wonach sich die deutsche Wirtschaft nach einer Rezessionsphase im Winter langsam aus ihrer Flaute arbeitet. Dabei kommen zunehmend vom privaten Konsum wichtige Impulse. „Im Jahresverlauf dürfte dann neben der steigenden Auslandsnachfrage auch die sich angesichts moderater Inflation und weiter steigender Löhne deutlich verbessernde Kaufkraft der Haushalte dafür sorgen, dass es zu einer Belebung der Konjunktur kommt“, erklärt Hohlfeld.



IMK-Konjunkturindikator: Rezessionsrisiko erneut leicht gestiegen

Düsseldorf/Duisburg, 19. August 2024 - Die Aussichten für die Konjunktur in Deutschland haben sich erneut leicht eingetrübt. Das signalisiert der monatliche Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen noch einmal leicht gestiegen.


 Für den Zeitraum von August bis Ende Oktober weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 49,2 Prozent aus. Anfang Juli betrug sie für die folgenden drei Monate 44,4 Prozent. Auch die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrückt, hat sich leicht erhöht. Trotz der Eintrübung zeigt der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator wie in den Vormonaten „gelb-rot“, was eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit signalisiert, aber keine akute Rezessionsgefahr.


 Zwischen Juni 2023 und März 2024 hatte die Konjunkturampel noch durchgängig auf „rot“ gestanden. Die aktuelle Zunahme des Rezessionsrisikos beruht im Wesentlichen darauf, dass sich mehrere Finanzmarkt- und Stimmungsindikatoren verschlechtert haben. Besonders stark wirkten sich die zuletzt relativ hohe Zahl der Unternehmensinsolvenzen aus sowie die praktisch weltweit lahmende Entwicklung der Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe, die alle großen Wirtschaftsräume mit Ausnahme Indiens betrifft.


 Von den realwirtschaftlichen Frühindikatoren, die das IMK auswertet, kamen uneinheitliche Signale: Zwar legten die Produktion und die Auftragseingänge im Produzierenden bzw. Verarbeitenden Gewerbe nach den letzten verfügbaren Daten vom Juni zu. Allerdings konnte damit lediglich ein Teil der Rückgänge aus den Vormonaten kompensiert werden. Zudem nahmen die deutschen Exporte zeitgleich ab, und die Exporterwartungen trübten sich ein.


 Auch die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen ist weiter rückläufig, wenn auch auf nach wie vor hohem Niveau. „Der deutschen Wirtschaft fehlt es weiter an Impulsen, um sich aus der Stagnation zu befreien“, ordnet IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld die neuen Daten ein. „Zwar signalisierten Produktion und Auftragseingänge im Verarbeiten Gewerbe jüngst einen Hoffnungsschimmer, aber die Warennachfrage, insbesondere aus dem Ausland, bleibt bislang zu schwach, als dass die Industrie einen Impuls setzen kann. Und auch der private Verbrauch erholt sich trotz der seit nunmehr drei Quartalen wieder positiven Realeinkommensentwicklung nicht so schnell, wie erwartet“, so Hohlfeld. In seiner aktuellen Konjunkturprognose rechnet das IMK für dieses Jahr mit einem minimalen Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent.

Leichter Anstieg der Teuerungsraten im Juli, Kernrate sinkt

Düsseldorf/Duisburg, 14. August 2024 - Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli gegenüber Juni leicht von 2,2 auf 2,3 Prozent gestiegen. Hauptgründe dafür waren ein etwas stärkerer Anstieg der weitgefassten Nahrungsmittelpreise (um 2,2 Prozent) und dass die Entwicklung der Energiepreise zwar weiterhin den generellen Preisauftrieb dämpfte, aber weniger stark als im Juni. Dementsprechend sind auch die Inflationsraten einiger Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, leicht gestiegen.


Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate war relativ gering und betrug 0,6 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Im Juli 2023 waren es 1,0 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate trotz eines leichten Anstiegs im Juli 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen verteuerte sich um 1,7 Prozent, der von Familien mit niedrigen Einkommen um 1,8 Prozent.


Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.* Insgesamt lag die Inflationsrate von sieben der untersuchten neun Haushaltstypen im Mai bei oder leicht unter zwei Prozent, die der übrigen bei 2,2 und 2,3 Prozent. Trotz des leichten Wiederanstiegs der Teuerungsrate sei im Jahresverlauf eine weitere Abschwächung bei der Preisdynamik absehbar, analysieren die Forschenden. Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist und Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte bestehen, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) für dringend nötig und einen Senkungsschritt beim nächsten EZB-Zinsentscheid im September auch für wahrscheinlich.


Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten und in der Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link zur Datenbank unten).


Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent.


Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im Juli 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 6,5 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in jenem Monat mit 5,5 Prozent deutlich niedriger und unter der hohen allgemeinen Inflationsrate von damals 6,2 Prozent.


Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Haushaltsenergie bei ihnen ein relativ großes Gewicht haben. Allerdings stiegen bei ihnen wegen der leicht anziehenden Teuerung bei Lebensmitteln die haushaltsspezifischen Inflationsraten von Juni auf Juli um 0,1 (Alleinlebende) bzw. 0,2 Prozentpunkte (Familien), während sie für die meisten anderen Haushalte stabil blieben.


Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent aktuell eine leicht höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, deren Preise aktuell deutlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich im Juli um 2,2 Prozent verteuerte.


Die Inflationsraten von Paaren ohne Kinder und von Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen betrugen je 2,0 Prozent, ebenso hoch fiel die Teuerung für Alleinlebende mit höheren Einkommen aus. Bei Alleinlebenden und bei Alleinerziehenden mit jeweils mittleren Einkommen legten die Preise im Jahresvergleich um je 1,9 Prozent zu.




„Trotz des leichten Preishüpfers im Juli liegt die Inflationsrate für fast alle Haushaltstypen nahe an der EZB-Zielinflation. Das ist ein wichtiges Signal für die Geldpolitik. Allerdings darf dabei nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau deutlich höher ist als vor der Inflationswelle. Die Kaufkraft eines Teils der Haushalte hat sich von dem Teuerungsschub noch nicht vollständig erholt. Das gilt insbesondere für Familien der Mittelschicht, wie wir kürzlich in einer Studie gezeigt haben“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien.  


Kerninflation weist nach unten, trotz staatlicher Maßnahmen, die die Preise antreiben Dullien und Tober rechnen im weiteren Jahresverlauf mit nachlassendem Teuerungsdruck, auch bei den Dienstleistungspreisen, die zuletzt kräftig angezogen haben und deshalb zu Recht unter besonderer Beobachtung stünden. Nach saisonbereinigten Daten der Deutschen Bundesbank war der Anstieg der Dienstleistungspreise in Deutschland im Juli im 12-Monats-Vergleich bereits leicht rückläufig.


In dem für die EZB besonders wichtigen harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) fiel der Anstieg der Dienstleistungspreise im Juli sogar um 0,3 Prozentpunkte niedriger aus als im Juni. Die leichte Entspannung wirkte sich auch auf die Kernrate aus, also die Inflationsrate ohne Berücksichtigung der schwankungsanfälligen Posten Energie und Nahrungsmittel. Sie sank nach dem VPI-Konzept im Juli um 0,2 Prozentpunkte. Dabei müsse zudem noch berücksichtigt werden, dass die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz auf Speisen im Gastgewerbe vom Jahresanfang noch nachwirke und dieser Effekt die Kernrate erhöhe, erklären die Fachleute des IMK.


Dullien und Tober rechnen damit, dass die EZB den Leitzins im September erneut senken wird. „Angesichts der sich weitgehend in Einklang mit den Erwartungen entwickelnden Preise und Löhne im Euroraum“ sei das die richtige Entscheidung, und sollte auch nicht das Ende des Zinssenkungskurses sein, mahnen die Forschenden, denn: „Aktuell dämpft das deutlich restriktive Zinsniveau die Konjunktur und insbesondere die Investitionen.


Die Europäische Zentralbank hat bislang die Zinsen nur sehr zögerlich gesenkt, obwohl die Inflation aus heutiger Sicht bereits im kommenden Jahr das Inflationsziel von zwei Prozent erreichen wird.“ Gerade in Deutschland berge die anhaltende Wirtschaftsschwäche die Gefahr mittelfristig zu niedriger Lohnsteigerungen, eines Abbaus von Produktionskapazitäten und einer Verknappung von Fachkräften, weil etwa weniger ausgebildet werde oder Arbeitnehmende bei Stellenabbau in den frühzeitigen Ruhestand entlassen werden.

Hingegen würde eine durch gesenkte Zinsen unterstützte wirtschaftliche Belebung Unternehmen schon kurzfristig doppelt entlasten: Einmal durch niedrigere Finanzierungskosten, zum zweiten, indem eine bessere Auslastung und mehr Investitionen die Produktivität steigern.   

Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.  


 

Kaufkraft bei vielen Haushalten wieder auf Niveau von 2021

Staat hat „kalte Progression“ zwischen 2021 und 2024 für die meisten Arbeitnehmer*innen-Haushalte ausgeglichen  
Düsseldorf/Duisburg, 20. Juli 2024 - Umfassende Berechnung für Steuern und Sozialabgaben Staat hat „kalte Progression“ zwischen 2021 und 2024 für die meisten Arbeitnehmer*innen-Haushalte ausgeglichen – Kaufkraft bei vielen Haushalten wieder auf Niveau von 2021 Die aktuelle Bundesregierung hat seit Ihrem Amtsantritt 2021 die so genannte „kalte Progression“ für die meisten Haushalte vollständig ausgeglichen und für viele Haushalte sogar überkompensiert.


Wenn man sowohl Steuern als auch Sozialabgaben und zudem die Zahlungen aus dem Kindergeld berücksichtigt, haben die meisten Arbeitnehmer*innenhaushalte in Deutschland heute mindestens so viel Netto vom Brutto wie 2021, einige sogar deutlich mehr. Ausnahme sind dabei Familien mit Kindern im mittleren Einkommensbereich, bei denen eine unterproportionale Erhöhung des Kindergeldes und erhöhte Sozialabgaben das Nettogehalt so stark schmälern, dass ihnen von jedem verdienten Euro netto weniger bleibt als 2021.


Trotz der unter dem Strich unterstützenden Politik hat aber die Kaufkraft der meisten deutschen Arbeitnehmer*innenhaushalte durch die hohe Inflation der letzten Jahre kaum Fortschritte gemacht. Betrachtet man nicht nur die Veränderung bei Steuern und Abgaben, sondern auch die haushaltsspezifische Inflation und die Lohnsteigerungen, so bleibt nur wenigen Haushalten spürbar mehr Kaufkraft als 2021. Das ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* 


Unter dem Begriff „kalte Progression“ versteht man, wenn Beschäftigte durch Lohnerhöhungen, die einzig die Teuerung ausgleichen, höhere Steuersätze zahlen müssen. Um dies zu vermeiden, hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren wiederholt den Steuertarif angepasst. Wie die Untersuchung von Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK, sowie seinen beiden Kolleginnen Dr. Katja Rietzler und Dr. Silke Tober, zeigt, spielen die Sozialversicherungsbeiträge eine zentrale Rolle.


Für die Frage nach der „kalten Progression“ wird in der Studie daher ein weit gefasster Begriff zugrunde gelegt, der Entwicklungen bei der Einkommensbesteuerung und bei der Sozialversicherung berücksichtigt.  So ist die Steuer- und Abgabenbelastung für praktisch alle Singlehaushalte und Paarhaushalte ohne Kinder entweder – bis auf kaum messbare Veränderungen im Promillebereich – unverändert geblieben oder gefallen, und damit der Anteil des Nettoverdienstes an den Bruttoeinkommen gestiegen.





Deutlich entlastet wurden dabei vor allem Single-Haushalte mit Bruttoeinkommen von unter 20.000 Euro und mehr als etwa 50.000 Euro pro Jahr (bei Paaren ohne Kinder mit jeweils den doppelten Werten). Familien mit Kindern im mittleren Einkommensbereich wurden in der Summe durch die Veränderungen bei Steuern, Abgaben und Kindergeld allerdings etwas schlechter gestellt, zumindest, wenn man alle Zahlungen einschließlich des Kinderbonus´ 2021 berücksichtigt (Abbildung 3).




Entlastung für Familien mit mittleren Einkommen funktioniert am besten über höheres Kindergeld „Eine Notwendigkeit für eine allgemeine Senkung der Einkommensteuer etwa durch eine Verschiebung des Steuertarifs ist deshalb nach dieser Analyse nicht gegeben und sollte auch gerade vor dem Hintergrund der engen Finanzierungsspielräume unter der Schuldenbremse sehr genau überlegt werden“, schreiben die Forschenden. Wenn man zielgenau Familien mit niedrigeren bis mittleren Einkommen entlasten wolle, sei dafür am besten eine stärkere Erhöhung des Kindergeldes geeignet.


Um zu ermitteln, wie sich die Kaufkraft von Arbeitnehmer*innen in den stark von hoher Inflation geprägten Jahren seit 2021 verändert hat, ist es nach Analyse der Forschenden allerdings nicht ausreichend, nur Steuern und Abgaben zu betrachten. „Das volle Bild ergibt sich erst, wenn man Steuern, Abgaben, Löhne und die für die einzelnen Haushalte relevanten Preise zusammen analysiert“, erläutert IMK-Direktor Dullien. Hier zeige sich, dass viele Arbeitnehmer*innen-Haushalte in Deutschland bei der Kaufkraft trotz des Ausgleichs der „kalten Progression“ seit 2021 kaum Fortschritte gemacht haben. Grund sei hier, dass die Löhne in den vergangenen Jahren trotz vergleichsweise hoher nominaler Zuwachsraten mit den Preisen in vielen Fällen nicht vollständig mitgehalten haben. 


Dies gilt insbesondere für Haushalte mit Kindern, die wegen des hohen Anteils an Ausgaben für Lebensmittel und Energie an ihren Warenkörben eine besonders hohe Teuerung erlebt haben. Alleinerziehende und Paarfamilien mit Kindern und mittleren Einkommen stehen so bei ihrer Gesamtkaufkraft etwas schlechter da als vor drei Jahren und verzeichnen gegenüber 2021 „Kaufkraftlücken“ von bis zu 492 Euro.


Deutlich besser sieht es für einen Teil der Alleinstehenden aus, vor allem für Singles mit hohen Einkommen und etwas abgeschwächt auch für Personen, die im Niedriglohnbereich arbeiten.  Gestärkt wird aktuell gegenüber 2021 auch die Kaufkraft von Arbeitnehmer*innen, die eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie bekommen. Mit Prämie können auch Alleinstehende mit mittleren Einkommen einen Kaufkraftzuwachs um mehrere hundert Euro verbuchen, während ohne Prämie in dieser Gruppe die Kaufkraft praktisch stagniert.

