Eröffnung: Donnerstag, 16. Mai, 19 Uhr - Laufzeit: 17. Mai bis 25.
August 2024
Duisburg, 15. Mai 2024 - Das Lehmbruck Museum zeigt im
Rahmen seiner Reihe „Sculpture 21st“ das neueste Werk der
iranischen Künstlerin Shirin Neshat: „The Fury“. Neshat
zählt zu den international wichtigsten Künstlerinnen und
widmet sich in ihren Arbeiten auf poetische Weise dem
Leben und Schicksal von Frauen, die sich gegen Gewalt und
Unterdrückung auflehnen.
Zum ersten Mal wird die Videoinstallation - wie eine
Skulptur - auf zwei monumentalen Bildschirmen in der
ikonischen Glashalle des Lehmbruck Museums gezeigt. Die
Aufnahmen für „The Fury“ entstanden im Juni 2022 in New
York. Sie zeigen Episoden des Weges einer jungen
Iranerin, die immer noch von den Erinnerungen an ihre
Gefangenschaft traumatisiert ist, inzwischen aber frei in
den Vereinigten Staaten lebt. In den Bildern verschränken
sich verschiedene Ebenen der Wirklichkeit: Illusion und
Realität, Innenwelt und Außenwelt gehen ineinander über.
Es ist eine rätselhafte Erzählung, die der unbewussten
Gedankenwelt und der Irrationalität starker Gefühle
entspricht.
Die Protagonistin macht dabei
eine Wandlung durch: Ihr kaum bekleideter Körper ist
zunächst den begehrlichen männlichen Blicken ausgesetzt.
Sie üben Macht über ihn aus. Spuren von Gewalt sind
sichtbar. So wecken ihre Erlebnisse und Erinnerungen
unser Mitleid. Im Verlauf des Geschehens gewinnt die
Protagonistin an Stärke und Unabhängigkeit und ist
schließlich in der Lage, sich zu befreien.
Shirin Neshat betrachtet den weiblichen
Körper sowohl als „Schlachtfeld für Ideologien“ als auch
als Quelle der Stärke. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit
auf die Beziehung zwischen dem Männlichen und dem
Weiblichen, dem Individuum und dem Kollektiv, und bringen
uns dazu über die Macht in patriarchalischen
Gesellschaften nachzudenken.
Hintergrund des neuesten Werkes von Shirin Neshat ist
die sexuelle Ausbeutung von Frauen als politische
Gefangene. Viele der Frauen, die schwerer Folter,
sexuellen Übergriffen und sogar Vergewaltigungen
ausgesetzt waren, können sich auch nach ihrer Entlassung
emotional nicht von dem Trauma der Haft erholen und
begehen häufig Selbstmord.
Seit Jahrzehnten konzentriert sich
Neshats umfangreiches Werk auf die Problematik des
weiblichen Körpers in islamischen Kulturen, insbesondere
in Bezug auf ihr Land, den Iran, und auf die Art und
Weise, wie der weibliche Körper weiterhin ein umkämpfter
Raum für Sünde, Scham, Begehren, Unterdrückung,
politische und religiöse Ideologie, aber auch Rebellion,
Macht und Protest ist. „The Fury“ knüpft an dieses Erbe
an, indem es Themen hinterfragt und ins Rampenlicht
rückt, die Frauen sowohl im Iran als auch weltweit
betreffen.
„Sculpture 21st”
Die Ausstellung wird gefördert durch die Stiftung
Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West.
Unter dem Titel „Sculpture 21st” präsentiert das
Lehmbruck Museum seit 2014, dem 50. Geburtstag des
Museums, wechselnde Positionen zur Skulptur des 21.
Jahrhunderts. Einige der wichtigsten Bildhauer*innen der
Gegenwart, unter ihnen Tino Sehgal, Jeppe Hein,
Eija-Liisa Ahtila, Xu Bing, Julian Opie und zuletzt Mona
Hatoum präsentierten in der ikonischen Glashalle des
Museums ihre Werke und definieren so die Skulptur im 21.
Jahrhundert. Dabei werden sowohl dem Museum, der
Gesellschaft, aber auch der Kunst selbst Fragen gestellt,
auf die es keine einfachen Antworten zu geben scheint.