Kaufkraftlücken beim Netooeinkommen in Euro



Da es sich bei den Prämien um Einmalzahlungen handelt, fällt dieser positive Effekt 2025 allerdings weg. „Kaufkrafteinbußen können nur vermieden werden, wenn dies in den Tarifabschlüssen berücksichtigt wird“, analysiert IMK-Direktor Dullien.  

„Der Staat hat bei der Einkommensteuer seine Hausaufgaben gemacht, um eine Zusatzbelastung durch die hohe Inflation auszugleichen“, so Dullien weiter. Auch die Tarifparteien hätten deutlich dazu beigetragen, dass die durch die Energie- und Nahrungsmittelschocks entstandenen Kaufkraftlücken bereits in diesem Jahr teils geschlossen, teils zumindest deutlich verkleinert wurden. Das sei angesichts der stagnativen Entwicklung ein deutlicher Erfolg. „Mit dem Abklingen der Schocks sollten absehbar auch wieder Reallohnsteigerungen möglich sein“, so Dullien. Von 2009 bis 2019 etwa legten die realen Stundenlöhne im Jahresschnitt um fast 1,5 Prozent zu – im deutlichen Kontrast zu der Stagnation von 2021 bis 2024.

 

Mit Rückgang der Teuerung im Juni nur noch drei Haushaltstypen über zwei Prozent Inflationsrate

Düsseldorf/Duisburg, 16. Juli 2024 -Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juni gegenüber Mai leicht von 2,4 auf 2,2 Prozent gesunken und liegt wieder auf dem Niveau der Vormonate. Hauptgrund dafür war ein Rückgang der Energiepreise. Dementsprechend sanken auch die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, leicht. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate betrug im Juni moderate 0,7 Prozentpunkte.


Zum Vergleich: Im Juni 2023 waren es 1,3 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der letzten Inflationswelle sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel der Jahre 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im Juni 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden und von Familien mit niedrigen Einkommen verteuerte sich im Juni um jeweils 1,6 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.*


Insgesamt lag die Inflationsrate von sechs der untersuchten neun Haushaltstypen im Juni bei oder etwas unter zwei Prozent, dem Inflationsziel der der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Teuerungsrate der übrigen drei betrug 2,1 bis maximal 2,3 Prozent. Im weiteren Jahresverlauf sei eine fortgesetzte Abschwächung bei der Preisdynamik absehbar, analysieren die Forschenden. Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch EZB für dringend nötig. Das werde der Notenbank erleichtert, wenn die Regierungen – insbesondere die deutsche – vorläufig Zurückhaltung bei Abgabenerhöhungen üben, die die Preise treiben.


Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten und in der Abbildung im Anhang). Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen



Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der jüngsten Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben.


Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im Juni 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 7,0 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in jenem Monat mit 5,7 Prozent deutlich niedriger und unter der hohen allgemeinen Inflationsrate von damals 6,4 Prozent.


Bis zu 21 Prozent kumulierte Inflation seit 2020
Blickt man auf den gesamten Zeitraum, seit 2020 mit der Corona-Pandemie die noch andauernde Krisenphase begann, waren Familien, insbesondere die mit niedrigen bis mittleren Einkommen, mit höheren Inflationsraten konfrontiert als Alleinstehende. Auch bei diesem Mehrjahresvergleich hatten Singlehaushalte mit sehr hohen Einkommen die niedrigste Inflationsrate: Ihre Warenkörbe verteuerten sich von 2020 bis 2024 um insgesamt 18,5 Prozent, zeigen Dullien und Tober in einer Zusatzauswertung. Die Teuerungsraten von Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen lagen um 2,5 Prozentpunkte höher bei je 21 Prozent für den Gesamtzeitraum.


„Die starke kumulierte Teuerung seit Krisenbeginn macht deutlich, wie belastend die Inflationswelle insbesondere für ärmere Haushalte und Haushalte der Mittelschicht gewesen ist. Auch wenn die Inflationsrate jetzt erfreulicherweise wieder nahe an der EZB-Zielinflation liegt, darf nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau deutlich höher ist als vor dem Inflationsschub“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Haushaltsenergie bei ihnen ein relativ großes Gewicht besitzen.


Dass aktuell Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent eine höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt wiederum daran, dass diese Haushalte stärker als andere etwa Versicherungen, Restaurant- und Hoteldienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, deren Preise aktuell überdurchschnittlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich im Juni um 2,2 Prozent verteuerte.


Die Inflationsrate von Paaren ohne Kinder mit mittleren Einkommen betrug 2,1 Prozent, die von Paaren mit Kindern und mittleren Einkommen sowie von Alleinlebenden mit höheren Einkommen betrug je 2,0 Prozent. Alleinlebende mit mittleren Einkommen verzeichneten eine Teuerungsrate von 1,9 Prozent, ebenso wie Alleinerziehende mit mittleren Einkommen. Der Inflationsmonitor in interaktiven Grafiken.


Zurückhalten bei Fiskalmaßnahmen, die die Preise antreiben
Dullien und Tober rechnen im weiteren Jahresverlauf mit nachlassendem Teuerungsdruck, auch bei den Dienstleistungspreisen, die zuletzt stärker angezogen haben. Die EZB habe richtig entschieden, im Juni die Leitzinsen erstmals zu senken. Für die EZB-Ratssitzung am kommenden Donnerstag erwarten die IMK-Expert*innen keine Änderung bei den Zinsen, die Zentralbank werde „den Zinssenkungsprozess erst im September fortsetzen.“


Da niedrigere Zinsen angesichts der lahmenden Konjunktur in Deutschland und im Euroraum dringend nötig seien, sehen die Forschenden Regierungen, insbesondere die deutsche, in der Verantwortung. Denn aktuell wirkten diverse fiskalische Maßnahmen der vergangenen Monate inflationserhöhend, etwa die Mehrwertsteuererhöhungen im Gastgewerbe, bei Erdgas und Fernwärme oder die Anhebung der Stromnetzentgelte.


„Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie in dieser kritischen Phase der Annäherung der Inflation ans Inflationsziel auf preistreibende Maßnahmen verzichten oder diese im Falle von Lenkungssteuern“ – wie etwa dem CO2-Preis –„durch preissenkende Maßnahmen an anderer Stelle kompensieren würde“, empfehlen die Fachleute des IMK.


IMK-Konjunkturindikator: Rezessionsrisiko nimmt erstmals seit Anfang 2024 etwas zu

Düsseldorf/Duisburg, 15. Juli 2024 - Die Aussichten für die Konjunktur in Deutschland haben nach mehreren Monaten mit positiver Tendenz einen Dämpfer erhalten. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen erstmals etwas gestiegen, nachdem sie zuvor viermal in Folge zurückgegangen war.


Für das dritte Quartal von Juli bis Ende September weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 44,4 Prozent aus. Anfang Juni betrug sie für die folgenden drei Monate noch 39,5 Prozent. Auch die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrückt, hat sich leicht erhöht.


Trotz der Eintrübung zeigt der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator wie in den drei Vormonaten „gelb-rot“, was eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit signalisiert, aber keine akute Rezessionsgefahr. Zwischen Juni 2023 und März 2024 hatte die Konjunkturampel noch durchgängig auf „rot“ gestanden. Die aktuelle Zunahme des Rezessionsrisikos beruht im Wesentlichen darauf, dass zuletzt die Auftragseingänge und die Produktion im Produzierenden bzw. Verarbeitenden Gewerbe zurückgegangen sind. Auch Stimmungsindikatoren wie der ifo-Index haben sich im Vergleich zum Vormonat leicht eingetrübt.


Positive Trends bei verschiedenen Finanzmarktindikatoren haben dagegen verhindert, dass das Rezessionsrisiko stärker zugenommen hat. So ist der „Finanzmarktstress“, den das IMK auf Basis eines breiten Kranzes von Finanzmarktindikatoren ermittelt, vergleichsweise niedrig. „Die konjunkturelle Aufwärtsbewegung ist nicht selbsttragend“, fasst IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald das aktuelle Konjunkturbild zusammen.


Während die Daten der Vormonate Grund zur Hoffnung gegeben hatten, dass eine sich belebende Weltkonjunktur die deutsche Exportwirtschaft, insbesondere im Bereich der Investitionsgüterproduktion, mitzieht, stelle sich die aktuelle Lage differenzierter und schwieriger dar: „Neue Handelskonflikte können als Bremsklotz für die exportorientierte deutsche Industrie wirken. Bleiben größere Investitionsimpulse – wie derzeit absehbar – weiter aus, dürfte es allein der private Verbrauch sein, der allmählich an Fahrt gewinnt. Das dürfte gesamtwirtschaftlich bis in den Herbst hinein aber nur für ein maues Wachstum reichen“, so Theobald.


In seiner aktuellen Konjunkturprognose rechnet das IMK für dieses Jahr mit einem minimalen Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent. Die Umfrage-, Produktions- und Auftragsdaten, die in den Konjunkturindikator eingeflossen sind, wurden allesamt vor der Haushaltseinigung und der Vorstellung der Wachstumsinitiative der Bundesregierung erhoben. Ob sich Veränderungen in der Stimmung der Unternehmen durch die Einigung der Koalition und die Ankündigung der Haushaltspläne ergeben, zeigt sich somit frühestens in der August-Auswertung des Konjunkturindikators. 

Mehr Gewerbeflächen und Planungssicherheit gefordert

Ruhr-IHKs und Regionalverband sprechen über Zukunft  
Duisburg, 8. Juli 2024 - Um das Ruhrgebiet nachhaltig zu stärken, müssen sich Unternehmen ansiedeln und expandieren können. Dafür braucht es vor allem passende Flächen, die kurzfristig bereitstehen. Auch die Transformation der Industrie ist ein wichtiger Faktor: Wasserstoff soll Kohle und Gas als Energieträger ablösen. Infrastruktur, Energie und Daten entscheiden über den Wirtschaftsstandort. Die Unternehmer unterstützen den Wandel. Darüber sprachen die Spitzen der IHKs im Ruhrgebiet, mit Garrelt Duin, Direktor des Regionalverbandes Ruhr (RVR).  

RVR-Direktor Garrelt Duin (l.) im Gespräch mit den Ruhr-IHKs. Darunter auch Dr. Fritz Jaeckel, HGF der IHK Nord Westfalen. 


„Das Ruhrgebiet will grünste Industrieregion der Welt werden. Das geht nur mit der Wirtschaft als starken Partner an unserer Seite. Um die Innovationskraft der Wirtschaft, Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu stärken und die Bereitstellung von Wirtschaftsflächen für Unternehmen zu fördern, müssen wir eine Region der kurzen (Verwaltungs-)Wege werden. Daran will ich gemeinsam mit dem Land NRW arbeiten“, betonte Duin bei seinem Antrittsbesuch bei der Niederrheinischen IHK in Duisburg.


Als Sprecher der Ruhr-IHKs machte Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK, deutlich: „Was wir brauchen, sind Gewerbeflächen und mehr Sicherheit bei der Planung. Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass etwa eine neue Werkshalle zu einem bestimmten Zeitpunkt steht. Gleichzeitig müssen auch alle Leitungen bereitstehen und nötige Genehmigungen vorliegen. Bei den Themen Infrastruktur und Bürokratieabbau setzen wir auf die Landesregierung. Sie muss dem Ruhrgebiet helfen, zu seiner alten Stärke zurückzufinden.“  


Gemeinsam wollen RVR und IHKs die Ruhr-Wirtschaft im Wandel begleiten und stärken. Duin betonte, dass der RVR bereits Leitungswege und passende Flächen freigehalten habe, um die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Transformation voranzutreiben.    

V.l.: Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer IHK Nord Westfalen, Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer IHK Dortmund, Kerstin Groß, Hauptgeschäftsführerin IHK zu Essen, Werner Schaurte-Küppers, Präsident Niederrheinische IHK, Garrelt Duin, Direktor des RVR, Ralf Stoffels, Hauptgeschäftsführer Südwestfälische IHK zu Hagen, Philipp Böhme Präsident IHK Mittleres Ruhrgebiet, Heinz-Herbert Dustmann, Präsident IHK zu Dortmund, Dr. Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer Südwestfälische IHK zu Hagen, Michael Bergmann, IHK Mittleres Ruhrgebiet, Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer Niederrheinische IHK, Dr. Jochen Grütters, stellvertretender Hauptgeschäftsführer IHK Nord Westfalen.



 

Inflationsausgleichsprämien entlasten 26 Millionen Beschäftigte um mehr als 52 Milliarden Euro – und stabilisieren Konsum - Ohne Ausgleich schwindet Vertrauen in die Regierung

Düsseldorf/Duisburg, 3. Juli 2024 - ast 26 Millionen Beschäftigte haben mehr als 52 Milliarden Euro als Inflationsausgleichsprämien erhalten. Das hat die Wirtschaft stabilisiert und die Sorgen der Menschen verringert, zeigt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: Rund zwei Drittel der Arbeitnehmer*innen, die eine Prämie zum Inflationsausgleich erhalten, empfinden die Einmalzahlung als mittlere bis große Entlastung in Zeiten hoher Preise. Beschäftigte mit Prämie wollen spürbar seltener ihren Konsum einschränken als solche ohne.


In Betrieben mit Tarifvertrag und mit Betriebs- oder Personalrat werden deutlich häufiger und höhere Inflationsausgleichsprämien gezahlt, so die Untersuchung, die auf einer repräsentativen Befragung basiert.* Um die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs abzufedern, hatte die Bundesregierung im Herbst 2022 Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, ihren Beschäftigten bis Ende 2024 bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfrei zusätzlich zum Lohn auszuzahlen.


Ziel war es, angesichts der Rekordinflation die Kaufkraft zu stabilisieren, ohne eine Preis-Lohn-Spirale in Gang zu setzen. Laut der IMK-Studie ist das tatsächlich gelungen: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Inflationsausgleichsprämie einen relevanten Beitrag zur finanziellen Entlastung vieler Beschäftigter, zur Stabilisierung der Kaufkraft in Deutschland, zur Begrenzung des Kostendrucks durch Zweitrundeneffekte bei den Löhnen und zur Verbesserung des Vertrauens in politische Institutionen in der Hochinflationsphase 2022 bis 2023 geleistet hat“, schreiben der IMK-Forscher Dr. Jan Behringer und Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK.


Gesamtwirtschaftlich entspreche die fiskalische Entlastung durch die Prämie etwa einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Lohnstückkosten seien um rund 1,5 Prozent gesenkt worden. Für ihre Untersuchung haben die Ökonomen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von rund 9600 Personen ausgewertet, die im Januar und Februar dieses Jahres im Auftrag des IMK durchgeführt worden ist. 69 Prozent der befragten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten geben an, dass sie seit Herbst 2022 mindestens einmal eine Inflationsausgleichsprämie bekommen haben, im Schnitt wurden ihnen insgesamt 1953 Euro gezahlt.


Hochgerechnet auf alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland ergäbe das unter Einbeziehung von Beamt*innen 25,8 Millionen Begünstigte, die insgesamt 52,5 Milliarden Euro erhalten haben. 77 Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag bekommen Inflationsausgleichsprämie, ohne sind es 61 Prozent Erheblichen Einfluss auf die Zusatzzahlung hat der Analyse zufolge unter anderem die Tarifbindung: Von den Beschäftigten mit Tarifvertrag bekamen 77 Prozent mindestens eine Inflationsausgleichsprämie, wobei die Auszahlungssumme bei Vollzeit durchschnittlich 2272 Euro betrug.


Ohne Tarif beträgt die Quote 61 Prozent und die Summe im Schnitt 1838 Euro. Auch Mitbestimmung spielt eine Rolle: Während 77 Prozent der Beschäftigten mit Betriebs- oder Personalrat eine Prämie ausgezahlt wurde, sind es bei denjenigen ohne eine solche Vertretung 59 Prozent. Erstere haben im Schnitt 2225 Euro bekommen, Letztere 1822 Euro. In der Einkommenspyramide haben die oberen Etagen häufiger profitiert: In der Gruppe ab 4500 Euro Haushaltsnettoeinkommen beträgt der Anteil 77 Prozent, in der Gruppe bis unter 2000 Euro hingegen 50 Prozent.


Auch bei der absoluten Höhe liegen die Einkommensstarken mit 2356 Euro vor den Geringverdienenden mit 1398 Euro. Geschlechterunterschiede gibt es bei der Verbreitung nicht, allerdings rund 10 Prozent Vorsprung der Männer bei der Höhe – was unter anderem daran liegen dürfte, dass Frauen häufiger in Betrieben ohne Mitbestimmung und Tarif oder in Branchen arbeiten, in denen die Prämien generell niedriger ausfielen. Bei denjenigen, denen eine Sonderzahlung zuteil wurde, lässt sich ein klarer Effekt feststellen: „Unsere Umfrage liefert Hinweise, dass die Inflationsausgleichsprämie die finanziellen Auswirkungen der hohen Inflation bei vielen Haushalten abmildern konnte“, so Behringer und Dullien.


Rund zwei Drittel der Begünstigten gaben an, dass die Prämie für ihren Haushalt eine mittlere oder große finanzielle Entlastung darstellt. Das wirkt sich offenbar auch auf die Zuversicht aus: Befragte ohne Inflationsausgleichsprämie machen sich zu 45 Prozent große Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und zu 40 Prozent um die eigene Situation, diejenigen mit Prämie zu 41 beziehungsweise 30 Prozent. Die Entwicklung der Lebenshaltungskosten betrachten mehr als die Hälfte derjenigen, die leer ausgegangen sind, mit großer Sorge, bei den Begünstigten nur 42 Prozent.
Eine Folge: 42 Prozent der Befragten ohne Prämie haben überhaupt kein Vertrauen in die Regierung, bei den Befragten mit Prämie rund ein Drittel. Spürbar weniger Sorgen um die finanzielle Zukunft, niedrigere Inflationserwartung und geringerer Spardruck beim Konsum.


„Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die finanzielle Entlastung durch die Inflationsausgleichsprämie dazu beigetragen hat, die Sorgen der Beschäftigten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Situation sowie der Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu mindern. Zudem scheint die Maßnahme das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Regierung etwas verbessert zu haben, was sich auch in geringeren Inflationserwartungen widerspiegelt.


Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Beschäftigte mit geringen Einkommen von dieser pauschalen Sonderzahlung prozentual (wenn auch nicht absolut) stärker profitieren als Beschäftigte mit hohen Einkommen und gerade untere und mittlere Einkommensgruppen durch die gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel finanziell besonders stark belastet waren“, erklären die IMK-Forscher.


Die Kauflaune hat sich dadurch stabilisiert: Bei allen abgefragten Konsumkategorien hatten die Befragten mit Prämie seltener vor, sich künftig einzuschränken. Besonders stark war der positive Effekt bei Reisen und Urlaub, Freizeit, Unterhaltung und Kultur, Gaststätten- und Restaurantbesuchen sowie bei Wohnungsinstandhaltung. In diesen Kategorien ist der Anteil der Befragten, die sich einschränken wollen, zwischen elf und sieben Prozentpunkte niedriger, wenn sie eine Entlastung erhielten.


„Die Inflationsausgleichsprämie dürfte die Konsumnachfrage dabei einerseits direkt über die Erweiterung der finanziellen Spielräume der Privathaushalte und andererseits indirekt über ihre dämpfende Wirkung auf die Inflationserwartungen und die Reduktion der Unsicherheit beeinflusst haben“, erklären die Autoren. Die gezahlten Summen seien tatsächlich „gesamtwirtschaftlich relevant“ gewesen, heißt es in der Studie.


In den Jahren 2022 und 2023 entsprachen sie jeweils 1,8 und 1,5 Prozent der Nettolöhne. Auch die Auswirkung auf den Fiskus – und spiegelbildlich die Entlastung von Unternehmen und Beschäftigten – war erheblich: Den Schätzungen des IMK zufolge hätte der Staat 33 Milliarden Euro mehr eingenommen, wenn die Beschäftigten statt der Inflationsausgleichsprämie steuer- und abgabenpflichtige Zahlungen in gleicher Höhe bekommen hätten. Wenn die Löhne so weit erhöht worden wären, dass die Beschäftigten netto dasselbe wie mit den Prämien erhalten hätten, wären es 58,1 Milliarden mehr gewesen.


Zum Vergleich: Die Energiepreisbremsen dürften den Staat etwa 40 Milliarden Euro gekostet haben. Um den gleichen Nettoeinkommenseffekt ohne Steuer- und Abgabenfreiheit zu erreichen, wären die Arbeitskosten um rund 68 Milliarden Euro zusätzlich gestiegen. Das heißt: Die Lohnstückkosten waren dank der Inflationsausgleichsprämie in den Jahren seit 2022 rund 1,5 Prozent niedriger. Die Ergebnisse zeigten, dass eine konzertierte Aktion von Staat, Gewerkschaften und Arbeitgebern externe Schocks abfedern und die Wirtschaft stabilisieren könne, so die IMK-Forscher.


Einziges Manko der Inflationsausgleichsprämien: Als Einmalzahlung läuft ihr Effekt zum Jahresende aus. „Die Tarifparteien sind jetzt gefragt, für Lohnerhöhungen zu sorgen, die die Kaufkraft auch ohne weitere Inflationsausgleichsprämien stärken“, sagt IMK-Direktor Dullien. „Denn ohne ein spürbares Wachstum des privaten Konsums wird die deutsche Wirtschaft sich nicht aus der aktuellen Stagnation befreien können.“


Wirtschaft auch in Krisenzeiten erfolgreich - IHK blickt auf gute Nachrichten aus dem letzten Jahr   

Duisburg(/Niederrhein, 2. Juli 2024 - Es gibt viele Themen, die die Wirtschaft in Duisburg und am Niederrhein ärgern. Neu sind sie allerdings nicht: Die Energiekosten sind zu hoch, Fachkräfte fehlen, die Infrastruktur ist kaputt. Mehr denn je brauchen die Unternehmer Anreize, die sie am Standort halten, sagt die Niederrheinische IHK. Gleichzeitig hilft auch ein Blick darauf, was in der Region gut gelaufen ist.  


„Frustriert zu sein, ist nicht schwer, wenn man sich all‘ die Probleme anschaut, die unsere Wirtschaft gerade hat. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, gilt für uns nicht. Wir packen an und zeigen gemeinsam mit unseren Betrieben: Am Niederrhein geht schon eine ganze Menge“, sagt Dr. Stefan Dietzfelbinger, IHK-Hauptgeschäftsführer. Einen Überblick liefert die IHK in ihrem Geschäftsbericht, einige Highlights folgen: Über 3000 neue Fachkräfte für den Niederrhein Kaum ein Betrieb hat ausreichend Fachkräfte.


Umso erfreulicher, dass die Niederrheinische IHK im vergangenen Jahr über 3.000 Azubis zählte, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Und auch die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ist gefragt. „Über 250 Mal haben wir dazu beraten. Das ist ein wichtiger Erfolg, wir brauchen die gezielte Zuwanderung. Bereits heute haben 27 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Damit unsere Wirtschaft ihre Potenziale ausschöpft, brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland“, betont Dietzfelbinger.


Duisburg erfolgreich bei Wasserstoff
Die Zusatzqualifikation Wasserstoff macht die Azubis von Thyssenkrupp Steel und den Hüttenwerken Krupp Mannesmann fit für grünen Stahl. Das hat selbst Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf den Plan gerufen. Und auch über die Landesgrenzen hinweg bis nach Norwegen und Ecuador ist die Weiterbildung ein Thema.  


Azubis retten Tonnen an CO2
Jeder Beitrag zählt, jeder gezogene Stecker spart Energie: Die Niederrheinische IHK schult Azubis darin, Energiefresser in ihrem Betrieb zu erkennen und auszuschalten. Und das schon seit 2015. In ihrer Rolle als Energiescouts haben sie seither knapp 7.000 Tonnen CO2 eingespart. Im Spätsommer startet die nächste Runde, bei der sich Unternehmen noch bewerben können.  


Binnenschiffer bundesweit digital ausgebildet
Sie entlasten Schiene und Straße und sind umweltfreundlicher als Lkw: die Binnenschiffe. Die IHK setzt sich deswegen für die Wasserstraße als Verkehrsweg ein. Auch die Forschung für autonomes Fahren geht voran. Dennoch werden Binnenschiffer weiter dringend benötigt. Damit diese gut ausgebildet sind, hat die Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort e. V. digitale Lehr- und Lernmaterialen entwickelt. Zusammengefasst werden sie unter dem kurzen Namen Quinwalo Plus (Qualification Inland Waterway Logistics).  


Der Niederrhein will gründen
Der Gedanke daran, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen, lag 2023 hoch im Kurs. Über 3000 Beratungen und 35 Prozent mehr Teilnehmer bei den Gründungsseminaren verzeichnete die Niederrheinische IHK. Auch die neuen Servicepunkte in Geldern, Kalkar und Moers kommen gut an bei den Unternehmern: Mitte 2023 eröffnet, haben schon 26 Veranstaltungen und Seminare stattgefunden. Weitere Erfolgserlebnisse aus dem letzten Jahr hat die Niederrheinische IHK in ihrem Geschäftsbericht zusammengefasst:
www.ihk.de/niederrhein/geschaeftsbericht


Deutschland ist noch zu retten, wenn …

Wirtschaftsgipfel Deutschland macht Mut trotz mittelmäßigem Zeugnis für den Standort
 Fürth/Duisburg, 25. Juni 2024 - Mehr als 100 Unternehmer, Führungskräfte und Medienvertreter waren am Wochenende zu Gast beim Wirtschaftsgipfel Deutschland in Fürth. Sie diskutierten unter anderem mit dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU), und dem Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Tobias Gotthardt (Freie Wähler), sowie zahlreichen Abgeordneten über Fragen des Standortes Deutschland.


Elefantenrunde beim Wirtschaftsgipfel Deutschland

Im Zentrum standen dabei die Themen Künstliche Intelligenz (KI), Fachkräftemangel und Innovationskraft. Die Teilnehmer aus dem In- und Ausland, darunter Unternehmer und Journalisten aus Frankreich, den USA und Österreich, stellten dem Wirtschaftsstandort Deutschland ein eher schlechtes Zeugnis aus. Es werde im internationalen Vergleich zu wenig gearbeitet, entwickelt und modernisiert. Viele Panelisten und Experten machten aber auch Mut.


Deutschland sei nach wie vor ein Standort mit Chancen, allerdings müsse wieder mehr Pioniergeist in die Köpfe einziehen. Die Realität sei viel besser als die Stimmung, sagten sowohl Vertreter der Politik als auch viele Top-Manager. Der Wirtschaftsgipfel Deutschland stand unter dem fragenden Motto: „Ist Deutschland noch zu retten?“.

Ja, so die Antwort, wenn wieder mehr investiert und weniger gejammert würde. Deutschland habe viel aufzuholen und könne vieles verbessern, aber es sei noch nicht abgehängt. Das gelte insbesondere für das Thema KI. „KI wird Menschen nicht ersetzen, aber es werden Menschen, die KI anwenden, die Menschen verdrängen, die sich der KI verweigern“, sagten sowohl Vertreter des Technologienunternehmens Avanade als auch der deutsch-amerikanische Unternehmensberater Gerald Wood in ihren Statements.


Die Avanade GmbH war auch in diesem Jahr Veranstaltungspartner des Wirtschaftsgipfel Deutschland. Dass durch Deutschland ein Ruck gehen müsse in Sachen Tatkraft, Digitalisierung und Veränderungsbereitschaft war das generelle Fazit der Teilnehmer verschiedener Branchen. Es mangele an Begeisterung, Risikobereitschaft und Unternehmergeist. Zudem sei die Bürokratielast für die Unternehmen zu hoch. Der Standort Deutschland brauche ein Update.


Einen Rückblick inklusive vieler Bilder, Statements und Ergebnisse sowie zum Programm, zu den Experten und prominenten Gästen aus Medien, Wirtschaft und Sport gibt es unter www.wirtschaftsgipfel.com.

WIRTSCHAFTSGIPFEL DEUTSCHLAND: SEIT 2005 ANREGEND ANDERS
Der Wirtschaftsgipfel Deutschland lädt seit 2005 einmal im Jahr Vordenker und kreative Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zur Diskussion rund um die Herausforderung Zukunft – Wandel in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen zentrale Themen wie „Die digitale Transformation“ (2015), „Wie führt Deutschland“ (2016), „Change – den Wandel gestalten” (2017), „Deutschland im Stillstand?“ (2018), „Deutschland denkt sich neu!“ (2019), „Wo steht Deutschland“ (2021) „Mut zur Veränderung (2022)“ oder „Chancen für Alle? (2023)“.


Fernab vom Tagesgeschäft bietet der Wirtschaftsgipfel Deutschland Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen idealen Rahmen, sich substanziell mit namhaften Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auszutauschen und Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Immer geht es um den Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppen, um einen kreativen Prozess zur Gestaltung neuer Gesellschaftsmodelle. Der Wirtschaftsgipfel Deutschland ist dafür eine inzwischen etablierte und anerkannte Plattform.