Die imposante Nordhalle des Lehmbruck
Museums mit ihren an drei Seiten großflächig verglasten
Scheibenfronten aus über sieben Meter hohen Glasscheiben
bildet die architektonische Schnittstelle zwischen Museum
und Öffentlichkeit: Wechselnde monographische
Inszenierungen mit Werken international bedeutender
Künstler*innen laden den musealen Raum der
außergewöhnlichen Museumsarchitektur Manfred Lehmbrucks
neu auf und kreieren ein Erfahrungsfeld, das sich in der
Wahrnehmung der Betracher:innen realisiert und diese
physisch einbezieht. Durch die Glaswände sind die
eindrucksvollen Werke auch außerhalb des Museums im
Kantpark sichtbar und bilden so die Schnittstelle
zwischen Öffentlichkeit und musealem Raum.
Die Künstlerin
Shirin Neshat ist eine im Iran
geborene und in New York lebende Künstlerin und
Filmemacherin. Neshat arbeitet mit den Medien Fotografie,
Video und Film, die sie mit höchst poetischen und
politisch aufgeladenen Bildern und Erzählungen versieht,
die Fragen zu Macht, Religion, Rasse, Geschlecht und der
Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Ost und
West, Individuum und Kollektiv vor dem Hintergrund ihrer
persönlichen Erfahrungen als im Exil lebende Iranerin
stellen.
Neshat hatte zahlreiche
Einzelausstellungen in internationalen Museen, darunter
die Pinakothek der Moderne, München, das Modern Art
Museum of Fort Worth, The Broad, Los Angeles, das Museo
Correr, Venedig, Italien, das Hirshhorn Museum,
Washington D.C. und das Detroit Institute of Arts.
Sie hat bei drei abendfüllenden Filmen Regie geführt:
Women Without Men (2009), der bei den 66. Internationalen
Filmfestspielen von Venedig mit dem Silbernen Löwen für
die beste Regie ausgezeichnet wurde, Looking For Oum
Kulthum (2017) und zuletzt Land of Dreams, der bei den
Filmfestspielen von Venedig (2021) uraufgeführt wurde.
Neshat wurde mit dem Goldenen Löwen, dem Ersten
Internationalen Preis der 48. Biennale di Venezia (1999),
dem Hiroshima Freedom Prize (2005) und dem Dorothy and
Lillian Gish Prize (2006) ausgezeichnet. 2017 erhielt sie
den renommierten Praemium Imperiale Award in Tokio.
Sie wird von der Gladstone Gallery in New York und
der Goodman Gallery in London vertreten.
Statements
Linda Wagner, Kulturdezernentin der Stadt Duisburg:
„The Fury" ist ein visionäres Kunstwerk, das die
Protestbewegungen im Iran einige Monate vorwegnahm.
Es entstand noch vor den landesweiten Protesten
gegen die autoritäre Regierung im Jahr 2022 und erzählt
die Geschichte einer jungen Iranerin, die von ihren
Gefangenschaftserinnerungen gequält wird. Shirin Neshat
hat ein Werk geschaffen, das für alle Menschen zugänglich
und verständlich ist. Besonders beeindruckend ist, dass
wir als Besucher Teil des Werkes werden und die
Geschichte durch unsere Perspektive lenken. Mit dieser
Ausstellung zeigt das Lehmbruck Museum erneut, dass es
ein Ort ist, an dem auch brisante gesellschaftliche
Themen zur Sprache kommen. Kunstwerke wie „The Fury“
bezaubern und verstören zugleich und können uns dazu
bringen, Positionen zu überdenken.
•
Ursula Wißborn, Vorstand der Stiftung
der Sparda-Bank West:
Die Ausstellungsreihe Sculpture 21st zu fördern
bedeutet für uns, die kulturelle Vielfalt und
künstlerische Innovation des 21. Jahrhunderts zu
präsentieren. Die Besucherinnen und Besucher tauchen ein
in die Geschichten und Kulturen der präsentierten
Künstlerinnen und Künstler. Kulturelle Vielfalt bedeutet
zudem für uns, Kunst für alle Menschen, unabhängig von
ihrem Alter, ihrer Herkunft oder ihrem gesellschaftlichen
Background, zugänglich zu machen. Daher freuen wir uns
auf ein großes Kunsterlebnis am 18. August 2024: Sie sind
alle herzlich eingeladen, das Museum beim
Sparda-Sommerfest zu entdecken.
•
Dr. Söke Dinkla, Direktorin des
Lehmbruck Museums:
Das Werk Shirin Neshats provoziert uns dazu, über die
Rolle der Frau nachzudenken – sowohl im Iran, ihrem
Heimatland, als auch weltweit. „The Fury“ gelingt es,
eine Form von Eleganz und Schönheit auszustrahlen und
zugleich Diskussionen auszulösen – nur die Kunst schafft
es, Form und Inhalt auf diese Weise zusammen zu bringen