Im exklusiven, persönlichen Ambiente der Tagungsorte ist ein direkter, auch unkonventioneller Austausch möglich. Auf Augenhöhe begegnen, auch kontrovers diskutieren, im Detail sprechen – all das bietet der Wirtschaftsgipfel Deutschland durch sein bewusst auf maximal 150 Personen ausgerichtetes Veranstaltungskonzept. Weitere Informationen unter www.wirtschaftsgipfel.com


IMK hebt Konjunkturprognose leicht an: BIP steigt 2024 um 0,1, 2025 um 0,9 Prozent

Neuer Ausblick


Düsseldorf/Duisburg, 19. Juni 2024 - Die deutsche Konjunktur kann sich langsam aus ihrer Schwächephase lösen. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um durchschnittlich 0,1 Prozent wachsen, im nächsten um 0,9 Prozent. Positive Impulse für die Wirtschaftsentwicklung kommen vor allem vom privaten Konsum als Folge von gesunkener Inflation und höheren Lohnabschlüssen. Ab der zweiten Hälfte 2024 ziehen auch die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen an. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in seiner neuen Konjunkturprognose*.


Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist stabil, die Zahl der Erwerbstätigen nimmt in diesem Jahr um durchschnittlich 0,2 Prozent und 2025 um 0,1 Prozent zu. Bei leicht wachsendem Arbeitskräfteangebot steigt allerdings gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit leicht: im Jahresmittel 2024 um rund 150.000 Personen und 2025 um weitere 35.000. Die Arbeitslosenquote beträgt 5,9 Prozent und 6,0 Prozent – nach durchschnittlich 5,7 Prozent 2023. Die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt 2024 mit 2,4 Prozent wieder nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen und es mit 2,0 Prozent im Jahresmittel 2025 erreichen.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom März hebt das IMK die Wachstumserwartung beim BIP für dieses Jahr um 0,4 Prozentpunkte und für 2025 um 0,1 Prozentpunkte an. Hintergrund für den etwas positiveren Ausblick sind in erster Linie technische Gründe: Das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2024 ist höher ausgefallen als erwartet, außerdem hat das Statistische Bundesamt den BIP-Verlauf für das vergangene Jahr nach oben revidiert, sodass sich nun eine verbesserte Ausgangslage für die deutsche Wirtschaft ergibt.


Darüber hinaus verbessern sich auch die Rahmenbedingungen insgesamt leicht: Der Welthandel dürfte in diesem Jahr um 3 Prozent zunehmen, im nächsten Jahr um 3,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank, die auf ihrer Sitzung im Juni erste Zinssenkungen beschlossen hat, wird diesen Kurs wohl fortsetzen. Für Ende 2024 rechnen die Ökonom*innen mit einem EZB-Einlagenzins von drei Prozent. Die Finanzpolitik des deutschen Staates allerdings werde einen „merklich restriktiven“ Charakter haben, unter anderem, weil Maßnahmen zur Abfederung der Energiekrise auslaufen: Die gesamtstaatlichen Einnahmen nehmen 2024 um 3,9 Prozent und 2025 um 4,6 Prozent zu, die Ausgaben um 3,7 und 2,7 Prozent.

Als „Motor der Konjunktur“ dürfte sich der private Verbrauch erweisen, erwarten die IMK-Forschenden. Laut ihren Berechnungen legen die Bruttolöhne und -gehälter dank leicht steigender Beschäftigung und dynamischer Lohnzuwächse in diesem Jahr nominal um 5,2 Prozent und im nächsten Jahr um 3,7 Prozent zu. Allerdings wird es noch einige Monate dauern, bis die privaten Konsument*innen das „Vorsichtsprinzip“ ablegen, das sich viele in der Phase hoher Inflation angewöhnt haben. Infolgedessen wird die Sparquote zunächst noch leicht steigen, dann wieder sinken. Der reale private Konsum wird 2024 um 0,7 Prozent und 2025 um 1,9 Prozent steigen und damit gesamtwirtschaftlich jeweils den „maßgeblichen Wachstumsbeitrag“ liefern.

Als mögliche Risiken für die verhalten positive Entwicklung nennt das IMK weitere Eskalationen der Kriege in der Ukraine und Nahost sowie Handelskonflikte zwischen den USA, China und dem Euroraum. Es könnte aber auch besser als erwartet laufen – wenn es zwischen Russland und der Ukraine oder Israel und der Hamas zu Verhandlungslösungen kommen sollte.

Kerndaten der Prognose für 2024 und 2025:




– Arbeitsmarkt –
Die schwache, aber positive konjunkturelle Dynamik bringt ein leichtes Wachstum der Erwerbstätigkeit. Die Zahl der Erwerbstätigen legt 2024 jahresdurchschnittlich um 0,2 Prozent und 2025 noch um 0,1 Prozent zu. Gleichzeitig wächst die Arbeitslosigkeit leicht. Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im Jahresdurchschnitt 2024 einen Anstieg um rund 150.000 Personen, so dass im Jahresmittel rund 2,76 Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Das entspricht einer Quote von 5,9 Prozent. Für 2025 veranschlagen die Forschenden eine weitere geringfügige Zunahme der Arbeitslosigkeit um rund 35.000 auf knapp 2,8 Millionen Personen und eine Quote von 6,0 Prozent.

– Weltwirtschaft und Außenhandel –
Die Weltwirtschaft erholt sich 2024 und 2025 moderat, auch weil die Inflation global gesunken ist und weitere Zinssenkungen der Notenbanken in Aussicht stehen. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum steigt von 0,7 Prozent 2024 auf 1,4 Prozent im kommenden Jahr. Die BIP-Entwicklung in den USA verlangsamt sich zwar, allerdings auf vergleichsweise hohem Niveau: 2024 legt die US-Wirtschaft um 2,2 Prozent und 2025 um 1,7 Prozent zu.

Die deutschen Exporte erhalten so etwas stärkere Impulse von wichtigen Handelspartnern, was sich allerdings erst im kommenden Jahr im Durchschnittswert der Statistik niederschlägt: Im Jahresdurchschnitt 2024 sinken die Ausfuhren noch minimal um 0,2 Prozent, 2025 legen sie dann um 2,9 Prozent zu. Die Importe sinken in diesem Jahr um durchschnittlich 1,1 Prozent, im kommenden Jahr steigen sie um 4,0 Prozent.

– Investitionen –

Die Ausrüstungsinvestitionen werden laut IMK-Prognose zunächst nur verhalten, dann aber zunehmend kontinuierlich ausgeweitet. Ähnlich wie bei den Exporten schlägt sich die Erholung 2024 statistisch zwar im Verlaufswert nieder, aber noch nicht im Durchschnitt, der 2024 negativ bleibt: Im Jahresmittel gehen die Investitionen um 2,0 Prozent zurück, was allerdings auch mit einem statistischen Sondereffekt aus 2023 zusammenhängt.

Im kommenden Jahr legen sie hingegen um 3,1 Prozent zu. Dazu tragen die anziehenden Ausfuhren ebenso bei wie Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung von Energieversorgung und Produktion. Ein weiterer Faktor sind die wachsenden Ausgaben für Verteidigung, die als öffentliche Investitionen verbucht werden. Die Bauinvestitionen sinken wegen hoher Kosten und Zinsen weiter. Nach einem Rückgang um 2,0 Prozent im Jahresdurchschnitt 2024 fallen sie 2025 noch einmal um jahresdurchschnittlich 1,8 Prozent, wobei sich im Jahresverlauf eine leichte Belebung andeutet.

– Privater Konsum –
Bei gesunkener Inflation und stärkeren nominalen Lohnsteigerungen, unter anderem durch höhere Tarifabschlüsse, und bei leicht steigender Erwerbstätigkeit steigen die real Verfügbaren Einkommen der Haushalte wieder. Für 2024 und 2025 erwartet das IMK einen Zuwachs um jeweils 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt. Das wirkt positiv auf den Konsum. Die privaten Konsumausgaben wachsen im Jahresmittel 2024 real um 0,7 Prozent. 2025 legen sie um 1,9 Prozent zu.

– Inflation und öffentliche Finanzen –
Für 2024 rechnet das IMK mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 2,4 Prozent. 2025 beruhigt sich das Inflationsgeschehen noch weiter, im Jahresmittel liegt die Teuerungsrate bei 2,0 Prozent.

Die Steuereinnahmen steigen 2024 eher langsam, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen. 2025 nehmen sie dann etwas stärker zu. Das öffentliche Budget wird 2024 ein Defizit von 2,3 Prozent aufweisen. Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem restriktiveren Kurs aus. Das bremst die Konjunktur, lässt aber kurzfristig auch das Defizit weiter sinken auf 1,4 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025.




Stadt, IHK und Unternehmerverband starten das neue Duisburger Bündnis für Vereinbarkeit

Duisburg, 17. Juni 2024 - Die Stadt Duisburg, die Niederrheinische IHK und der Unternehmerverband gaben am 14. Juni den Startschuss für das neu aufgestellte Duisburger Bündnis für Vereinbarkeit im Rahmen einer Kick-off-Veranstaltung mit heimischen Unternehmen im Digitalkontor am Schwanentorufer.


In seiner Eröffnungsrede betonte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link: „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört zu den zentralen Herausforderungen heutiger Arbeitswelten. Das gemeinsame Bündnis von Stadt, Unternehmerverband und IHK bietet für Unternehmen die Möglichkeit, sich auszutauschen und innerhalb des Netzwerks voneinander zu lernen. Für den Standort Duisburg ist dies ein weiteres Plus im Kampf um die besten Fachkräfte.“

Oberbürgermeister Sören Link unterschreibt, neben 35 weiteren Unternehmen die Charta des Bündnis für Vereinbarkeit. Foto: Tanja Pickartz / Stadt Duisburg


Das Engagement des Bündnisses bezieht sich auf einen umfassenden und modernen Ansatz der Vereinbarkeit, der lebensphasenorientiert Themen wie Beruf, Familie, Pflege, Ehrenamt und persönliche Lebensgestaltung einbezieht. Hervorgegangen ist das neue Bündnis für Vereinbarkeit aus dem „Lokalen Bündnis für Familie Duisburg“, das bereits seit 2014 Informationen und Impulse rund um das Thema Familienfreundlichkeit bietet – und das als weitere Säule des neuen Bündnisses rund um Netzwerkangebote weiterbestehen wird.


Die Planungen für das neue Bündnis-Konzept wurden gemeinsam mit breiter Unterstützung von Unternehmen und Organisationen vorangetrieben. „Wir möchten damit eine Netzwerkplattform bieten, auf der sich unsere Unternehmen austauschen, durch die Duisburger Charta für Vereinbarkeit und die ausgezeichneten Unternehmen inspirieren lassen und voneinander lernen können. Über 35 Unternehmen und Institutionen haben beim Kick-off die Duisburger Charta unterzeichnet. Das ist eine eindrucksvolle Resonanz aus der hiesigen Wirtschaft, die ein Zeichen für eine moderne und chancenreiche Arbeitswelt in unserer Stadt setzt“, so Michael Rüscher, Wirtschaftsdezernent der Stadt.


Ein zentrales Standbein des Bündnisses ist die Duisburger Charta für Vereinbarkeit. Damit das Engagement für Vereinbarkeit nach innen und außen sichtbar wird, können Duisburger Unternehmen und Organisationen die „Duisburger Charta für Vereinbarkeit“ unterzeichnen. Dies ist eine Art Selbstverpflichtung, die so die eigenen Prinzipien und Ziele rund um das Thema Vereinbarkeit benennt. „Mit dieser Charta senden die Unternehmen ein wichtiges Signal an die eigene Belegschaft; sie können sie aber auch nutzen, um die eigene Arbeitgebermarke zu stärken“, sagte Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes.


Als Highlight verleiht das Bündnis alle zwei Jahre die Auszeichnung „Vorbildliche Vereinbarkeit“ an Unternehmen. „Viele Unternehmen engagieren sich sehr, sehr stark rund um das Thema Vereinbarkeit. Das wollen wir auch würdigen“, so Matthias Wulfert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer. „Dabei ist uns wichtig, dass wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – deshalb gibt es vier Größenklassen, gestaffelt nach Beschäftigtenzahl. Die Auszeichnung wirkt ebenfalls stark in Richtung Employer Branding.“


Unternehmen können sich ab sofort für die Auszeichnung bewerben – oder sie werden nominiert; beispielsweise von Mitarbeitenden, Betriebsräten, Kunden oder Partnern. Das Thema Vereinbarkeit sei für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen elementar, so der Tenor von Stadt, IHK und Unternehmerverband. Das neue Bündnis sei deshalb für den Wirtschaftsstandort Duisburg ein weiterer wichtiger Mosaikstein. Nach den Sommerferien solle es erste Netzwerkangebote geben, im Spätherbst sei dann die erste Auszeichnung von Unternehmen geplant.


Informationen zum Bündnis und zum Thema Vereinbarkeit: Magdalena Kowalczyk, Stadt Duisburg, Kompetenzzentrum Frau & Beruf Niederrhein, T: 0203 283-4997, m.kowalczyk@stadt-duisburg.de, Judith Hemeier, Niederrheinische Industrie- und Handelskammer, T: 0203 2821- 289, hemeier@niederrhein.ihk.de und Christian Kleff, Unternehmerverband, T: 0203 99367-225, kleff@unternehmerverband.org


Befragung zur EU-Wahl in 10 Ländern: Teilhabemöglichkeiten im Job und gute Arbeitsbedingungen positiv für demokratisches Klima

Düsseldorf/Duisburg, 4. Juni 2024 - Transformationssorgen bedrohen es Arbeitsbedingungen haben europaweit einen Einfluss darauf, wie Erwerbspersonen zur Demokratie stehen. Das zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, für die rund 15.000 Erwerbstätige und Arbeitsuchende in zehn EU-Ländern befragt worden sind.

Erwerbspersonen, die unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen sind, bei denen die Bezahlung nicht stimmt und die im Job wenig Mitsprachemöglichkeiten haben, haben in Deutschland und zahlreichen weiteren untersuchten Ländern überdurchschnittlich oft negative Einstellungen gegenüber der Demokratie in ihrem Land und gegenüber Zugewanderten.


Zudem fühlen sie sich stärker von der Transformation von Wirtschaft und Arbeitswelt bedroht. Bessere Arbeitsbedingungen korrelieren hingegen mit positiveren Einstellungen zur Demokratie und einem höheren Vertrauen in deren Institutionen. Dies gilt auch für das Vertrauen in die Europäische Union. Für die Studie wurden pro Land je 1500 Erwerbspersonen befragt, also Menschen, die erwerbstätig oder arbeitsuchend sind.


Die Umfragen fanden online im November und Dezember 2023 in Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Schweden und Ungarn statt, also in Ländern, die sich bei der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage ebenso unterscheiden wie in institutionellen Strukturen der Politik, am Arbeitsmarkt und bei den industriellen Beziehungen. Die Befragung deckt die Erwerbspersonen in den jeweiligen Ländern in Hinblick auf Alter, Geschlecht und Bildung repräsentativ ab. Sie erlaubt jedoch keine detaillierte Vorhersage der Wahlen, da sie nicht auf einer Zufallsstichprobe basiert.


Es lassen sich aber belastbare Zusammenhänge, zum Beispiel zwischen Einstellungen zur Demokratie und Arbeitsbedingungen, aufzeigen. Bei der Europawahl können 350 Millionen Wahlberechtigte über die Zukunft Europas entscheiden, viele davon sind Erwerbspersonen. In Umfragen werden starke Zuwächse für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien vorhergesagt.


„Von der Studie gehen drei Botschaften aus: Erstens zeigt sie, dass schlechte Arbeitsbedingungen und das sich daraus ergebende Potenzial für Frust sowie Benachteiligungs- und Ohnmachtserleben in allen untersuchten Ländern ein Nährboden für die Entstehung anti-demokratischer Einstellungen sind, die dann von rechten Parteien mobilisiert werden können.

Zweitens stärken gute Arbeitsbedingungen das Vertrauen in die EU und das selbst in den Ländern, in denen EU-ablehnende Parteien regieren oder bis vor kurzem regiert haben. Drittens stärken Transformationssorgen extrem rechte Parteien. Progressive Kräfte in der EU sollten daher ein Interesse daran haben, diese Transformationsprozesse sozial gerecht zu gestalten. Die Arbeitswelt ist europaweit relevant, um den Aufstieg der politischen extremen Rechten zu verstehen und zu bekämpfen“, fasst Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI, zentrale Ergebnisse der Studie zusammen.


„Eine wichtige Rolle spielen etwa faire Bezahlung, das Gefühl, bei Arbeitsmenge und Arbeitszeiten nicht dem Arbeitgeber ausgeliefert zu sein sowie Beteiligungsrechte im Job, wie sie insbesondere durch Gewerkschaften und Institutionen der Mitbestimmung vorangetrieben werden – etwa in Deutschland durch Betriebs- und Personalräte“, so Kohlrausch. „In den meisten Ländern zeigen sich ähnliche Zusammenhänge: Wer bessere Arbeitsbedingungen hat, fühlt sich gesellschaftlich integrierter und steht der Demokratie positiver gegenüber“, sagt die Soziologin.


„Mit Blick auf die Transformationsherausforderungen durch Digitalisierung und Klimakrise macht das klar, wie wichtig eine sozial gerechte und mitbestimmte Ausgestaltung gerade auch am Arbeitsplatz ist.“ In empirischen Studien konnte das WSI bereits für Deutschland zeigen, dass es zwischen den Erfahrungen, die Menschen im Kontext von Erwerbsarbeit machen, und ihren Einstellungen zur Demokratie einen Zusammenhang gibt. Je stärker Erwerbsarbeit Erwerbspersonen materielle Teilhabe, demokratische Mitbestimmung und soziale Anerkennung garantiert, desto seltener neigen sie zu anti-demokratischen Einstellungen.


Ob sich ähnliche Zusammenhänge auch für andere EU-Länder beobachten lassen, untersuchte Kohlrausch zusammen mit ihrem WSI-Forscherkollegen Dr. Andreas Hövermann sowie mit Prof. Dr. Bart Meuleman von der KU Leuven in Belgien. 


Drei Dimensionen der Arbeitsbedingungen abgefragt
Den Befragten wurden länderübergreifend dieselben Fragen gestellt. Diese bezogen sich auf drei Dimensionen von Arbeitsbedingungen: Erstens die Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsplatz, die WSI-Direktorin Kohlrausch auch als „wirtschaftliche Staatsbürgerrechte“ bezeichnet. Wichtig dafür ist etwa, ob Erwerbspersonen bei Entscheidungen im Arbeitsalltag übergangen oder beteiligt werden oder ob man im Betrieb offen über Gewerkschaften und Mitbestimmung sprechen kann, ohne Nachteile befürchten zu müssen.


Zweitens ging es um gute Arbeitsbedingungen, z.B., ob die Arbeit die Möglichkeit bietet, dazuzulernen, ob es Aufstiegsmöglichkeiten gibt oder ob die Befragten Einfluss nehmen können auf tägliche Arbeitsorganisation und Arbeitstempo. Drittens die subjektive Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen, die unter anderem zentrale Aspekte sozialer Anerkennung umfasst, wenn etwa gefragt wird, inwiefern die Befragten das Gefühl haben, dass ihre Leistungen mit dem Gehalt angemessen gewürdigt werden.


Außerdem wurde erfasst, ob die eigenen Arbeitszeiten die Vereinbarkeit von Leben und Erwerbsarbeit ermöglichen oder nicht (die genauen Wortlaute der gemessenen Aussagen finden sich in Abbildungen.


Detaillierte Befunde der Untersuchung: Wahlabsichten bei der Europawahl, Zufriedenheit mit der Demokratie und ihren Institutionen „Der Blick auf die bevorstehende Europawahl ist beunruhigend“, konstatieren Kohlrausch, Hövermann und Meuleman.


Wie in anderen Befragungen zeichnet sich ab, dass eine beträchtliche Anzahl an Wähler*innen Parteien der extremen Rechten zuneigt. Gleichzeitig gilt aber auch, dass die Mehrheit der Erwerbspersonen in allen Ländern weder vorhat, rechts zu wählen noch in der Vergangenheit rechts gewählt hat. Überdurchschnittlich oft planen Männer und Erwerbspersonen mit niedrigen Schulabschlüssen, ihre Stimme einer extrem rechten Partei zu geben. Auch Menschen mit negativen Einstellungen gegenüber Zugewanderten planen häufiger, eine extrem rechte Partei zu wählen.


Wichtig ist nach Analyse der Forschenden zudem, dass der Wahlerfolg extrem rechter Parteien nicht direkt mit dem Einstellungsklima in einem Land – also etwa der Verbreitung anti-demokratischer Einstellungen korreliert. So sind zum Beispiel populistische oder muslimfeindliche Einstellungen in nahezu allen Ländern weit verbreitet. Trotzdem unterscheidet sich das Ausmaß des Zuspruchs zu extrem rechten Parteien erheblich von Land zu Land. Hier scheint auch die Angebotsseite der Politik, zum Beispiel das jeweilige Parteienspektrum, und der Einfluss extrem rechter Parteien eine wichtige Rolle für die Wahlpräferenzen in den jeweiligen Ländern zu spielen.


In allen untersuchten Ländern wird das Prinzip der Demokratie von einer Mehrheit der Befragten als sehr wichtig erachtet, jedoch ist die Zufriedenheit mit dem konkreten Funktionieren der Demokratie im Vergleich zu dieser grundsätzlichen Wertschätzung schwächer und unterscheidet sich stark von Land zu Land. Bemerkenswerter Weise zeigt sich auch kein einheitliches Muster beim Zusammenhang von Zufriedenheit mit der Demokratie und der Zustimmung zu rechten Parteien.

In vielen Staaten neigen Befragte, die mit der Demokratie zufrieden sind, seltener Rechtsaußenparteien zu, der statistische Zusammenhang ist aber meist schwach. In Deutschland und Spanien ist er hingegen stärker ausgeprägt.


Sondersituation in Ungarn, Polen und Italien
Ganz anders ist das Bild in Ungarn, Polen und Italien, wo Rechtsparteien an der Regierung sind oder bis vor kurzem waren. Dort zeigt sich der gegenteilige Effekt: Je höher die Zufriedenheit mit der Demokratie, desto höher die Wahlabsicht für eine extrem rechte Partei. Das mache deutlich, dass Menschen ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie haben und auch der Demokratiebegriff „von rechten oder totalitären Regimen erfolgreich für sich instrumentalisiert werden kann“, so die Forschenden.


„Dabei haben die Fidesz-Regierung in Ungarn und die vormalige PiS-Regierung in Polen die Medienfreiheit, den Rechtsstaat und die demokratischen Möglichkeiten insgesamt ja spürbar beschnitten“, betont WSI-Forscher Hövermann. Analog dazu zeigt sich für Ungarn, Polen und Italien, dass im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern das Vertrauen in Institutionen mit mehr extrem rechter Parteiwahl einhergeht – ein klares Zeichen des Einflusses rechter Parteien auf die dortigen Institutionen.


Zudem verdeutliche dies, dass etablierte politikwissenschaftliche Zusammenhänge, wonach mehr Institutionenvertrauen mit weniger rechter Parteiwahl einhergehe, für Länder mit extrem rechten Regierungen nicht gleichermaßen weitergelten, sondern deutlich komplexer geworden seien. Zudem zeige sich lediglich in Polen, Ungarn und Italien ein Muster, dass „anti-elitäre” populistische Ansichten nicht mit einer erhöhten Wahlpräferenz für extrem rechte Parteien einhergehen. I


n Ungarn sei es sogar so, dass diese mit einer geringeren rechten Wahlpräferenz assoziiert seien. Wenn die populistische extreme Rechte an der Macht ist, könne es also passieren, dass sie ihre Glaubwürdigkeit verliere, den Willen „des Volkes“ zu vertreten. So könne sich das Anti-Establishment-Element des Populismus und die Unzufriedenheit mit der Demokratie sogar gegen die populistischen Kräfte an der Macht wenden.


In Polen, Ungarn und Italien wirkt zusätzlich ein anderer Zusammenhang: Fragt man nach dem Vertrauen in die EU, geht dieses wie in allen anderen betrachteten Ländern auch, eher mit einer geringeren Wahlneigung nach weit rechts einher. Hier zeigt sich, dass das Vertrauen in die EU, auch in Ländern, die von extrem rechten Parteien regiert werden, demokratische Haltungen stärkt.

Demokratische Teilhabeerfahrungen im Job und gute Arbeitsbedingungen stärken meist die Demokratie insgesamt
In allen zehn Ländern zeigt sich: Demokratische Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsplatz stärken demokratische Haltungen der Beschäftigten, so die WSI-Studie. Das gilt auch, wenn sonstige soziodemografische Faktoren statistisch kontrolliert werden, was die Relevanz des Zusammenhangs zwischen Arbeitsbedingungen und Haltungen zur Demokratie unterstreicht, da die beobachteten Unterschiede nicht mit anderen Faktoren, wie zum Beispiel einer höheren Bildung von Befragten mit mehr Demokratievertrauen, zu erklären sind.


Erwerbspersonen, die ihren Arbeitsalltag mitgestalten können und Mitspracherechte am Arbeitsplatz haben, sind in allen untersuchten Staaten zufriedener mit der Demokratie (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version). In sieben Ländern hat Demokratie in diesem Fall auch einen höheren Stellenwert für die Befragten. Ebenfalls in allen Ländern korreliert größere demokratische Teilhabe im Job mit einem höheren Vertrauen in die Institutionen sowie mit positiveren Einstellungen gegenüber Zuwanderung. Außerdem zeigt sich in allen Ländern ein positiver Zusammenhang zwischen der Erfahrung demokratischer Teilhabemöglichkeiten bei der Arbeit und mehr Vertrauen in die EU.


Auch hier bestätigt sich, dass das Vertrauen in die EU demokratische Haltungen stärkt. Befragte mit demokratischen Teilhabeerfahrungen in der Arbeit sind in den meisten Ländern dort zu finden, wo auch eine Mitarbeiter*innenvertretung, wie in Deutschland die Betriebs- und Personalräte, existiert. „Betriebliche Interessenvertretungen erweisen sich also auch in dieser Studie als wichtige Ermöglicher demokratischer Teilhabe und guter Bedingungen bei der Arbeit”, erklärt WSI-Forscher Hövermann. 


Sehr ähnlich sind in den meisten untersuchten Staaten die Zusammenhänge zwischen guten Arbeitsbedingungen und der demokratischen Integration von Erwerbspersonen. In den allermeisten betrachteten Ländern sind Erwerbspersonen zufriedener mit der Demokratie und schätzen sie grundsätzlich stärker, haben ein höheres Vertrauen in die nationalen Institutionen und die EU sowie eine positivere Einstellung zur EU und zu Zuwanderung, wenn ihnen die Arbeit die Möglichkeit lässt, dazuzulernen, oder sie auf die tägliche Arbeitsorganisation und das Arbeitstempo Einfluss nehmen können, wenn sie angemessen bezahlt werden, ihre Arbeitszeiten auch Raum für die Familie lassen und sie Anerkennung im Job verspüren.


Während in allen untersuchten Ländern sehr deutliche Zusammenhänge zwischen den Bedingungen in der Arbeitswelt und dem demokratischen Klima zu finden sind, ergibt sich mit Blick auf die Wahlpräferenz für extrem rechte Parteien ein weniger klares Bild. Hier ist zu bedenken, dass sich die Angebotsseite des Parteienspektrums in den Ländern sehr unterscheidet und Vergleiche somit nur eingeschränkt möglich sind.


In Deutschland und Schweden äußern Befragte mit mehr Teilhabemöglichkeiten im Job spürbar seltener eine Wahlpräferenz für Parteien der extremen Rechten, in Spanien sind vor allem die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen und in Schweden zudem noch gute Arbeitsbedingungen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit, extrem rechte Parteien zu wählen, assoziiert.


In den meisten anderen Ländern ist dieser Effekt ebenfalls vorhanden, aber nur schwach ausgeprägt. In Ungarn und Polen, und etwas weniger ausgeprägt in Italien, zeigt sich erneut ein gegenläufiger Trend. Berücksichtigt man den Befund, dass in allen betrachteten Ländern – also auch in Ländern, in denen rechte Regierungen die nationalen Institutionen prägen konnten – wirtschaftliche Staatsbürgerrechte mit höherem Institutionenvertrauen einhergehen, scheinen gute Arbeitsbedingungen auch gewisse systemstabilisierende Effekte haben zu können – wie auch immer das Land politisch gefärbt ist.


Jedoch korrelieren auch in Polen, Ungarn und Italien demokratische Teilhabemöglichkeiten, gute Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen auch mit einem höheren Vertrauen in die EU, was wiederum mit einer geringeren Wahlpräferenz extrem rechter Parteien assoziiert ist. „Letzteres bedeutet, dass gute Arbeitsbedingungen durchaus das Potenzial haben, Vertrauen in die EU zu stärken, auch in Ländern, die von rechten Regierungen regiert werden“, so Hövermann.


Die EU solle somit ein Interesse daran haben, Rahmenbedingungen für gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Zusammengefasst: Insgesamt sind gute Arbeitsbedingungen europaweit ein Nährboden für demokratiestärkende Einstellungen. Inwieweit sich diese dann auch in entsprechende Wahlpräferenzen übersetzen, hängt allerdings stark von der Angebotsseite des jeweiligen Parteiensystems und dem politischen Klima des entsprechenden Landes ab. Sorgen vor den Auswirkungen der Transformation wirken meist negativ Auffällig ist schließlich, dass Job-Sorgen wegen der Transformation eine Relevanz für die Wahlpräferenz einer extrem rechten Partei haben
.

Konkret zeigt sich in fünf Ländern (Deutschland, den Niederlanden, Polen, Frankreich und Schweden), dass Befragte mit Transformationssorgen, also der Angst vor negativen Auswirkungen auf die eigene Arbeit aufgrund von Digitalisierung oder der politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, eine signifikant erhöhte Wahlpräferenz für extrem rechte Parteien haben. Diese Transformationssorgen sind vor allem unter Befragten mit geringen Einkommen relevant, da sie hier in allen erfassten Ländern besonders verbreitet sind.


Auch zeigt sich, dass diejenigen, die Transformationssorgen um ihren Job haben, in den allermeisten Ländern weniger zufrieden mit der Demokratie sind und ein geringeres Institutionenvertrauen äußern. „Wie mit den Job-Sorgen der Erwerbstätigen umgegangen wird, hat angesichts der enormen Transformationsherausforderungen somit auch für die Einstellungen zur Demokratie Konsequenzen. Berücksichtigt man die soziodemografische Verteilung dieser Sorgen, bekommt eine sozial gerechte und abgefederte Ausgestaltung der Transformation eine besondere Bedeutung”, resümiert WSI-Direktorin Kohlrausch.  


Gleichzeitig machen sich in einigen Ländern diejenigen weniger Sorgen um den Wandel in der Arbeitswelt, die auch eine größere Autonomie bei der Arbeit und generell bessere Arbeitsbedingungen angeben. Entsprechend scheinen auch hier die Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten mitzubestimmen einen Hebel dafür darzustellen, Sorgen vor der Transformation abzufedern. 


600 Milliarden Euro staatliche Extra-Investitionen über 10 Jahre können öffentliche Infrastruktur und Wirtschaft zukunftsfähig machen

Neue Studie von IMK und IW

Düsseldorf/Duisburg im Mai 2024 - Der deutsche Staat muss und kann über die kommenden zehn Jahre jährlich etwa 60 Milliarden Euro gezielt zusätzlich investieren, um Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen mit Blick auf Klimaschutz und Klimaanpassung, Energie- und Verkehrswende, demografischen Wandel und Digitalisierung. Mit den insgesamt rund 600 Milliarden Euro könnten bis Mitte der 2030er Jahre nicht nur der Investitionsstau in den Kommunen aufgelöst werden, sondern auch dringend nötige Fortschritte in der Qualität der Bildungsinfrastruktur, bei Energie- und Verkehrsnetzen, Öffentlichem Verkehr sowie bei der Dekarbonisierung des Landes erzielt werden.



Eine derartige Investitionsoffensive würde wirtschaftliche Vorteile über Jahrzehnte bringen – etwa weil eine höhere Produktivität durch bessere Bildung und effektivere Technik die geringere Anzahl an Arbeitskräften in einer alternden Gesellschaft teilweise ausgleichen kann. Berücksichtigt sind auch kommunale Klimaanpassungsinvestitionen, die helfen können, drohende Schäden durch den Klimawandel zu begrenzen. Weil künftige Generationen von diesen Investitionen profitieren, ist es sinnvoll, diese auch über Kredite zu finanzieren.


Die Regelungen zur Schuldenbremse sollten so schnell wie möglich modifiziert werden, um den notwendigen Spielraum für Kredite zu ermöglichen. Dafür liegen mit einer „Goldenen Regel“ oder einem Infrastrukturfonds bereits praxistaugliche Vorschläge vor, die rasch umgesetzt werden könnten – politischen Willen vorausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommen das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen gemeinsamen Studie.*

Die Untersuchung schlüsselt auch den notwenigen Investitionsbedarf in unterschiedlichen Bereichen auf (siehe auch die Tabelle in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Die Forschenden stellen die Untersuchung heute in der Bundespressekonferenz in Berlin vor.

IMK und IW hatten den zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarf für die folgenden zehn Jahre 2019 schon einmal beziffert – damals auf rund 460 Milliarden Euro. In der Zwischenzeit habe es in einigen Bereichen deutliche Fortschritte gegeben, beispielsweise beim Breitbandausbau und beim Bau von Kitas, schreiben Prof. Dr. Sebastian Dullien (IMK), Prof. Dr. Michael Hüther (IW), Dr. Katja Rietzler (IMK) und Dr. Simon Gerards Iglesias (IW) in ihrer jetzt vorgelegten Aktualisierung.


Dass sich gleichwohl „die Dringlichkeit einer verstärkten öffentlichen Investitionstätigkeit in den vergangenen fünf Jahren noch einmal verschärft“ habe, erklären die Ökonom*innen einerseits mit den multiplen Krisen seit 2020 und ihren Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial: „Die gesamtwirtschaftliche Lage hat sich über die Pandemie hinweg von einer dynamischen Entwicklung zu einer hartnäckigen Stagnation gewandelt, bei der neben verstärkten Unsicherheiten über die Energieversorgung und die Energiepreise in Deutschland auch Sorgen der Unternehmen über eine demografisch bedingte Wachstumsschwäche, schwaches Produktivitätswachstum und damit einen mittel- und langfristig stagnierenden Absatzmarkt eine wichtige Rolle spielen dürften. Die Stärkung des Wachstumspotenzials ist eine zentrale Voraussetzung, um nicht nur die Stagnation zu überwinden, sondern auch, um die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben einigermaßen spannungsfrei bewältigen zu können“, so die Forschenden.


Hinzu komme der beschleunigte Transformationsdruck, vor allem bei der Energieversorgung: „Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der anschließende Wegfall des russischen Pipeline-Erdgases als zuverlässige und kostengünstige Brückentechnologie haben erhebliche Auswirkungen auf Deutschlands Energieversorgung, Versorgungssicherheit und die Einschätzbarkeit der künftigen Energiepreise. Daher muss der Ausbau heimischer erneuerbarer Energien umso stärker priorisiert werden.“

Andererseits, so die Expert*innen, seien die Anforderungen an den Klimaschutz durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 und die resultierende Änderung des Klimaschutzgesetzes im August 2021 noch einmal deutlich gestiegen, was sich nun in erheblich höheren Investitionsbedarfen spiegelt – beispielsweise für ein Wasserstoffnetz. Mehr und mehr trete auch der Bereich Klimaanpassung in den Fokus, der 2019 noch ausgeblendet war. Und schließlich sind seitdem die Preise erheblich gestiegen, zudem habe sich die Demografie deutlich anders entwickelt als noch vor wenigen Jahren vorausberechnet: Durch die starke Zuwanderung ist die Bevölkerung in Deutschland größer und auch jünger als erwartet. Das bietet langfristig Chancen, erhöht in nächster Zeit aber den Investitionsbedarf zusätzlich, beispielsweise in Bildungseinrichtungen und Wohnungen.

„Wenn man so will, waren die vergangenen fünf Jahre Jahre der Wahrheit. 2019 sind auch wir von einer Transformation in kleineren Schritten ausgegangen, als wir das heute tun“, fasst Katja Rietzler, IMK-Expertin für Fiskalpolitik, die Rahmenbedingungen der aktualisierten Studie zusammen. Diese Verschiebung sei deutlich in den neuen Zahlen zu erkennen. „Die Investitionsbedarfe für die Dekarbonisierung, die Schieneninfrastruktur, den ÖPNV und die Klimaanpassung machen inzwischen zusammen rund die Hälfte der Investitionsbedarfe aus.“

„Die deutsche Wirtschaft steht vor gigantischen Herausforderungen“, sagt IW-Direktor Michael Hüther. „Wir brauchen jetzt Mut, um uns vom Stückwerk zu verabschieden und das Land langfristig zukunftsfähig zu machen.“

IMK-Direktor Sebastian Dullien sagt: „Vermeintlich belastbare Brücken in die Zukunft sind weggebrochen, etwa Gas als Zwischentechnologie. Wir müssen daher noch mehr tun, um unsere wirtschaftliche Basis durch Modernisierung zu sichern. Und nicht zuletzt das Leid und die Milliardenschäden durch die Flutkatastrophe 2021 haben deutlich gemacht, dass es sich lohnt, beim Klima in Prävention und Anpassung zu investieren statt in enorm teure Reparaturen. Deshalb müssen wir mehr Geld in kürzerer Frist einsetzen, obwohl zwischenzeitlich durchaus investiert wurde. Aber das kann auch Vorteile haben: Wenn wir erfolgreich Tempo machen, ist der Umbau schneller geschafft. Davon profitieren auch Wirtschaft und Beschäftigte – und natürlich auch die nächste Generation.“

Wo investiert werden muss: Kommunale Infrastruktur, Bildung, Schiene, Klimaschutz, Wohnen

Auf Basis eines breiten Kranzes von aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen der eigenen und externer Institute rechnen IMK und IW mit folgendem zusätzlichen Investitionsbedarf (Tabelle in der pdf-Version):

• Angesichts der über Jahre entstandenen Lücken kalkulieren die Forscher*innen mit einem guten Drittel der zusätzlichen Investitionssumme, um den bei Städten und Gemeinden aufgelaufenen Sanierungsstau aufzulösen. Gestützt auf Analysen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) veranschlagen sie dafür rund 177 Milliarden Euro über zehn Jahre. Hinzu kommen gut 13 Milliarden Euro, mit der die Klimaanpassung in Städten und Gemeinden vorangetrieben werden soll, etwa zum Schutz gegen Starkregen und Hitze.

• Rund 200 Milliarden Euro über zehn Jahre veranschlagen die Fachleute für öffentliche Investitionen in Klimaschutz. Als größten Einzelposten machen sie die energetische Gebäudesanierung aus. Weitere wichtige Aufgaben sind der Netzausbau für Strom und Wasserstoff, Wärmenetze, weitere Erzeugungs- und Speicherkapazitäten für Erneuerbare Energien sowie die Förderung von Energieeffizienz und Innovationen.

• Rund 127 Milliarden Euro sollten zusätzlich in Verkehrswege und ÖPNV investiert werden: Knapp 60 Milliarden Euro, um das Schienennetz zu modernisieren und zu erweitern, weitere gut 28 Milliarden, um den Öffentlichen Personennahverkehr auszubauen. Mit 39 Milliarden Euro sollen die Rückstände bei der Instandhaltung von Fernstraßen abgebaut werden.

• Als vierten großen Posten nennen die Wissenschaftler*innen einen Investitionsbedarf von knapp 42 Milliarden Euro für eine bessere Bildungsinfrastruktur. Davon sollten rund sieben Milliarden in den Ausbau von Ganztagsschulen fließen. Weitere knapp 35 Milliarden Euro müssten bereitgestellt werden, um den Sanierungsbedarf an Hochschulen abzudecken. Hier wie in allen anderen Bereichen gilt: Die veranschlagten Investitionskosten decken nicht die laufenden Betriebskosten von modernisierten oder neu geschaffenen Kapazitäten ab, die in der jährlichen öffentlichen Finanzplanung berücksichtigt werden müssen. So braucht es etwa für neue und bessere Ganztagsschulen auch zusätzliches pädagogisches Personal.  

• Schließlich sehen IMK und IW zusätzlichen Investitionsbedarf, um den Wohnungsmangel in vielen deutschen Großstädten zu mildern. Über zehn Jahre sollen daher zusätzlich knapp 37 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen.


Finanzierungsspielräume schaffen: Investitionen von Verschuldungsverboten freistellen oder Infrastrukturfonds

Auch wenn der Betrag von knapp 600 Milliarden Euro über zehn Jahre gigantisch erscheint: Im Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung sei der zusätzliche Finanzbedarf von jährlich rund 60 Milliarden Euro oder rund 1,4 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) „eine überschaubare Größenordnung“, schreiben die Forschenden.

Es sei zwar unrealistisch, diese Summen durch Umschichtungen oder Kürzungen in den öffentlichen Haushalten zusammenzubekommen, eine Kreditfinanzierung der Zukunftsinvestitionen daher unumgänglich, das sei aber auch sinnvoll und mache sich bezahlt: Wenn man die in der wissenschaftlichen Literatur üblicherweise veranschlagten Wachstumseffekte von Ausgaben für Infrastruktur oder Bildung einberechne, „so ist bei einer solchen kreditfinanzierten Investitionsoffensive mittel- bis langfristig sogar mit einer niedrigeren Schuldenquote zu rechnen als ohne eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen“, betonen die Ökonom*innen.


Und selbst wenn man den irrealen Fall konstruiere, dass die Investitionen keinerlei zusätzliches Wachstum brächten, sei die Verschuldung tragbar: Denn sogar dann falle der von Wirtschaftsforschenden prognostizierte Wachstumstrend der deutschen Wirtschaft stark genug aus, damit die öffentliche Schuldenquote im Verhältnis zum BIP weiter sinke und in absehbarer Zeit unter die EU-Grenze von 60 Prozent falle.

Blockiert wird der Umstieg auf einen ambitionierten Investitionskurs über die nächste Dekade hingegen durch die schematischen deutschen und teilweise auch europäischen Schuldenregeln, so die gemeinsame Analyse von IMK und IW. Dass diese aus der Zeit gefallen seien, sei, auch im Vergleich zu 2019, zunehmend Konsens in der Wirtschafswissenschaft und zum Teil auch der Wirtschaftspolitik. Mittlerweile würden „eine Reihe von möglichen Lösungen diskutiert“, um die Schuldenbremse zu reformieren und den notwendigen finanziellen Spielraum zurückzugewinnen.

Ein Lösungsansatz wäre ein großvolumiger Infrastrukturfonds, der, wie das Sondervermögen für die Bundeswehr, von der Schuldenbremse ausgenommen wäre. Als Variante dazu könnten Unternehmen in öffentlichem Eigentum die Aufgabe der Investitionsfinanzierung übernehmen. Alternativ könnten die Schuldenbremse und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt durch eine „Goldene Regel“ ergänzt werden. Diese würde Investitionen von der geltenden Neuverschuldungsbegrenzung ausnehmen. Eine entsprechende Regelung hatte der Sachverständigenrat bereits 2007 angeregt.

Aus makroökonomischer Sicht sei die genaue institutionelle Ausgestaltung eines erhöhten Spielraums für kreditfinanzierte öffentliche Investitionen zweitrangig, schreiben die Wissenschaftler*innen. Wichtig sei dagegen dreierlei: „Erstens darf mit zusätzlichen Investitionen möglichst wenig Zeit verloren werden, da die Gefahr besteht, dass sich die Stagnationstendenzen der deutschen Wirtschaft weiter verfestigen und zudem die Kosten der Dekarbonisierung angesichts sich verringernder Zeit bis 2045 merklich erhöhen.

Zweitens sollte möglichst durch überjährige Planung der Investitionsvorhaben Planungssicherheit sowohl für jene geschaffen werden, die die Investitionen nutzen, als auch für Unternehmen, die potenziell mit dem Aufbau der Infrastruktur beauftragt werden.“ Und drittens sollte beachtet werden, dass zwar grundsätzlich alle identifizierten Ausgaben über einen Fonds beziehungsweise eine Kreditaufnahme durch die „Goldene Regel“ ermöglicht werden könnten, „die laufenden Ausgaben der Nutzung und Bewirtschaftung aber über die regulären Haushalte abzuwickeln sind.“


Ruhr-IHKs fordern mehr Einsatz vom Land Ruhr-Konferenz im Fokus  

Duisburg, 28. Mai 2024 - Mehr Anstrengungen für das Ruhrgebiet: Das fordern die Ruhr-IHKs von der Landesregierung. Bei einem Treffen mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Josef Hovenjürgen bei der Niederrheinischen IHK in Duisburg sprachen die IHK-Hauptgeschäftsführer die wichtigsten Themen an: Infrastruktur, Steuern und Gewerbeflächen. Auch die Bilanz der Ruhr-Konferenz wurde diskutiert.  

„Das Ruhrgebiet braucht weiterhin die besondere Aufmerksamkeit der Landesregierung. Wir stecken nach wie vor im Strukturwandel. Wenn die Wirtschaft insgesamt lahmt, so tun wir uns im Ruhrgebiet besonders schwer“, beschreibt Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK, die Lage.


„Straßen und Brücken sind marode, wir haben zu wenig Gewerbeflächen und unsere Kommunen kämpfen mit den finanziellen Belastungen. Das ist eine schwierige Situation. Unsere Unternehmen brauchen Unterstützung. Die hätten wir auch von der Ruhr-Konferenz erwartet, doch deren Ergebnisse bleiben weit hinter unseren Erwartungen zurück. Die Landesregierung sollte an dem Konzept der Konferenz anknüpfen und Leuchtturmprojekte auf den Weg bringen. Dazu wird es auch Geld brauchen, wenn wir vorankommen wollen“, betont Dietzfelbinger weiter.  


„Die NRW-Landesregierung hat das Ruhrgebiet weiterhin besonders im Blick“, sichert Hovenjürgen, Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Heimatministerium, der IHK-Runde zu. Er verwies auf viele erfolgreiche Projekte der Ruhr-Konferenz, darunter die Research Alliance der drei großen Universitäten. Dort soll an Lösungen zu den wichtige Zukunftsthemen geforscht werden. „Wir setzen auch auf Impulse und Investitionen aus der Wirtschaft“, skizziert Hovenjürgen die Erwartungen der Landesregierung. Dabei hoffe er auf die weitere Unterstützung der IHKs.  


Die Ruhr-Konferenz wurde 2018 von der NRW-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsident Armin Laschet ins Leben gerufen. Ziel ist es, Chancen und Potenziale des Ruhrgebiets zu identifizieren und den Strukturwandel voranzutreiben. Damit soll der Lebens- und Wirtschaftsraum an Rhein und Ruhr zukunftsfähig aufgestellt werden.
Beteiligt sind Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft sowie Privatleute. Ausgelegt ist der Prozess für rund 20 Jahre.  

Die Ruhr-IHKs wünschen sich mehr Aufmerksamkeit für das Ruhrgebiet von der Landesregierung. Darüber sprachen die Hauptgeschäftsführer mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Josef Hovenjürgen (vorne, 2. von rechts). Foto: Niederrheinische IHK


Trotz Diskussionen um sicherere Lieferketten: Insourcing von Produktionsschritten aus dem Ausland bislang relativ selten

Neue Studie
Düsseldorf/Duisburg, 27. Mai 2024 - In Zeiten angespannter Lieferketten ist das Insourcing zuvor ausgelagerter Leistungen für viele Industrieunternehmen ein Thema. Betriebsräte können eine wichtige Rolle bei einer klugen Gestaltung von Wertschöpfungsketten spielen. Das ergibt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.*


Die Coronakrise hat zu einem Umdenken in Unternehmen geführt: Um widerstandsfähiger zu sein, wenn globale, aber auch regionale Lieferketten durch Krisen und Kriege unter Druck geraten, holen sie zuvor ausgelagerte Teile der Produktion zurück. In der deutschen Industrie gibt es einen gewissen Trend zum Insourcing. So wird es zumindest oft behauptet, aber stimmt das?


Dieser Frage sind Sandra Jaworeck von der Technischen Universität Chemnitz, Prof. Dr. Markus Hertwig von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Carsten Wirth von der Hochschule Darmstadt nachgegangen. Das Ergebnis: Teilweise haben Unternehmen ausgelagerte Bereiche tatsächlich zurück ins Unternehmen geholt – allerdings anders als häufig vermutet: Nur in jedem vierten Fall geht es um Rückverlagerungen aus dem Ausland.


„Wir wussten aus der Forschung viel über Outsourcing“, erklärt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, „aber wir wussten fast nichts über Insourcing. Hier sind wir nun deutlich schlauer. So scheint zum Beispiel das ‚Reshoring‘ – also die Rückverlagerung von Produktionsschritten, die zuvor ins Ausland verlagert wurden – eher ein Mythos als ein belastbares Phänomen zu sein. Das ist überraschend angesichts der Diskussionen über resilientere Lieferketten, die schon während des Untersuchungszeitraums intensiv geführt wurden.“


Die Studie, die aus einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt hervorgegangen ist, basiert auf einer Befragung von mehr als 1000 Vertreterinnen und Vertretern des Managements in Industrieunternehmen, die zwischen Mai und Oktober 2021 durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt standen Fragen nach Formen, Praktiken und Motiven des In- und Outsourcings in den letzten drei Jahren, von denen zwei wesentlich durch die Corona-Pandemie geprägt waren.


Ergänzend wurden Fallstudien in insgesamt neun Unternehmen durchgeführt, in denen Insourcing stattgefunden hat. Hier wurden zumeist sowohl das Management als auch der Betriebsrat und die zuständige Gewerkschaft befragt. Insgesamt haben 28 Prozent der befragten Unternehmen im Untersuchungszeitraum eine oder mehrere Leistungen eingegliedert, während 33 Prozent Leistungen ausgegliedert haben. In 13 Prozent der Unternehmen war beides der Fall. Die Wiedereingliederung fand am häufigsten in mittelgroßen Unternehmen mit 50 bis 199 Beschäftigten statt.


Die Forscher vermuten, dass kleine und mittelständische Unternehmen besonders häufig von „Outsourcing Failures“ betroffen sind. Im Gegensatz zu Großunternehmen mangele es ihnen an Durchsetzungskraft gegenüber den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen, sodass sich die mit dem Outsourcing verbundenen Erwartungen häufiger nicht erfüllen. Folglich würden Leistungen wieder eingegliedert. Rund drei Viertel aller in die befragten Unternehmen rückverlagerten Leistungen wurden vor dem Insourcing von Dienstleistern in Deutschland übernommen.


Rund 11 Prozent davon waren „onsite“, also an externe Dienstleister auf dem eigenen Betriebsgelände ausgelagert, 31 Prozent in der Region und 32 Prozent außerhalb der Region, aber in Deutschland. Demgegenüber wurde nur ein Viertel der eingegliederten Leistungen zuvor aus dem Ausland bezogen. Das heißt: Einmal aus Deutschland abgewanderte Produktion wird relativ selten wieder zurückverlagert. Das Ergebnis ihrer Untersuchung widerspreche damit dem vorherrschenden Diskurs in der Forschung, die vor allem das Insourcing aus dem Ausland thematisiere, so Jaworeck, Hertwig und Wirth. Das zentrale Motiv für Insourcing ist für die befragten Managerinnen und Manager die „Erhöhung der Flexibilität“, die rund 77 Prozent als wichtig oder sehr wichtig einstufen.


Dahinter folgt mit 70 Prozent die „Verbesserung der Arbeitsabläufe“. Damit unterschieden sich die Hauptmotive für Insourcing kaum von denen, die andere Unternehmen beim Outsourcing nennen, erklären die Forschenden. „Beschäftigungssicherung“ spielt in 50 Prozent der Fälle eine wichtige oder sehr wichtige Rolle. Das „Erreichen von Nachhaltigkeitszielen“ wird von knapp 40 Prozent der Befragten als wichtiger oder sehr wichtiger Grund für die Insourcing-Entscheidung angesehen. Die Begründungen des Managements für oder gegen In- oder Outsourcing seien häufig von einer „gewissen Beliebigkeit“ geprägt, erklären Jaworeck, Hertwig und Wirth.


Das bedeute auch: Mit guten Argumenten könnten Mitbestimmungsakteure, auch gemeinsam mit Akteuren ähnlicher Interessenlage, beispielsweise aus dem mittleren Management, aus verschiedenen Abteilungen oder Unternehmensbereichen, Einfluss nehmen. Betriebsratsmitglieder könnten durch eine geschickte Kombination von Mitbestimmungsrechten und Sachfragen den Wiedereingliederungsprozess beratend begleiten oder sogar initiieren.

Die größten Erfolgsaussichten hätten sie, so die Studie, wenn es sich um standortnahe Tätigkeiten handelt, die erst kürzlich ausgelagert wurden und zum Kernbereich des Unternehmens gehören. Probleme in der Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern kurz nach dem Outsourcing könnten ein Ansatzpunkt für Gespräche und Initiativen sein.


- Wirtschaftsstandort Duisburg: Drittes Strukturmonitoring veröffentlicht
- Eigenkapital beim Jahresabschluss 2023 steigt auf 315,9 Millionen Euro 

Duisburg, 22. Mai 2024 - Das Wirtschaftsdezernat der Stadt Duisburg hat das dritte Strukturmonitoring zum Wirtschaftsstandort Duisburg veröffentlicht. Das Zahlenwerk stellt für interessierte Unternehmen, Investoren und Fachkräfte prägnant Daten und Fakten zu den Themen Bevölkerung, Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Forschung, Flächenentwicklung, Tourismus- und Kulturangebote zusammen, um Duisburgs lokalspezifische Potenziale aufzuzeigen.


„Die wirtschaftliche Entwicklung Duisburgs kann sich sehen lassen. Die Zahlen aus 2023 verdeutlichen, dass die Duisburger Wirtschaft nicht nur robust gegenüber geopolitischen Krisen ist, sondern wir in Duisburg auf einem guten Weg sind“, erläutert Wirtschaftsdezernent Michael Rüscher. „Viele Kennzahlen wie die Zahl der Beschäftigten oder die Einkommen der Duisburger Einwohner haben sich positiv entwickelt. Den bislang eingeschlagenen Entwicklungspfad wollen wir weiter gehen. Erste Schritte, wie zum Beispiel die Absenkung der Steuerhebesätze, konnten bereits umgesetzt werden.

Weitere Zukunftsprojekte wie das Technologiezentrum und die Entwicklung des Technologiequartiers in Wedau tragen dazu bei, weiter Fahrt beim Strukturwandel aufzunehmen“, so Rüscher. Zuletzt konnte Duisburg erfolgreich 17 Millionen Euro Strukturhilfe für ein neues Zentrum für angewandte künstliche Intelligenz einwerben. Die Datenbasis wird regelmäßig fortgeschrieben, um so die Entwicklungen abbilden zu können. Das Ergebnis kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.duisburg.de/microsites/wirtschaft/projektethemen/branchenreports-und-marktanalysen.php.media/246360/ONLINEWirtschaftliche-Entwicklung-in-Duisburg-Strukturmonitoring-2024.pdf

z.B.:





Positive Entwicklung der Stadtfinanzen: Eigenkapital beim Jahresabschluss 2023 steigt auf 315,9 Millionen Euro
Die Stadt Duisburg schreibt den positiven Trend bei der Entwicklung der Stadtfinanzen fort. Der bilanzielle Überschuss beläuft sich für den Jahresabschluss 2023 auf 115,7 Millionen Euro. Deshalb kann die Stadt Duisburg erstmals zusätzlich zur allgemeinen Rücklage in Höhe von 117,7 Millionen Euro auch eine sogenannte Ausgleichsrücklage von 143,7 Millionen Euro ausweisen. Diese kann der Stadt helfen, finanziell schwierige Jahre zu überbrücken. Bereits 2022 hatte sich die Stadt aus der Überschuldung befreit. Diese Entwicklung setzt sich nun weiter fort.


Das Eigenkapital steigt auf 315,9 Millionen Euro an. Das Jahresergebnis ist um 106,9 Millionen Euro besser als geplant ausgefallen. Die Verbesserung setzt sich zusammen aus Mehrerträgen in Höhe von 222,7 Millionen Euro, von denen rund 126,5 Millionen Euro auf Mehrerträge bei der Gewerbesteuer entfallen. Auch die Aufwendungen haben sich erhöht, diese Steigerung ist aber mit 56,2 Millionen Euro wesentlich geringer ausgefallen.


Oberbürgermeister Sören Link: „Die beeindruckende Entwicklung unserer Stadtfinanzen haben wir uns über die vergangenen Jahre hart erarbeitet. Auch die gute Zusammenarbeit von Rat und Stadtverwaltung haben dafür gesorgt, dass der Jahresüberschuss 2023 unsere Haushaltslage nochmals erheblich verbessert hat und das Eigenkapital weiter angewachsen ist. Wir können eigenverantwortlich investieren und so zum Beispiel wichtige Stadtentwicklungsprojekte vorantreiben. Zugleich entlasten wir die Duisburgerinnen und Duisburger weiterhin: bei den bereits gesenkten Gebühren für die Kinderbetreuung oder durch die im vergangenen Jahr in Kraft getretene Senkung der Grund- und Gewerbesteuer.“


Stadtdirektor und Stadtkämmerer Martin Murrack: „Die jahrelangen Sparbemühungen tragen Früchte: So konnten seit 2014 allein die Kassenkredite um mehr als eine Milliarde Euro auf rund 753 Millionen Euro verringert werden. Angesichts der derzeit weiterhin steigenden Zinsen war die Entscheidung zur konsequenten Entschuldung richtig. Für die verbliebenen Altschulden ist insbesondere das Land Nordrhein-Westfalen gefragt, endlich die seit Jahren bestehende Ankündigung wahrzumachen, die Kommunen von den immer noch hohen Altschuldenbeständen zu entlasten.

 Denn nicht nur in Duisburg, sondern überall im Land steht den Kommunen das Wasser bis zum Hals, nicht nur wegen der steigenden Kosten für Zinsen, auch Bauen, Personal und Energie sind deutlich teurer geworden!“ Die aktuelle Mai-Steuerschätzung zeigt zugleich, wie wichtig ein positiver Jahresabschluss ist. Denn künftig wird die Stadt Duisburg zusätzlich zu den erheblichen Kostensteigerungen auch mit deutlich geringeren Steuereinnahmen rechnen müssen.

Öffentlichkeitsbeteiligung: Umgestaltung der Düsseldorfer Straße
Die Düsseldorfer Straße soll im Bereich zwischen der Friedrich-WilhelmStraße und der Mercatorstraße im Duisburger Dellviertel umgestaltet werden. Dafür findet am Montag, 27. Mai, ab 18 Uhr im Lehmbruck Museum, Friedrich-Wilhelm-Straße 40, eine Veranstaltung statt, in der die Öffentlichkeit beteiligt wird. Die Baumaßnahme ist Teil des „Integrierten Handlungskonzeptes Innenstadt („IHI 2022“)“.

Alle Interessierten sind eingeladen, die Veranstaltung zu besuchen und sich an den Planungen zu beteiligen. Einlass ist ab 18 Uhr. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.



Teuerungsraten mehrerer Haushaltstypen unter Inflationsziel – EZB-Zinswende überfällig

Düsseldorf/Duisburg, 18. Mai 2024 - Die Inflationsrate in Deutschland lag im April mit 2,2 Prozent nur noch knapp über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Die Teuerungsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, lagen relativ nah beieinander. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Rate betrug 0,9 Prozentpunkte.


Zum Vergleich: Im April 2023 waren es 1,9 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der letzten Inflationswelle sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im April 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen verteuerte sich im April um 1,4 Prozent, der von Familien mit niedrigen Einkommen um 1,6 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.*


Insgesamt lag die Inflationsrate von fünf der untersuchten neun Haushaltstypen im April unter zwei Prozent, die der übrigen nur knapp darüber. Angesichts des schnellen Rückgangs der Inflation und einer schwachen Wirtschaftsentwicklung seien Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ab Juni überfällig, analysieren die Forschenden. Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden.




Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link zur Datenbank unten). Die längerfristige Betrachtung illustriert anschaulich, dass ärmere Haushalte während der letzten Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber.


Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber stark nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im April 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 8,1 Prozent.


Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in diesem Monat mit 6,2 Prozent deutlich niedriger und unter der allgemeinen Inflationsrate von damals 7,2 Prozent.  Dass die allgemeine Inflationsrate im April wie im März 2024 unverändert 2,2 Prozent betragen hat, liegt vor allem daran, dass zwar die Kerninflation ohne Lebensmittel und Energie spürbar zurückging, aber die Preise für Haushaltsenergie weniger stark als im Vormonat (-3,2 Prozent nach -4,6 Prozent), während zugleich die Nahrungsmittelpreise etwas stärker stiegen (1,1 Prozent nach 0,2 Prozent) und zudem die Kraftstoffpreise anzogen.


Dabei erhöhte die Wiederanhebung des Mehrwertsteuersatzes auf Erdgas und Fernwärme die Inflationsrate um 0,2 Prozentpunkte. Ohne diesen Effekt wäre also die EZB-Zielinflation genau erreicht, so die Fachleute des IMK. Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen waren davon geringfügig stärker betroffen als reiche, da Heizenergie in ihren Warenkörben eine größere Rolle spielt, ebenso wie Nahrungsmittel. Dass Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent aktuell eine leicht höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere Freizeit- und Kulturdienstleistungen, Hotelübernachtungen, Restaurantdienstleistungen oder Gesundheitsdienstleistungen nachfragen, deren Preise aktuell deutlich anziehen.


Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich um 2,2 Prozent verteuerte. Die Inflationsraten von Paaren ohne Kinder und von Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen betrug je 2,1 Prozent. Alleinlebende mit höheren Einkommen verzeichneten eine Teuerungsrate von 1,9 Prozent. Bei Alleinlebenden und bei Alleinerziehenden mit jeweils mittleren Einkommen legten die Preise im Jahresvergleich um je 1,8 Prozent zu (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version).

„EZB hätte spätestens im April reagieren müssen“ Dullien und Tober rechnen trotz der Stagnation zwischen März und April mit weiter nachlassendem Preisdruck. Sie kritisieren, dass die EZB bislang die Chance verstreichen ließ, die Leitzinsen zu senken, trotz der sich zeitgleich eintrübenden Wirtschaftslage. „Auf diese deutlich veränderte Datenlage hätte die EZB spätestens im April reagieren müssen, zumal EZB-Präsidentin Christine Lagarde stets betont, die EZB würde datenbasiert agieren“, schreiben die Forschenden.


Ein Umschwenken auf einen Zinssenkungskurs bei der nächsten EZB-Ratssitzung im Juni sei „angesichts des schnellen Rückgangs der Inflation und der geldpolitisch stark gedämpften Wirtschaftsaktivität überfällig.“ Informationen zum Inflationsmonitor Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen.


Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.  


Bundeskanzler Scholz an Wasserstoff- Qualifikation aus Duisburg interessiert

Niederrheinische IHK macht Auszubildende fit für grünen Stahl  
Duisburg, 16. Mai 2024 - Eine Auszeichnung für die Niederrheinische IHK: Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck interessieren sich für die IHK-Zusatzqualifikation Wasserstoff „made in Duisburg“.
Auszubildende bereiten sich damit schon frühzeitig auf die neuen Technologien auf dem Weg zum grünen Stahl vor. Das Duisburger IHK-Team stellte dem Bundeskanzler die Qualifikation exklusiv vor. Sie wurde ausgewählt aus rund 120 Projekten, die beim IHK-Tag am 15. Mai in Berlin präsentiert wurden.  

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht am IHK-Tag in Berlin mit Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK, Auszubildenden und weiteren Beteiligten über die neue Zusatzqualifikation Wasserstoff.  Foto: DIHK/Werner Schuering  


Wenn es um eine klimafreundliche zukunftsorientierte Industrie geht, spielt Wasserstoff als Energieträger eine zentrale Rolle. In Duisburg, am größten Stahlstandort Europas, ist der Bedarf an Wasserstoff-Experten deshalb besonders groß. Die Niederrheinische IHK hat deshalb schon früh eine Zusatzqualifikation rund um das Thema Wasserstoff erarbeitet. Gemeinsam mit der Thyssenkrupp Steel Europe AG, den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM), dem Zentrum für Brennstoffzellen-Technik GmbH (ZBT) und dem Robert-Bosch-Berufskolleg haben die IHK-Bildungsexperten eine Zusatzqualifikation entwickelt.


Die ersten 16 Auszubildenden haben diesen neuen Abschluss bereits erfolgreich erworben.     Bundesweite Pioniere für Wasserstoff-Know-how „Unsere Absolventen sind bundesweite Pioniere“, sagte Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK. Für die Auszubildenden ist das Wissen rund um Wasserstoff ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Arbeitsmarkt. „Wir freuen uns, dass das Engagement aller Beteiligten von der Bundespolitik und auch international gewürdigt wird. Es zeigt, wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre Fachkräfte fit machen. Ende Mai startet schon der zweite Jahrgang an Azubis seine Zusatzqualifikation“, so Schaurte-Küppers.  


Jan Heddendorp, Auszubildender bei Thyssenkrupp Steel, hat als Bester seines Jahrgangs die Qualifikation abgeschlossen: „Für mich ist es sehr wichtig, dass meine Ausbildung zum Mechatroniker mich nicht nur auf aktuelle Technologien vorbereitet, sondern auch auf zukünftige Entwicklungen, wie in diesem Fall den Umgang mit Wasserstoff. Die Zusatzqualifikation hat mir dabei wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt, insbesondere durch praktische Anwendungen.“  


IHK-Team aus Duisburg präsentiert drei Projekte
Der IHK-Tag ist ein bundesweiter Zukunftskongress der IHK-Organisation. In diesem Jahr stand er unter der Überschrift #GemeinsamFachkräfteSichern. Fachleute aus IHKs diskutierten mit Experten und Vertretern aus der Politik über Lösungen, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. Mit insgesamt gleich drei Projekten war das Ausbildungsteam der Niederrheinischen IHK beim IHK-Tag in Berlin vertreten. Neben der Wasserstoffqualifizierung wurde auch das Berufsorientierung- und Sprachcamp sowie das Angebot „Prüfungsdeutsch für Gastronomen und Bauberufe“ vorgestellt. Mit diesen Projekten fördert die IHK gezielt Jugendliche, die praktisch begabt sind und bei der Theorie Förderung brauchen. Unternehmen, die an diesen Angeboten interessiert sind, können sich an Yassine Zerari, 0203-2821 216, zerari@niederrhein.ihk.de wenden.  

Unter 120 vorgestellten Projekten wurde besonders die neue Zusatzqualifikation Wasserstoff gewürdigt. Darüber kam Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ins Gespräch mit Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK (2. v. l.), und weiteren Gästen beim IHK-Tag in Berlin. Foto: Niederrheinische IHK

Rezessionsrisiko erneut leicht gesunken

Weitere Aufhellung für kommende drei Monate


Duisburg/Niederrhein, 14. Mai 2024 - Die Aussichten für die Konjunktur in Deutschland hellen sich weiter langsam auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist dementsprechend in den letzten Wochen leicht gesunken, nachdem sie bereits im April spürbar zurückgegangen war. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Für den Zeitraum von Mai bis Ende Juli weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 45,6 Prozent aus.


Anfang April betrug sie für die folgenden drei Monate 48,7 Prozent und Anfang März noch 58,3 Prozent. Auch die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrückt, ist von April auf Mai gesunken – von 18,7 auf 15,4 Prozent. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarninstrument zeigt wie im April „gelb-rot“, was eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit signalisiert, aber keine akute Rezessionsgefahr.


Davor hatte der Indikator seit Juni 2023 auf „rot“ gestanden. Der aktuelle leichte Rückgang des Rezessionsrisikos beruht zum einen darauf, dass sich die Nachfrage aus dem Ausland nach deutschen Waren zuletzt wieder belebt hat. Zum anderen wirkt sich positiv aus, dass sich Stimmungsindikatoren wie der ifo-Index aufgehellt und einzelne Finanzmarktindikatoren verbessert haben. Dazu zählen die in Erwartung von Leitzinssenkungen aufwärtsgerichteten Aktienkurse. Allerdings gibt es auch gegenläufige Trends, die unter dem Strich einen kräftigeren Rückgang des Rezessionsrisikos verhindert haben. Das gilt etwa für die hohe Zahl an Unternehmensinsolvenzen.


Zudem bleibt die Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund schwächelnder Auftragseingänge aus dem Inland gedämpft – auch wenn die Produktion der energieintensiven Industrien nach Analyse des IMK „ihren Tiefpunkt durchschritten hat“, nachdem sich die Energiepreise im Vergleich zu 2023 stabilisiert haben. „Dank zunehmender Exporte sowie den inzwischen wieder positiven Realeinkommensänderungen und dem daraus resultierenden stärker steigenden privaten Verbrauch dürfte sich die allmähliche Erholung der Konjunktur, die sich im vergangenen Monat angedeutet hat, fortsetzen; allerdings bleibt die Dynamik verhalten.


Beim Bau ist im zweiten Quartal sogar mit einer Gegenbewegung zu rechnen, weil der milde Winter den Fortgang vieler Bauaktivitäten ermöglichte“, fasst IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald das aktuelle Konjunkturbild zusammen. Zudem gingen mit den „geopolitischen Unsicherheiten“, allen voran durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, nach wie vor schwer zu kalkulierende Risiken für die Konjunktur einher.

Wirtschaft am Niederrhein ausgebremst - IHK: Betriebe mehr entlasten

Duisburg/Niederrhein, 14. Mai 2024 - Seit Jahresbeginn hat sich die Lage vieler Unternehmen am Niederrhein verschlechtert. Besonders problematisch sieht es in der Stahl- und Chemiebranche sowie bei den Zulieferern aus. Das geht aus den Ergebnissen der Konjunkturumfrage der Niederrheinischen IHK hervor. Die Risiken für Unternehmen sind weiterhin hoch, zeigt die Umfrage.


Der Fachkräftemangel steht an oberster Stelle. Geringe Inlandsnachfrage und die hohen Energie- und Rohstoffpreise bereiten große Sorgen. Impulse fehlen auch beim Export: Nur zehn Prozent der Betriebe gehen davon aus, dass sich die Exporte in diesem Jahr verbessern. Als Folge investieren die Betriebe weniger. Ein Lichtblick: Im Vergleich zum Jahresbeginn erwarten mehr Unternehmen, dass sich ihre Geschäfte verbessern.  


„Diese Zahlen sind ernüchternd. Wir stehen am Rande einer Rezession und treten auf der Stelle. Zugleich verlieren wir den Anschluss in Europa. Andere Länder legen schon wieder zu. Das zeigt: Die Probleme in Deutschland sind hausgemacht“, so Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK.

Und weiter: „Die Energie ist nach wie vor zu teuer, die Steuern sind zu hoch und die Bürokratie lähmt das Wachstum. Entlastung – das brauchen unsere Firmen jetzt. Doch stattdessen erhöhen manche Kommunen bei uns am Niederrhein die Steuern und Abgaben. Das passt nicht in die Zeit. Und auch aus Berlin kommen kaum Impulse: Schauen wir uns nur das Wachstumschancengesetz an. Das sollte die Wirtschaft entlasten. Passiert ist seit Februar wenig. Wir brauchen einen neuen Anlauf, der nicht nur Alibi-Charakter hat“, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer.  

Der Konjunkturklimaindex fasst die Beurteilung der Geschäftslage und die Erwartungen zusammen. Er liegt unverändert bei 94 Punkten. Damit ist er weiter deutlich unter dem langjährigen Mittel von 108 Punkten. Unter www.ihk.de/niederrhein/konjunkturbericht können Interessierte den Bericht lesen.